Kultur

Josef Schuster: “Antisemitismus ist Menschenfeindlichkeit, egal wo”

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, sprach mit der DW über den Antisemitismus-Skandal auf der documenta. Er plädiert für mehr Aufklärung und Bildung, auch schon in den Schulen.

DW: Herr Schuster, die documenta hat im Juni direkt mit einem großen Antisemitismus-Skandal begonnen. Es ging um das Banner “People’s Justice” von Taring Padi, auf dem antisemitische Darstellungen zu sehen waren. Sie sagten damals, Ihre kühnsten Albträume seien damit übertroffen worden. Was meinten Sie damit?

Josef Schuster: Wir haben im Vorfeld darauf hingewiesen und gewarnt vor möglichem Israel bezogenem Antisemitismus, den ich mir hätte vorstellen können in einer solchen Kunstausstellung. Fakt ist aber: Klassischen Antisemitismus, derart offensichtlichen Antisemitismus, den habe ich nicht erwartet. Das meinte ich mit meinen kühnsten Albträumen.

DW: Herr Schuster, die documenta hat im Juni direkt mit einem großen Antisemitismus-Skandal begonnen. Es ging um das Banner “People’s Justice” von Taring Padi, auf dem antisemitische Darstellungen zu sehen waren. Sie sagten damals, Ihre kühnsten Albträume seien damit übertroffen worden. Was meinten Sie damit?

Inwiefern war hier der Antisemitismus offen und klar zu erkennen?

Die Figuren, die hier dargestellt waren, waren ganz klar als Juden zu erkennen, mit all den antisemitischen Klischees, die man kennt.

Es gab im Vorfeld, wie Sie schon sagten, gewisse Warnungen, etwa dass das indonesische Kuratoren-Kollektiv Ruangrupa dem BDS nahestehe. Wie konnte es dennoch zu dem Antisemitismus-Eklat kommen? Wie erklären Sie es sich?

Ich kann mir das gar nicht erklären. Wir haben im Vorfeld deutlich darauf hingewiesen, eindeutig auch in Gesprächen mit der Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth. Dem Zentralrat wurde zugesichert, dass es zu keinen antisemitischen Darstellungen auf der documenta kommen würde. Sie selbst sei getäuscht worden, sagt Claudia Roth.

Das heißt, man hat vorher andere Bilder angekündigt?

Man hat vorher nicht gefragt: Was gibt es für Bilder? Sondern die Frage war: Kann sichergestellt werden, dass keine antisemitischen Darstellungen auf dieser Ausstellung zu sehen sein werden? Und dies wurde ihr so ausdrücklich bestätigt.

Im Juli folgte der nächste Skandal um antisemitische Darstellungen: Diesmal ging es um eine Broschüre mit Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan KarkoutlySie wurde geprüft, war dann juristisch nicht angreifbar und ist nun weiterhin mit einer Kommentierung zu sehen. Was halten Sie davon?

Es geht gar nicht um die Frage, ob es juristisch angreifbar ist. Es geht um den Fakt der Darstellung von Antisemitismus. Und auch wenn der nicht juristisch angreifbar ist, denke ich, dass in Deutschland im Jahre 2022 auf einer internationalen Kunstausstellung keine Art von Antisemitismus etwas verloren hat.

Ruangrupa argumentierte, man komme aus einem anderen kulturellen Kontext, und Antisemitismus sei in Indonesien etwas Anderes als in Deutschland. Wie bewerten Sie dieses Argument?

Für mich ist Antisemitismus Menschenfeindlichkeit, egal wo, sei es in Indonesien oder in Deutschland. Es gibt natürlich Länder, in denen antijüdische, antiisraelische Stereotypen leider gang und gäbe sind. In einem Land wie Deutschland, mit seiner Geschichte und seiner Verantwortung, darf das überhaupt nicht sein.

Claudia Roth hat als Reaktion nun angekündigt: Man möchte ab jetzt mehr Kontrolle haben bei der documenta, bei einer staatlich finanzierten Kunstausstellung. Ist das die Lösung?

Ich weiß nicht, ob es die Lösung ist, aber es ist eine Entscheidung, die ich für sehr wichtig und richtig halte. Denn mit staatlichen Mitteln, mit Steuergeldern Antisemitismus in Kunstausstellungen zu fördern, kann und darf doch nicht sein.

Wie hat sich der Dialog mit dem Zentralrat der Juden gestaltet? Ist man auf Sie zugekommen und hat Beratung gesucht?

Es gab ein Gespräch Anfang des Jahres. Die Staatsministerin war neu in ihrem Amt, wir kannten uns, aber in dem Zusammenhang hatten wir ein erstes Gespräch und sind dabei, weil gerade das im Raum stand, ganz intensiv auf das Thema documenta eingegangen. Dieses Gespräch musste dann aus zeitlichen Gründen beendet werden. Die Ministerin hatte einen Termin, es wurde vereinbart, das Gespräch kurzfristig weiterzuführen. Diese Kurzfristigkeit ist ein dehnbarer Begriff.

Hatten Sie mit Mitgliedern von Ruangrupa Kontakt?

Nein, mit Ruangrupa hatten wir überhaupt keinen Kontakt. Von deren Seite ist niemand auf uns zugekommen und wir auch nicht auf sie. Denn ich denke, die Verantwortung in diesem Falle trägt, neben der Künstlergruppe und den Kuratoren, die Geschäftsführung der documenta. Auch die Gesellschafter und den Aufsichtsrat der documenta sehe ich in der Pflicht.

Wie bewerten Sie die aktuelle personelle Situation auf der documenta?

Sie ist absolut unzureichend. Die Geschäftsführerin wurde nach langem, langem Hin und Her abgelöst und es wurde Herr Fahrenholtz eingesetzt. Aber was ich von Herrn Fahrenholtz dann bei den folgenden antisemitischen Vorfällen, die aufgedeckt wurden, gehört und gesehen habe, war leider in keiner Weise besser.

Das große Banner People's Justice wird von Gerüst genommen.
Ade Darmawan, Sprecher des Kuratoren-Kollektivs Ruangrupa, spricht in ein Mikro bei einer Podiumsdiskussion in Kassel.
Eine Hand blättert in einer Broschüre, in der Bleistift-Zeichnungen zu sehen sind. Sie zeigen israelische Soldaten, einer greift ein Kind am Ohr.

DW: Herr Schuster, die documenta hat im Juni direkt mit einem großen Antisemitismus-Skandal begonnen. Es ging um das Banner “People’s Justice” von Taring Padi, auf dem antisemitische Darstellungen zu sehen waren. Sie sagten damals, Ihre kühnsten Albträume seien damit übertroffen worden. Was meinten Sie damit?

Josef Schuster: Wir haben im Vorfeld darauf hingewiesen und gewarnt vor möglichem Israel bezogenem Antisemitismus, den ich mir hätte vorstellen können in einer solchen Kunstausstellung. Fakt ist aber: Klassischen Antisemitismus, derart offensichtlichen Antisemitismus, den habe ich nicht erwartet. Das meinte ich mit meinen kühnsten Albträumen.

Inwiefern war hier der Antisemitismus offen und klar zu erkennen?

Die Figuren, die hier dargestellt waren, waren ganz klar als Juden zu erkennen, mit all den antisemitischen Klischees, die man kennt.

Es gab im Vorfeld, wie Sie schon sagten, gewisse Warnungen, etwa dass das indonesische Kuratoren-Kollektiv Ruangrupa dem BDS nahestehe. Wie konnte es dennoch zu dem Antisemitismus-Eklat kommen? Wie erklären Sie es sich?

Ich kann mir das gar nicht erklären. Wir haben im Vorfeld deutlich darauf hingewiesen, eindeutig auch in Gesprächen mit der Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth. Dem Zentralrat wurde zugesichert, dass es zu keinen antisemitischen Darstellungen auf der documenta kommen würde. Sie selbst sei getäuscht worden, sagt Claudia Roth.

Das heißt, man hat vorher andere Bilder angekündigt?

Man hat vorher nicht gefragt: Was gibt es für Bilder? Sondern die Frage war: Kann sichergestellt werden, dass keine antisemitischen Darstellungen auf dieser Ausstellung zu sehen sein werden? Und dies wurde ihr so ausdrücklich bestätigt.

Im Juli folgte der nächste Skandal um antisemitische Darstellungen: Diesmal ging es um eine Broschüre mit Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan KarkoutlySie wurde geprüft, war dann juristisch nicht angreifbar und ist nun weiterhin mit einer Kommentierung zu sehen. Was halten Sie davon?

Es geht gar nicht um die Frage, ob es juristisch angreifbar ist. Es geht um den Fakt der Darstellung von Antisemitismus. Und auch wenn der nicht juristisch angreifbar ist, denke ich, dass in Deutschland im Jahre 2022 auf einer internationalen Kunstausstellung keine Art von Antisemitismus etwas verloren hat.

Ruangrupa argumentierte, man komme aus einem anderen kulturellen Kontext, und Antisemitismus sei in Indonesien etwas Anderes als in Deutschland. Wie bewerten Sie dieses Argument?

Für mich ist Antisemitismus Menschenfeindlichkeit, egal wo, sei es in Indonesien oder in Deutschland. Es gibt natürlich Länder, in denen antijüdische, antiisraelische Stereotypen leider gang und gäbe sind. In einem Land wie Deutschland, mit seiner Geschichte und seiner Verantwortung, darf das überhaupt nicht sein.

Claudia Roth hat als Reaktion nun angekündigt: Man möchte ab jetzt mehr Kontrolle haben bei der documenta, bei einer staatlich finanzierten Kunstausstellung. Ist das die Lösung?

Ich weiß nicht, ob es die Lösung ist, aber es ist eine Entscheidung, die ich für sehr wichtig und richtig halte. Denn mit staatlichen Mitteln, mit Steuergeldern Antisemitismus in Kunstausstellungen zu fördern, kann und darf doch nicht sein.

Wie hat sich der Dialog mit dem Zentralrat der Juden gestaltet? Ist man auf Sie zugekommen und hat Beratung gesucht?

Es gab ein Gespräch Anfang des Jahres. Die Staatsministerin war neu in ihrem Amt, wir kannten uns, aber in dem Zusammenhang hatten wir ein erstes Gespräch und sind dabei, weil gerade das im Raum stand, ganz intensiv auf das Thema documenta eingegangen. Dieses Gespräch musste dann aus zeitlichen Gründen beendet werden. Die Ministerin hatte einen Termin, es wurde vereinbart, das Gespräch kurzfristig weiterzuführen. Diese Kurzfristigkeit ist ein dehnbarer Begriff.

Hatten Sie mit Mitgliedern von Ruangrupa Kontakt?

Nein, mit Ruangrupa hatten wir überhaupt keinen Kontakt. Von deren Seite ist niemand auf uns zugekommen und wir auch nicht auf sie. Denn ich denke, die Verantwortung in diesem Falle trägt, neben der Künstlergruppe und den Kuratoren, die Geschäftsführung der documenta. Auch die Gesellschafter und den Aufsichtsrat der documenta sehe ich in der Pflicht.

Wie bewerten Sie die aktuelle personelle Situation auf der documenta?

Sie ist absolut unzureichend. Die Geschäftsführerin wurde nach langem, langem Hin und Her abgelöst und es wurde Herr Fahrenholtz eingesetzt. Aber was ich von Herrn Fahrenholtz dann bei den folgenden antisemitischen Vorfällen, die aufgedeckt wurden, gehört und gesehen habe, war leider in keiner Weise besser.

Hinweis der Redaktion: Das Interview wurde vor der Forderung, die Filme “Tokyo Reels” abzusetzen, geführt. Diese kam von Seiten der Expertenkommission und der Gesellschafter. Das Kuratorenteam aber lehnt eine Absetzung bisher ab. Hierzu schickte Josef Schuster folgendes Statement: “Ich begrüße die Stellungnahme der Gesellschafter, hätte mir aber deutlich früher ein derartiges Zeichen gewünscht. Ich erwarte von den Verantwortlichen, dass sie Sorge dafür tragen, dass der hier zur Schau gestellte, staatlich alimentierte Antisemitismus, unverzüglich, noch vor dem 25. September beendet wird.”

Trotz all dieser Vorkommnisse läuft die documenta weiter…

Trotz all dieser Vorkommnisse läuft die documenta weiter…

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