Marokko schreibt WM-Geschichte – Ronaldo mit Portugal raus
Was für eine Sensation: Marokko bezwingt Portugal und steht als erste afrikanische Mannschaft überhaupt in einem WM-Halbfinale. Die Fans feiern und träumen vom ganz großen Coup.
Als Youssef En-Nesyri kurz vor dem Halbzeitpfiff hochsteigt und den Ball per Kopf in die Maschen wuchtet, gerät ein ganzes Stadion in Ekstase. Der Lärm ist ohrenbetäubend, vielleicht sogar vergleichbar mit dem Triebwerk eines startenden Flugzeugs. Als stünde man direkt daneben. Es ist eine Eruption, so laut wie es sie wohl noch nicht bei dieser Fußball-WM in Katar gegeben hat. Nur noch getoppt durch den Schlusspfiff.
Alle Trainer und Betreuer auf Marokkos Ersatzbank stürmen das Feld, Spieler fallen auf die Knie oder gleich mit dem Gesicht ins Gras. Mittelfeldspieler Sofiane Boufal hilft seiner Mutter von der Tribüne an den Spielfeldrand, um mit ihr zusammen ein Freudentänzchen aufzuführen. Außenseiter Marokko bezwingt den Favoriten Portugal um Superstar Cristiano Ronaldo und erreicht als erste Mannschaft Afrikas ein WM-Halbfinale.
“Fußball ist der schönste Sport der Welt”
Zuvor waren Kamerun (1990), Senegal (2002) und Ghana (2010) jeweils im Viertelfinale ausgeschieden. “Fußball ist der schönste Sport der Welt. Du kannst träumen und du kannst fest daran glauben wie wir, dass du es schaffst“, philosophierte Marokkos Trainer Walid Regragui nach dem historischen Erfolg.
Auch die Fans sind nach dem Spiel nicht mehr zu halten. Vor dem Al Thumama-Stadion in Doha bilden sich spontane Grüppchen, sie singen eingehüllt in Marokko-Flaggen und tanzen gemeinsam. Danach geht es weiter zum Souq Waqif in Doha, ein nachgebauter Marktplatz mit engen Gassen, wo Marokko-Fans das ganze Turnier schon ihre Siege feiern.
“Es ist unvorstellbar“, ringt Karim um Worte. Er ist für das Viertelfinale aus Casablanca angereist. “Wir haben Geschichte geschrieben.“ Marokko-Anhängerin Douha, von Kopf bis Fuß in rot und weiß gekleidet, strahlt über das ganze Gesicht: “Es ist einfach verrückt. Wir sind so glücklich.“ Sofiane gibt zwar ein Interview, hat aber eigentlich keine Stimme mehr: “Die hab ich längst im Stadion verloren. Ich bin völlig heiser.“
Kein Wunder. Über die gesamte Dauer und einschließlich der acht langen Minuten Nachspielzeit hatten Marokko-Fans das Team angefeuert. Die Ränge hinter den beiden Toren waren in rot getaucht, es war ein marokkanisches Heimspiel. Jeder Ballkontakt Portugals – und es waren nicht wenige, die Portugiesen hatten am Ende fast 75% Ballbesitz – wurde mit grellen Pfiffen begleitet. Dazwischen immer wieder Trommeln und Trompeten und plötzlich aufbrandender Applaus. Selbst Kataris in ihren traditionellen weißen Ghutras mischten sich unter die Marokko-Fans hinter den beiden Toren und schwenkten Fahnen mit dem grünen Stern.
“Zum ersten Mal findet eine WM in der arabischen Welt statt, und Marokko schafft es als arabisches Team ins Halbfinale. Das ist einfach großartig“, sagt M’barek aus Agadir. Schon der Einzug unter die letzten acht war historisch, dies war zuvor noch keiner arabischen Mannschaft gelungen. Marokko hat mit seinen Erfolgen schnell den Rang des populärsten WM-Teams in Katar erreicht, das Team versammelt einen Großteil der muslimischen Welt und ganz Afrika hinter sich.
Die “Atlaslöwen“, wie die Mannschaft genannt wird, hat mit ihrem Kampfgeist viele Herzen bei dieser WM erobert. Rote Shirts mit dem grünen Stern oder Löwenköpfen auf der Brust sieht man überall in Doha. Nach Siegen werden Wolkenkratzer angestrahlt in den Farben Marokkos. Mit wem man auch spricht dieser Tage: Ob Kataris, Libanesen oder Gastarbeiter aus Kenia – dieses marokkanische Team begeistert sie alle.
“Sie sind auf dem Platz wie eine Familie. Jeder unterstützt den anderen, jeder glaubt an den gemeinsamen Erfolg“, sagt Anhänger Sofiane stolz. Marokko hat auch dank Torhüter Yassine Bounou erst einen einzigen Gegentreffer im gesamten Turnier kassiert – und gegen Kaliber wie Belgien, den früheren Weltmeister Spanien und WM-Halbfinalist Kroatien sogar zu Null gespielt. Das Gerüst bilden Torhüter Bounou, Ex-Dortmunder Achraf Hakimi, der mittlerweile in Paris spielt und absolute Weltklasse erreicht hat, und Hakim Ziyech vom FC Chelsea.
14 Spieler im Kader Marokkos sind in Europa geboren und aufgewachsen, vor allem in den Niederlanden, Belgien oder Frankreich. Damit hat Marokko so viele im Ausland geborene Spieler wie keine andere Mannschaft bei dieser WM. Marokko profitiert von all diesen Einflüssen und ist das beste Beispiel für so manche alte Fußball-Weisheit: Defensive Stabilität schlägt offensive Qualität. Wille und Zusammenhalt schlagen Talent.
Und vorne hilft manchmal auch ein wenig Glück. Stürmer Youssef En-Nesyri profitierte bei seinem Siegtreffer gegen Portugal auch von einem Torwartfehler Diogo Costas. En-Nesyri, mit drei Toren nun WM-Rekordtorschütze Marokkos, ist an diesem Abend der Held. Cristiano Ronaldo dagegen verschwand nach dem Schlusspfiff sofort im Spielertunnel. Dass er durch sein 196. Länderspiel mit dem bisherigen Weltrekordhalter Bader al-Mutawa aus Kuwait gleichgezogen war, tröstete Ronaldo nicht. Nach dem Spiel weinte der langjährige portugiesische Kapitän in den Katakomben. Vieles deutet daraufhin, dass es die letzte Weltmeisterschaft für den 37-Jährigen war.
Die marokkanischen Fans, die nach dem Spiel aus dem Stadion strömen, kümmerte all das wenig. Noch völlig im Rausch fingen sie an, zu träumen. “Auf geht’s Marokko. Jetzt wollen wir ins Finale“, sagte Douha. Trainer Regragui meinte, jetzt habe Marokko “die ganze Welt auf unserer Seite.“ Und Karim aus Casablanca ging noch einen Schritt weiter: “Dieses Jahr holen wir den WM-Pokal nach Marokko.“
Als Youssef En-Nesyri kurz vor dem Halbzeitpfiff hochsteigt und den Ball per Kopf in die Maschen wuchtet, gerät ein ganzes Stadion in Ekstase. Der Lärm ist ohrenbetäubend, vielleicht sogar vergleichbar mit dem Triebwerk eines startenden Flugzeugs. Als stünde man direkt daneben. Es ist eine Eruption, so laut wie es sie wohl noch nicht bei dieser Fußball-WM in Katar gegeben hat. Nur noch getoppt durch den Schlusspfiff.
“Fußball ist der schönste Sport der Welt”
Alle Trainer und Betreuer auf Marokkos Ersatzbank stürmen das Feld, Spieler fallen auf die Knie oder gleich mit dem Gesicht ins Gras. Mittelfeldspieler Sofiane Boufal hilft seiner Mutter von der Tribüne an den Spielfeldrand, um mit ihr zusammen ein Freudentänzchen aufzuführen. Außenseiter Marokko bezwingt den Favoriten Portugal um Superstar Cristiano Ronaldo und erreicht als erste Mannschaft Afrikas ein WM-Halbfinale.
Zuvor waren Kamerun (1990), Senegal (2002) und Ghana (2010) jeweils im Viertelfinale ausgeschieden. “Fußball ist der schönste Sport der Welt. Du kannst träumen und du kannst fest daran glauben wie wir, dass du es schaffst“, philosophierte Marokkos Trainer Walid Regragui nach dem historischen Erfolg.
Auch die Fans sind nach dem Spiel nicht mehr zu halten. Vor dem Al Thumama-Stadion in Doha bilden sich spontane Grüppchen, sie singen eingehüllt in Marokko-Flaggen und tanzen gemeinsam. Danach geht es weiter zum Souq Waqif in Doha, ein nachgebauter Marktplatz mit engen Gassen, wo Marokko-Fans das ganze Turnier schon ihre Siege feiern.
“Es ist unvorstellbar“, ringt Karim um Worte. Er ist für das Viertelfinale aus Casablanca angereist. “Wir haben Geschichte geschrieben.“ Marokko-Anhängerin Douha, von Kopf bis Fuß in rot und weiß gekleidet, strahlt über das ganze Gesicht: “Es ist einfach verrückt. Wir sind so glücklich.“ Sofiane gibt zwar ein Interview, hat aber eigentlich keine Stimme mehr: “Die hab ich längst im Stadion verloren. Ich bin völlig heiser.“
Portugal gnadenlos ausgepfiffen
Repräsentant Afrikas und der arabischen Welt
Kein Wunder. Über die gesamte Dauer und einschließlich der acht langen Minuten Nachspielzeit hatten Marokko-Fans das Team angefeuert. Die Ränge hinter den beiden Toren waren in rot getaucht, es war ein marokkanisches Heimspiel. Jeder Ballkontakt Portugals – und es waren nicht wenige, die Portugiesen hatten am Ende fast 75% Ballbesitz – wurde mit grellen Pfiffen begleitet. Dazwischen immer wieder Trommeln und Trompeten und plötzlich aufbrandender Applaus. Selbst Kataris in ihren traditionellen weißen Ghutras mischten sich unter die Marokko-Fans hinter den beiden Toren und schwenkten Fahnen mit dem grünen Stern.
“Zum ersten Mal findet eine WM in der arabischen Welt statt, und Marokko schafft es als arabisches Team ins Halbfinale. Das ist einfach großartig“, sagt M’barek aus Agadir. Schon der Einzug unter die letzten acht war historisch, dies war zuvor noch keiner arabischen Mannschaft gelungen. Marokko hat mit seinen Erfolgen schnell den Rang des populärsten WM-Teams in Katar erreicht, das Team versammelt einen Großteil der muslimischen Welt und ganz Afrika hinter sich.
Die “Atlaslöwen“, wie die Mannschaft genannt wird, hat mit ihrem Kampfgeist viele Herzen bei dieser WM erobert. Rote Shirts mit dem grünen Stern oder Löwenköpfen auf der Brust sieht man überall in Doha. Nach Siegen werden Wolkenkratzer angestrahlt in den Farben Marokkos. Mit wem man auch spricht dieser Tage: Ob Kataris, Libanesen oder Gastarbeiter aus Kenia – dieses marokkanische Team begeistert sie alle.
Bitteres WM-Aus für Ronaldo
“Sie sind auf dem Platz wie eine Familie. Jeder unterstützt den anderen, jeder glaubt an den gemeinsamen Erfolg“, sagt Anhänger Sofiane stolz. Marokko hat auch dank Torhüter Yassine Bounou erst einen einzigen Gegentreffer im gesamten Turnier kassiert – und gegen Kaliber wie Belgien, den früheren Weltmeister Spanien und WM-Halbfinalist Kroatien sogar zu Null gespielt. Das Gerüst bilden Torhüter Bounou, Ex-Dortmunder Achraf Hakimi, der mittlerweile in Paris spielt und absolute Weltklasse erreicht hat, und Hakim Ziyech vom FC Chelsea.
14 Spieler im Kader Marokkos sind in Europa geboren und aufgewachsen, vor allem in den Niederlanden, Belgien oder Frankreich. Damit hat Marokko so viele im Ausland geborene Spieler wie keine andere Mannschaft bei dieser WM. Marokko profitiert von all diesen Einflüssen und ist das beste Beispiel für so manche alte Fußball-Weisheit: Defensive Stabilität schlägt offensive Qualität. Wille und Zusammenhalt schlagen Talent.
Und vorne hilft manchmal auch ein wenig Glück. Stürmer Youssef En-Nesyri profitierte bei seinem Siegtreffer gegen Portugal auch von einem Torwartfehler Diogo Costas. En-Nesyri, mit drei Toren nun WM-Rekordtorschütze Marokkos, ist an diesem Abend der Held. Cristiano Ronaldo dagegen verschwand nach dem Schlusspfiff sofort im Spielertunnel. Dass er durch sein 196. Länderspiel mit dem bisherigen Weltrekordhalter Bader al-Mutawa aus Kuwait gleichgezogen war, tröstete Ronaldo nicht. Nach dem Spiel weinte der langjährige portugiesische Kapitän in den Katakomben. Vieles deutet daraufhin, dass es die letzte Weltmeisterschaft für den 37-Jährigen war.
Die marokkanischen Fans, die nach dem Spiel aus dem Stadion strömen, kümmerte all das wenig. Noch völlig im Rausch fingen sie an, zu träumen. “Auf geht’s Marokko. Jetzt wollen wir ins Finale“, sagte Douha. Trainer Regragui meinte, jetzt habe Marokko “die ganze Welt auf unserer Seite.“ Und Karim aus Casablanca ging noch einen Schritt weiter: “Dieses Jahr holen wir den WM-Pokal nach Marokko.“