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Wie Afrika auf exzellente Bildung baut

Afrikas Bildungssysteme kämpfen sich aus dem Schatten der Kolonialzeit. Mit Exzellenzzentren soll das Universitätswesen praxisnäher werden und zur Entwicklung des Kontinents beitragen. Doch noch ist Luft nach oben.

Victoria Afua Dautey hatte einen Traum: Sie wollte in Accra an der University of Ghana studieren, seinerzeit die renommierteste Universität in ihrem westafrikanischen Heimatland. Vor zehn Jahren schloss sie ihr Studium in den Fächern Englisch und Psychologie dort erfolgreich ab. Jetzt blickt sie etwas ernüchtert auf ihre Studentenzeit in Accra zurück: “Die Qualität der Bildung war nicht schlecht, aber mit Sicherheit hat sie mich nicht auf das Berufsleben vorbereitet”, so die junge Unternehmerin.

“Mein Glück war, dass ich in meiner Schulzeit einige Praktika absolviert habe.” In Sachen wissenschaftliches Arbeiten sei auch im letzten Jahr nicht viel gelaufen, so Dautey. Nicht einmal Hausarbeiten musste sie erstellen: “Es geht nur ums Auswendiglernen und am Ende gibt es eine Prüfung. Als ich in den Beruf eingestiegen bin, musste ich alles neu lernen. Zum Glück hatte ich geduldige Kollegen.”

Victoria Afua Dautey hatte einen Traum: Sie wollte in Accra an der University of Ghana studieren, seinerzeit die renommierteste Universität in ihrem westafrikanischen Heimatland. Vor zehn Jahren schloss sie ihr Studium in den Fächern Englisch und Psychologie dort erfolgreich ab. Jetzt blickt sie etwas ernüchtert auf ihre Studentenzeit in Accra zurück: “Die Qualität der Bildung war nicht schlecht, aber mit Sicherheit hat sie mich nicht auf das Berufsleben vorbereitet”, so die junge Unternehmerin.

Erfahrungsberichte wie dieser kommen für Olusola Oyewole wenig überraschend. Der nigerianische Mikrobiologe und Lebensmittelwissenschaftler leitet seit 2021 die Vereinigung Afrikanischer Universitäten (AAU). “Moderne Universitäten auf dem afrikanischen Kontinent wie die University of Ghana, die Universität von Ibadan oder die Makerere-Universität sind zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Kolonialherren der jeweiligen Länder”, so Oyewole im DW-Gespräch.

Moderne Bildung als koloniales Erbe

Die drei Universitäten waren die jeweils ersten in Ghana, Nigeria und Uganda und haben allesamt ihre Wurzeln in der britischen Kolonialzeit. “Der ursprüngliche Zweck der Gründung von Universitäten war es, Arbeitskraft für den kolonialen Dienst zu generieren.” Auch die Lehrpläne spiegelten das wider, sagt Oyewole.

In internationalen Rankings sticht südlich der Sahara vor allem ein Land heraus: Südafrika. Das Land kann sich mit einer Reihe renommierter Universitäten – darunter die University of Cape Town (UCT), die University of the Witwatersrand und die Stellenbosch University – sehen lassen. In den alten Gemäuern wird noch heute Geschichte geschrieben. So war Stellenbosch führend in der Erforschung des Coronavirus, die UCT hat sich in ihrer langen Geschichte mit einer Reihe von Nobelpreisträgern und der weltweit ersten Transplantation eines menschlichen Herzens hervorgetan.

Dennoch bildeten die Rankings keineswegs die Vielfalt der Universitätslandschaft in Afrika ab, betont Oyewole. Es flössen schlicht sehr wenige afrikanische Standorte in die Datensätze ein. “Es ist nicht richtig, ein Ranking auf nur 30 Universitäten aufzubauen”, so Oyewole. Um hier Abhilfe zu schaffen, arbeite die AAU an einer eigenen Datenbank, die nötige Informationen einfließen lässt.

Um dem immer größeren Bedarf zu begegnen, haben sich in den letzten Jahrzehnten viele private Universitäten gegründet. Mit ihren schlankeren Strukturen und einer wirtschaftlichen Ausrichtung scheinen sie besser aufgestellt, um den Herausforderungen der Zeit zu begegnen. Eine dieser sehr erfolgreichen Universitäten ist die Academic City University in Ghanas Hauptstadt Accra.

“Wir wissen, dass die Jobs von heute nichts mit den Jobs von morgen zu tun haben”, sagt Vizepräsidentin Lucy Agyepong, die an der Universität für institutionelle Entwicklung zuständig ist. “Wenn Sie sich einige der Jobs der heutigen Zeit anschauen, etwa im Bereich Social Media, werden Sie feststellen, dass es solche Jobs vor fünf oder zehn Jahren nicht gegeben hat. Dennoch bereitet unser Bildungssystem die Menschen immer noch auf Jobs vor, die zunehmend obsolet werden.”

Die Academic City University konzentriere sich daher auf das mathematische und naturwissenschaftliche Spektrum und setze auch stets auf neue Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz, Robotik und Biomedizin, in der sie auch eigene Studienabschlüsse anbiete. Ein Problem macht indessen auch den privaten Bildungsinstituten zu schaffen: Immer mehr junge Menschen drängen auf dem jungen Kontinent in die Universitäten. Die Quote von Lehrkräften zu Studierenden sei nicht ideal und sorge dafür, dass auch die privaten Einrichtungen hinter ihren Zielen zurückbleiben, sagt Agyepong.

Während private Universitäten sich ihre Mittel auch über Studienbeiträge sichern – an der Acadamic City University liegen diese bei 5000 bis 7000 Dollar im Jahr -, bleibt die Situation an vielen öffentlichen Universitäten ungelöst. “Die Regierungen finanzieren Bildung nicht in dem Maß, in dem sie es tun sollten”, entrüstet sich Oyewole. Doch auch in der Fremdfinanzierung sieht er Chancen. “Es ist höchste Zeit, dass Universitäten sich auf ihre Stärken konzentrieren”, sagt der Generalsekretär des Afrikanischen Universitätsverbands. Mit ihnen als Zugpferd, so die Idee, lasse sich mehr Öffentlichkeit generieren und letztlich auch ein Basisangebot in anderen Bereichen besser aufrechterhalten.

Genau das passiert seit einigen Jahren verstärkt – im Zuge des Projekts “ACE Impact”: Mit Geldern der Weltbank sind seit 2014 in ganz Afrika Exzellenzzentren entstanden oder ausgebaut worden. Diese beschäftigen sich – oft standortübergreifend – mit Themen von hoher Relevanz und zielen darauf ab, die Absolventen fit zu machen für den Arbeitsmarkt.

So auch im “Institut 2iE” in Ouagadougou, Burkina Faso. Der Schwerpunkt liegt dort auf Wasser- und Umwelttechnologien. “Es ist eine Leidenschaft”, beschreibt Harouna Karambiri, der wissenschaftliche Leiter, seine Arbeit am Institut. “Aber es ist auch ein Engagement für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents”: Er sei stolz, dazu beizutragen, das Humankapital Afrikas aufzubauen: “Jung, kompetent, innovativ.”

Sein Kollege Christian Happi, der in Ede im Südwesten Nigerias das Afrikanische Exzellenzzentrum für die Genomik ansteckender Krankheiten (ACEGID) leitet, sieht das ähnlich. “Wir gehen die Herausforderungen Afrikas in Afrika an. Mit unserer Plattform arbeiten wir daran, eine kritische Masse gut ausgebildeter afrikanischer Forscher schaffen, die ihre Fähigkeiten in Genomik zur Lösung lokaler Probleme einsetzen können.”

Gestärkt mit finanziellen Mitteln der Weltbank, war das ACEGID federführend in der schnellen Sequenzierung von Ebola, als die Epidemie von 2014 bis 2016 in Westafrika mehr als 11.300 Menschenleben forderte. Auch im Umgang mit der Corona-Pandemie in Afrika nahm das Zentrum eine Schlüsselrolle ein, trug zur Sequenzierung von Proben aus 38 Ländern bei und bildete mitten in der Pandemie Forscher aus 42 Ländern aus.

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Südafrika wie Tulio de Oliveira habe in der Pandemie eine wichtige Rolle gespielt, sagt Christian Happi. Dass Südafrika in der internationalen Wahrnehmung – so wie bei den Rankings – so heraussteche, hänge aber vor allem damit zusammen, dass Afrikas Rolle in der Welt unterschätzt werde. “Südafrika wird im Vergleich zu anderen Ländern positiver wahrgenommen”, so Happi. Doch exzellente Forschung gebe es überall in Afrika.

Blick von der Sarah Baartman Hall, University of Cape Town, auf Kapstadt (Foto: landagent/Wikipedia)
Deutschland | Verleihung Deutscher Afrika Preis in Berlin | Olaf Scholz mit Tulio de Oliveira und Sikhulile Moyo (Foto: AP Photo/Michael Sohn)
Innenhof mit Brunnen und Tor, marokkanische Bögen, Arabeske, Ornamente, Qarawiyin-Moschee, Universität al-Qarawiyin, Fes el Bali, UNESCO-Weltkulturerbe, Fès, Fez, Fès-Meknès, Marokko, Afrika (Foto: Angela to Roxel/imageBROKER/picture alliance)

Victoria Afua Dautey hatte einen Traum: Sie wollte in Accra an der University of Ghana studieren, seinerzeit die renommierteste Universität in ihrem westafrikanischen Heimatland. Vor zehn Jahren schloss sie ihr Studium in den Fächern Englisch und Psychologie dort erfolgreich ab. Jetzt blickt sie etwas ernüchtert auf ihre Studentenzeit in Accra zurück: “Die Qualität der Bildung war nicht schlecht, aber mit Sicherheit hat sie mich nicht auf das Berufsleben vorbereitet”, so die junge Unternehmerin.

“Mein Glück war, dass ich in meiner Schulzeit einige Praktika absolviert habe.” In Sachen wissenschaftliches Arbeiten sei auch im letzten Jahr nicht viel gelaufen, so Dautey. Nicht einmal Hausarbeiten musste sie erstellen: “Es geht nur ums Auswendiglernen und am Ende gibt es eine Prüfung. Als ich in den Beruf eingestiegen bin, musste ich alles neu lernen. Zum Glück hatte ich geduldige Kollegen.”

Moderne Bildung als koloniales Erbe

Erfahrungsberichte wie dieser kommen für Olusola Oyewole wenig überraschend. Der nigerianische Mikrobiologe und Lebensmittelwissenschaftler leitet seit 2021 die Vereinigung Afrikanischer Universitäten (AAU). “Moderne Universitäten auf dem afrikanischen Kontinent wie die University of Ghana, die Universität von Ibadan oder die Makerere-Universität sind zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Kolonialherren der jeweiligen Länder”, so Oyewole im DW-Gespräch.

Die drei Universitäten waren die jeweils ersten in Ghana, Nigeria und Uganda und haben allesamt ihre Wurzeln in der britischen Kolonialzeit. “Der ursprüngliche Zweck der Gründung von Universitäten war es, Arbeitskraft für den kolonialen Dienst zu generieren.” Auch die Lehrpläne spiegelten das wider, sagt Oyewole.

In internationalen Rankings sticht südlich der Sahara vor allem ein Land heraus: Südafrika. Das Land kann sich mit einer Reihe renommierter Universitäten – darunter die University of Cape Town (UCT), die University of the Witwatersrand und die Stellenbosch University – sehen lassen. In den alten Gemäuern wird noch heute Geschichte geschrieben. So war Stellenbosch führend in der Erforschung des Coronavirus, die UCT hat sich in ihrer langen Geschichte mit einer Reihe von Nobelpreisträgern und der weltweit ersten Transplantation eines menschlichen Herzens hervorgetan.

Dennoch bildeten die Rankings keineswegs die Vielfalt der Universitätslandschaft in Afrika ab, betont Oyewole. Es flössen schlicht sehr wenige afrikanische Standorte in die Datensätze ein. “Es ist nicht richtig, ein Ranking auf nur 30 Universitäten aufzubauen”, so Oyewole. Um hier Abhilfe zu schaffen, arbeite die AAU an einer eigenen Datenbank, die nötige Informationen einfließen lässt.

Südafrika führt – in südafrikanischen Rankings

Um dem immer größeren Bedarf zu begegnen, haben sich in den letzten Jahrzehnten viele private Universitäten gegründet. Mit ihren schlankeren Strukturen und einer wirtschaftlichen Ausrichtung scheinen sie besser aufgestellt, um den Herausforderungen der Zeit zu begegnen. Eine dieser sehr erfolgreichen Universitäten ist die Academic City University in Ghanas Hauptstadt Accra.

Auf der Höhe der Zeit

“Wir wissen, dass die Jobs von heute nichts mit den Jobs von morgen zu tun haben”, sagt Vizepräsidentin Lucy Agyepong, die an der Universität für institutionelle Entwicklung zuständig ist. “Wenn Sie sich einige der Jobs der heutigen Zeit anschauen, etwa im Bereich Social Media, werden Sie feststellen, dass es solche Jobs vor fünf oder zehn Jahren nicht gegeben hat. Dennoch bereitet unser Bildungssystem die Menschen immer noch auf Jobs vor, die zunehmend obsolet werden.”

Die Academic City University konzentriere sich daher auf das mathematische und naturwissenschaftliche Spektrum und setze auch stets auf neue Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz, Robotik und Biomedizin, in der sie auch eigene Studienabschlüsse anbiete. Ein Problem macht indessen auch den privaten Bildungsinstituten zu schaffen: Immer mehr junge Menschen drängen auf dem jungen Kontinent in die Universitäten. Die Quote von Lehrkräften zu Studierenden sei nicht ideal und sorge dafür, dass auch die privaten Einrichtungen hinter ihren Zielen zurückbleiben, sagt Agyepong.

Während private Universitäten sich ihre Mittel auch über Studienbeiträge sichern – an der Acadamic City University liegen diese bei 5000 bis 7000 Dollar im Jahr -, bleibt die Situation an vielen öffentlichen Universitäten ungelöst. “Die Regierungen finanzieren Bildung nicht in dem Maß, in dem sie es tun sollten”, entrüstet sich Oyewole. Doch auch in der Fremdfinanzierung sieht er Chancen. “Es ist höchste Zeit, dass Universitäten sich auf ihre Stärken konzentrieren”, sagt der Generalsekretär des Afrikanischen Universitätsverbands. Mit ihnen als Zugpferd, so die Idee, lasse sich mehr Öffentlichkeit generieren und letztlich auch ein Basisangebot in anderen Bereichen besser aufrechterhalten.

Universitätsverband setzt auf Anwendungsbezug

Genau das passiert seit einigen Jahren verstärkt – im Zuge des Projekts “ACE Impact”: Mit Geldern der Weltbank sind seit 2014 in ganz Afrika Exzellenzzentren entstanden oder ausgebaut worden. Diese beschäftigen sich – oft standortübergreifend – mit Themen von hoher Relevanz und zielen darauf ab, die Absolventen fit zu machen für den Arbeitsmarkt.

So auch im “Institut 2iE” in Ouagadougou, Burkina Faso. Der Schwerpunkt liegt dort auf Wasser- und Umwelttechnologien. “Es ist eine Leidenschaft”, beschreibt Harouna Karambiri, der wissenschaftliche Leiter, seine Arbeit am Institut. “Aber es ist auch ein Engagement für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents”: Er sei stolz, dazu beizutragen, das Humankapital Afrikas aufzubauen: “Jung, kompetent, innovativ.”

Nigeria weltweit führend in der Pandemiebekämpfung

Sein Kollege Christian Happi, der in Ede im Südwesten Nigerias das Afrikanische Exzellenzzentrum für die Genomik ansteckender Krankheiten (ACEGID) leitet, sieht das ähnlich. “Wir gehen die Herausforderungen Afrikas in Afrika an. Mit unserer Plattform arbeiten wir daran, eine kritische Masse gut ausgebildeter afrikanischer Forscher schaffen, die ihre Fähigkeiten in Genomik zur Lösung lokaler Probleme einsetzen können.”

Gestärkt mit finanziellen Mitteln der Weltbank, war das ACEGID federführend in der schnellen Sequenzierung von Ebola, als die Epidemie von 2014 bis 2016 in Westafrika mehr als 11.300 Menschenleben forderte. Auch im Umgang mit der Corona-Pandemie in Afrika nahm das Zentrum eine Schlüsselrolle ein, trug zur Sequenzierung von Proben aus 38 Ländern bei und bildete mitten in der Pandemie Forscher aus 42 Ländern aus.

Kenia Studentin arbeitet an Solaranlage (Foto: Thomas Imo/photothek/IMAGO)

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Südafrika wie Tulio de Oliveira habe in der Pandemie eine wichtige Rolle gespielt, sagt Christian Happi. Dass Südafrika in der internationalen Wahrnehmung – so wie bei den Rankings – so heraussteche, hänge aber vor allem damit zusammen, dass Afrikas Rolle in der Welt unterschätzt werde. “Südafrika wird im Vergleich zu anderen Ländern positiver wahrgenommen”, so Happi. Doch exzellente Forschung gebe es überall in Afrika.

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