Wie man aus Müll einen Rohstoff macht
Die Initiative Circular Valley etabliert in Wuppertal ein Weltzentrum der Kreislaufwirtschaft. Das zieht Startups aus der ganzen Welt an und vernetzt sie mit Konzernen und Mittelständlern.
Mehr als 300 Tonnen Plastikmüll will das deutsche Startup Plastic Fischer bis Ende des Jahres aus asiatischen Flüssen herausgeholt haben. Die verdreckten Flüsse lassen sich viel leichter säubern als später die Ozeane. Pastic Fischers schwimmenden Barrieren, die Plastikmüll auffangen, können mit einfachen Mitteln vor Ort zusammengebaut werden.
Und auch Arbeitsplätze für die Leute, die den Kunststoff an den Sperren aus dem Wasser fischen, zu Ballen packen und in thermischen Anlagen verbrennen, entstehen vor Ort. Von den 75 Jobs, die das Startup nach eigenen Angaben aktuell schafft, sind nur zwei in Deutschland angesiedelt.
Mehr als 300 Tonnen Plastikmüll will das deutsche Startup Plastic Fischer bis Ende des Jahres aus asiatischen Flüssen herausgeholt haben. Die verdreckten Flüsse lassen sich viel leichter säubern als später die Ozeane. Pastic Fischers schwimmenden Barrieren, die Plastikmüll auffangen, können mit einfachen Mitteln vor Ort zusammengebaut werden.
Finanziert wird die Plastik-Fischerei durch Unternehmen und Organisationen, die ihr Nachhaltigkeitsbudget dafür nutzen wollen. Einer dieser Sponsoren ist Knipex, Weltmarktführer bei der Herstellung von Zangen für Handwerk und Industrie. Über 65.000 Zangen verlassen täglich das Werk in Wuppertal. Plastic Fischer holt für Knipex, so die Vereinbarung, die gleiche Menge an Kunststoff aus den Gewässern heraus, die der Werkzeug-Hersteller in Form von Zangengriffen und Verpackungen jährlich in Umlauf bringt.
Die fünfte industrielle Revolution
Zusammengebracht wurden das Wuppertaler Familienunternehmen und das Kölner Startup durch die Initiative Circular Valley. Anfang 2021 gegründet, schaffte sie schnell ein großes Netzwerk aus Konzernen, Mittelständlern und Startups mit dem gemeinsamen Ziel, Stoffkreisläufe zu schließen. Wuppertal soll zum Weltzentrum werden, das die heutige, verschwenderische Art des Wirtschaftens umkehrt.
Warum gerade diese Stadt im Bergischen Land im Bundesland Nordrhein-Westfalen? Im Tal der Wupper wurde Bayer gegründet, der älteste Chemiekonzern der Welt. Friedrich Engels, Co-Autor des Kommunistischen Manifests, kam aus Barmen, heute ein Stadtteil von Wuppertal. Chemie, Papier- und Textilindustrie sowie Werkzeugmacher hatten ihren Ursprung im Bergischen. Wo die Wiege der ersten industriellen Revolution in Deutschland stand, soll auch die fünfte herkommen: die Kreislaufwirtschaft.
Mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen aus allen Branchen, darunter Recycling-Pioniere wie Remondis und DSD (Duales System Deutschland), sei der Großraum dafür gut gerüstet, meint Unternehmensberater Carsten Gerhardt, der Initiator von Circular Valley.
Die Initiative bleibt nicht regional beschränkt, sondern erstreckt sich auf die ganze Region Rhein-Ruhr. Kürzlich erst hat sich ihr das belgische Flandern angeschlossen. Das nordrhein-westfälische Landesministerium für Wirtschaft und Energie und die Europäische Union fördern die Initiative. Rund 70 Unternehmen wie etwa Bayer, Evonik, Knipex und Vorwerk sowie weitere 30 Partner aus der Wissenschaft und Gesellschaft engagieren sich bereits.
Ein Förderprogramm zieht einschlägige Firmengründungen aus der ganzen Welt an. Auf die 36 Plätze im letzten Quartal hätten sich 470 Jungunternehmen beworben, beispielsweise aus Jemen und Palästina. “International sind wir gut vernetzt”, so der Initiator.
Die Kandidaten sollen laut Gerhardt auf die wichtigen Themen des europäischen Green Deals und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft hinarbeiten. Gründer verbringen mehrere Monate im Circular Valley Accelerator, bekommen Mentoren an die Seite, lernen mehr über geistiges Eigentum, Marketing und Businesspläne und können ihre Geschäftsideen mit Hilfe der beteiligten Forschungseinrichtungen weiterentwickeln.
Vielleicht am wichtigsten: Im Accelerator können sie Kontakte zu etablierten Unternehmen knüpfen. Polverde aus Brasilien macht beispielsweise aus synthetischen Kleidungsresten einen belastbaren Kunststoff und sucht dafür Abnehmer aus der Autoindustrie. ROSI Solar aus Frankreich schaut sich nach einem Grundstück im Bergischen um, um eine Fabrik zu bauen. Diese soll hochreines Silizium und Silber aus ausrangierten Photovoltaik-Modulen zurückgewinnen.
“Wir freuen uns über jedes Startup, das sich hier ansiedelt oder einen Standort eröffnet”, sagt Gerhardt. Doch der Zweck sei vor allem, dass die Technologien und Geschäftsmodelle dort angewendet werden, wo sie am meisten gebraucht werden. Ein ghanaisches Startup zum Beispiel könnte das Elektroschrott-Problem am besten an der afrikanischen Küste angehen.
60 Startups aus Vietnam, Ecuador, Nigeria, Uganda, Simbabwe, dem Libanon, Indien, Lettland, der Schweiz, Deutschland und anderen Ländern haben bisher in Wuppertal ihre Kreislauflösungen für zahlreiche Wirtschaftsbereiche präsentiert. Die Unternehmen produzieren Fliesen aus Bauschutt oder Lederersatz auf Pflanzenbasis, upcyceln Autoreifen, machen die Mülltrennung effizienter durch lernende Bilderkennung oder vereinfachen die Wiederverwertung von Baustoffen durch lückenlose digitale Dokumentation.
Die Beispiele zeigen, dass Kreislaufwirtschaft mehr beinhaltet als Verpackungsverzicht und Mehrweg-Artikel. “Wir reden zu viel über Details wie Strohhalme”, findet Gerhardt, “sollten uns aber mehr um die Giga-Impact-Themen CO2, Wasser und Baustoffe kümmern.”
Johannes Kirchhoff, Vorstand des gleichnamigen Familienunternehmens und Förderer des Circular Valley, sieht die große Chance gerade für die deutsche Industrie, mechanische, chemische und thermische Recycling-Technologien zu exportieren. Aber der Wandel sei so riesig, dass er an vielen Stellen kaum überschaubar sei – darin sind sich Experten und Expertinnen beim ersten Circular Valley Forum im November einig.
Nachwachsende statt fossiler Rohstoffe, langlebige und reparierbare Produkte und Rückholung und Wiederverwertung am Ende eines Produkt-Lebenszyklus: All das bedeutet eine gewaltige Umstellung in Sachen Produktion, aber auch bei den Marktanreizen, Regularien und der Kundenakzeptanz.
“In jedem Land und bei uns teils in jedem Bundesland, ist anders definiert, was recyclefähig ist und was nicht”, sagt Henning Wilts, Forschungsbereichsleiter für Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, für globale Standards und einheitliche Kriterien. “Als Industriestandort hat Nordrhein-Westfalen nur eine Chance durch Switching, weil das lineare Wirtschaftsmodell woanders auf der Welt billiger funktioniert.” Circular Valley sei es jedenfalls gelungen, Innovatoren nach Wuppertal zu bringen und bei den hiesigen Unternehmen das Interesse für die Kreislaufwirtschaft zu wecken.
Mehr als 300 Tonnen Plastikmüll will das deutsche Startup Plastic Fischer bis Ende des Jahres aus asiatischen Flüssen herausgeholt haben. Die verdreckten Flüsse lassen sich viel leichter säubern als später die Ozeane. Pastic Fischers schwimmenden Barrieren, die Plastikmüll auffangen, können mit einfachen Mitteln vor Ort zusammengebaut werden.
Und auch Arbeitsplätze für die Leute, die den Kunststoff an den Sperren aus dem Wasser fischen, zu Ballen packen und in thermischen Anlagen verbrennen, entstehen vor Ort. Von den 75 Jobs, die das Startup nach eigenen Angaben aktuell schafft, sind nur zwei in Deutschland angesiedelt.
Die fünfte industrielle Revolution
Finanziert wird die Plastik-Fischerei durch Unternehmen und Organisationen, die ihr Nachhaltigkeitsbudget dafür nutzen wollen. Einer dieser Sponsoren ist Knipex, Weltmarktführer bei der Herstellung von Zangen für Handwerk und Industrie. Über 65.000 Zangen verlassen täglich das Werk in Wuppertal. Plastic Fischer holt für Knipex, so die Vereinbarung, die gleiche Menge an Kunststoff aus den Gewässern heraus, die der Werkzeug-Hersteller in Form von Zangengriffen und Verpackungen jährlich in Umlauf bringt.
Zusammengebracht wurden das Wuppertaler Familienunternehmen und das Kölner Startup durch die Initiative Circular Valley. Anfang 2021 gegründet, schaffte sie schnell ein großes Netzwerk aus Konzernen, Mittelständlern und Startups mit dem gemeinsamen Ziel, Stoffkreisläufe zu schließen. Wuppertal soll zum Weltzentrum werden, das die heutige, verschwenderische Art des Wirtschaftens umkehrt.
Warum gerade diese Stadt im Bergischen Land im Bundesland Nordrhein-Westfalen? Im Tal der Wupper wurde Bayer gegründet, der älteste Chemiekonzern der Welt. Friedrich Engels, Co-Autor des Kommunistischen Manifests, kam aus Barmen, heute ein Stadtteil von Wuppertal. Chemie, Papier- und Textilindustrie sowie Werkzeugmacher hatten ihren Ursprung im Bergischen. Wo die Wiege der ersten industriellen Revolution in Deutschland stand, soll auch die fünfte herkommen: die Kreislaufwirtschaft.
Mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen aus allen Branchen, darunter Recycling-Pioniere wie Remondis und DSD (Duales System Deutschland), sei der Großraum dafür gut gerüstet, meint Unternehmensberater Carsten Gerhardt, der Initiator von Circular Valley.
Accelerator für Kreislauflösungen
Die Initiative bleibt nicht regional beschränkt, sondern erstreckt sich auf die ganze Region Rhein-Ruhr. Kürzlich erst hat sich ihr das belgische Flandern angeschlossen. Das nordrhein-westfälische Landesministerium für Wirtschaft und Energie und die Europäische Union fördern die Initiative. Rund 70 Unternehmen wie etwa Bayer, Evonik, Knipex und Vorwerk sowie weitere 30 Partner aus der Wissenschaft und Gesellschaft engagieren sich bereits.
International vernetzt
Ein Förderprogramm zieht einschlägige Firmengründungen aus der ganzen Welt an. Auf die 36 Plätze im letzten Quartal hätten sich 470 Jungunternehmen beworben, beispielsweise aus Jemen und Palästina. “International sind wir gut vernetzt”, so der Initiator.
Die Kandidaten sollen laut Gerhardt auf die wichtigen Themen des europäischen Green Deals und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft hinarbeiten. Gründer verbringen mehrere Monate im Circular Valley Accelerator, bekommen Mentoren an die Seite, lernen mehr über geistiges Eigentum, Marketing und Businesspläne und können ihre Geschäftsideen mit Hilfe der beteiligten Forschungseinrichtungen weiterentwickeln.
Vielleicht am wichtigsten: Im Accelerator können sie Kontakte zu etablierten Unternehmen knüpfen. Polverde aus Brasilien macht beispielsweise aus synthetischen Kleidungsresten einen belastbaren Kunststoff und sucht dafür Abnehmer aus der Autoindustrie. ROSI Solar aus Frankreich schaut sich nach einem Grundstück im Bergischen um, um eine Fabrik zu bauen. Diese soll hochreines Silizium und Silber aus ausrangierten Photovoltaik-Modulen zurückgewinnen.
Weniger Verpackung ist nur der Anfang
“Wir freuen uns über jedes Startup, das sich hier ansiedelt oder einen Standort eröffnet”, sagt Gerhardt. Doch der Zweck sei vor allem, dass die Technologien und Geschäftsmodelle dort angewendet werden, wo sie am meisten gebraucht werden. Ein ghanaisches Startup zum Beispiel könnte das Elektroschrott-Problem am besten an der afrikanischen Küste angehen.
60 Startups aus Vietnam, Ecuador, Nigeria, Uganda, Simbabwe, dem Libanon, Indien, Lettland, der Schweiz, Deutschland und anderen Ländern haben bisher in Wuppertal ihre Kreislauflösungen für zahlreiche Wirtschaftsbereiche präsentiert. Die Unternehmen produzieren Fliesen aus Bauschutt oder Lederersatz auf Pflanzenbasis, upcyceln Autoreifen, machen die Mülltrennung effizienter durch lernende Bilderkennung oder vereinfachen die Wiederverwertung von Baustoffen durch lückenlose digitale Dokumentation.
Reden alle über dasselbe?
Die Beispiele zeigen, dass Kreislaufwirtschaft mehr beinhaltet als Verpackungsverzicht und Mehrweg-Artikel. “Wir reden zu viel über Details wie Strohhalme”, findet Gerhardt, “sollten uns aber mehr um die Giga-Impact-Themen CO2, Wasser und Baustoffe kümmern.”
Johannes Kirchhoff, Vorstand des gleichnamigen Familienunternehmens und Förderer des Circular Valley, sieht die große Chance gerade für die deutsche Industrie, mechanische, chemische und thermische Recycling-Technologien zu exportieren. Aber der Wandel sei so riesig, dass er an vielen Stellen kaum überschaubar sei – darin sind sich Experten und Expertinnen beim ersten Circular Valley Forum im November einig.
Nachwachsende statt fossiler Rohstoffe, langlebige und reparierbare Produkte und Rückholung und Wiederverwertung am Ende eines Produkt-Lebenszyklus: All das bedeutet eine gewaltige Umstellung in Sachen Produktion, aber auch bei den Marktanreizen, Regularien und der Kundenakzeptanz.
“In jedem Land und bei uns teils in jedem Bundesland, ist anders definiert, was recyclefähig ist und was nicht”, sagt Henning Wilts, Forschungsbereichsleiter für Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, für globale Standards und einheitliche Kriterien. “Als Industriestandort hat Nordrhein-Westfalen nur eine Chance durch Switching, weil das lineare Wirtschaftsmodell woanders auf der Welt billiger funktioniert.” Circular Valley sei es jedenfalls gelungen, Innovatoren nach Wuppertal zu bringen und bei den hiesigen Unternehmen das Interesse für die Kreislaufwirtschaft zu wecken.