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Charkiw-Offensive: Zurückeroberte Städte und Straßen, die zählen

In wenigen Tagen konnte die Ukraine große Gebiete östlich von Charkiw von Russland zurückerobern. Als besonders wichtig gilt die Stadt Isjum, ein Verkehrsknoten nahe der umkämpften Region Donbass.

Es sind Zahlen, über die man in der Ukraine immer noch staunt. Seit dem 6. September habe die ukrainische Armee mehr als 6.000 Quadratkilometer und mehr als 300 Ortschaften mit einer Gesamtbevölkerung von rund 150.000 Menschen im Gebiet Charkiw befreit, teilte am Dienstag die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar mit. Fast das gesamte Territorium im Norden und Osten des Gebiets Charkiw wurde demnach zurückerobert.

Es war von Russland zu Beginn des Einmarsches am 24. Februar schnell besetzt und gehalten worden. Für die Ukraine ist diese Offensive der zweite große Erfolg seit Ende März, als die russische Offensive auf Kiew scheiterte und Moskau seine Truppen nördlich der Hauptstadt abzog.

Es sind Zahlen, über die man in der Ukraine immer noch staunt. Seit dem 6. September habe die ukrainische Armee mehr als 6.000 Quadratkilometer und mehr als 300 Ortschaften mit einer Gesamtbevölkerung von rund 150.000 Menschen im Gebiet Charkiw befreit, teilte am Dienstag die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar mit. Fast das gesamte Territorium im Norden und Osten des Gebiets Charkiw wurde demnach zurückerobert.

Zunächst hatte Moskau tagelang geschwiegen – und schließlich den fluchtartigen Rückzug als “Umgruppierung” beschrieben. Für Charkiw selbst, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, bedeutet das noch keine Erleichterung. Sie liegt nahe der Grenze zu Russland und wird von dort fast täglich beschossen, zuletzt immer mehr. Doch für die Gebiete weiter östlich ist das Ende der Besatzung strategisch wichtig.    

Isjum: das Tor zum Donbass 

Als die wohl wichtigste Stadt, die die Ukraine zurückerobern konnte, gilt Isjum. Die Stadt, in der vor dem russischen Einmarsch rund 50.000 Menschen lebten, liegt im Südosten des Gebiets Charkiw an der strategisch wichtigen Fernstraße M-03 (E-40). Diese verbindet Charkiw unter anderem mit der Stadt Slowjansk im benachbarten Gebiet Donezk. Von Isjum nach Slowjansk sind es nur 50 Kilometer, es ist das Tor zum Kohlerevier Donbass.  

Seit dem Kriegsausbruch im Donbass 2014 ist diese Fernstraße zu einer der zentralen Verkehrsadern der Ukraine geworden. Auf diesem Weg werden Truppen im ukrainisch kontrollieren Teil von Donbass von Charkiw aus versorgt. Russland versucht, ukrainische Truppen bei Slowjansk einzukreisen, auch aus dem Norden, doch bisher ohne Erfolg. Den ganzen Sommer gab es dort schwere Gefechte. Die Rückeroberung von Isjum entlastet Kiews Truppen im Donbass und macht eine Fortsetzung der Offensive weiter Richtung Osten möglich.

Isjum ist nicht nur als Verkehrsknoten wichtig. In der Stadt gibt es eine Waffenfabrik, die zum staatlichen Konzern Ukroboronprom gehört. Die Fabrik ist der einzige Hersteller von Glasoptik in der Ukraine. Dort werden die meisten Nachtsichtgeräte für ukrainische Militärtechnik produziert, darunter für Kampf- und Schützenpanzer. Außerdem werden in der Waffenfabrik in Isjum Teile der Lasersteuerung für ukrainische Anti-Panzer-Raketen vom Typ Stuhna und “Korsar” hergestellt. Beide Systeme werden im Krieg eingesetzt.

Nicht weniger wertvoll ist auch die Stadt Kupjansk, der zweitwichtigste Eisenbahnknoten im Gebiet Charkiw. Die Stadt liegt im Norden und ist nur 40 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt. Die russischen Besatzungstruppen nutzten Kupjansk, um Nachschub an die Front bei Isjum zu transportieren. Auf der russischen Seite wurde in den vergangenen Jahren bei der Stadt Walujki nahe der ukrainischen Grenze ein neuer Armeestützpunkt gebaut.

Kupjansk liegt am Oskol-Fluss, die russischen Truppen zogen sich infolge der ukrainischen Offensive auf sein östliches Ufer zurück. Vor dem Einmarsch lebten rund 60.000 Menschen in der Stadt. Während der Besatzung wurde dort eine von Moskau faktisch kontrollierte “zivil-militärische Verwaltung” installiert. Die ukrainische Offensive zwang sie zunächst nach Wowtschansk nahe der Grenze und dann nach Belgorod in Russland umzuziehen. Diese “Verwaltung” plante offenbar für die kommenden Monate ein “Referendum” für den Anschluss an Russland, ähnlich wie in anderen besetzten Gebieten. Diese Pläne wurde nun gestört.  

Zu den ersten Städten, die im Gebiet Charkiw befreit wurden, zählt Balaklija. Der Ort mit rund 27.000 Bewohnern vor dem Krieg ist kleiner als Isjum oder Kupjansk. liegt jedoch nicht weit der strategisch wichtigen Fernstraße M-03 auf dem Weg von Charkiw nach Isjum. 

2017 sorgte Balaklija in der Ukraine und im Ausland für Schlagzeilen als dort ein Munitionsdepot für Artilleriegeschosse explodierte. Nach einigen Angaben war dort einst das größte Munitionsdepot der Ukraine untergebracht, ein Erbe der Sowjetunion. Die Behörden in Kiew sprachen von Sabotage.

Schließlich ist die Gegend um Balaklija für die Gasversorgung der Ukraine wichtig. Dort befindet sich das Schebelinka-Gasfeld, das größte der Ukraine. Durch die Nähe zur Front war die Gasförderung in Gefahr. Fast die Hälfte des ukrainischen Gases wird im Gebiert Charkiw gefördert.

Nach dem Erfolg der vergangenen Tage versucht die Ukraine, weiter nach Osten vorzustoßen und neue Gebiete zu befreien. Das Tempo ist jedoch deutlich langsamer geworden. Die zentrale Frage der kommenden Wochen dürfte sein, ob die Ukraine die bereits befreiten Territorien auch halten kann. Beobachter schließen nicht aus, dass sich Russland neu aufstellt und erneut im Norden angreift. Der tschetschenische Anführer Ramsan Kadyrow, dessen Truppen im Ukrainekrieg als berüchtigt gelten, kündigte an, verlorenes Gebiet werde wieder unter Moskaus Kontrolle gebracht.

Einfach dürfte das Vorhaben für Russlands Armee jedoch nicht werden. Die Ukraine versucht gerade im Süden, im Gebiet Cherson, vorzustoßen. Sie konnte kleinere Ortschaften zurückerobern. Russland hält Cherson wegen seiner Nähe zu der annektieren Krim offenbar für viel wichtiger als Charkiw und schickte dorthin zuletzt immer wieder Verstärkung. 

Ukrainischer Soldat auf einem zerstörten russischen Panzer bei Isjum, 11. September 2022
Zerstörtes russisches Militärfahrzeug in Balaklija, 10. September 2022

Es sind Zahlen, über die man in der Ukraine immer noch staunt. Seit dem 6. September habe die ukrainische Armee mehr als 6.000 Quadratkilometer und mehr als 300 Ortschaften mit einer Gesamtbevölkerung von rund 150.000 Menschen im Gebiet Charkiw befreit, teilte am Dienstag die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar mit. Fast das gesamte Territorium im Norden und Osten des Gebiets Charkiw wurde demnach zurückerobert.

Es war von Russland zu Beginn des Einmarsches am 24. Februar schnell besetzt und gehalten worden. Für die Ukraine ist diese Offensive der zweite große Erfolg seit Ende März, als die russische Offensive auf Kiew scheiterte und Moskau seine Truppen nördlich der Hauptstadt abzog.

Isjum: das Tor zum Donbass 

Zunächst hatte Moskau tagelang geschwiegen – und schließlich den fluchtartigen Rückzug als “Umgruppierung” beschrieben. Für Charkiw selbst, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, bedeutet das noch keine Erleichterung. Sie liegt nahe der Grenze zu Russland und wird von dort fast täglich beschossen, zuletzt immer mehr. Doch für die Gebiete weiter östlich ist das Ende der Besatzung strategisch wichtig.    

Als die wohl wichtigste Stadt, die die Ukraine zurückerobern konnte, gilt Isjum. Die Stadt, in der vor dem russischen Einmarsch rund 50.000 Menschen lebten, liegt im Südosten des Gebiets Charkiw an der strategisch wichtigen Fernstraße M-03 (E-40). Diese verbindet Charkiw unter anderem mit der Stadt Slowjansk im benachbarten Gebiet Donezk. Von Isjum nach Slowjansk sind es nur 50 Kilometer, es ist das Tor zum Kohlerevier Donbass.  

Seit dem Kriegsausbruch im Donbass 2014 ist diese Fernstraße zu einer der zentralen Verkehrsadern der Ukraine geworden. Auf diesem Weg werden Truppen im ukrainisch kontrollieren Teil von Donbass von Charkiw aus versorgt. Russland versucht, ukrainische Truppen bei Slowjansk einzukreisen, auch aus dem Norden, doch bisher ohne Erfolg. Den ganzen Sommer gab es dort schwere Gefechte. Die Rückeroberung von Isjum entlastet Kiews Truppen im Donbass und macht eine Fortsetzung der Offensive weiter Richtung Osten möglich.

Isjum ist nicht nur als Verkehrsknoten wichtig. In der Stadt gibt es eine Waffenfabrik, die zum staatlichen Konzern Ukroboronprom gehört. Die Fabrik ist der einzige Hersteller von Glasoptik in der Ukraine. Dort werden die meisten Nachtsichtgeräte für ukrainische Militärtechnik produziert, darunter für Kampf- und Schützenpanzer. Außerdem werden in der Waffenfabrik in Isjum Teile der Lasersteuerung für ukrainische Anti-Panzer-Raketen vom Typ Stuhna und “Korsar” hergestellt. Beide Systeme werden im Krieg eingesetzt.

Kupjansk: Eisenbahnknoten an der Grenze zu Russland

Nicht weniger wertvoll ist auch die Stadt Kupjansk, der zweitwichtigste Eisenbahnknoten im Gebiet Charkiw. Die Stadt liegt im Norden und ist nur 40 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt. Die russischen Besatzungstruppen nutzten Kupjansk, um Nachschub an die Front bei Isjum zu transportieren. Auf der russischen Seite wurde in den vergangenen Jahren bei der Stadt Walujki nahe der ukrainischen Grenze ein neuer Armeestützpunkt gebaut.

Balaklija: Waffendepot und Gasfeld 

Kupjansk liegt am Oskol-Fluss, die russischen Truppen zogen sich infolge der ukrainischen Offensive auf sein östliches Ufer zurück. Vor dem Einmarsch lebten rund 60.000 Menschen in der Stadt. Während der Besatzung wurde dort eine von Moskau faktisch kontrollierte “zivil-militärische Verwaltung” installiert. Die ukrainische Offensive zwang sie zunächst nach Wowtschansk nahe der Grenze und dann nach Belgorod in Russland umzuziehen. Diese “Verwaltung” plante offenbar für die kommenden Monate ein “Referendum” für den Anschluss an Russland, ähnlich wie in anderen besetzten Gebieten. Diese Pläne wurde nun gestört.  

Zu den ersten Städten, die im Gebiet Charkiw befreit wurden, zählt Balaklija. Der Ort mit rund 27.000 Bewohnern vor dem Krieg ist kleiner als Isjum oder Kupjansk. liegt jedoch nicht weit der strategisch wichtigen Fernstraße M-03 auf dem Weg von Charkiw nach Isjum. 

2017 sorgte Balaklija in der Ukraine und im Ausland für Schlagzeilen als dort ein Munitionsdepot für Artilleriegeschosse explodierte. Nach einigen Angaben war dort einst das größte Munitionsdepot der Ukraine untergebracht, ein Erbe der Sowjetunion. Die Behörden in Kiew sprachen von Sabotage.

Kann die Ukraine die zurückeroberten Gebiete halten?

Schließlich ist die Gegend um Balaklija für die Gasversorgung der Ukraine wichtig. Dort befindet sich das Schebelinka-Gasfeld, das größte der Ukraine. Durch die Nähe zur Front war die Gasförderung in Gefahr. Fast die Hälfte des ukrainischen Gases wird im Gebiert Charkiw gefördert.

Nach dem Erfolg der vergangenen Tage versucht die Ukraine, weiter nach Osten vorzustoßen und neue Gebiete zu befreien. Das Tempo ist jedoch deutlich langsamer geworden. Die zentrale Frage der kommenden Wochen dürfte sein, ob die Ukraine die bereits befreiten Territorien auch halten kann. Beobachter schließen nicht aus, dass sich Russland neu aufstellt und erneut im Norden angreift. Der tschetschenische Anführer Ramsan Kadyrow, dessen Truppen im Ukrainekrieg als berüchtigt gelten, kündigte an, verlorenes Gebiet werde wieder unter Moskaus Kontrolle gebracht.

Einfach dürfte das Vorhaben für Russlands Armee jedoch nicht werden. Die Ukraine versucht gerade im Süden, im Gebiet Cherson, vorzustoßen. Sie konnte kleinere Ortschaften zurückerobern. Russland hält Cherson wegen seiner Nähe zu der annektieren Krim offenbar für viel wichtiger als Charkiw und schickte dorthin zuletzt immer wieder Verstärkung. 

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