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Hatice Cengiz erinnert an Jamal Khashoggi

Vor vier Jahren ermordeten Saudis den prominenten Regimekritiker Jamal Khashoggi. Nun hielt seine Verlobte Hatice Cengiz die Helmut-Schmidt-Lecture in Berlin – trauriger Vortrag und Anklage zugleich.

Hatice Cengiz spricht langsam, hält wieder und wieder inne. Spürbar kämpft sie um Worte bei ihrer Rede in den Räumen des Museums für Kommunikation in Berlin. Irgendwann geht eine Dame aus dem Publikum nach vorne und reicht ihr Papiertaschentücher.

Die 40-jährige Cengiz ist türkische Journalistin und Nahost-Expertin und hält die zweite sogenannte Helmut-Schmidt-Lecture. In dieser noch jungen Vortragsreihe lädt die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung einmal im Jahr herausragende Persönlichkeiten ein, über Themen zu sprechen, mit denen sich auch der frühere deutsche Regierungschef einst intensiv beschäftigte. Im vergangenen Jahr hatte die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja einen solchen Vortrag gehalten. An diesem Donnerstagabend in Berlin berichtet Hatice Cengiz vom Schicksal ihres Verlobten Jamal Khashoggi

Hatice Cengiz spricht langsam, hält wieder und wieder inne. Spürbar kämpft sie um Worte bei ihrer Rede in den Räumen des Museums für Kommunikation in Berlin. Irgendwann geht eine Dame aus dem Publikum nach vorne und reicht ihr Papiertaschentücher.

Jeder im Saal kennt dessen Schicksal. Khashoggi war einer der bekanntesten Journalisten und Medienmacher Saudi-Arabiens. Er wurde zum prominenten Kritiker des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, verließ 2017 sein Land, ging nach Washington.

“Man muss es verurteilen”

Als Khashoggi am 2. Oktober 2018, wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag, das Konsulat seines Landes in Istanbul aufsucht, um Unterlagen für seine Hochzeit mit Hatice Cengiz abzuholen, kehrt er nie mehr aus dem Gebäude in der türkischen Metropole zurück. Tage später erst wird allmählich klar, dass Jamal Khashoggi von saudischen Mördern im Konsulat umgebracht wurde. Vermutlich wurde sein Körper zerstückelt. Bis heute ist der Verbleib seiner sterblichen Überreste unbekannt.

Hatice Cengiz schildert in ihrer Berliner Rede ihr immer verzweifelteres Warten in den Tagen nach dem 2. Oktober 2018, die Suche, das Sehnen. Sie spricht, ohne einmal “Saudi-Arabien” zu erwähnen. Es ist eine anrührende Schilderung ihrer Liebe und ihres Verlusts, des Traumas, der Trauer, der Verzweiflung.

“Vier Jahre sind nun vergangen, in denen ich die reale Politik erlebt habe”, sagt sie. “Ich bin nun vertraut mit den Konzepten der Weltordnung und den Abwägungen hinter verschlossenen Türen, den wirtschaftlichen Interessen der Länder und dem Gleichgewicht der Kräfte.” Es klingt nach Erstaunen und Bitterkeit.

Erst nach ihrer Rede und stehendem Applaus erwähnt sie im Gespräch mit der Moderatorin des Abends fast nebenbei Saudi-Arabien. Sie habe das Recht zur Kritik des Landes. Wenn ein Land unschuldige Menschen töte, müsse man es verurteilen. Und Cengiz spricht von der Notwendigkeit eines neuen Rechtssystems.

Die wenigen Fragen aus dem Publikum gehen auch darauf ein. Was sie denke, wenn sie nun Spitzenpolitiker wie Joe Biden, Emmanuel Macron oder Olaf Scholz als Gäste bei Kronprinz bin Salman sehe, der mutmaßlich in Verbindung zu dem Verbrechen an Khashoggi steht? Cengiz schildert die Weltlage mit der Sorge demokratischer Länder um Energieversorgung. Aber sie spüre “Traurigkeit für diese Politiker. Es ist eine Schande für sie.” Sie hätten keinen Respekt verdient.

Die Weltführer sollten bin Salman keinen Respekt als Kronprinz entgegenbringen, ihn später “nicht als König sehen, nicht als König empfangen”. Cengiz sagt es leise und klar zugleich.

Zuvor war auch bei Peer Steinbrück dieser Zweifel, diese Zerrissenheit zu spüren. Als Kuratoriumsvorsitzender der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung hatte der frühere Bundesfinanzminister Hatice Cengiz vor ihrer Rede offiziell auf dem Podium begrüßt. Steinbrück spricht von pragmatischen Entscheidungen, von einer Balance zwischen Interessen und Werten. Es sei die große Stärke der deutschen Demokratie, dass man diese Themen offen und kontrovers diskutieren könne.

Cengiz wird von mehreren Personenschützern begleitet. Auf Nachfrage der Moderatorin schildert sie ihre Angst. Eine Angst, die sie wohl nicht mehr loslassen werde. Doch Cengiz hat eine Mission. Und so hat sie in diesen Tagen in Deutschland noch viele Gespräche mit politischen Persönlichkeiten in Berlin, unter anderem mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe, und den außenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid. Auch ein Besuch im Bundeskanzleramt beim außenpolitischen Berater von Olaf Scholz, Jens Plötner, und eine Begegnung mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stehen auf ihrem Programm.

“Lieber Jamal”, sagt Hatice Cengiz zum Ende ihrer Rede und richtet sich damit an ihren ermordeten Verlobten: “Deinen Mut und Deinen Glauben an Tugendhaftigkeit kennen heute unzählige Menschen, Du wirst auch künftig eine Inspiration für viele Menschen in Deinem Land sein. Ruhe in Frieden”. Dabei weiß sie nicht mal, wo seine Reste ruhen.

Jamal Khashoggi (2017)
Saudi-Arabien | Olaf Scholz und Mohammed bin Salman in Dschidda (24.09.2022)

Hatice Cengiz spricht langsam, hält wieder und wieder inne. Spürbar kämpft sie um Worte bei ihrer Rede in den Räumen des Museums für Kommunikation in Berlin. Irgendwann geht eine Dame aus dem Publikum nach vorne und reicht ihr Papiertaschentücher.

Die 40-jährige Cengiz ist türkische Journalistin und Nahost-Expertin und hält die zweite sogenannte Helmut-Schmidt-Lecture. In dieser noch jungen Vortragsreihe lädt die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung einmal im Jahr herausragende Persönlichkeiten ein, über Themen zu sprechen, mit denen sich auch der frühere deutsche Regierungschef einst intensiv beschäftigte. Im vergangenen Jahr hatte die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja einen solchen Vortrag gehalten. An diesem Donnerstagabend in Berlin berichtet Hatice Cengiz vom Schicksal ihres Verlobten Jamal Khashoggi

“Man muss es verurteilen”

Jeder im Saal kennt dessen Schicksal. Khashoggi war einer der bekanntesten Journalisten und Medienmacher Saudi-Arabiens. Er wurde zum prominenten Kritiker des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, verließ 2017 sein Land, ging nach Washington.

Als Khashoggi am 2. Oktober 2018, wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag, das Konsulat seines Landes in Istanbul aufsucht, um Unterlagen für seine Hochzeit mit Hatice Cengiz abzuholen, kehrt er nie mehr aus dem Gebäude in der türkischen Metropole zurück. Tage später erst wird allmählich klar, dass Jamal Khashoggi von saudischen Mördern im Konsulat umgebracht wurde. Vermutlich wurde sein Körper zerstückelt. Bis heute ist der Verbleib seiner sterblichen Überreste unbekannt.

Hatice Cengiz schildert in ihrer Berliner Rede ihr immer verzweifelteres Warten in den Tagen nach dem 2. Oktober 2018, die Suche, das Sehnen. Sie spricht, ohne einmal “Saudi-Arabien” zu erwähnen. Es ist eine anrührende Schilderung ihrer Liebe und ihres Verlusts, des Traumas, der Trauer, der Verzweiflung.

“Vier Jahre sind nun vergangen, in denen ich die reale Politik erlebt habe”, sagt sie. “Ich bin nun vertraut mit den Konzepten der Weltordnung und den Abwägungen hinter verschlossenen Türen, den wirtschaftlichen Interessen der Länder und dem Gleichgewicht der Kräfte.” Es klingt nach Erstaunen und Bitterkeit.

“Kein Kronprinz, kein König”

Erst nach ihrer Rede und stehendem Applaus erwähnt sie im Gespräch mit der Moderatorin des Abends fast nebenbei Saudi-Arabien. Sie habe das Recht zur Kritik des Landes. Wenn ein Land unschuldige Menschen töte, müsse man es verurteilen. Und Cengiz spricht von der Notwendigkeit eines neuen Rechtssystems.

Die wenigen Fragen aus dem Publikum gehen auch darauf ein. Was sie denke, wenn sie nun Spitzenpolitiker wie Joe Biden, Emmanuel Macron oder Olaf Scholz als Gäste bei Kronprinz bin Salman sehe, der mutmaßlich in Verbindung zu dem Verbrechen an Khashoggi steht? Cengiz schildert die Weltlage mit der Sorge demokratischer Länder um Energieversorgung. Aber sie spüre “Traurigkeit für diese Politiker. Es ist eine Schande für sie.” Sie hätten keinen Respekt verdient.

Die Weltführer sollten bin Salman keinen Respekt als Kronprinz entgegenbringen, ihn später “nicht als König sehen, nicht als König empfangen”. Cengiz sagt es leise und klar zugleich.

Zuvor war auch bei Peer Steinbrück dieser Zweifel, diese Zerrissenheit zu spüren. Als Kuratoriumsvorsitzender der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung hatte der frühere Bundesfinanzminister Hatice Cengiz vor ihrer Rede offiziell auf dem Podium begrüßt. Steinbrück spricht von pragmatischen Entscheidungen, von einer Balance zwischen Interessen und Werten. Es sei die große Stärke der deutschen Demokratie, dass man diese Themen offen und kontrovers diskutieren könne.

Cengiz wird von mehreren Personenschützern begleitet. Auf Nachfrage der Moderatorin schildert sie ihre Angst. Eine Angst, die sie wohl nicht mehr loslassen werde. Doch Cengiz hat eine Mission. Und so hat sie in diesen Tagen in Deutschland noch viele Gespräche mit politischen Persönlichkeiten in Berlin, unter anderem mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe, und den außenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid. Auch ein Besuch im Bundeskanzleramt beim außenpolitischen Berater von Olaf Scholz, Jens Plötner, und eine Begegnung mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stehen auf ihrem Programm.

“Lieber Jamal”, sagt Hatice Cengiz zum Ende ihrer Rede und richtet sich damit an ihren ermordeten Verlobten: “Deinen Mut und Deinen Glauben an Tugendhaftigkeit kennen heute unzählige Menschen, Du wirst auch künftig eine Inspiration für viele Menschen in Deinem Land sein. Ruhe in Frieden”. Dabei weiß sie nicht mal, wo seine Reste ruhen.

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