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Timisoara 2023 – “Shine Your Light!”

Timisoara/Temeswar in Westrumänien wird 2023 Europäische Kulturhauptstadt – zusammen mit Elefsina in Griechenland und Veszprem in Ungarn. Das Motto der multikulturellen Großstadt: Lass dein Licht leuchten!

Ein Serbe, eine Rumänin, ein Deutscher sitzen gemeinsam in einer katholischen Kirche und lauschen einem Pfarrer, der in der Osternacht das Vaterunser auf Ungarisch betet. Was wie eine Anekdote beginnt, ist Normalität in Timisoara (Deutsch Temeswar), der Hauptstadt der Region Banat. Früher ein Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, ist Timisoara heute mit seinen 315.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Rumäniens. Seit Jahrhunderten leben hier Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubens neben- und miteinander. Diese Diversität war das stärkste Argument bei der Bewerbung um den Titel Europäische Kulturhauptstadt

Den Zuschlag bekam Timisoara für 2021, doch Corona brachte einen zweijährigen Aufschub – eine lange, aber willkommene Wartezeit, war man mit den Vorbereitungen noch im weiten Feld. Jetzt wird “auf den letzten hundert Metern” alles fertig gestellt, wie der Oberbürgermeister Dominic Fritz nicht ohne Stolz betont: “Das Motto soll zeigen, dass jede, jeder etwas beitragen kann, unabhängig davon, welchen Hintergrund man hat. Jeder Mensch kann sein Licht scheinen lassen für die Gesellschaft. Unser Kulturprogramm soll möglichst viele Menschen einbeziehen, nicht nur als Konsumenten von Kultur, sondern als Mitmacher, es soll die Orte der Stadt neu erlebbar machen. Das Erbe Temeswars wird auch die Zukunft Europas prägen.”

Ein Serbe, eine Rumänin, ein Deutscher sitzen gemeinsam in einer katholischen Kirche und lauschen einem Pfarrer, der in der Osternacht das Vaterunser auf Ungarisch betet. Was wie eine Anekdote beginnt, ist Normalität in Timisoara (Deutsch Temeswar), der Hauptstadt der Region Banat. Früher ein Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, ist Timisoara heute mit seinen 315.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Rumäniens. Seit Jahrhunderten leben hier Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubens neben- und miteinander. Diese Diversität war das stärkste Argument bei der Bewerbung um den Titel Europäische Kulturhauptstadt

Dominic Fritz ist kein Banater Schwabe, kein ethnischer Deutscher aus Rumänien. Er stammt aus dem Schwarzwald, kam vor zwanzig Jahren zum ersten Mal nach Temeswar und verliebte sich in die Stadt, wie er immer wieder gerne erzählt. Vor zwei Jahren kandidierte er – ein deutscher Staatsbürger – für das Bürgermeisteramt und gewann haushoch. Jetzt will er aktiv am Kulturprogramm seiner Stadt mitwirken, über das Jahr 2023 hinaus: “Wir brennen hier nicht ein einjähriges Feuerwerk ab, sondern wollen Dinge tun, die nachhaltig sind und langfristig positive Auswirkungen haben auf die Stadt und das Leben. Wenn wir in Kultur investieren, investieren wir auch in den Wohlstand der lokalen Gemeinschaft”.

Lass dein Licht leuchten!

Timisoara sei eine europäische Stadt, und das schon seit Jahrhunderten, lange, bevor es die Europäische Union gab – im Café in der Fußgängerzone bekommt man eine erste Einführung in die Geschichte der Stadt. Außerdem begann hier im Dezember 1989 die Revolution gegen Ceausescu, gegen die kommunistische Diktatur. “Die Temeswarer wissen, was Europa und seine Werte bedeuten. Und sie wissen auch, dass man um die Freiheit, auch um die europäische Freiheit, kämpfen muss”, sagt der Oberbürgermeister im DW-Gespräch.

Die Diversität der Stadt ist auch in der Architektur überall erkennbar. Innerhalb der alten Burg, deren Mauern im Zentrum zu sehen sind, gibt es drei symbolische Plätze, die miteinander durch sternförmig angelegte Straßen die Fußgängerzone bilden: der Opernplatz oder Platz des Sieges, der Domplatz oder Platz der Vereinigung und der Freiheitsplatz, früher Stadthausplatz. Vom Balkon der Oper wurde 1989 die Befreiung der Stadt vom Kommunismus verkündet.

Das imposante Gebäude beherbergt – ein Unikum in Europa – drei Staatstheater in unterschiedlichen Sprachen: Rumänisch, Ungarisch, Deutsch. Unweit davon ist das deutschsprachige Gymnasium, das den Namen des im Banat geborenen Dichters Nikolaus Lenau trägt. Die Schule ist stolz auf zwei ihrer ehemaligen Schüler, zwei Nobelpreisträger, die heute in Deutschland leben: Herta Müller (Literatur, 2009) und Stefan Hell (Chemie, 2014).

Am anderen Ende des Opernplatzes steht die rumänisch-orthodoxe Kathedrale. Der Platz der Vereinigung wird vom katholischen Dom – mit Predigten in Rumänisch, Ungarisch, Deutsch und Latein – und der serbisch-orthodoxen Kirche eingerahmt. Im Stadtinneren steht auch die große Synagoge und die Kirche der evangelisch-lutherischen Gläubigen. Und überall in den schmucken Straßen sind gemütliche Cafés und Restaurants, Buchläden und Boutiquen.

Vlad Tausance ist im Bezirk Fabrikstadt/Fabric aufgewachsen. Hier gab es im 18. Jahrhundert die erste Buchdruckerei des Banats, mehrere Mühlen und Bierfabriken. Und viele Handwerker. Die Bevölkerung bestand ursprünglich vorwiegend aus Rumänen und Serben, aber auch Ungarn, Juden, Deutsche und Roma siedelten sich hier an.

Tausance leitet das Kommunikationsbüro der Kulturhauptstadt. Er zeigt uns die zum Teil aufwendig renovierten Häuser unterschiedlicher Stilrichtungen: Art Nouveau und Sezession, Historismus und Eklektizismus, Modernismus und Neoklassizismus: “In meiner Kindheit war der Bezirk noch recht verschlafen. Heute kommen immer mehr Menschen, die dem Trubel im Zentrum entkommen wollen und hier alternative Kulturevents, hippe Kneipen und Vintage-Läden suchen”. 

Wir fahren ans andere Ende Temeswars, in den Bezirk Josefstadt/Iosefin. Hier steht der traditionelle Marktplatz, der Einheimische und Besucher anlockt. Das alte Puppentheater und vor allem das Kulturhaus der Studenten sollen 2023 wieder in den Mittelpunkt rücken. Hier gab es vor der Wende eine aktive Underground-Szene mit einigen der besten rumänischen Rockbands. Vor dem alten Wasserturm treffen wir Simona Giura vom Verein “Prin Banat”. Ihre Initiative “Heritage of Timisoara” kümmert sich seit einigen Jahren um die Bestandsaufnahme und Renovierung der Baudenkmäler.

Aus dem Wasserturm, der 1910 gebaut wurde und seit 50 Jahren nicht mehr in Betrieb ist, soll rechtzeitig ein Kulturzentrum werden: “Zurzeit gibt es gar kein Kulturangebot im Stadtviertel. Deshalb haben wir uns ein umfassendes Programm mit Kunst und Kultur für jede Altersklasse ausgedacht”, sagt sie im DW-Gespräch inmitten der Baugerüste. Nachhaltig soll all das sein, was hier entsteht: “Für uns ist 2023 bloß der Anfang”.

Die offizielle Eröffnung des Kulturjahres 2023 findet Mitte Februar statt. Für Mimo Obradov, Autor und Musikkritiker aus der serbischen Community, ein einzigartiges Event. “Es ist auch die Anerkennung der Temeswarer Avantgarde und der Underground-Kultur der letzten Jahre und Jahrzehnte”, sagt er gegenüber der DW.

Aber es gebe auch die ständige Gefahr der Globalisierung, der Uniformisierung der Kultur, der man entgegenwirken müsse. “Diese Diversität Temeswars hat etwas zu bieten. Die Stadt und die gesamte Region sind ein Beispiel, wie die EU funktionieren sollte:als Schmelztiegel unterschiedlicher Ethnien und Communities, mit unterschiedlichen kulturellen Einflüssen und einem Zusammenleben, der in ganz Europa zu Hause sein müsste”, davon ist Obradov überzeugt.

30 Kulturevents pro Woche sind geplant. Dazu gehören unzählige Highlights wie die Begegnungen mit den Literatur-Nobelpreisträgern Orhan Pamuk und Olga Tokarczuk, dem deutschen Philosophen Peter Sloterdijk, ein Konzert unter der Leitung des Dirigenten des WDR-Rundfunkorchesters, des gebürtigen Temeswarers Cristian Macelaru, der auch die künstlerische Leitung des Internationalen Musikfestivals George Enescu übernommen hat, oder eine umfassende Ausstellung des renommierten rumänischen Bildhauers Constantin Brancusi.

Rumänien, Timisoara | Europa Kulturhauptstadt 2023 - Dominic Fritz
Rumänien Timisoara | National Theatre und Oper
Rumänien, Timisoara | Europa Kulturhauptstadt 2023 - Vlad Tausance

Ein Serbe, eine Rumänin, ein Deutscher sitzen gemeinsam in einer katholischen Kirche und lauschen einem Pfarrer, der in der Osternacht das Vaterunser auf Ungarisch betet. Was wie eine Anekdote beginnt, ist Normalität in Timisoara (Deutsch Temeswar), der Hauptstadt der Region Banat. Früher ein Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, ist Timisoara heute mit seinen 315.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Rumäniens. Seit Jahrhunderten leben hier Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubens neben- und miteinander. Diese Diversität war das stärkste Argument bei der Bewerbung um den Titel Europäische Kulturhauptstadt

Den Zuschlag bekam Timisoara für 2021, doch Corona brachte einen zweijährigen Aufschub – eine lange, aber willkommene Wartezeit, war man mit den Vorbereitungen noch im weiten Feld. Jetzt wird “auf den letzten hundert Metern” alles fertig gestellt, wie der Oberbürgermeister Dominic Fritz nicht ohne Stolz betont: “Das Motto soll zeigen, dass jede, jeder etwas beitragen kann, unabhängig davon, welchen Hintergrund man hat. Jeder Mensch kann sein Licht scheinen lassen für die Gesellschaft. Unser Kulturprogramm soll möglichst viele Menschen einbeziehen, nicht nur als Konsumenten von Kultur, sondern als Mitmacher, es soll die Orte der Stadt neu erlebbar machen. Das Erbe Temeswars wird auch die Zukunft Europas prägen.”

Lass dein Licht leuchten!

Dominic Fritz ist kein Banater Schwabe, kein ethnischer Deutscher aus Rumänien. Er stammt aus dem Schwarzwald, kam vor zwanzig Jahren zum ersten Mal nach Temeswar und verliebte sich in die Stadt, wie er immer wieder gerne erzählt. Vor zwei Jahren kandidierte er – ein deutscher Staatsbürger – für das Bürgermeisteramt und gewann haushoch. Jetzt will er aktiv am Kulturprogramm seiner Stadt mitwirken, über das Jahr 2023 hinaus: “Wir brennen hier nicht ein einjähriges Feuerwerk ab, sondern wollen Dinge tun, die nachhaltig sind und langfristig positive Auswirkungen haben auf die Stadt und das Leben. Wenn wir in Kultur investieren, investieren wir auch in den Wohlstand der lokalen Gemeinschaft”.

Timisoara sei eine europäische Stadt, und das schon seit Jahrhunderten, lange, bevor es die Europäische Union gab – im Café in der Fußgängerzone bekommt man eine erste Einführung in die Geschichte der Stadt. Außerdem begann hier im Dezember 1989 die Revolution gegen Ceausescu, gegen die kommunistische Diktatur. “Die Temeswarer wissen, was Europa und seine Werte bedeuten. Und sie wissen auch, dass man um die Freiheit, auch um die europäische Freiheit, kämpfen muss”, sagt der Oberbürgermeister im DW-Gespräch.

Die Diversität der Stadt ist auch in der Architektur überall erkennbar. Innerhalb der alten Burg, deren Mauern im Zentrum zu sehen sind, gibt es drei symbolische Plätze, die miteinander durch sternförmig angelegte Straßen die Fußgängerzone bilden: der Opernplatz oder Platz des Sieges, der Domplatz oder Platz der Vereinigung und der Freiheitsplatz, früher Stadthausplatz. Vom Balkon der Oper wurde 1989 die Befreiung der Stadt vom Kommunismus verkündet.

Das imposante Gebäude beherbergt – ein Unikum in Europa – drei Staatstheater in unterschiedlichen Sprachen: Rumänisch, Ungarisch, Deutsch. Unweit davon ist das deutschsprachige Gymnasium, das den Namen des im Banat geborenen Dichters Nikolaus Lenau trägt. Die Schule ist stolz auf zwei ihrer ehemaligen Schüler, zwei Nobelpreisträger, die heute in Deutschland leben: Herta Müller (Literatur, 2009) und Stefan Hell (Chemie, 2014).

Hier ist Europa

Am anderen Ende des Opernplatzes steht die rumänisch-orthodoxe Kathedrale. Der Platz der Vereinigung wird vom katholischen Dom – mit Predigten in Rumänisch, Ungarisch, Deutsch und Latein – und der serbisch-orthodoxen Kirche eingerahmt. Im Stadtinneren steht auch die große Synagoge und die Kirche der evangelisch-lutherischen Gläubigen. Und überall in den schmucken Straßen sind gemütliche Cafés und Restaurants, Buchläden und Boutiquen.

Stadtviertel erwachen zu neuem Leben

Vlad Tausance ist im Bezirk Fabrikstadt/Fabric aufgewachsen. Hier gab es im 18. Jahrhundert die erste Buchdruckerei des Banats, mehrere Mühlen und Bierfabriken. Und viele Handwerker. Die Bevölkerung bestand ursprünglich vorwiegend aus Rumänen und Serben, aber auch Ungarn, Juden, Deutsche und Roma siedelten sich hier an.

Tausance leitet das Kommunikationsbüro der Kulturhauptstadt. Er zeigt uns die zum Teil aufwendig renovierten Häuser unterschiedlicher Stilrichtungen: Art Nouveau und Sezession, Historismus und Eklektizismus, Modernismus und Neoklassizismus: “In meiner Kindheit war der Bezirk noch recht verschlafen. Heute kommen immer mehr Menschen, die dem Trubel im Zentrum entkommen wollen und hier alternative Kulturevents, hippe Kneipen und Vintage-Läden suchen”. 

Wir fahren ans andere Ende Temeswars, in den Bezirk Josefstadt/Iosefin. Hier steht der traditionelle Marktplatz, der Einheimische und Besucher anlockt. Das alte Puppentheater und vor allem das Kulturhaus der Studenten sollen 2023 wieder in den Mittelpunkt rücken. Hier gab es vor der Wende eine aktive Underground-Szene mit einigen der besten rumänischen Rockbands. Vor dem alten Wasserturm treffen wir Simona Giura vom Verein “Prin Banat”. Ihre Initiative “Heritage of Timisoara” kümmert sich seit einigen Jahren um die Bestandsaufnahme und Renovierung der Baudenkmäler.

Auch ein Platz für die Underground-Kultur

Aus dem Wasserturm, der 1910 gebaut wurde und seit 50 Jahren nicht mehr in Betrieb ist, soll rechtzeitig ein Kulturzentrum werden: “Zurzeit gibt es gar kein Kulturangebot im Stadtviertel. Deshalb haben wir uns ein umfassendes Programm mit Kunst und Kultur für jede Altersklasse ausgedacht”, sagt sie im DW-Gespräch inmitten der Baugerüste. Nachhaltig soll all das sein, was hier entsteht: “Für uns ist 2023 bloß der Anfang”.

Die offizielle Eröffnung des Kulturjahres 2023 findet Mitte Februar statt. Für Mimo Obradov, Autor und Musikkritiker aus der serbischen Community, ein einzigartiges Event. “Es ist auch die Anerkennung der Temeswarer Avantgarde und der Underground-Kultur der letzten Jahre und Jahrzehnte”, sagt er gegenüber der DW.

Aber es gebe auch die ständige Gefahr der Globalisierung, der Uniformisierung der Kultur, der man entgegenwirken müsse. “Diese Diversität Temeswars hat etwas zu bieten. Die Stadt und die gesamte Region sind ein Beispiel, wie die EU funktionieren sollte:als Schmelztiegel unterschiedlicher Ethnien und Communities, mit unterschiedlichen kulturellen Einflüssen und einem Zusammenleben, der in ganz Europa zu Hause sein müsste”, davon ist Obradov überzeugt.

30 Kulturevents pro Woche sind geplant. Dazu gehören unzählige Highlights wie die Begegnungen mit den Literatur-Nobelpreisträgern Orhan Pamuk und Olga Tokarczuk, dem deutschen Philosophen Peter Sloterdijk, ein Konzert unter der Leitung des Dirigenten des WDR-Rundfunkorchesters, des gebürtigen Temeswarers Cristian Macelaru, der auch die künstlerische Leitung des Internationalen Musikfestivals George Enescu übernommen hat, oder eine umfassende Ausstellung des renommierten rumänischen Bildhauers Constantin Brancusi.

Rumänien, Timisoara | Europa Kulturhauptstadt 2023

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