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Jiang Zemin: An die Spitze dank der Tiananmen-Krise

Chinas ehemaliger Präsident Jiang Zemin ist tot. Unter seiner Regierung wuchs die Wirtschaft rasant, politische Freiheiten lehnte er ab. Dabei wäre er ohne die chinesische Demokratiebewegung wohl nie ganz oben angelangt.

Selten hat man einen chinesischen Präsidenten so aus der Haut fahren sehen. Als Jiang Zemin im Oktober 2000 Hongkong  besuchte, stellte eine chinesische Journalistin aus Hongkong ihm eine kritische Frage. Daraufhin hob Jiang zu einer langen Wutrede an, in der er der Journalistin und der Hongkonger Presse insgesamt Unverständnis und Unreife vorwarf, sogar teilweise auf englisch, “zu einfach, manchmal naiv”, seien die Medienleute. Der Livemitschnitt ging um die Welt.

Sein Showtalent zeigte Jiang Zemin besonders gerne bei internationalen Treffen. Dort überraschte er mit seinem passablen Englisch, rezitierte amerikanische Literaturklassiker oder lieferte eine Gesangseinlage. So extrovertiert sich Chinas Präsident während und nach seiner Amtszeit gab, so politisch zurückhaltend war er lange Zeit seiner Karriere.

Selten hat man einen chinesischen Präsidenten so aus der Haut fahren sehen. Als Jiang Zemin im Oktober 2000 Hongkong  besuchte, stellte eine chinesische Journalistin aus Hongkong ihm eine kritische Frage. Daraufhin hob Jiang zu einer langen Wutrede an, in der er der Journalistin und der Hongkonger Presse insgesamt Unverständnis und Unreife vorwarf, sogar teilweise auf englisch, “zu einfach, manchmal naiv”, seien die Medienleute. Der Livemitschnitt ging um die Welt.

Geboren wurde Jiang Zemin am 17. August 1926 in der Provinz Jiangsu, als im von inneren Wirren zerrissenen  China  der Machtkampf zwischen Kommunisten und Nationalisten begann. Hinzu kam seit Anfang der 30er Jahre die Expansion Japans auf dem chinesischen Festlands. Vermutlich weckten Fremdherrschaft und Bürgerkrieg sein politisches Interesse. Während seines Studiums der Elektrotechnik an der renommierten Jiaotong Universität in Shanghai trat er im  April 1946 der Kommunistischen Partei bei. Eine politische Karriere strebte er zunächst jedoch nicht an.

Als Ingenieur unbehelligt durch die Kulturrevolution

Stattdessen arbeitete Jiang als Ingenieur in verschiedenen Unternehmen, Mitte der 1950 Jahre auch ein Jahr lang in Moskau. Als 1966 die Kulturrevolution  auf Betreiben des Parteivorsitzenden  Mao Zedong ausbrach, kam Jiang seine politische Zurückhaltung zu Gute: Er war Ingenieur, machte seine Arbeit und zeigte sich weder als Gegner noch als Befürworter der Revolution. Dies und sein bescheidener Lebensstil sorgten dafür, dass er von den Roten Garden unbehelligt blieb.

Erst in den 1980er Jahren nahm Jiangs politische Karriere Fahrt auf: Nach Zwischenstationen im Maschinenbauministerium und in der Elektrotechnik-Industrie wurde er 1985 Bürgermeister von Shanghai, ein Jahr später auch lokaler Parteichef. 1987 wurde er ins Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei berufen – den innersten Zirkel der Macht in China.

Nur die wenigsten hätten damit gerechnet, dass der ehemalige Ingenieur schon bald das höchste Amt der Partei innehaben würde, am wenigsten wohl Jiang Zemin selbst. “Er ging wahrscheinlich davon aus, dass er als Bürgermeister und Parteichef Shanghais bereits die Spitze seiner Karriere erreicht hatte und als nächstes in Rente gehen würde”, sagt der chinesische Historiker Zhang Lifan. Doch durch das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 wurden die Karten in Chinas Politik neu gemischt. Jiangs Vorgänger Zhao Ziyang war bei Chinas starkem Mann Deng Xiaoping  in Ungnade gefallen, weil er Sympathien für die Demonstranten gezeigt hatte. “Wäre Zhao Ziyang nicht gestürzt worden, wäre Jiang Zemin auch nicht an die Macht gekommen”, sagt die deutsche Sinologin Katja Levy.

Zwar hatte Jiang nun das mächtigste Amt Chinas inne, jedoch blieb seine Machtposition zunächst instabil. “Jiang Zemin versuchte sich zunächst an der Macht zu halten, indem er sich an Deng Xiaoping hielt”, sagt Levy. “Zwischen 1989  bis Anfang 1990 war er zwischen den beiden Flügeln der Partei. Er zeigte sich zunächst erst konservativ, dann progressiv, dann wieder konservativ und wirkte daher etwas unentschlossen und schien den meisten Beobachtern aus dem Ausland als Opportunist.” Doch im Laufe seiner Regierungsjahre konnte Jiang seine Machtposition stärken und seine eigene Fraktion etablieren.

Ideologisch ging Jiang Zemin mit seinem “Prinzip der drei Repräsentationen”  neue Wege. Die Partei, so Jiangs Forderung, müsse die “fortschrittlichen Produktivkräfte, die fortschrittliche Kultur und die überwältigende Mehrheit des Volkes” repräsentieren. Hinter diesen parteitypischen Schlagworten steckte eine geradezu revolutionäre Neuerung: Von nun an durften auch Unternehmer, also die früheren kapitalistischen “Feinde”, Mitglieder der Partei werden. Seit 2002 steht das sogar in der chinesischen Verfassung.

“Es war natürlich sehr klug, die Vertreter des Kapitalismus am Anfang gleich einzubeziehen und sie auf die eigene Seite zu holen”, sagt Katja Levy. Diese Öffnung habe die Entwicklung der Produktivkräfte gefördert, gleichzeitig aber auch die Korruption in der kommunistischen Partei begünstigt, sagt Zeithistoriker Zhang Lifan.

Außenpolitische Erfolge

Außenpolitisch gelang es Jiang, sein Land aus der politischen Isolation zu führen, in die China nach dem Massaker von 1989 geraten war. Der WTO-Beitritt Chinas und die Wiedereingliederung der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong gehören zu seinen größten Erfolgen; letzteres zumindest aus Pekinger Sicht. Zudem erlebte China unter Jiang einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg. Politische Liberalisierung blieb unter Jiang jedoch aus – im Gegenteil. Zwar gab Jiang als erster chinesischer Präsident auch ausländischen Journalisten Interviews, die Pressefreiheit im eigenen Land schränkte er jedoch ein. Besonders hart war sein Kurs gegen die religiöse Falun-Gong-Bewegung,  die 1999 verboten wurde.

Das Amt des Generalsekretärs gab Jiang 2002 ab, den Vorsitz der Zentralen Militärkommission behielt er noch bis 2005. Auch nach seiner Pensionierung trat er öffentlich in den Medien oder bei Parteiveranstaltungen auf. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte er 2019 bei der Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung der VR China. Noch während der Neuordnung der Macht an der Spitze der Partei, aus der Xi Jinping als Führer hervorging, war Jiang Zemin eine Art graue Eminenz der chinesischen Politik, sein Wort hatte Gewicht. Jetzt ist er im Alter von 96 Jahren gestorben.

Rückgabezeremonie mit Chinesischer und britischer Flagge
Jiang Zemin mit Xi Jinping

Selten hat man einen chinesischen Präsidenten so aus der Haut fahren sehen. Als Jiang Zemin im Oktober 2000 Hongkong  besuchte, stellte eine chinesische Journalistin aus Hongkong ihm eine kritische Frage. Daraufhin hob Jiang zu einer langen Wutrede an, in der er der Journalistin und der Hongkonger Presse insgesamt Unverständnis und Unreife vorwarf, sogar teilweise auf englisch, “zu einfach, manchmal naiv”, seien die Medienleute. Der Livemitschnitt ging um die Welt.

Sein Showtalent zeigte Jiang Zemin besonders gerne bei internationalen Treffen. Dort überraschte er mit seinem passablen Englisch, rezitierte amerikanische Literaturklassiker oder lieferte eine Gesangseinlage. So extrovertiert sich Chinas Präsident während und nach seiner Amtszeit gab, so politisch zurückhaltend war er lange Zeit seiner Karriere.

Als Ingenieur unbehelligt durch die Kulturrevolution

Geboren wurde Jiang Zemin am 17. August 1926 in der Provinz Jiangsu, als im von inneren Wirren zerrissenen  China  der Machtkampf zwischen Kommunisten und Nationalisten begann. Hinzu kam seit Anfang der 30er Jahre die Expansion Japans auf dem chinesischen Festlands. Vermutlich weckten Fremdherrschaft und Bürgerkrieg sein politisches Interesse. Während seines Studiums der Elektrotechnik an der renommierten Jiaotong Universität in Shanghai trat er im  April 1946 der Kommunistischen Partei bei. Eine politische Karriere strebte er zunächst jedoch nicht an.

Stattdessen arbeitete Jiang als Ingenieur in verschiedenen Unternehmen, Mitte der 1950 Jahre auch ein Jahr lang in Moskau. Als 1966 die Kulturrevolution  auf Betreiben des Parteivorsitzenden  Mao Zedong ausbrach, kam Jiang seine politische Zurückhaltung zu Gute: Er war Ingenieur, machte seine Arbeit und zeigte sich weder als Gegner noch als Befürworter der Revolution. Dies und sein bescheidener Lebensstil sorgten dafür, dass er von den Roten Garden unbehelligt blieb.

Erst in den 1980er Jahren nahm Jiangs politische Karriere Fahrt auf: Nach Zwischenstationen im Maschinenbauministerium und in der Elektrotechnik-Industrie wurde er 1985 Bürgermeister von Shanghai, ein Jahr später auch lokaler Parteichef. 1987 wurde er ins Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei berufen – den innersten Zirkel der Macht in China.

Nur die wenigsten hätten damit gerechnet, dass der ehemalige Ingenieur schon bald das höchste Amt der Partei innehaben würde, am wenigsten wohl Jiang Zemin selbst. “Er ging wahrscheinlich davon aus, dass er als Bürgermeister und Parteichef Shanghais bereits die Spitze seiner Karriere erreicht hatte und als nächstes in Rente gehen würde”, sagt der chinesische Historiker Zhang Lifan. Doch durch das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 wurden die Karten in Chinas Politik neu gemischt. Jiangs Vorgänger Zhao Ziyang war bei Chinas starkem Mann Deng Xiaoping  in Ungnade gefallen, weil er Sympathien für die Demonstranten gezeigt hatte. “Wäre Zhao Ziyang nicht gestürzt worden, wäre Jiang Zemin auch nicht an die Macht gekommen”, sagt die deutsche Sinologin Katja Levy.

Von Deng Xiaoping protegiert

Zwar hatte Jiang nun das mächtigste Amt Chinas inne, jedoch blieb seine Machtposition zunächst instabil. “Jiang Zemin versuchte sich zunächst an der Macht zu halten, indem er sich an Deng Xiaoping hielt”, sagt Levy. “Zwischen 1989  bis Anfang 1990 war er zwischen den beiden Flügeln der Partei. Er zeigte sich zunächst erst konservativ, dann progressiv, dann wieder konservativ und wirkte daher etwas unentschlossen und schien den meisten Beobachtern aus dem Ausland als Opportunist.” Doch im Laufe seiner Regierungsjahre konnte Jiang seine Machtposition stärken und seine eigene Fraktion etablieren.

Aufwertung der Unternehmer

Ideologisch ging Jiang Zemin mit seinem “Prinzip der drei Repräsentationen”  neue Wege. Die Partei, so Jiangs Forderung, müsse die “fortschrittlichen Produktivkräfte, die fortschrittliche Kultur und die überwältigende Mehrheit des Volkes” repräsentieren. Hinter diesen parteitypischen Schlagworten steckte eine geradezu revolutionäre Neuerung: Von nun an durften auch Unternehmer, also die früheren kapitalistischen “Feinde”, Mitglieder der Partei werden. Seit 2002 steht das sogar in der chinesischen Verfassung.

“Es war natürlich sehr klug, die Vertreter des Kapitalismus am Anfang gleich einzubeziehen und sie auf die eigene Seite zu holen”, sagt Katja Levy. Diese Öffnung habe die Entwicklung der Produktivkräfte gefördert, gleichzeitig aber auch die Korruption in der kommunistischen Partei begünstigt, sagt Zeithistoriker Zhang Lifan.

Außenpolitische Erfolge

Außenpolitisch gelang es Jiang, sein Land aus der politischen Isolation zu führen, in die China nach dem Massaker von 1989 geraten war. Der WTO-Beitritt Chinas und die Wiedereingliederung der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong gehören zu seinen größten Erfolgen; letzteres zumindest aus Pekinger Sicht. Zudem erlebte China unter Jiang einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg. Politische Liberalisierung blieb unter Jiang jedoch aus – im Gegenteil. Zwar gab Jiang als erster chinesischer Präsident auch ausländischen Journalisten Interviews, die Pressefreiheit im eigenen Land schränkte er jedoch ein. Besonders hart war sein Kurs gegen die religiöse Falun-Gong-Bewegung,  die 1999 verboten wurde.

Das Amt des Generalsekretärs gab Jiang 2002 ab, den Vorsitz der Zentralen Militärkommission behielt er noch bis 2005. Auch nach seiner Pensionierung trat er öffentlich in den Medien oder bei Parteiveranstaltungen auf. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte er 2019 bei der Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung der VR China. Noch während der Neuordnung der Macht an der Spitze der Partei, aus der Xi Jinping als Führer hervorging, war Jiang Zemin eine Art graue Eminenz der chinesischen Politik, sein Wort hatte Gewicht. Jetzt ist er im Alter von 96 Jahren gestorben.

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