Uncategorized

Nachhaltiger Weinbau mit neuen Rebsorten

Neue und fast vergessene Rebsorten sollen die Erträge sichern und für mehr Umweltschutz sorgen. Deutsche Winzer denken in Zeiten des Klimawandels um – auch weil die EU Druck macht.

Phoenix, Solaris, Orion, Sirius, Sauvitage. Nein, das sind keine neu entdeckten Kometen, Meteoriten oder andere Himmelskörper. Es handelt sich um Rebsorten für nachhaltigen und umweltschonenden Weinbau, sogenannte Piwis – pilzwiderstandsfähige Reben. Die werden immer wichtiger in Zeiten des Klimawandels, in denen bereits auf Nordseeinseln wie Föhr oder Sylt Wein gelesen wird.

Für Edgar Klohr ist die Sache klar: “Piwis sind in Zeiten des Klimawandels einfach robuster”, sagt der Winzer aus Neustadt an der Weinstraße. Klohr, dessen Familienbetrieb schon seit 30 Jahren auf umweltschonenden Anbau setzt, steht in seinem Weinberg in der Pfalz und zeigt eine reife Traube. “Die Beeren bei Piwi-Sorten wachsen sehr locker, nicht so eng beieinander, was schnell zu Fäulnis führen kann.” Außerdem seien die Schalen der Piwis sehr viel dicker und damit widerstandfähiger.

Phoenix, Solaris, Orion, Sirius, Sauvitage. Nein, das sind keine neu entdeckten Kometen, Meteoriten oder andere Himmelskörper. Es handelt sich um Rebsorten für nachhaltigen und umweltschonenden Weinbau, sogenannte Piwis – pilzwiderstandsfähige Reben. Die werden immer wichtiger in Zeiten des Klimawandels, in denen bereits auf Nordseeinseln wie Föhr oder Sylt Wein gelesen wird.

Und es komme noch ein großer Vorteil hinzu: “Beim Pflanzenschutz brauchen die Piwis nur rund ein Drittel bis maximal die Hälfte des Einsatzes.” Edgar Klohr muss seine Muscaris-, Sauvignac- und Cabernet Blanc-Piwireben nur drei Mal mit Pflanzenschutz behandeln. Die Riesling-Trauben, die gleich nebenan stehen, werden mindestens doppelt so oft besprüht. Das alles spart Zeit, Geld, Energie und damit CO2-Ausstoß.

Im Weinbau wird viel gespritzt

“Ich spare rund zwanzig Prozent in der Gesamtkalkulation im Vergleich zu herkömmlichen Sorten”, erklärt der Winzer. Natürlich setzt er auch weiterhin auf “seine” Rebsorte, den Riesling. “Aber ich kann mir vorstellen, dass ich, wenn es genug Setzlinge gibt, in Zukunft auf 40 Prozent Piwis gehe.”

Noch sind Piwis eine kleine Nische. Nur rund drei Prozent der deutschen Weinproduktion entfallen heute auf die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, die versuchsweise schon seit den 1960er-Jahren angebaut wurden. Derzeit sind über 30 Piwi-Sorten in Deutschland zugelassen, ständig kommen neue hinzu. Sie entstehen als klassische Rebzüchtungen in den Weinbergen. Auch an den auf Weinbauwirtschaft spezialisierten Hochschul-Instituten wird an neuen Kreuzungen gearbeitet.

Professor Ulrich Fischer vom DLR-Institut in Neustadt an der Weinstraße sieht in den Piwis eine Möglichkeit für die deutschen Winzer, den durch den Klimawandel steigenden Anforderungen gerecht zu werden.

Neben mehr Biodiversität, vermehrtem Terrassen- statt Steilanbau, ökologischem Weinbau und technischen Maßnahmen in den Weinbergen (z.B. Hagelnetze) und den Kellern seien Piwis eine “echte Chance”, sagt der Fachmann für Sensorik und Kellerwirtschaft. “Bis zu 16 Mal spritzen, das geht einfach nicht mehr.”

Fischer spricht damit eine Analyse des Europäischen Statistikamts Eurostat an. Demnach ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln pro Hektar im Weinbau mit Abstand der größte im Vergleich zu allen anderen landwirtschaftlichen Produkten, die die EU produziert.

Die EU will daher gegensteuern und fordert weniger Düngemitteleinsatz, mehr ökologisch bewirtschaftete Flächen und vor allem weniger Chemie. Das soll die europäische Landwirtschaft bis 2030 widerstandsfähiger gegen Krisen machen und die Lebensmittelproduktion auf einen nachhaltigen Weg bringen.

Doch für viele deutsche Winzer ist das EU-Konzept “Vom Hof auf den Tisch” eine Horrorvision. Es sei vollkommen unrealistisch, tönt der Deutsche Weinbauverband. Für viele Weinberge würde das “faktisch die unumkehrbare Stilllegung bedeuten”. An der Mosel etwa würde “die Weinerzeugung um rund 90 Prozent zurückgehen”, heißt es in einer Stellungnahme.

Auch der Bundesverband ökologischer Weinbau (Ecovin) ist empört. “Ja zu weniger gefährlichen Pestiziden in der Landwirtschaft, Nein zu absehbaren Fehllenkungen des Entwurfs”, erklärt dessen Vorsitzender Andreas Hattemer.

Klar ist aber, die überwiegend konservativen deutschen Winzer müssen sich neu orientieren und bewegen. Piwis sind da nur eine erfolgversprechende Strategie, die auch die großen Hersteller langsam für sich entdecken. So wurde kürzlich bekannt, dass der deutsche Marktführer im Sekt- und Spirituosenbereich, Rotkäppchen-Mumm, auf rund 100 Hektar Piwi-Sorten anbauen lassen will.

“Wir setzen auf Tradition und wollen zurück zum Klassischen”, sagt selbstbewusst Jungwinzerin Gina Gehring aus Nierstein am Rhein. Klassisch und traditionell ist für die Winzerfamilie Gehring die Rebsorte Gelber Orleans. “Der wurde schon vor 200 Jahren in unserer Spitzenlage Roter Hang angebaut. Aber damals ist er wegen des noch kälteren Klimas oft nicht reif geworden”, sagt Gehring. Seit 2013 wird der Gelbe Orleans wieder bei den Gehrings vermarktet. “Zukunftsweisend” in Zeiten des Klimawandels sei die resistente, fast vergessene Sorte, die sogar schon einen Preis abgeräumt hat.

Auch bei der Genossenschaft Bergsträsser Winzer im hessischen Heppenheim an der Bergstraße hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Piwis machen hier schon mehr als fünf Prozent der Produktion aus. Und auch hier gibt es eine historische Rebe für die Zukunft: Roter Riesling. Die Sorte wurde schon im Mittelalter angebaut; dann aber durch Riesling weitgehend verdrängt.

Der Rote Riesling wird seltener von Schädlingen befallen und ist später reif als Riesling. Diese Verzögerung bedeutet oft die Rettung der Trauben vor Fäulnis, erklärt Reinhard Antes, der das Unternehmen lange leitete. Die Genossenschaft jedenfalls ist stolz auf ihren “Klimariesling”. Die alte Rebsorte, die dem “Normalriesling” im Geschmack sehr ähnelt, erlebe eine echte Renaissance, schwärmt Antes.

Fast alle traditionellen Weinbauländer forschen und experimentieren mit Piwis, und auch Länder, in denen der Weinanbau jünger ist, etwa Norwegen, Schweden, die Niederlande oder China. Deutschland spielt bei der Piwi-Forschung eine wichtige Rolle.

Allerdings gefällt den deutschen Winzern der Name nicht. Klanglich soll er zwar an die wohlschmeckende und gesunde Kiwi erinnern, doch weil Piwi ja für pilzwiderständig steht, entwickeln sich die Gespräche mit interessierten Kunden oft in eine Richtung, die Verkäufer vermeiden wollen.

“Bei pilzwiderstandsfähig geht es in den Kundengesprächen sehr schnell um das leidige Thema Pflanzenschutz und Spritzen”, sagt Winzer Edgar Klohr. Und kaum ein Kunde wolle daran erinnert werden, dass der Wein in der Flasche von Reben kommt, die mehrfach mit Chemie behandelt wurden.

Klohr spricht deshalb lieber von “robusten Rebsorten”. Und die können ein Weg sein für mehr Nachhaltigkeit im Weinanbau.

 

Hinweis: Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden vom Deutschen Weininstitut (DWI) unterstützt.

Wein | Klimaresistente Reben
Wein | Klimaresistente Reben

Phoenix, Solaris, Orion, Sirius, Sauvitage. Nein, das sind keine neu entdeckten Kometen, Meteoriten oder andere Himmelskörper. Es handelt sich um Rebsorten für nachhaltigen und umweltschonenden Weinbau, sogenannte Piwis – pilzwiderstandsfähige Reben. Die werden immer wichtiger in Zeiten des Klimawandels, in denen bereits auf Nordseeinseln wie Föhr oder Sylt Wein gelesen wird.

Für Edgar Klohr ist die Sache klar: “Piwis sind in Zeiten des Klimawandels einfach robuster”, sagt der Winzer aus Neustadt an der Weinstraße. Klohr, dessen Familienbetrieb schon seit 30 Jahren auf umweltschonenden Anbau setzt, steht in seinem Weinberg in der Pfalz und zeigt eine reife Traube. “Die Beeren bei Piwi-Sorten wachsen sehr locker, nicht so eng beieinander, was schnell zu Fäulnis führen kann.” Außerdem seien die Schalen der Piwis sehr viel dicker und damit widerstandfähiger.

Im Weinbau wird viel gespritzt

Und es komme noch ein großer Vorteil hinzu: “Beim Pflanzenschutz brauchen die Piwis nur rund ein Drittel bis maximal die Hälfte des Einsatzes.” Edgar Klohr muss seine Muscaris-, Sauvignac- und Cabernet Blanc-Piwireben nur drei Mal mit Pflanzenschutz behandeln. Die Riesling-Trauben, die gleich nebenan stehen, werden mindestens doppelt so oft besprüht. Das alles spart Zeit, Geld, Energie und damit CO2-Ausstoß.

“Ich spare rund zwanzig Prozent in der Gesamtkalkulation im Vergleich zu herkömmlichen Sorten”, erklärt der Winzer. Natürlich setzt er auch weiterhin auf “seine” Rebsorte, den Riesling. “Aber ich kann mir vorstellen, dass ich, wenn es genug Setzlinge gibt, in Zukunft auf 40 Prozent Piwis gehe.”

Noch sind Piwis eine kleine Nische. Nur rund drei Prozent der deutschen Weinproduktion entfallen heute auf die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, die versuchsweise schon seit den 1960er-Jahren angebaut wurden. Derzeit sind über 30 Piwi-Sorten in Deutschland zugelassen, ständig kommen neue hinzu. Sie entstehen als klassische Rebzüchtungen in den Weinbergen. Auch an den auf Weinbauwirtschaft spezialisierten Hochschul-Instituten wird an neuen Kreuzungen gearbeitet.

Professor Ulrich Fischer vom DLR-Institut in Neustadt an der Weinstraße sieht in den Piwis eine Möglichkeit für die deutschen Winzer, den durch den Klimawandel steigenden Anforderungen gerecht zu werden.

Die Weinlobby läuft Sturm

Neben mehr Biodiversität, vermehrtem Terrassen- statt Steilanbau, ökologischem Weinbau und technischen Maßnahmen in den Weinbergen (z.B. Hagelnetze) und den Kellern seien Piwis eine “echte Chance”, sagt der Fachmann für Sensorik und Kellerwirtschaft. “Bis zu 16 Mal spritzen, das geht einfach nicht mehr.”

Piwis – internationaler Trend

Fischer spricht damit eine Analyse des Europäischen Statistikamts Eurostat an. Demnach ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln pro Hektar im Weinbau mit Abstand der größte im Vergleich zu allen anderen landwirtschaftlichen Produkten, die die EU produziert.

Die EU will daher gegensteuern und fordert weniger Düngemitteleinsatz, mehr ökologisch bewirtschaftete Flächen und vor allem weniger Chemie. Das soll die europäische Landwirtschaft bis 2030 widerstandsfähiger gegen Krisen machen und die Lebensmittelproduktion auf einen nachhaltigen Weg bringen.

Doch für viele deutsche Winzer ist das EU-Konzept “Vom Hof auf den Tisch” eine Horrorvision. Es sei vollkommen unrealistisch, tönt der Deutsche Weinbauverband. Für viele Weinberge würde das “faktisch die unumkehrbare Stilllegung bedeuten”. An der Mosel etwa würde “die Weinerzeugung um rund 90 Prozent zurückgehen”, heißt es in einer Stellungnahme.

Auch der Bundesverband ökologischer Weinbau (Ecovin) ist empört. “Ja zu weniger gefährlichen Pestiziden in der Landwirtschaft, Nein zu absehbaren Fehllenkungen des Entwurfs”, erklärt dessen Vorsitzender Andreas Hattemer.

Klar ist aber, die überwiegend konservativen deutschen Winzer müssen sich neu orientieren und bewegen. Piwis sind da nur eine erfolgversprechende Strategie, die auch die großen Hersteller langsam für sich entdecken. So wurde kürzlich bekannt, dass der deutsche Marktführer im Sekt- und Spirituosenbereich, Rotkäppchen-Mumm, auf rund 100 Hektar Piwi-Sorten anbauen lassen will.

“Wir setzen auf Tradition und wollen zurück zum Klassischen”, sagt selbstbewusst Jungwinzerin Gina Gehring aus Nierstein am Rhein. Klassisch und traditionell ist für die Winzerfamilie Gehring die Rebsorte Gelber Orleans. “Der wurde schon vor 200 Jahren in unserer Spitzenlage Roter Hang angebaut. Aber damals ist er wegen des noch kälteren Klimas oft nicht reif geworden”, sagt Gehring. Seit 2013 wird der Gelbe Orleans wieder bei den Gehrings vermarktet. “Zukunftsweisend” in Zeiten des Klimawandels sei die resistente, fast vergessene Sorte, die sogar schon einen Preis abgeräumt hat.

Auch bei der Genossenschaft Bergsträsser Winzer im hessischen Heppenheim an der Bergstraße hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Piwis machen hier schon mehr als fünf Prozent der Produktion aus. Und auch hier gibt es eine historische Rebe für die Zukunft: Roter Riesling. Die Sorte wurde schon im Mittelalter angebaut; dann aber durch Riesling weitgehend verdrängt.

Wein | Klimaresistente Reben

Der Rote Riesling wird seltener von Schädlingen befallen und ist später reif als Riesling. Diese Verzögerung bedeutet oft die Rettung der Trauben vor Fäulnis, erklärt Reinhard Antes, der das Unternehmen lange leitete. Die Genossenschaft jedenfalls ist stolz auf ihren “Klimariesling”. Die alte Rebsorte, die dem “Normalriesling” im Geschmack sehr ähnelt, erlebe eine echte Renaissance, schwärmt Antes.

Fast alle traditionellen Weinbauländer forschen und experimentieren mit Piwis, und auch Länder, in denen der Weinanbau jünger ist, etwa Norwegen, Schweden, die Niederlande oder China. Deutschland spielt bei der Piwi-Forschung eine wichtige Rolle.

Allerdings gefällt den deutschen Winzern der Name nicht. Klanglich soll er zwar an die wohlschmeckende und gesunde Kiwi erinnern, doch weil Piwi ja für pilzwiderständig steht, entwickeln sich die Gespräche mit interessierten Kunden oft in eine Richtung, die Verkäufer vermeiden wollen.

“Bei pilzwiderstandsfähig geht es in den Kundengesprächen sehr schnell um das leidige Thema Pflanzenschutz und Spritzen”, sagt Winzer Edgar Klohr. Und kaum ein Kunde wolle daran erinnert werden, dass der Wein in der Flasche von Reben kommt, die mehrfach mit Chemie behandelt wurden.

Klohr spricht deshalb lieber von “robusten Rebsorten”. Und die können ein Weg sein für mehr Nachhaltigkeit im Weinanbau.

 

Hinweis: Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden vom Deutschen Weininstitut (DWI) unterstützt.

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"