Kultur

Jüdische Delikatessen: Siegeszug der Delis in New York

Ende des 19. Jahrhunderts gründeten jüdische Einwanderer die ersten New Yorker Delis. Hier gab es Leckereien aus der alten Heimat – anfangs noch aus der Schubkarre. Eine Ausstellung beleuchtet die Geschichte der Delis.

Brote mit Rauchfleisch, Bagels mit Frischkäse und dazu Gurken: Jüdische Delikatessenläden, kurz Delis, haben in New York Tradition. Und ein großzügig belegtes Pastrami-Sandwich – mit einem ganzen Pfund Rauchfleisch! – kann schon sehr verlockend sein, wenn der Magen hungrig knurrt. Die berühmten Delis sind Ikonen der US-amerikanischen Esskultur. Der Ursprung der kulinarischen Tradition liegt in Europa: Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert erlebten die Vereinigten Staaten einen Zustrom von Jüdinnen und Juden aus Mittel- und Osteuropa. Als sie sich in ihrer neuen Heimat niederließen, begannen viele von ihnen, in ihren Gemeinden Lebensmittel zu verkaufen.

Zunächst verkauften jüdische Geschäftsleute ihre Speisen auf Schubkarren und an Ständen. Das empfand das New Yorker Ordnungsamt zwar als lästig, es hielt Tausende osteuropäischer Einwanderer aber nicht davon ab, so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zu den angebotenen Produkten zählten Frankfurter Würstchen, Karamellbonbons, Feigen, Bananen, Brezeln und Bagels. Durchschnittlich kamen die Betreiberinnen und Betreiber damit auf einen US-Dollar pro Tag an Einnahmen – heute entspräche das ungefähr einer Summe von 35 Dollar (34 Euro).

Brote mit Rauchfleisch, Bagels mit Frischkäse und dazu Gurken: Jüdische Delikatessenläden, kurz Delis, haben in New York Tradition. Und ein großzügig belegtes Pastrami-Sandwich – mit einem ganzen Pfund Rauchfleisch! – kann schon sehr verlockend sein, wenn der Magen hungrig knurrt. Die berühmten Delis sind Ikonen der US-amerikanischen Esskultur. Der Ursprung der kulinarischen Tradition liegt in Europa: Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert erlebten die Vereinigten Staaten einen Zustrom von Jüdinnen und Juden aus Mittel- und Osteuropa. Als sie sich in ihrer neuen Heimat niederließen, begannen viele von ihnen, in ihren Gemeinden Lebensmittel zu verkaufen.

Einer von ihnen war Joel Russ, der 1907 ein Deli gründete. Zunächst verkaufte der  eingewanderte Pole geräucherten Fisch aus einer Schubkarre, bis er 1914 sein eigenes Ladengeschäft eröffnete. Da er von seinen Töchtern Hattie, Ida und Anne verlangte, dass sie nach der Schule und an den Wochenenden im Laden mitarbeiteten, machte er sie zu Partnerinnen und sein Geschäft im Jahr 1935 in Russ & Daughters um.

In Delis hatten früh auch Frauen das Sagen

Zu einer Zeit, als die meisten Familienunternehmen an die Söhne weitergegeben wurden, war das eine Besonderheit. Die jungen Frauen hatten einen ausgeprägten Geschäftssinn und waren schnell stadtbekannt. 2013 wurde ihnen sogar ein Film gewidmet: “The Sturgeon Queens” (etwa: “Die Königinnen des Störs”).

Das Russ & Daughters ist eines der Delikatessengeschäfte, die in der Ausstellung der New York Historical Society unter dem Titel “‘I’ll Have What She’s Having:’ The Jewish Deli” vorgestellt werden (“‘Ich will genau das, was sie hatte’: Das jüdische Deli”). Fotos aus dem Geschäft sind zu sehen, genau wie ein Brief, in dem ein US-Soldat seiner Verlobten für die Zusendung einer Salami aus dem Deli dankt. Dahinter steckt, dass sich US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg über jüdische Delikatessen in der Feldpost freuten. Das Deli Katz’s machte daraus sogar eine Werbekampagne: “Schick deinem Jungen eine Salami!”

Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Schrecken des Holocausts steuerten weitere jüdische Emigranten die USA an. Rena Drexler wurde am 8. Mai 1945 aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit und zog zunächst nach München, wo sie und ihr Mann Harry ihr neues Leben als Angestellte in einem Feinkostladen begannen. Später siedelten sie in die USA über und eröffneten in Los Angeles ein eigenes Feinkostgeschäft.

Einige Geschäftsinhaber folgten ihren Kunden in die rasch expandierenden Vorstädte, während andere auch dann noch in den historisch als jüdisch geltenden Stadtvierteln verblieben, als neue Einwanderer zuzogen, oft aus Lateinamerika und der Karibik. Obwohl New York City das Epizentrum der jüdischen Delikatessen-Kultur blieb, eröffneten überall in den Vereinigten Staaten neue Delikatessengeschäfte, zum Beispiel in Chicago oder in Los Angeles.

Viele Delikatessenläden im Theaterviertel von New York City wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts selbst zu Legenden, darunter das Reuben’s Restaurant and Delicatessen und das Gaiety Delicatessen. Hier trafen sich die Stars und Sternchen vom Broadway mit prominenten Theater-Besucherinnen und -Besuchern. Außerdem wurde das Katz’s Schauplatz einer der berühmtesten Filmszenen des 20. Jahrhunderts: In der Kultromanze “Harry und Sally” (1989) behauptet Harry gegenüber Sally, keine Frau könne ihm einen Orgasmus vortäuschen.

Auf das, was nun im berühmt gewordenen New Yorker Diner folgt, geht der Titel der Ausstellung zurück: Als Sally ihn am Tisch vom Gegenteil zu überzeugen sucht, bittet eine ältere Dame die Kellnerin, ihr genau dasselbe zu bringen wie der jungen Frau: “Ich will genau das, was sie hatte.”

Seit den 1980er Jahren mussten viele der altbekannten Delis aufgeben. Das Carnegie Deli, bekannt bei Prominenten, Theaterpublikum und Touristen aus aller Welt, schloss 2016 seine Türen. Das bedeutete auch das Aus für seine langen Brote, die mit mehr als einem Pfund Fleisch belegt waren.

Food-Autoren und Delikatessen-Fans beklagten den Verlust des Carnegie Deli als Symbol für den Niedergang jüdischer Delikatessengeschäfte, doch die Ausstellung in New York versucht sich an einer anderen Bewertung: Die jüdischen Delis hätten die US-amerikanische Esskultur entscheidend geprägt, was auch Schließungen nicht rückgängig machen könnten. 

Außerdem stellt die Schau auch neue Delikatessengeschäfte vor, die in den vergangenen zehn Jahren ihre Türen öffneten und so die jüdisch-amerikanische Esskultur am Leben erhalten. Eines davon, das USA Brooklyn Delicatessen, liegt nur wenige Schritte vom ehemaligen Carnegie Deli entfernt.

Die Ausstellung der New York Historical Society “‘I’ll Have What She’s Having:’ The Jewish Deli” ist noch bis zum 2. April 2023 im New York Historical Society Museum & Library zu sehen.

Postkarte einer Straßenszene in New York.
Ein Mann und eine Frau arbeiten in einem Deli, das zeigt diese Schwarz-Weiß-Fotografie.

Alles koscher: Was ist erlaubt? Und was nicht?

Brote mit Rauchfleisch, Bagels mit Frischkäse und dazu Gurken: Jüdische Delikatessenläden, kurz Delis, haben in New York Tradition. Und ein großzügig belegtes Pastrami-Sandwich – mit einem ganzen Pfund Rauchfleisch! – kann schon sehr verlockend sein, wenn der Magen hungrig knurrt. Die berühmten Delis sind Ikonen der US-amerikanischen Esskultur. Der Ursprung der kulinarischen Tradition liegt in Europa: Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert erlebten die Vereinigten Staaten einen Zustrom von Jüdinnen und Juden aus Mittel- und Osteuropa. Als sie sich in ihrer neuen Heimat niederließen, begannen viele von ihnen, in ihren Gemeinden Lebensmittel zu verkaufen.

Zunächst verkauften jüdische Geschäftsleute ihre Speisen auf Schubkarren und an Ständen. Das empfand das New Yorker Ordnungsamt zwar als lästig, es hielt Tausende osteuropäischer Einwanderer aber nicht davon ab, so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zu den angebotenen Produkten zählten Frankfurter Würstchen, Karamellbonbons, Feigen, Bananen, Brezeln und Bagels. Durchschnittlich kamen die Betreiberinnen und Betreiber damit auf einen US-Dollar pro Tag an Einnahmen – heute entspräche das ungefähr einer Summe von 35 Dollar (34 Euro).

In Delis hatten früh auch Frauen das Sagen

Einer von ihnen war Joel Russ, der 1907 ein Deli gründete. Zunächst verkaufte der  eingewanderte Pole geräucherten Fisch aus einer Schubkarre, bis er 1914 sein eigenes Ladengeschäft eröffnete. Da er von seinen Töchtern Hattie, Ida und Anne verlangte, dass sie nach der Schule und an den Wochenenden im Laden mitarbeiteten, machte er sie zu Partnerinnen und sein Geschäft im Jahr 1935 in Russ & Daughters um.

Zu einer Zeit, als die meisten Familienunternehmen an die Söhne weitergegeben wurden, war das eine Besonderheit. Die jungen Frauen hatten einen ausgeprägten Geschäftssinn und waren schnell stadtbekannt. 2013 wurde ihnen sogar ein Film gewidmet: “The Sturgeon Queens” (etwa: “Die Königinnen des Störs”).

Das Russ & Daughters ist eines der Delikatessengeschäfte, die in der Ausstellung der New York Historical Society unter dem Titel “‘I’ll Have What She’s Having:’ The Jewish Deli” vorgestellt werden (“‘Ich will genau das, was sie hatte’: Das jüdische Deli”). Fotos aus dem Geschäft sind zu sehen, genau wie ein Brief, in dem ein US-Soldat seiner Verlobten für die Zusendung einer Salami aus dem Deli dankt. Dahinter steckt, dass sich US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg über jüdische Delikatessen in der Feldpost freuten. Das Deli Katz’s machte daraus sogar eine Werbekampagne: “Schick deinem Jungen eine Salami!”

Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Schrecken des Holocausts steuerten weitere jüdische Emigranten die USA an. Rena Drexler wurde am 8. Mai 1945 aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit und zog zunächst nach München, wo sie und ihr Mann Harry ihr neues Leben als Angestellte in einem Feinkostladen begannen. Später siedelten sie in die USA über und eröffneten in Los Angeles ein eigenes Feinkostgeschäft.

Salami in der Feldpost

Einige Geschäftsinhaber folgten ihren Kunden in die rasch expandierenden Vorstädte, während andere auch dann noch in den historisch als jüdisch geltenden Stadtvierteln verblieben, als neue Einwanderer zuzogen, oft aus Lateinamerika und der Karibik. Obwohl New York City das Epizentrum der jüdischen Delikatessen-Kultur blieb, eröffneten überall in den Vereinigten Staaten neue Delikatessengeschäfte, zum Beispiel in Chicago oder in Los Angeles.

Restaurants als Hollywoodschauplatz

Viele Delikatessenläden im Theaterviertel von New York City wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts selbst zu Legenden, darunter das Reuben’s Restaurant and Delicatessen und das Gaiety Delicatessen. Hier trafen sich die Stars und Sternchen vom Broadway mit prominenten Theater-Besucherinnen und -Besuchern. Außerdem wurde das Katz’s Schauplatz einer der berühmtesten Filmszenen des 20. Jahrhunderts: In der Kultromanze “Harry und Sally” (1989) behauptet Harry gegenüber Sally, keine Frau könne ihm einen Orgasmus vortäuschen.

Auf das, was nun im berühmt gewordenen New Yorker Diner folgt, geht der Titel der Ausstellung zurück: Als Sally ihn am Tisch vom Gegenteil zu überzeugen sucht, bittet eine ältere Dame die Kellnerin, ihr genau dasselbe zu bringen wie der jungen Frau: “Ich will genau das, was sie hatte.”

Seit den 1980er Jahren mussten viele der altbekannten Delis aufgeben. Das Carnegie Deli, bekannt bei Prominenten, Theaterpublikum und Touristen aus aller Welt, schloss 2016 seine Türen. Das bedeutete auch das Aus für seine langen Brote, die mit mehr als einem Pfund Fleisch belegt waren.

Das Ende einer kulinarischen Kultur?

Food-Autoren und Delikatessen-Fans beklagten den Verlust des Carnegie Deli als Symbol für den Niedergang jüdischer Delikatessengeschäfte, doch die Ausstellung in New York versucht sich an einer anderen Bewertung: Die jüdischen Delis hätten die US-amerikanische Esskultur entscheidend geprägt, was auch Schließungen nicht rückgängig machen könnten. 

Außerdem stellt die Schau auch neue Delikatessengeschäfte vor, die in den vergangenen zehn Jahren ihre Türen öffneten und so die jüdisch-amerikanische Esskultur am Leben erhalten. Eines davon, das USA Brooklyn Delicatessen, liegt nur wenige Schritte vom ehemaligen Carnegie Deli entfernt.

Die Ausstellung der New York Historical Society “‘I’ll Have What She’s Having:’ The Jewish Deli” ist noch bis zum 2. April 2023 im New York Historical Society Museum & Library zu sehen.

Eine blonde Frau mit Dauerwelle und weit geöffnetem Mund.

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