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Meinung: Der Abbruch der christlichen Kirchen

Ach, was werden die Kirchen an Weihnachten wieder voll sein. Mag die Heizung kalt bleiben in der Energiekrise, man drängt sich und singt sich warm. Doch das ist eine trügerische Momentaufnahme, meint Christoph Strack.

Irgendwann im Sommer war statistisch der Punkt erreicht, an dem nicht mehr jeder zweite Mensch in Deutschland eine der beiden großen Kirchen, der katholischen oder der evangelischen Kirche, angehört. Nun sind es noch 41 Millionen – deutlich weniger als die Hälfte der Bevölkerung. Noch lange nach der deutschen Wiedervereinigung galt die Bundesrepublik als christlich geprägtes Land.

Aber das, was nun geschieht, ist keine bloße statistische Veränderung mehr. Nach dem im Dezember veröffentlichten “Religionsmonitor” der Bertelsmann-Stiftung denkt jedes vierte Kirchenmitglied in Deutschland über einen Austritt nach, jedes fünfte ist zu diesem Schritt fest entschlossen. Und 81 Prozent aller Austrittswilligen erklärten, sie hätten wegen Skandalen ihr Vertrauen in religiöse Institutionen verloren.

Irgendwann im Sommer war statistisch der Punkt erreicht, an dem nicht mehr jeder zweite Mensch in Deutschland eine der beiden großen Kirchen, der katholischen oder der evangelischen Kirche, angehört. Nun sind es noch 41 Millionen – deutlich weniger als die Hälfte der Bevölkerung. Noch lange nach der deutschen Wiedervereinigung galt die Bundesrepublik als christlich geprägtes Land.

Wären die Kirchen Unternehmen am freien Markt, dann wären ihre Produkte längst aus den Regalen verschwunden und das Management hätte Insolvenz angemeldet. Aber wie sieht die Präsenz von Kirche in der Öffentlichkeit heute aus? Da sind in beiden großen Kirchen schwerfällige Prozesse der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. Kirche, da sind – so scheint es – auf katholischer Seite meist ältere Männer, die sorgenvoll blicken und oft unerlöst wirken. All das ist toxisch.

Ein unsäglicher Aderlass

Die katholische Kirche ist darin geübt, Fragen von gestern zu diskutieren. Der“Synodale Weg” ringt seit Jahren schmerzhaft um die Anliegen, die vor 50 Jahren schon einmal aus Deutschland in den Vatikan geschickt wurden. Sie bleiben damals unbeantwortet und auch heute hält Rom an seiner Haltung kategorisch fest. Die Bischöfe konnten sich nun erst nach einem vieljährigen Prozess ein neues Arbeitsrecht abringen, das nicht mehr länger unbedingt auf die sexuelle Lebensform der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fixiert ist. Im Jahr 2022.

Was tragisch ist: Die Krisen und der Ansehensverlust ziehen das Ansehen derer in die Tiefe, die hunderttausendfach und oft still ihren Dienst an der Gesellschaft leisten: die Rettungswagenfahrerin von kirchlichen Trägern wie Johanniter oder Malteser, Pflegekräfte und Erzieher, Helfende in Kleiderkammern, Lebensmittel-Tafeln, in der Telefonseelsorge. “Mir ist bewusst, dass hundert Angebote der Caritas nicht aufwiegen können, was an Verletzung entstanden ist und an Entfremdung von einer Kirche, die sich der Weihe von Frauen verschließt und in deren tausend Jahre alten Talaren sexuelle Unterdrückung mancherorts ein sicheres Versteck gefunden hat”, meinte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa.

Was macht dieses Verschwinden der Mehrheitsreligion mit der Gesellschaft? Dieser Abbruch von religiöser Tradition und Vertrautheit. Säkularisierung ist erstmal nichts Schlimmes. Das Land wird religiös bleiben und doch säkularer werden. Es gibt christliche, jüdische, muslimische Gemeinden, Buddhisten, Freigeister, Humanisten. Ein Wettbewerb.

Die gelebte Religiosität wird weniger organisiert sein und vielfältiger werden, sie wird vom Einzelnen oder kleineren Gruppen abhängen. Dieser Prozess wird das Land mit seiner kulturellen Prägung verändern. Und es wird andere Konzepte letztinstanzlicher Begründungen geben.

Die Kernfragen der Gesellschaft aber bleiben. Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität, ja Nächstenliebe… Das sind Motive, die zumindest auch durch die christliche Religion geprägt sind. Sie konkurrieren allerdings mit einem unbedingten individuellen Freiheitsbegriff.

Das Land, die Welt wird Stimmen brauchen, die dem trotzigen “Ich” das “Wir” entgegensetzen. Ob die Kirchen für einen solchen Dienst an der Gesellschaft noch einmal gehört werden? Volle Kirchen an einem Abend im Jahr reichen dafür gewiss nicht.

Christoph Strack
Ein Mann überreicht einer Frau ein Lebensmittelpaket

Irgendwann im Sommer war statistisch der Punkt erreicht, an dem nicht mehr jeder zweite Mensch in Deutschland eine der beiden großen Kirchen, der katholischen oder der evangelischen Kirche, angehört. Nun sind es noch 41 Millionen – deutlich weniger als die Hälfte der Bevölkerung. Noch lange nach der deutschen Wiedervereinigung galt die Bundesrepublik als christlich geprägtes Land.

Aber das, was nun geschieht, ist keine bloße statistische Veränderung mehr. Nach dem im Dezember veröffentlichten “Religionsmonitor” der Bertelsmann-Stiftung denkt jedes vierte Kirchenmitglied in Deutschland über einen Austritt nach, jedes fünfte ist zu diesem Schritt fest entschlossen. Und 81 Prozent aller Austrittswilligen erklärten, sie hätten wegen Skandalen ihr Vertrauen in religiöse Institutionen verloren.

Ein unsäglicher Aderlass

Wären die Kirchen Unternehmen am freien Markt, dann wären ihre Produkte längst aus den Regalen verschwunden und das Management hätte Insolvenz angemeldet. Aber wie sieht die Präsenz von Kirche in der Öffentlichkeit heute aus? Da sind in beiden großen Kirchen schwerfällige Prozesse der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. Kirche, da sind – so scheint es – auf katholischer Seite meist ältere Männer, die sorgenvoll blicken und oft unerlöst wirken. All das ist toxisch.

Die katholische Kirche ist darin geübt, Fragen von gestern zu diskutieren. Der“Synodale Weg” ringt seit Jahren schmerzhaft um die Anliegen, die vor 50 Jahren schon einmal aus Deutschland in den Vatikan geschickt wurden. Sie bleiben damals unbeantwortet und auch heute hält Rom an seiner Haltung kategorisch fest. Die Bischöfe konnten sich nun erst nach einem vieljährigen Prozess ein neues Arbeitsrecht abringen, das nicht mehr länger unbedingt auf die sexuelle Lebensform der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fixiert ist. Im Jahr 2022.

Was tragisch ist: Die Krisen und der Ansehensverlust ziehen das Ansehen derer in die Tiefe, die hunderttausendfach und oft still ihren Dienst an der Gesellschaft leisten: die Rettungswagenfahrerin von kirchlichen Trägern wie Johanniter oder Malteser, Pflegekräfte und Erzieher, Helfende in Kleiderkammern, Lebensmittel-Tafeln, in der Telefonseelsorge. “Mir ist bewusst, dass hundert Angebote der Caritas nicht aufwiegen können, was an Verletzung entstanden ist und an Entfremdung von einer Kirche, die sich der Weihe von Frauen verschließt und in deren tausend Jahre alten Talaren sexuelle Unterdrückung mancherorts ein sicheres Versteck gefunden hat”, meinte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa.

Was macht dieses Verschwinden der Mehrheitsreligion mit der Gesellschaft? Dieser Abbruch von religiöser Tradition und Vertrautheit. Säkularisierung ist erstmal nichts Schlimmes. Das Land wird religiös bleiben und doch säkularer werden. Es gibt christliche, jüdische, muslimische Gemeinden, Buddhisten, Freigeister, Humanisten. Ein Wettbewerb.

Skandale und Sturheit

Die gelebte Religiosität wird weniger organisiert sein und vielfältiger werden, sie wird vom Einzelnen oder kleineren Gruppen abhängen. Dieser Prozess wird das Land mit seiner kulturellen Prägung verändern. Und es wird andere Konzepte letztinstanzlicher Begründungen geben.

Die Engagierten

Die Kernfragen der Gesellschaft aber bleiben. Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität, ja Nächstenliebe… Das sind Motive, die zumindest auch durch die christliche Religion geprägt sind. Sie konkurrieren allerdings mit einem unbedingten individuellen Freiheitsbegriff.

Das Land, die Welt wird Stimmen brauchen, die dem trotzigen “Ich” das “Wir” entgegensetzen. Ob die Kirchen für einen solchen Dienst an der Gesellschaft noch einmal gehört werden? Volle Kirchen an einem Abend im Jahr reichen dafür gewiss nicht.

Säkularisierung auf dem Vormarsch

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