Kultur

Prix Goncourt 2022 geht an Brigitte Giraud

Er ist der älteste und bedeutendste Literaturpreis Frankreichs. 2022 erhält Brigitte Giraud den Prix Goncourt für ihr Buch “Vivre vite”, in dem sie einen tragischen Schicksalsschlag verarbeitet.

Das Ritual ist seit über einem Jahrhundert das gleiche, der Medienrummel auch: Die Jury des Prix Goncourt trifft sich für ein Mittagessen im Pariser Restaurant Drouant, um beim opulenten Mahl zu entscheiden, wer den besten französischen Roman des Jahres geschrieben hat. In diesem Jahr fiel die Wahl der zehn Jurorinnen und Juroren auf die bisher wenig bekannt französische Schriftstellerin Brigitte Giraud. Ihr Buch “Vivre vite” (Schnell leben) rekapituliert die Ereignisse rund um den Tod ihres Mannes, der 1999 bei einem Motorradunfall verunglückte.

Brigitte Giraud wurde 1960 in Sidi Bel-Abbès (Algerien) geboren. Sie studierte Deutsch und Englisch und arbeitete als Buchhändlerin zeitweise in der norddeutschen Hansestadt Lübeck. Inzwischen lebt sie im südfranzösischen Lyon, wo sie ein Literaturfestival organisiert. Außerdem gibt sie bei ihrem Pariser Verlag “Editions Stock” eine Literaturreihe heraus. Brigitte Giraud hat mehrere Romane veröffentlicht, auf Deutsch erschien von ihr zuletzt  2013 “Das fremde Jahr”.

Das Ritual ist seit über einem Jahrhundert das gleiche, der Medienrummel auch: Die Jury des Prix Goncourt trifft sich für ein Mittagessen im Pariser Restaurant Drouant, um beim opulenten Mahl zu entscheiden, wer den besten französischen Roman des Jahres geschrieben hat. In diesem Jahr fiel die Wahl der zehn Jurorinnen und Juroren auf die bisher wenig bekannt französische Schriftstellerin Brigitte Giraud. Ihr Buch “Vivre vite” (Schnell leben) rekapituliert die Ereignisse rund um den Tod ihres Mannes, der 1999 bei einem Motorradunfall verunglückte.

Der Prix Goncourt für Giraud hat nicht unbedingt überrascht. Schon seit Wochen galt “Vivre vite” zumindest als heimlicher Favorit unter den vier Büchern der Endrunde. In einer sehr persönlichen Schilderung erzählt die Autorin, wie sie und ihr Mann Claude an der Schwelle zu einem Neuanfang standen. Er war 41 Jahre alt und hatte sich der Musik verschrieben. Sie war 36 Jahre alt und schrieb neben ihrer Arbeit als Buchhändlerin. Das Paar, Eltern eines kleinen Sohnes, hatte gerade ein Haus am Rande der Stadt gekauft – als Schutzraum für die Familie, in dem sie glaubten, unbeschwert leben zu können.

Tragisches Aus einer Familie 

Doch es kam anders: Am 22. Juni 1999, als Claude den Sohn von der Schule abholte, verunglückte er mit seinem Motorrad. Er starb – und damit alle Hoffnung auf einen gemeinsamen Neuanfang im neuen Heim. “Ich bin allein mit unserem Sohn eingezogen, inmitten einer ziemlich brutalen chronologischen Abfolge. Unterzeichnung des Kaufvertrags. Unfall, Umzug. Beerdigung”, schreibt Brigitte Giraud im Vorwort von “Vivre vite”.

Brigitte Giraud ist erst die dreizehnte Frau, die den Prix Goncourt in seiner 120-jährigen Geschichte zugesprochen bekam. Das letzte Mal wurde 2016 eine Schriftstellerin ausgezeichnet: Leïla Slimani für “Chanson douce” (Dann schlaf auch du).

Neben Brigitte Giraud hatten es drei weitere Autoren in die Endrunde des Prix Goncourt geschafft: die Französin Cloé Korman, der italienisch-schweizerische Autor Giuliano da Empoli und der Haitianer Makenzy Orcel.

Als klarer Favorit war der 49-jährige Giuliano da Empoli ins Rennen gegangen. Sein im April erschienener Roman “Le Mage du Kremlin” (Der Zauberer im Kreml/Gallimard Verlag), war bei den meisten der von der Fachzeitschrift “Livres Hebdo” befragten Literaturjournalisten beliebt: Acht von 12 wetteten auf da Empoli, der zuvor bereits den “Grand Prix du roman” der Académie française erhielt: Sein Roman über Russland in den vergangenen 30 Jahren, insbesondere über Präsident Wladimir Putin, hatte das Zeug zum – äußerst seltenen – Double: Beide Preise hatte bisher nur der Amerikaner Jonathan Littell erhalten.

Nicht ganz chancenlos waren auch Cloé Korman und Makenzy Orcel. Korman ist 38 Jahre alt und hat mit “Les presque soeurs” (etwa: Fast Schwestern, erschienen bei Seuil) eine Untersuchung über Kinder verfasst, die Opfer des Holocaust wurden. Zuletzt bekam sie heftigen Gegenwind: Drei Holocaust-Überlebende, auf deren Aussagen sich Kormans Erzählung stützt, meldeten sich öffentlich zu Wort. Sie kritisierten, das Buch enthalte Ungenauigkeiten und Indiskretionen über ihr Leben.

Mit dem bisher wenig bekannten Makenzy Orcel schließlich hatte es zum zweiten Mal in Folge ein Haitianer ins Finale geschafft – nach Louis-Philippe Dalembert im Vorjahr. Orcels “Une somme humaine” (Eine menschliche Summe), erschienen bei Rivages, ist der aus dem Grab kommende Monolog einer jungen französischen Frau.

Der Prix Goncourt gilt als der renommierteste französische Literaturpreis. Die Auszeichnung ist lediglich mit einem Scheck über zehn Euro verbunden, den die Empfänger gleichwohl lieber einrahmen als ihn bei der Bank einzuzahlen. Die eigentliche Belohnung besteht in der klassischen roten Manschette, die das Siegerbuch in den Buchläden schmücken darf und es zumeist zum Bestseller macht. Der Goncourt wird zudem traditionell kurz vor Weihnachten vergeben. Somit garantiert er gute Verkäufe: “Le Mage du Kremlin” etwa riss – nach sehr guten Kritiken und mehr als sechs Monaten im französischen Buchhandel – soeben die 100.000er-Marke. Davon sind seine drei Rivalen, die im August erschienen, noch weit entfernt. Das Gewinnerbuch dürfte noch ordentlich zulegen.

Vor einem Jahr war es der senegalesische Autor Mohamed Mbougar Sarr, der den begehrten Prix Goncourt für den besten französischsprachigen Roman des Jahres mit nach Hause nehmen durfte. In “La plus secrète mémoire des hommes” (“Die geheimste Erinnerung der Menschen”) erzählt Sarr die Geschichte eines jungen Schwarzen in Paris.

Eine Besonderheit gab es rund um den diesjährigen Prix Goncourt: Häftlinge in Frankreich konnten erstmals mit den nominierten Autorinnen und Autoren über deren Werke diskutieren und ihr Lieblingsbuch wählen. Damit sollten die Sträflinge einen besseren Zugang zur Kultur bekommen und in die Gesellschaft integriert werden, wie das französische Kulturministerium mitteilte. Wer den “Prix Goncourt der Häftlinge” erhält, wird erst zwei Wochen nach der Verleihung des offiziellen Prix Goncourt bekanntgegeben.

Buchcover Vivre vite von Brigitte Giraud
Giuliano da Empoli mit seinem Buch Le Mage du Kremlin)

Das Ritual ist seit über einem Jahrhundert das gleiche, der Medienrummel auch: Die Jury des Prix Goncourt trifft sich für ein Mittagessen im Pariser Restaurant Drouant, um beim opulenten Mahl zu entscheiden, wer den besten französischen Roman des Jahres geschrieben hat. In diesem Jahr fiel die Wahl der zehn Jurorinnen und Juroren auf die bisher wenig bekannt französische Schriftstellerin Brigitte Giraud. Ihr Buch “Vivre vite” (Schnell leben) rekapituliert die Ereignisse rund um den Tod ihres Mannes, der 1999 bei einem Motorradunfall verunglückte.

Brigitte Giraud wurde 1960 in Sidi Bel-Abbès (Algerien) geboren. Sie studierte Deutsch und Englisch und arbeitete als Buchhändlerin zeitweise in der norddeutschen Hansestadt Lübeck. Inzwischen lebt sie im südfranzösischen Lyon, wo sie ein Literaturfestival organisiert. Außerdem gibt sie bei ihrem Pariser Verlag “Editions Stock” eine Literaturreihe heraus. Brigitte Giraud hat mehrere Romane veröffentlicht, auf Deutsch erschien von ihr zuletzt  2013 “Das fremde Jahr”.

Tragisches Aus einer Familie 

Der Prix Goncourt für Giraud hat nicht unbedingt überrascht. Schon seit Wochen galt “Vivre vite” zumindest als heimlicher Favorit unter den vier Büchern der Endrunde. In einer sehr persönlichen Schilderung erzählt die Autorin, wie sie und ihr Mann Claude an der Schwelle zu einem Neuanfang standen. Er war 41 Jahre alt und hatte sich der Musik verschrieben. Sie war 36 Jahre alt und schrieb neben ihrer Arbeit als Buchhändlerin. Das Paar, Eltern eines kleinen Sohnes, hatte gerade ein Haus am Rande der Stadt gekauft – als Schutzraum für die Familie, in dem sie glaubten, unbeschwert leben zu können.

Doch es kam anders: Am 22. Juni 1999, als Claude den Sohn von der Schule abholte, verunglückte er mit seinem Motorrad. Er starb – und damit alle Hoffnung auf einen gemeinsamen Neuanfang im neuen Heim. “Ich bin allein mit unserem Sohn eingezogen, inmitten einer ziemlich brutalen chronologischen Abfolge. Unterzeichnung des Kaufvertrags. Unfall, Umzug. Beerdigung”, schreibt Brigitte Giraud im Vorwort von “Vivre vite”.

Brigitte Giraud ist erst die dreizehnte Frau, die den Prix Goncourt in seiner 120-jährigen Geschichte zugesprochen bekam. Das letzte Mal wurde 2016 eine Schriftstellerin ausgezeichnet: Leïla Slimani für “Chanson douce” (Dann schlaf auch du).

Neben Brigitte Giraud hatten es drei weitere Autoren in die Endrunde des Prix Goncourt geschafft: die Französin Cloé Korman, der italienisch-schweizerische Autor Giuliano da Empoli und der Haitianer Makenzy Orcel.

Kreml-Buch setzte sich nicht durch

Als klarer Favorit war der 49-jährige Giuliano da Empoli ins Rennen gegangen. Sein im April erschienener Roman “Le Mage du Kremlin” (Der Zauberer im Kreml/Gallimard Verlag), war bei den meisten der von der Fachzeitschrift “Livres Hebdo” befragten Literaturjournalisten beliebt: Acht von 12 wetteten auf da Empoli, der zuvor bereits den “Grand Prix du roman” der Académie française erhielt: Sein Roman über Russland in den vergangenen 30 Jahren, insbesondere über Präsident Wladimir Putin, hatte das Zeug zum – äußerst seltenen – Double: Beide Preise hatte bisher nur der Amerikaner Jonathan Littell erhalten.

Preisgeld beträgt nur zehn Euro

Nicht ganz chancenlos waren auch Cloé Korman und Makenzy Orcel. Korman ist 38 Jahre alt und hat mit “Les presque soeurs” (etwa: Fast Schwestern, erschienen bei Seuil) eine Untersuchung über Kinder verfasst, die Opfer des Holocaust wurden. Zuletzt bekam sie heftigen Gegenwind: Drei Holocaust-Überlebende, auf deren Aussagen sich Kormans Erzählung stützt, meldeten sich öffentlich zu Wort. Sie kritisierten, das Buch enthalte Ungenauigkeiten und Indiskretionen über ihr Leben.

Mit dem bisher wenig bekannten Makenzy Orcel schließlich hatte es zum zweiten Mal in Folge ein Haitianer ins Finale geschafft – nach Louis-Philippe Dalembert im Vorjahr. Orcels “Une somme humaine” (Eine menschliche Summe), erschienen bei Rivages, ist der aus dem Grab kommende Monolog einer jungen französischen Frau.

Der Prix Goncourt gilt als der renommierteste französische Literaturpreis. Die Auszeichnung ist lediglich mit einem Scheck über zehn Euro verbunden, den die Empfänger gleichwohl lieber einrahmen als ihn bei der Bank einzuzahlen. Die eigentliche Belohnung besteht in der klassischen roten Manschette, die das Siegerbuch in den Buchläden schmücken darf und es zumeist zum Bestseller macht. Der Goncourt wird zudem traditionell kurz vor Weihnachten vergeben. Somit garantiert er gute Verkäufe: “Le Mage du Kremlin” etwa riss – nach sehr guten Kritiken und mehr als sechs Monaten im französischen Buchhandel – soeben die 100.000er-Marke. Davon sind seine drei Rivalen, die im August erschienen, noch weit entfernt. Das Gewinnerbuch dürfte noch ordentlich zulegen.

Vor einem Jahr war es der senegalesische Autor Mohamed Mbougar Sarr, der den begehrten Prix Goncourt für den besten französischsprachigen Roman des Jahres mit nach Hause nehmen durfte. In “La plus secrète mémoire des hommes” (“Die geheimste Erinnerung der Menschen”) erzählt Sarr die Geschichte eines jungen Schwarzen in Paris.

Eine Besonderheit gab es rund um den diesjährigen Prix Goncourt: Häftlinge in Frankreich konnten erstmals mit den nominierten Autorinnen und Autoren über deren Werke diskutieren und ihr Lieblingsbuch wählen. Damit sollten die Sträflinge einen besseren Zugang zur Kultur bekommen und in die Gesellschaft integriert werden, wie das französische Kulturministerium mitteilte. Wer den “Prix Goncourt der Häftlinge” erhält, wird erst zwei Wochen nach der Verleihung des offiziellen Prix Goncourt bekanntgegeben.

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