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Totgeprügelter Kongolese: Wie rassistisch ist Brasilien?

Die brutale Ermordung des kongolesischen Immigranten Moïse Mugenyi Kabagambe in Rio de Janeiro hat weltweit Schlagzeilen gemacht. Und die Tat hat die Diskussion um Rassismus in Brasilien wieder angefacht.

Die Videobilder sind schockierend. Am 24. Januar wurde der 24 Jahre alte Moïse Mugenyi Kabagambe an einem Kiosk am Strand von Barra da Tijuca in Rio de Janeiro zu Tode geprügelt. Laut Angaben der Familie wollte der gebürtige Kongolese, der 2011 mit Angehörigen vor dem Krieg in der Demokratischen Republik Kongo nach Brasilien flüchtete, den Lohn für zwei Tage Arbeit an dem Strandkiosk einfordern.

Eine Überwachungskamera filmte mehrere Männer, die mit einer Holzlatte und einem Baseballschläger auf Moïse einschlugen und ihn fesselten. Sie wollten dem angeblich angetrunkenen Moïse lediglich eine Lektion erteilen. Drei Männer, die an dem Tatort und dem benachbarten Kiosk arbeiteten und die anhand des Videos als Aggressoren identifiziert wurden, wurden festgenommen.

Die Videobilder sind schockierend. Am 24. Januar wurde der 24 Jahre alte Moïse Mugenyi Kabagambe an einem Kiosk am Strand von Barra da Tijuca in Rio de Janeiro zu Tode geprügelt. Laut Angaben der Familie wollte der gebürtige Kongolese, der 2011 mit Angehörigen vor dem Krieg in der Demokratischen Republik Kongo nach Brasilien flüchtete, den Lohn für zwei Tage Arbeit an dem Strandkiosk einfordern.

Die brutale Tat löste eine Schockwelle in Brasilien aus. Unter den Hashtacks #JusticeforMoise und #JusticeforMoiseMugenyi äußerten Tausende ihr Entsetzen. Für die Kongressabgeordnete der linken PSOL Talíria Petrone gehen in diesem Fall Rassismus und Xenophobie Hand in Hand. “Es gibt keinen Zweifel daran, dass er das Opfer von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und einer immer intoleranteren Gesellschaft geworden ist. Und die immer mehr Gewalt wie diese banalisiert”, sagt die dunkelhäutige Abgeordnete im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Proteste gegen Rassismus und Xenophobie

Die Regierung von Präsident Jair Messias Bolsonaro habe ihren Anteil, so Petrone. Die Regierung selber sei “rassistisch, intolerant und ausländerfeindlich”. Präsident Bolsonaro mache Witze über indigene Völker und Nachfahren von Sklaven, lobe Autoritarismus und Folter und applaudiere der Grausamkeit gegen die schwarze Bevölkerung und Bewohner von Armenviertel. “Bolsonaro repräsentiert eine Politik, die Rassismus und Xenophobie verstärkt und der Moïse Kabagambe zum Opfer gefallen ist.”

Für den Sicherheitsexperten Ignacio Cano von Rios Landesuniversität UERJ legt der Fall die Banalisierung der Gewalt in Brasilien offen. Jemanden zu verprügeln, um ihm “eine Lektion zu erteilen”, werde als normal und legitim angesehen. “Ungewöhnlich an diesem Fall ist, dass er zum Tode führte. Aber jemanden brutal zu prügeln ist leider normal.”

Auffallend sei die große Anteilnahme, die die Tat in der brasilianischen Gesellschaft erregt hat, so Cano. Während in anderen Ländern der Tod eines Immigranten wohl weniger Aufmerksamkeit als der eines Einheimischen erregen würde, sei es hier umgekehrt. Gerade dass Moïse Immigrant, Ausländer und Schwarzer war, habe die Menschen angesprochen. “Das Bewusstsein für Rassismus nimmt zu, und wenn das Opfer ganz offensichtlich ein Schwarzer – in diesem Fall Kongolese – ist, löst das eine stärkere Reaktion aus. Man ist sich bewusst, dass Personen wie er vulnerabler sind.”

Am vergangenen Samstag demonstrierten landesweit Tausende von Brasilianern gegen Rassismus und Xenophobie. Auch in Berlin gab es Protest vor der brasilianischen Botschaft. Für Petrone ein klares Zeichen: “Die Demonstrationen zeigen, dass es nicht mehr möglich ist, mit Grausamkeiten wie dieser und vielen anderen zu leben, die uns den Schlaf rauben, ganze Familien zerstören, Herzen und Seelen der Mütter zerreißen, die ihre Söhne an die Gewalt eines rassistischen Staates verloren haben.”

Für den Theologen Rodolfo Capler von der katholischen Universität PUC-SP zeigt die hohe öffentliche Anteilnahme, dass die brasilianische Gesellschaft durch ausländische Bewegungen wie Black Lives Matter sensibilisiert ist. Besonders die jüngere Generation sei für solch ein “globales Momentum” sehr aufgeschlossen. “Diese Generation – ich nenne sie die Generation Selfie – ist die inklusivste Generation der Geschichte”, sagt Capler im Gespräch mit der DW. Gleichzeitig erlebe Brasilien unter der Regierung Bolsonaros eine Zunahme von Gewalt gegen Minderheiten, angefacht durch den Diskurs der Regierung. 

Die alltägliche, rassistische Gewalt ist für Capler der Beweis, dass die angeblich in Brasilien herrschende Theorie der Rassendemokratie nicht existiert. Sie war von dem Soziologen Gilberto Freyre in den 1930er Jahren entworfen worden und besagt, dass durch die zunehmende Vermischung der Rassen der Rassismus immer weiter abgebaut werde. Eingetroffen sei dies nicht, so Capler. “Der Alltagsrassismus versteckt sich hier hinter diesem Mantel der Rassendemokratie. Aber wir haben keine Rassendemokratie. Etwas anderes zu behaupten, heißt, die Existenz des Rassismus zu verneinen.”

Rios Stadtverwaltung will nun ein Zeichen setzen und am Tatort eine Gedenkstätte für Moïse errichten. Dafür sollen die beiden Kioske in ein kongolesisches Kulturzentrum umgebaut werden. Zudem übergab Bürgermeister Eduardo Paes am Montag die Betreiberkonzession an die Familie des Opfers. Bis 2030 dürfen Moïses Mutter und die vier Brüder die beiden Kioske betreiben.

Ignacio Cano begrüßt die schnelle Reaktion der Stadtverwaltung, zumal man sich damit gleichzeitig um Moïses Familie kümmere. “Das sendet auch ein Signal für zukünftige Fälle: Das sind keine Personen, die man einfach töten darf, sondern sie haben ihren Wert.”

Die Abgeordnete Petrone begrüßte ebenfalls die Initiative der Stadt, gab jedoch auch Bedenken kund. “Es ist schwierig sich vorzustellen, wie diese Familie an einem Ort arbeiten und leben soll, in dem einer von ihnen zu Tode geprügelt wurde.”

Coronavirus | Brasilien Rio Strand Barra da Tijuca
Brasilien Präsident Bolsonaro
Berlin Protest vor Botschaft Brasilien | Gerechtigkeit für Moïse Kabagambe aus DR Kongo

Die Videobilder sind schockierend. Am 24. Januar wurde der 24 Jahre alte Moïse Mugenyi Kabagambe an einem Kiosk am Strand von Barra da Tijuca in Rio de Janeiro zu Tode geprügelt. Laut Angaben der Familie wollte der gebürtige Kongolese, der 2011 mit Angehörigen vor dem Krieg in der Demokratischen Republik Kongo nach Brasilien flüchtete, den Lohn für zwei Tage Arbeit an dem Strandkiosk einfordern.

Eine Überwachungskamera filmte mehrere Männer, die mit einer Holzlatte und einem Baseballschläger auf Moïse einschlugen und ihn fesselten. Sie wollten dem angeblich angetrunkenen Moïse lediglich eine Lektion erteilen. Drei Männer, die an dem Tatort und dem benachbarten Kiosk arbeiteten und die anhand des Videos als Aggressoren identifiziert wurden, wurden festgenommen.

Proteste gegen Rassismus und Xenophobie

Die brutale Tat löste eine Schockwelle in Brasilien aus. Unter den Hashtacks #JusticeforMoise und #JusticeforMoiseMugenyi äußerten Tausende ihr Entsetzen. Für die Kongressabgeordnete der linken PSOL Talíria Petrone gehen in diesem Fall Rassismus und Xenophobie Hand in Hand. “Es gibt keinen Zweifel daran, dass er das Opfer von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und einer immer intoleranteren Gesellschaft geworden ist. Und die immer mehr Gewalt wie diese banalisiert”, sagt die dunkelhäutige Abgeordnete im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Die Regierung von Präsident Jair Messias Bolsonaro habe ihren Anteil, so Petrone. Die Regierung selber sei “rassistisch, intolerant und ausländerfeindlich”. Präsident Bolsonaro mache Witze über indigene Völker und Nachfahren von Sklaven, lobe Autoritarismus und Folter und applaudiere der Grausamkeit gegen die schwarze Bevölkerung und Bewohner von Armenviertel. “Bolsonaro repräsentiert eine Politik, die Rassismus und Xenophobie verstärkt und der Moïse Kabagambe zum Opfer gefallen ist.”

Für den Sicherheitsexperten Ignacio Cano von Rios Landesuniversität UERJ legt der Fall die Banalisierung der Gewalt in Brasilien offen. Jemanden zu verprügeln, um ihm “eine Lektion zu erteilen”, werde als normal und legitim angesehen. “Ungewöhnlich an diesem Fall ist, dass er zum Tode führte. Aber jemanden brutal zu prügeln ist leider normal.”

Auffallend sei die große Anteilnahme, die die Tat in der brasilianischen Gesellschaft erregt hat, so Cano. Während in anderen Ländern der Tod eines Immigranten wohl weniger Aufmerksamkeit als der eines Einheimischen erregen würde, sei es hier umgekehrt. Gerade dass Moïse Immigrant, Ausländer und Schwarzer war, habe die Menschen angesprochen. “Das Bewusstsein für Rassismus nimmt zu, und wenn das Opfer ganz offensichtlich ein Schwarzer – in diesem Fall Kongolese – ist, löst das eine stärkere Reaktion aus. Man ist sich bewusst, dass Personen wie er vulnerabler sind.”

Alltagsrassismus statt Rassendemokratie

Am vergangenen Samstag demonstrierten landesweit Tausende von Brasilianern gegen Rassismus und Xenophobie. Auch in Berlin gab es Protest vor der brasilianischen Botschaft. Für Petrone ein klares Zeichen: “Die Demonstrationen zeigen, dass es nicht mehr möglich ist, mit Grausamkeiten wie dieser und vielen anderen zu leben, die uns den Schlaf rauben, ganze Familien zerstören, Herzen und Seelen der Mütter zerreißen, die ihre Söhne an die Gewalt eines rassistischen Staates verloren haben.”

Für den Theologen Rodolfo Capler von der katholischen Universität PUC-SP zeigt die hohe öffentliche Anteilnahme, dass die brasilianische Gesellschaft durch ausländische Bewegungen wie Black Lives Matter sensibilisiert ist. Besonders die jüngere Generation sei für solch ein “globales Momentum” sehr aufgeschlossen. “Diese Generation – ich nenne sie die Generation Selfie – ist die inklusivste Generation der Geschichte”, sagt Capler im Gespräch mit der DW. Gleichzeitig erlebe Brasilien unter der Regierung Bolsonaros eine Zunahme von Gewalt gegen Minderheiten, angefacht durch den Diskurs der Regierung. 

Die alltägliche, rassistische Gewalt ist für Capler der Beweis, dass die angeblich in Brasilien herrschende Theorie der Rassendemokratie nicht existiert. Sie war von dem Soziologen Gilberto Freyre in den 1930er Jahren entworfen worden und besagt, dass durch die zunehmende Vermischung der Rassen der Rassismus immer weiter abgebaut werde. Eingetroffen sei dies nicht, so Capler. “Der Alltagsrassismus versteckt sich hier hinter diesem Mantel der Rassendemokratie. Aber wir haben keine Rassendemokratie. Etwas anderes zu behaupten, heißt, die Existenz des Rassismus zu verneinen.”

Rios Stadtverwaltung will nun ein Zeichen setzen und am Tatort eine Gedenkstätte für Moïse errichten. Dafür sollen die beiden Kioske in ein kongolesisches Kulturzentrum umgebaut werden. Zudem übergab Bürgermeister Eduardo Paes am Montag die Betreiberkonzession an die Familie des Opfers. Bis 2030 dürfen Moïses Mutter und die vier Brüder die beiden Kioske betreiben.

Ignacio Cano begrüßt die schnelle Reaktion der Stadtverwaltung, zumal man sich damit gleichzeitig um Moïses Familie kümmere. “Das sendet auch ein Signal für zukünftige Fälle: Das sind keine Personen, die man einfach töten darf, sondern sie haben ihren Wert.”

Die Abgeordnete Petrone begrüßte ebenfalls die Initiative der Stadt, gab jedoch auch Bedenken kund. “Es ist schwierig sich vorzustellen, wie diese Familie an einem Ort arbeiten und leben soll, in dem einer von ihnen zu Tode geprügelt wurde.”

Brasilien I kongolesischer Flüchtling in Rio de Janeiro brutal ermordet

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