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Schach: Niemann-Carlsen-Skandal führt zu neuen Vorkehrungen gegen Betrug

Seit Wochen diskutiert die Schachwelt über die Betrugsvorwürfe von Weltmeister Magnus Carlsen gegen seinen Konkurrenten Hans Niemann. Bei einem Topturnier auf Island gelten deswegen strenge Sicherheitsregeln.

“Als sich Magnus [Carlsen – Anm. d. Red.] in St. Louis [vom prestigeträchtigen Schachturnier Sinquefield Cup – Anm. d. Red.] zurückzog, hat das die gesamte Schachgemeinschaft wachgerüttelt”, sagt Jøran Aulin-Jansson der DW. “Jeder Organisator war gezwungen, darüber nachzudenken, was er gegen Betrug tun kann.”

Der 61 Jahre alte Norweger hat das noch bis kommenden Sonntag laufende Turnier “World Fischer Random Chess Championship” in der isländischen Hauptstadt Reykjavik organisiert. Gespielt wird nach einem Modus, den der in diesem Jahr verstorbene legendäre Ex-Weltmeister Bobby Fischer erfunden hat. Die Startposition der Figuren wird ausgelost. Damit können die Spieler nicht auf einstudierte Spiel-Eröffnungen zurückgreifen. An dem mit 400.000 Dollar dotierten Turnier nehmen acht Spitzenspieler teil, darunter auch Weltmeister Magnus Carlsen aus Norwegen, der seinen Kontrahenten, den US-Großmeister Hans Niemann, öffentlich des Betruges bezichtigt. Beim Turnier in Reykjavik soll Betrug am Schachbrett mit einem ganzen Paket an Maßnahmen verhindert werden.

“Als sich Magnus [Carlsen – Anm. d. Red.] in St. Louis [vom prestigeträchtigen Schachturnier Sinquefield Cup – Anm. d. Red.] zurückzog, hat das die gesamte Schachgemeinschaft wachgerüttelt”, sagt Jøran Aulin-Jansson der DW. “Jeder Organisator war gezwungen, darüber nachzudenken, was er gegen Betrug tun kann.”

So ist ständig ein Arzt zugegen, der überprüfen soll, ob in den Ohren der Teilnehmer möglicherweise Minisender versteckt sind. Die Partien werden auf den Streamingplattformen Youtube und Twitch mit einer fünfminütigen Zeitverzögerung übertragen, um jede Kommunikation mit externen Quellen sinnlos zu machen. Dazu kommt zivil gekleidetes Sicherheitspersonal, das im Publikum sitzt und darauf achtet, ob Zuschauende Zeichen geben. “Wenn wir ein seltsames Verhalten im Publikum feststellen, werden wir es filmen”, sagt Organisator Aulin-Jannson, der auch Vizepräsident des Schach-Weltverbands FIDE ist.

Sicherheitsleute in Zivil

Alle Zuschauenden müssen, wenn sie das Veranstaltungshotel betreten, ihre elektronischen Geräte inklusive Armbanduhren abgeben. Wer das Gebäude verlässt, muss fünf Minuten warten, bis er seine Sachen wieder in Empfang nehmen kann. Auf diese Weise soll jegliche Kommunikation von Außen mit den Spielern unterbunden werden. Die Teilnehmer wurden erst wenige Stunden vor Beginn des Turniers am Dienstag über das neue Sicherheitspaket informiert, sodass sich mögliche Betrüger nicht darauf einstellen konnten.

Der Streit zwischen Weltmeister Carlsen und seinem US-Konkurrenten Hans Niemann, der seit Wochen die internationale Schachszene in Atem hält, ist der Hauptgrund für die verschärften Sicherheitsmaßnahmen in Reykjavik. Nachdem Carlsen am 4. September in St. Louis überraschend gegen den 19-jährigen Niemann verloren hatte, hatte der Weltmeister seinen Gegner indirekt, später auch direkt des Betrugs beschuldigt – nicht nur im Bezug auf dieses Spiel.

Rückendeckung hatte der Weltmeister vom Schach-Portal chess.com erhalten. Niemann habe höchstwahrscheinlich in mehr als 100 Online-Partien betrogen, so das Ergebnis einer Untersuchung der Onlineplattform, die daraufhin das Benutzerkonto Niemanns gesperrt hatte. Der US-Spieler hatte daraufhin Carlsen, chess.com und Schachgroßmeister Hikaru Nakamura, der die Vorwürfe des Weltmeisters öffentlich unterstützt hatte, wegen Verleumdung auf insgesamt 100 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt. Bislang haben weder Carlsen noch andere Experten Beweise dafür vorgelegt, dass Niemann betrogen hat, wenn er nicht online spielte, sondern bei Turnieren am Schachbrett saß.

Dennoch wurden nicht nur in Reykjavik, sondern auch bei anderen Schachturnieren die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. So begannen die Live-Übertragungen der US-Schachmeisterschaften in St. Louis in der vergangenen Woche um 30 Minuten verzögert. Außerdem setzten die Veranstalter neue Metall- und Siliziumdetektoren ein, um elektronische Übertragungsgeräte zu orten.

“Früher haben wir die Spieler eher willkürlich kontrolliert. Es war mehr symbolisch als alles andere”, räumt FIDE-Vizepräsident Aulin-Jannson ein. “Wir dachten, dass Betrug ein Online-Problem sei und nahmen es [mit Blick auf Spiele mit physischer Präsenz – Anm. d. Red.] nicht so ernst, obwohl es moralisch gesehen dasselbe ist.”

Betrug und Verdächtigungen sind in der Schachgeschichte nicht neu. Während der FIDE-Schacholympiade 2010 in Russland suspendierte der französische Verband drei Spitzenspieler, die mit verschlüsselten Textnachrichten betrogen hatten. Sie wurden später für drei bis fünf Jahre gesperrt. Bei den Dubai Open 2015 wurde der Georgier Gaioz Nigalidze dabei erwischt, wie er einen iPod mit einer Betrugs-Software darauf nutzte. Nigalidze verlor seinen Großmeister-Titel und wurde für drei Jahre gesperrt. Aktuell untersucht die FIDE auch die Vorwürfe gegen Hans Niemann. Ein Ergebnis vor Ende des Jahres sei unwahrscheinlich, sagt Aulin-Jannson.

Kritiker werfen dem Weltverband vor, bisher nicht entschlossen genug gegen möglichen Betrug bei Schachturnieren vorgegangen zu sein. “Ich erinnere mich an Turniere in den USA, bei denen man seine Kopfhörer benutzen und sie an den iPod anschließen konnte, um Musik zu hören”, sagte Alejandro Ramirez, Schach-Großmeister aus Costa Rica, der seit 2010 beim US-Verband geführt wird und die Schachmannschaft der Universität von St. Louis trainiert.

Inzwischen sind die Übertragungsgeräte so klein, dass sie von herkömmlichen Metalldetektoren nicht mehr entdeckt werden. Es brauche laut Ramirez nicht viel, um wirkungsvoll zu betrügen: “Manchmal reicht ein Summen als Signal aus. Wenn man es zum richtigen Zeitpunkt erhält und weiß, wofür es steht, kann es den Ausgang eines Spiels verändern.” Im Schach, so der 34-Jährige, “können Computer-Programme heute einen Großmeister wirklich fertig machen. Sie sind in diesem Spiel einfach viel besser als wir.” Strenge Regeln seien nötig, um nicht das Wettrennen gegen die Betrüger zu verlieren, meint Ramirez: “Auf den guten Willen der Spieler können wir uns nicht verlassen.”

Der Artikel wurde von Stefan Nestler aus dem Englischen adaptiert.

“Als sich Magnus [Carlsen – Anm. d. Red.] in St. Louis [vom prestigeträchtigen Schachturnier Sinquefield Cup – Anm. d. Red.] zurückzog, hat das die gesamte Schachgemeinschaft wachgerüttelt”, sagt Jøran Aulin-Jansson der DW. “Jeder Organisator war gezwungen, darüber nachzudenken, was er gegen Betrug tun kann.”

Der 61 Jahre alte Norweger hat das noch bis kommenden Sonntag laufende Turnier “World Fischer Random Chess Championship” in der isländischen Hauptstadt Reykjavik organisiert. Gespielt wird nach einem Modus, den der in diesem Jahr verstorbene legendäre Ex-Weltmeister Bobby Fischer erfunden hat. Die Startposition der Figuren wird ausgelost. Damit können die Spieler nicht auf einstudierte Spiel-Eröffnungen zurückgreifen. An dem mit 400.000 Dollar dotierten Turnier nehmen acht Spitzenspieler teil, darunter auch Weltmeister Magnus Carlsen aus Norwegen, der seinen Kontrahenten, den US-Großmeister Hans Niemann, öffentlich des Betruges bezichtigt. Beim Turnier in Reykjavik soll Betrug am Schachbrett mit einem ganzen Paket an Maßnahmen verhindert werden.

Sicherheitsleute in Zivil

So ist ständig ein Arzt zugegen, der überprüfen soll, ob in den Ohren der Teilnehmer möglicherweise Minisender versteckt sind. Die Partien werden auf den Streamingplattformen Youtube und Twitch mit einer fünfminütigen Zeitverzögerung übertragen, um jede Kommunikation mit externen Quellen sinnlos zu machen. Dazu kommt zivil gekleidetes Sicherheitspersonal, das im Publikum sitzt und darauf achtet, ob Zuschauende Zeichen geben. “Wenn wir ein seltsames Verhalten im Publikum feststellen, werden wir es filmen”, sagt Organisator Aulin-Jannson, der auch Vizepräsident des Schach-Weltverbands FIDE ist.

Alle Zuschauenden müssen, wenn sie das Veranstaltungshotel betreten, ihre elektronischen Geräte inklusive Armbanduhren abgeben. Wer das Gebäude verlässt, muss fünf Minuten warten, bis er seine Sachen wieder in Empfang nehmen kann. Auf diese Weise soll jegliche Kommunikation von Außen mit den Spielern unterbunden werden. Die Teilnehmer wurden erst wenige Stunden vor Beginn des Turniers am Dienstag über das neue Sicherheitspaket informiert, sodass sich mögliche Betrüger nicht darauf einstellen konnten.

Der Streit zwischen Weltmeister Carlsen und seinem US-Konkurrenten Hans Niemann, der seit Wochen die internationale Schachszene in Atem hält, ist der Hauptgrund für die verschärften Sicherheitsmaßnahmen in Reykjavik. Nachdem Carlsen am 4. September in St. Louis überraschend gegen den 19-jährigen Niemann verloren hatte, hatte der Weltmeister seinen Gegner indirekt, später auch direkt des Betrugs beschuldigt – nicht nur im Bezug auf dieses Spiel.

Rückendeckung hatte der Weltmeister vom Schach-Portal chess.com erhalten. Niemann habe höchstwahrscheinlich in mehr als 100 Online-Partien betrogen, so das Ergebnis einer Untersuchung der Onlineplattform, die daraufhin das Benutzerkonto Niemanns gesperrt hatte. Der US-Spieler hatte daraufhin Carlsen, chess.com und Schachgroßmeister Hikaru Nakamura, der die Vorwürfe des Weltmeisters öffentlich unterstützt hatte, wegen Verleumdung auf insgesamt 100 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt. Bislang haben weder Carlsen noch andere Experten Beweise dafür vorgelegt, dass Niemann betrogen hat, wenn er nicht online spielte, sondern bei Turnieren am Schachbrett saß.

Symbolische Kontrollen

Dennoch wurden nicht nur in Reykjavik, sondern auch bei anderen Schachturnieren die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. So begannen die Live-Übertragungen der US-Schachmeisterschaften in St. Louis in der vergangenen Woche um 30 Minuten verzögert. Außerdem setzten die Veranstalter neue Metall- und Siliziumdetektoren ein, um elektronische Übertragungsgeräte zu orten.

Ein Summen reicht für Betrug

“Früher haben wir die Spieler eher willkürlich kontrolliert. Es war mehr symbolisch als alles andere”, räumt FIDE-Vizepräsident Aulin-Jannson ein. “Wir dachten, dass Betrug ein Online-Problem sei und nahmen es [mit Blick auf Spiele mit physischer Präsenz – Anm. d. Red.] nicht so ernst, obwohl es moralisch gesehen dasselbe ist.”

Betrug und Verdächtigungen sind in der Schachgeschichte nicht neu. Während der FIDE-Schacholympiade 2010 in Russland suspendierte der französische Verband drei Spitzenspieler, die mit verschlüsselten Textnachrichten betrogen hatten. Sie wurden später für drei bis fünf Jahre gesperrt. Bei den Dubai Open 2015 wurde der Georgier Gaioz Nigalidze dabei erwischt, wie er einen iPod mit einer Betrugs-Software darauf nutzte. Nigalidze verlor seinen Großmeister-Titel und wurde für drei Jahre gesperrt. Aktuell untersucht die FIDE auch die Vorwürfe gegen Hans Niemann. Ein Ergebnis vor Ende des Jahres sei unwahrscheinlich, sagt Aulin-Jannson.

Kritiker werfen dem Weltverband vor, bisher nicht entschlossen genug gegen möglichen Betrug bei Schachturnieren vorgegangen zu sein. “Ich erinnere mich an Turniere in den USA, bei denen man seine Kopfhörer benutzen und sie an den iPod anschließen konnte, um Musik zu hören”, sagte Alejandro Ramirez, Schach-Großmeister aus Costa Rica, der seit 2010 beim US-Verband geführt wird und die Schachmannschaft der Universität von St. Louis trainiert.

Inzwischen sind die Übertragungsgeräte so klein, dass sie von herkömmlichen Metalldetektoren nicht mehr entdeckt werden. Es brauche laut Ramirez nicht viel, um wirkungsvoll zu betrügen: “Manchmal reicht ein Summen als Signal aus. Wenn man es zum richtigen Zeitpunkt erhält und weiß, wofür es steht, kann es den Ausgang eines Spiels verändern.” Im Schach, so der 34-Jährige, “können Computer-Programme heute einen Großmeister wirklich fertig machen. Sie sind in diesem Spiel einfach viel besser als wir.” Strenge Regeln seien nötig, um nicht das Wettrennen gegen die Betrüger zu verlieren, meint Ramirez: “Auf den guten Willen der Spieler können wir uns nicht verlassen.”

Der Artikel wurde von Stefan Nestler aus dem Englischen adaptiert.

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