Doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland
Lange war der Doppelpass hierzulande nur in Ausnahmefällen möglich. Das soll sich nun ändern. Für die Betroffenen eine willkommene, aber sehr späte Reform.
Für Marc Young kommen die Berliner Regierungspläne zehn Jahre zu spät. “Damals wäre ich der treueste Deutsche gewesen, den man sich vorstellen kann”, sagt er der Deutschen Welle. “Aber ich wollte meine US-Staatsangehörigkeit nicht aufgeben. Wenn man seine alte Staatsbürgerschaft behält, bedeutet das keine gespaltene Loyalität, wie es viele deutsche Konservative behaupten. Es zeigt nur, wer man wirklich ist. Die Änderung war längst überfällig.”
Young lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Die politische Debatte über die Mehrfachstaatsbürgerschaft, die mit der Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt neu aufgeflammt ist, ermüdet ihn nur noch.
Für Marc Young kommen die Berliner Regierungspläne zehn Jahre zu spät. “Damals wäre ich der treueste Deutsche gewesen, den man sich vorstellen kann”, sagt er der Deutschen Welle. “Aber ich wollte meine US-Staatsangehörigkeit nicht aufgeben. Wenn man seine alte Staatsbürgerschaft behält, bedeutet das keine gespaltene Loyalität, wie es viele deutsche Konservative behaupten. Es zeigt nur, wer man wirklich ist. Die Änderung war längst überfällig.”
Die geplanten Änderungen sind Teil einer umfangreichen Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts, mit der Fachkräfte in den massiv unterbesetzten Arbeitsmarkt gelockt werden sollen.
Das soll sich konkret ändern
Es geht um drei große Bereiche:
Die CDU-Opposition, die bisher jede Liberalisierung in diesem Bereich blockiert hat, stürzte sich denn auch gleich mit Kritik auf die Pläne und sprach von einem “Verramschen” der deutschen Staatsbürgerschaft. Diese sei “etwas sehr Wertvolles, und damit muss man behutsam umgehen”, sagte CDU-Parteichef Friedrich Merz.
Personen, denen schon heute eine doppelte Staatsbürgerschaft zugestanden wird, sind Angehörige aus Staaten, die eine Aufgabe ihrer Staatsangehörigkeit nicht zulassen, etwa der Iran, Afghanistan und Marokko. Außerdem Kinder von Eltern mit deutscher und anderer Staatsbürgerschaft, Flüchtlinge, denen im Heimatland Verfolgung droht, sowie Israelis.
Mit der Reform würde sich Deutschland in puncto Staatsbürgerschaftsrecht einreihen in andere europäische Länder. Innerhalb der EU hatte im Jahr 2020 Schweden den höchsten Anteil eingebürgerter Ausländer mit 8,6 Prozent, in Deutschland waren es nur 1,1 Prozent. “Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht gründet sich auf das Prinzip, mehrfache Staatsbürgerschaften zu verhindern”, sagt die auf Einwanderung spezialisierte Rechtsanwältin Greta Agustini der DW. “Andere europäische Staaten, etwa Italien, Schweden, Irland oder Frankreich, erlauben doppelte Staatsbürgerschaften, und sie haben dazu weniger bürokratische Regeln.”
Viele von Agustinis Klienten hatten bisher Schwierigkeiten, wenn sie sich um einen deutschen Pass bemühten. “Sie wollen ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben, aber sie wollen auch die deutsche haben”, sagt die Anwältin.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts leben zur Zeit rund 2,9 Millionen Menschen in Deutschland mit mehr als einer Staatsangehörigkeit. Das sind etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung.
Die Gruppe, welche die Auswirkungen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts mehr als andere zu spüren bekommt, ist die der Türkischstämmigen. Viele von ihnen kamen nach Deutschland, als das Land schon einmal dringend Arbeitskräfte brauchte. In der wirtschaftlichen Hochkonjunktur der 60er Jahre schloss die Bundesrepublik Verträge mit mehreren Staaten und heuerte von ihnen sogenannte Gastarbeiter an, die vor allem als einfache Industriearbeiter eingesetzt wurden.
Die weitaus meisten kamen aus der Türkei. Heute leben schätzungsweise drei Millionen Türkischstämmige in Deutschland. Knapp 1,5 Millionen von ihnen halten an ihrer türkischen Staatsbürgerschaft fest.
Aslihan Yesilkaya-Yurtbay vom Verein Türkische Gemeinde in Deutschland, TGD, sagt, die geplante Reform komme “zu spät” für viele der ehemaligen Gastarbeiter, trotzdem ist sie froh. “Für die Gastarbeitergeneration heißt dieser Schritt vor allem Anerkennung und Respekt für ihr Leben und ihre Arbeit in und an diesem Land”, sagt sie der DW. “Viele türkischstämmige Menschen der ersten und zweiten Generation würden sich, glaube ich, dadurch gestärkt fühlen, weil sie immer schon ein Identitätsdilemma hatten.”
Sehr viele hätten auf eine Reform gewartet und schon die Hoffnung aufgegeben. “Ich glaube, wenn das auch wirklich kommt, dass sie auch wirklich Deutsche werden, würde man sich vielleicht mit Deutschland mehr identifizieren. Ich bin mir sicher, dass die Menschen politisch interessierter wären oder sich aktiver in die Gesellschaft einbringen würden, wenn man diese Möglichkeit auch vor 20, 30 Jahren gehabt hätte,” sagt Yesilkaya-Yurtbay,
Die TGD hat viele Meinungsäußerungen der CDU zu dem Thema kritisiert. “Ehrlich gesagt bin ich geschockt, das immer noch solche Stimmen, die sehr rassistisch sind, existieren”, sagt Aslihan Yesilkaya-Yurtbay. “Diese Argumente sind nicht sachlich, und ich finde sie für die Gesellschaft sehr gefährlich. Das sind keine Argumente für mich, das ist mehr so eine Art Gefühlewecken, bei wem auch immer.”
Marc Young glaubt, dass seine Erfahrung mit dem deutschen Staatsbürgerschaftsrecht ihm eine Ahnung davon gegeben hat, was Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland jahrzehntelang erleben mussten. Doch Young hat seine Kinder in Deutschland erzogen und denkt nicht daran, das Land wieder zu verlassen.
Sollten die Pläne der Bundesregierung Gesetz werden, wird er wahrscheinlich die deutsche Staatsbürgerschaft zusätzlich zu seiner US-amerikanischen beantragen. Es sei aber nichts emotionales, sagt Marc Young: “Für mich ist es dann eher ein bloßer Verwaltungsakt.”
Für Marc Young kommen die Berliner Regierungspläne zehn Jahre zu spät. “Damals wäre ich der treueste Deutsche gewesen, den man sich vorstellen kann”, sagt er der Deutschen Welle. “Aber ich wollte meine US-Staatsangehörigkeit nicht aufgeben. Wenn man seine alte Staatsbürgerschaft behält, bedeutet das keine gespaltene Loyalität, wie es viele deutsche Konservative behaupten. Es zeigt nur, wer man wirklich ist. Die Änderung war längst überfällig.”
Young lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Die politische Debatte über die Mehrfachstaatsbürgerschaft, die mit der Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt neu aufgeflammt ist, ermüdet ihn nur noch.
Das soll sich konkret ändern
Die geplanten Änderungen sind Teil einer umfangreichen Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts, mit der Fachkräfte in den massiv unterbesetzten Arbeitsmarkt gelockt werden sollen.
Es geht um drei große Bereiche:
Die CDU-Opposition, die bisher jede Liberalisierung in diesem Bereich blockiert hat, stürzte sich denn auch gleich mit Kritik auf die Pläne und sprach von einem “Verramschen” der deutschen Staatsbürgerschaft. Diese sei “etwas sehr Wertvolles, und damit muss man behutsam umgehen”, sagte CDU-Parteichef Friedrich Merz.
Personen, denen schon heute eine doppelte Staatsbürgerschaft zugestanden wird, sind Angehörige aus Staaten, die eine Aufgabe ihrer Staatsangehörigkeit nicht zulassen, etwa der Iran, Afghanistan und Marokko. Außerdem Kinder von Eltern mit deutscher und anderer Staatsbürgerschaft, Flüchtlinge, denen im Heimatland Verfolgung droht, sowie Israelis.
CDU spricht von “Verramschen”
Mit der Reform würde sich Deutschland in puncto Staatsbürgerschaftsrecht einreihen in andere europäische Länder. Innerhalb der EU hatte im Jahr 2020 Schweden den höchsten Anteil eingebürgerter Ausländer mit 8,6 Prozent, in Deutschland waren es nur 1,1 Prozent. “Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht gründet sich auf das Prinzip, mehrfache Staatsbürgerschaften zu verhindern”, sagt die auf Einwanderung spezialisierte Rechtsanwältin Greta Agustini der DW. “Andere europäische Staaten, etwa Italien, Schweden, Irland oder Frankreich, erlauben doppelte Staatsbürgerschaften, und sie haben dazu weniger bürokratische Regeln.”
Respekt und Lohn für die Gastarbeitergeneration
Viele von Agustinis Klienten hatten bisher Schwierigkeiten, wenn sie sich um einen deutschen Pass bemühten. “Sie wollen ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben, aber sie wollen auch die deutsche haben”, sagt die Anwältin.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts leben zur Zeit rund 2,9 Millionen Menschen in Deutschland mit mehr als einer Staatsangehörigkeit. Das sind etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung.
Die Gruppe, welche die Auswirkungen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts mehr als andere zu spüren bekommt, ist die der Türkischstämmigen. Viele von ihnen kamen nach Deutschland, als das Land schon einmal dringend Arbeitskräfte brauchte. In der wirtschaftlichen Hochkonjunktur der 60er Jahre schloss die Bundesrepublik Verträge mit mehreren Staaten und heuerte von ihnen sogenannte Gastarbeiter an, die vor allem als einfache Industriearbeiter eingesetzt wurden.
Statements der Union in der Kritik
Die weitaus meisten kamen aus der Türkei. Heute leben schätzungsweise drei Millionen Türkischstämmige in Deutschland. Knapp 1,5 Millionen von ihnen halten an ihrer türkischen Staatsbürgerschaft fest.
Aslihan Yesilkaya-Yurtbay vom Verein Türkische Gemeinde in Deutschland, TGD, sagt, die geplante Reform komme “zu spät” für viele der ehemaligen Gastarbeiter, trotzdem ist sie froh. “Für die Gastarbeitergeneration heißt dieser Schritt vor allem Anerkennung und Respekt für ihr Leben und ihre Arbeit in und an diesem Land”, sagt sie der DW. “Viele türkischstämmige Menschen der ersten und zweiten Generation würden sich, glaube ich, dadurch gestärkt fühlen, weil sie immer schon ein Identitätsdilemma hatten.”
Sehr viele hätten auf eine Reform gewartet und schon die Hoffnung aufgegeben. “Ich glaube, wenn das auch wirklich kommt, dass sie auch wirklich Deutsche werden, würde man sich vielleicht mit Deutschland mehr identifizieren. Ich bin mir sicher, dass die Menschen politisch interessierter wären oder sich aktiver in die Gesellschaft einbringen würden, wenn man diese Möglichkeit auch vor 20, 30 Jahren gehabt hätte,” sagt Yesilkaya-Yurtbay,
Die TGD hat viele Meinungsäußerungen der CDU zu dem Thema kritisiert. “Ehrlich gesagt bin ich geschockt, das immer noch solche Stimmen, die sehr rassistisch sind, existieren”, sagt Aslihan Yesilkaya-Yurtbay. “Diese Argumente sind nicht sachlich, und ich finde sie für die Gesellschaft sehr gefährlich. Das sind keine Argumente für mich, das ist mehr so eine Art Gefühlewecken, bei wem auch immer.”
Marc Young glaubt, dass seine Erfahrung mit dem deutschen Staatsbürgerschaftsrecht ihm eine Ahnung davon gegeben hat, was Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland jahrzehntelang erleben mussten. Doch Young hat seine Kinder in Deutschland erzogen und denkt nicht daran, das Land wieder zu verlassen.
Sollten die Pläne der Bundesregierung Gesetz werden, wird er wahrscheinlich die deutsche Staatsbürgerschaft zusätzlich zu seiner US-amerikanischen beantragen. Es sei aber nichts emotionales, sagt Marc Young: “Für mich ist es dann eher ein bloßer Verwaltungsakt.”