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Meinung: Wladimir Putin gibt Cherson auf und zeigt sich lernfähig – das ist gefährlich

Ukraine reagiert zurückhaltend auf den russischen Abzug aus Teilen des Gebiets Cherson auf das linke Ufer des Dnipro-Flusses. Zu Recht, denn bis zur Niederlage Russlands ist es ein weiter Weg, meint Roman Goncharenko.

Zieht sich Russland tatsächlich zurück? Überlässt der russische Präsident Wladimir Putin der ukrainischen Armee Cherson – die einzige Gebietshauptstadt, die seit dem Einmarsch im Februar besetzt wurde? Nachdem die Tinte auf den Annexionspapieren kaum getrocknet ist?

Tatsächlich ist genau das passiert. Das russische Verteidigungsministerium verkündet, der Rückzug sei abgeschlossen.

Zieht sich Russland tatsächlich zurück? Überlässt der russische Präsident Wladimir Putin der ukrainischen Armee Cherson – die einzige Gebietshauptstadt, die seit dem Einmarsch im Februar besetzt wurde? Nachdem die Tinte auf den Annexionspapieren kaum getrocknet ist?

Die erste vorsichtige Reaktion aus Kiew zeigt, wie schwer die Ukrainer daran glauben können, obwohl sie so lange darauf hin gearbeitet haben. Seit Juli hat die ukrainische Armee mit der Hilfe der US-Mehrfachraketenwerfer vom Typ HIMARS systematisch die Brücken über den größten Fluss des Landes, Dnipro, angegriffen und beschädigt.

Putin hat aus früheren Fehlern gelernt 

Damit wurde die Versorgung der russischen Truppen am rechten Ufer schwer bis unmöglich gemacht. Nichtsdestotrotz ist die ukrainische Zurückhaltung berechtigt, denn der Rückzug ist eine gigantische, historische Niederlage für Russland, vergleichbar mit dem zu Beginn der Invasion gescheiterten Versuch, Kiew einzunehmen.

Es ist ein Schlag gegen den viel beschworenen Patriotismus und gegen die Kampfmoral der russischen Armee, die ohnehin niedrig ist.

Aus militärischer Sicht ist diese Niederlage besonders schwer, denn mit dem Verlust des rechten Ufers des Dnipro verliert Russland den Brückenkopf für den Vormarsch Richtung Mykolajiw und Odessa. Das sind Orte, wo dieser Krieg später entschieden werden kann. Wenn die Ukraine diese strategischen Gebiete halten kann, und die Chancen dafür sind gut, wird der ganze Kriegseinsatz und damit auch Putins Regime endgültig scheitern.

Auch deshalb verbot Putin noch vor kurzem seinen Generälen, wenn die Berichterstattung der New York Times stimmt, Cherson aufzugeben. Seine nun veränderte Haltung zeigt, dass der Kremlchef aus früheren Fehlern gelernt hat – und das ist gefährlich im Hinblick auf seine weiteren Pläne.

Aus russischer Sicht ist es logisch, den Brückenkopf am rechten Ufer aufzugeben, wenn man ihn nur schlecht versorgen und verteidigen kann. Das haben auch westliche Militärexperten so gesehen. Doch wer nach Logik in Russlands Vorgehen in der Ukraine suchte, vergeudete seine Zeit. Seit seinem Beginn im Jahr 2014 ist und bleibt dieser Krieg ein Wahnsinnsakt.

Viele Artikel und Bücher beschreiben, dass Russland im Krieg traditionell wenig Rücksicht auf menschliche Verluste nimmt. Der Krieg gegen die Ukraine ist da keine Ausnahme. Um den mehr als 1000 Kilometern langen Frontverlauf zu halten, hat Russland einfach nicht genügend Kämpfer. Deshalb war auch die Mobilisierung nötig, die fortgesetzt wird.

Putins Zustimmung zu einem für ihn beschämenden Rückzug aus Cherson bedeutet, dass er nach einigen Niederlagen nicht mehr so viel in die Kriegsplanung eingreifen kann. Dennoch wird er seine Pläne, möglichst viel ukrainisches Territorium zu besetzen und die Regierung in Kiew zu stürzen, nicht aufgeben.

Zumal Russland der ukrainischen Armee kaum die Chance geben wird, sich dort festzusetzen und zu überwintern. Es besteht das Risiko, dass die russische Armee den Staudamm bei Nowa Kachowka sprengt und der Ukraine die Schuld dafür in die Schuhe schiebt. Das wäre eine Katastrophe für die Menschen in der Region und würde den ukrainischen Vormarsch bremsen. Auch wenn das nicht passiert, dürfte Russland vom linken Ufer die ukrainischen Stellungen in Cherson unter Beschuss nehmen. Cherson droht eine Ruinenstadt zu werden, wie Mariupol.

Im Winter könnte es im Gebiet Cherson zu einem Stellungskrieg kommen, im Donbass ist dagegen eine neue Intensität zu erwarten. Es ist denkbar, dass Russland dort seine Truppen mit den Verbänden verstärken wird, die jetzt aus Cherson abgezogen wurden. Das gab es schon nach der Niederlage von Kiew. Damals konnte Russland dank Verstärkung die Städte Sewerodonezk und Lyssytschansk erobern. Diese Erfahrung ist für die Ukraine ein weiterer Anlass, nicht zu früh zu jubeln. Bis zu einer Niederlage Russlands ist es noch ein weiter Weg. 

Die wichtigste Lehre von Cherson lautet: Die Ukraine hat erneut bewiesen, dass sie gegen Russland und seine überlegenen Ressourcen erfolgreich bestehen kann. Das ist auch für die westliche Unterstützung wichtig, denn ohne diese Hilfe hätte es keinen ukrainischen Sieg in Cherson gegeben.

DW-Redakteur Roman Goncharenko

Zieht sich Russland tatsächlich zurück? Überlässt der russische Präsident Wladimir Putin der ukrainischen Armee Cherson – die einzige Gebietshauptstadt, die seit dem Einmarsch im Februar besetzt wurde? Nachdem die Tinte auf den Annexionspapieren kaum getrocknet ist?

Tatsächlich ist genau das passiert. Das russische Verteidigungsministerium verkündet, der Rückzug sei abgeschlossen.

Putin hat aus früheren Fehlern gelernt 

Die erste vorsichtige Reaktion aus Kiew zeigt, wie schwer die Ukrainer daran glauben können, obwohl sie so lange darauf hin gearbeitet haben. Seit Juli hat die ukrainische Armee mit der Hilfe der US-Mehrfachraketenwerfer vom Typ HIMARS systematisch die Brücken über den größten Fluss des Landes, Dnipro, angegriffen und beschädigt.

Damit wurde die Versorgung der russischen Truppen am rechten Ufer schwer bis unmöglich gemacht. Nichtsdestotrotz ist die ukrainische Zurückhaltung berechtigt, denn der Rückzug ist eine gigantische, historische Niederlage für Russland, vergleichbar mit dem zu Beginn der Invasion gescheiterten Versuch, Kiew einzunehmen.

Es ist ein Schlag gegen den viel beschworenen Patriotismus und gegen die Kampfmoral der russischen Armee, die ohnehin niedrig ist.

Aus militärischer Sicht ist diese Niederlage besonders schwer, denn mit dem Verlust des rechten Ufers des Dnipro verliert Russland den Brückenkopf für den Vormarsch Richtung Mykolajiw und Odessa. Das sind Orte, wo dieser Krieg später entschieden werden kann. Wenn die Ukraine diese strategischen Gebiete halten kann, und die Chancen dafür sind gut, wird der ganze Kriegseinsatz und damit auch Putins Regime endgültig scheitern.

Cherson könnte das Schicksal von Mariupol teilen

Auch deshalb verbot Putin noch vor kurzem seinen Generälen, wenn die Berichterstattung der New York Times stimmt, Cherson aufzugeben. Seine nun veränderte Haltung zeigt, dass der Kremlchef aus früheren Fehlern gelernt hat – und das ist gefährlich im Hinblick auf seine weiteren Pläne.

Aus russischer Sicht ist es logisch, den Brückenkopf am rechten Ufer aufzugeben, wenn man ihn nur schlecht versorgen und verteidigen kann. Das haben auch westliche Militärexperten so gesehen. Doch wer nach Logik in Russlands Vorgehen in der Ukraine suchte, vergeudete seine Zeit. Seit seinem Beginn im Jahr 2014 ist und bleibt dieser Krieg ein Wahnsinnsakt.

Viele Artikel und Bücher beschreiben, dass Russland im Krieg traditionell wenig Rücksicht auf menschliche Verluste nimmt. Der Krieg gegen die Ukraine ist da keine Ausnahme. Um den mehr als 1000 Kilometern langen Frontverlauf zu halten, hat Russland einfach nicht genügend Kämpfer. Deshalb war auch die Mobilisierung nötig, die fortgesetzt wird.

Putins Zustimmung zu einem für ihn beschämenden Rückzug aus Cherson bedeutet, dass er nach einigen Niederlagen nicht mehr so viel in die Kriegsplanung eingreifen kann. Dennoch wird er seine Pläne, möglichst viel ukrainisches Territorium zu besetzen und die Regierung in Kiew zu stürzen, nicht aufgeben.

Zumal Russland der ukrainischen Armee kaum die Chance geben wird, sich dort festzusetzen und zu überwintern. Es besteht das Risiko, dass die russische Armee den Staudamm bei Nowa Kachowka sprengt und der Ukraine die Schuld dafür in die Schuhe schiebt. Das wäre eine Katastrophe für die Menschen in der Region und würde den ukrainischen Vormarsch bremsen. Auch wenn das nicht passiert, dürfte Russland vom linken Ufer die ukrainischen Stellungen in Cherson unter Beschuss nehmen. Cherson droht eine Ruinenstadt zu werden, wie Mariupol.

Im Winter könnte es im Gebiet Cherson zu einem Stellungskrieg kommen, im Donbass ist dagegen eine neue Intensität zu erwarten. Es ist denkbar, dass Russland dort seine Truppen mit den Verbänden verstärken wird, die jetzt aus Cherson abgezogen wurden. Das gab es schon nach der Niederlage von Kiew. Damals konnte Russland dank Verstärkung die Städte Sewerodonezk und Lyssytschansk erobern. Diese Erfahrung ist für die Ukraine ein weiterer Anlass, nicht zu früh zu jubeln. Bis zu einer Niederlage Russlands ist es noch ein weiter Weg. 

Die wichtigste Lehre von Cherson lautet: Die Ukraine hat erneut bewiesen, dass sie gegen Russland und seine überlegenen Ressourcen erfolgreich bestehen kann. Das ist auch für die westliche Unterstützung wichtig, denn ohne diese Hilfe hätte es keinen ukrainischen Sieg in Cherson gegeben.

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