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Afrika: Gesundheitsberatung per Handy nimmt zu

Immer mehr junge Unternehmen bieten in Afrika eine gesundheitliche Versorgung digital an. Laut Experten ist Afrika Vorreiter mit diesem Service, aber Hürden wie Bildung und Finanzierung sind noch zu meistern.

Bei Harriet Uwanziga überwiegt zwar die Skepsis, aber sie hat das digitale Angebot von Babyl schon genutzt: eine Gesundheitsberatung per Handy, inklusive Konsultation eines Arztes. Harriet wohnt in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, wo Babyl Rwanda sein noch junges Geschäftsmodell als digitaler Gesundheitsdienstleister bewirbt – seit 2020 in Partnerschaft mit der ruandischen Regierung. Mehr als zweieinhalb Millionen Nutzer in dem kleinen ostafrikanischen Land haben sich nach Angaben des Unternehmens bisher für die digitalen Dienste registriert.

Babyls Firmenphilosophie begründet sich auf Ideen aus der antiken Stadt Babylon – dort hätten sich vor fast 2500 Jahren Bürger, die medizinischen Rat brauchten, auf dem Marktplatz versammelt und über die Behandlung gewöhnlicher Krankheiten ausgetauscht, heißt es auf der Website des Unternehmens, einer Tochtergesellschaft der britischen Babylon Health. Für Babyl ist das “eines der frühesten Beispiele für die Demokratisierung der Gesundheitsversorgung”.

Bei Harriet Uwanziga überwiegt zwar die Skepsis, aber sie hat das digitale Angebot von Babyl schon genutzt: eine Gesundheitsberatung per Handy, inklusive Konsultation eines Arztes. Harriet wohnt in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, wo Babyl Rwanda sein noch junges Geschäftsmodell als digitaler Gesundheitsdienstleister bewirbt – seit 2020 in Partnerschaft mit der ruandischen Regierung. Mehr als zweieinhalb Millionen Nutzer in dem kleinen ostafrikanischen Land haben sich nach Angaben des Unternehmens bisher für die digitalen Dienste registriert.

Im März 2020 hat Babyl eine Partnerschaft mit der Regierung Ruandas geschlossen. Erklärtes Ziel: Eine digitale Grundversorgung zu erschwinglichen Preisen aufzubauen. Apotheken und Gesundheitszentren im ganzen Land sind Teil des Systems, das sich auf die schnelle Verbreitung von Internet- und Telefondiensten in ganz Ruanda stützt: Mit Babyls Hilfe können Konsultationen, Labortests, Überweisungen, Rezepte und Zahlungen per Telefon über SMS-Codes abgewickelt werden.

Digitaler Service erweckt Misstrauen

Das Prinzip: Babyl-Nutzer senden einen einfachen Code für eine Terminvereinbarung, ein Arzt ruft sie zur vereinbarten Zeit an. Verschreibt er Medikamente oder weitere Tests, erhalten die Nutzer hierfür weitere Codes, die sie in Apotheken und Gesundheitszentren in ihrer Nähe einlösen können.

Die Patientin Uwanziga ist indes noch nicht so richtig überzeugt: “Ich traue diesem digitalen System nicht”, sagt sie der DW. “Es könnte zu Fehldiagnosen kommen, ein Patient kann bestimmte Symptome haben, die auf verschiedene Krankheiten hinweisen.” Viele in ihrem Umfeld hielten es für besser, einen Arzt für eine umfassende Untersuchung aufzusuchen.

Calliope Simba, medizinischer Leiter von Babyl Rwanda, ist sich der Probleme bewusst, die noch auf dem Weg liegen: “Erstens gibt es einen Mangel an Personal im Gesundheitswesen und wir haben einen Arzt-Patienten-Schlüssel von eins zu 80.000”, sagt Simba im DW-Gespräch. Viele Ärzte ziehe es in die Stadt, sie fehlten somit auf dem Land.

Der Mediziner ist sich auch des tiefsitzenden Misstrauens in digitale Gesundheitsdienste bewusst. “Es war nicht einfach, den Markt des Landes zu durchdringen, weil der Kenntnisstand in Bezug auf digitale Gesundheitsdienste gering ist und einige Menschen immer noch nicht an die digitale Konsultation glauben”, so Simba. Sein Ziel: “Wir müssen sicherstellen, dass jeder im Land versteht, dass eine Online-Konsultation möglich ist.”

Der Ausbau des Gesundheitswesens ist für afrikanische Länder eine große Herausforderung. Stehen hierzulande 84 Ärztinnen für 10.000 Menschen zur Verfügung, berechnet die WHO im Durchschnitt für den afrikanischen Kontinent knapp 3 Ärztinnen pro 10.000 Menschen, schreibt die Global Perspectives Initiative (GPI). Sie vernetzt Akteure aus Politik, Wirtschaft, Medien und Zivilgesellschaft, um neue Lösungsansätze für nachhaltige Entwicklung mit anzustoßen.

Gesundheitseinrichtungen in Afrika seien vielerorts weit entfernt, die Ausstattung dort mangelhaft und die Leistungen teuer, so GPI. Zahlen müssten die allermeisten dafür aus eigener Tasche – kaum jemand sei krankenversichert. Aber die Digitalisierung erlaube im Gesundheitsbereich große Entwicklungssprünge, getragen von einer wachsende Zahl junger Unternehmen.

Zum Beispiel John Mark Bwanika, Mitbegründer von Rocket Health in Uganda, einem der größten Unternehmen dieser Art in Afrika. Laut Bwanika entstehen viele Vorteile für Patienten: Per Anruf gebe ein Bereitschaftsarzt Auskünfte zu den geschilderten Symptomen, eine Diagnose schnell per WhatsApp. Medikamente würden auch nach Hause geliefert und eigene Kliniken vor Ort erleichterten die Behandlung von Kranken.

“Private Unternehmen wie Rocket Health tragen stark zur Versorgung bei, in Uganda wählen mehr als 50 Prozent eine private Versorgung”, sagte Bwanika bei einer Veranstaltung am Rande des Weltgesundheitsgipfels im Oktober 2020. Er plädiert dafür, dass Staaten vermehrt private Unternehmen unterstützen, um eine breitere Versorgung zu ermöglichen.

Laut Hannah Hölscher von GPI gibt es viele verschiedene Sektoren im Gesundheitsbereich, in die man eingreifen kann: Bei Life Bank in Nigeria bringt man auf Anruf Blut und Sauerstoff direkt zur Haustür, es gibt einen 24-Stunden-Dienst”, sagt Hölscher im DW-Interview. In Kenia könnten Patienten bei Suri Health mit Ärzten in einem virtuellen Krankenhaus reden.

“Es gibt in Afrika eine junge Bevölkerung, viele Digital Natives, die sehr gut ausgebildet sind,” sagt Hölscher im DW-Interview. Der Zugang zu Mobiltelefonen und Smartphones nehme rapide zu. “41 Länder haben digitale Gesundheitsstrategien. Das gibt es in vielen europäischen Ländern so noch nicht.” Die größte Hürde seien jedoch die Finanzen – auf internationaler Ebene müssten Investitionen folgen.

Auch die Schweizer Organisation SolidarMed, die sich für eine medizinische Grundversorgung besonders in den ländlichen Gebieten Afrikas einsetzt, betont das Innovationspotenzial des Kontinents: “Die Digitalisierung geht in Afrika schnell voran und in manchen Gebieten ist Afrika Vorreiter”, sagt Programmleiter Michael Hobbins im DW-Interview. “Zum Beispiel konnte man schon vor vielen Jahren mit dem Mobiltelefon Geld überweisen, während das in manchen europäischen Staaten erst während der Pandemie vorangetrieben wurde.”

Im Gesundheitsbereich seien die Unterschiede aber sehr groß. “Man findet Krankenhäuser, wo alles noch handgeschrieben in großen Büchern hinterlegt wird, und Netzwerkanschluss und Computer nicht vorhanden sind. Papiere mit Daten werden über Kilometer transportiert, um digitalisiert zu werden.” Aber es gebe auch Krankenhäuser, die sehr gut vernetzt seien und nur noch digital arbeiteten, vor allem die privaten Kliniken in größeren Städten.

Handlungsbedarf sieht Hobbins in den Bereichen Infrastruktur und Bildung. “Wenn nur wenige die digitalen Angebote beherrschen, ist das fatal”, sagt er. In Gegenden, wo viele Menschen nicht schreiben könnten, brauche man immer noch eine Person, mit der Patienten sprechen können.

Wichtige Fragen seien ohnehin noch zu lösen: Wer hat das Recht auf die Daten, wo werden sie gespeichert, wer hat Zugang und Kontrolle. Hobbins: “Digitalisierung ist wichtig und trägt zur Weiterentwicklung der Länder und besserer Gesundheitsversorgung bei, es ist aber nicht der Schlüssel dazu.”

Mitarbeit: Alex Ngarambe, Kigali

Uganda | Smartphone Nutzerin in Kampala (Photo by Isaac Kasamani / AFP) (Photo credit should read ISAAC KASAMANI/AFP via Getty Images)
Zentralafrikanische Republik AIDS-Medikament (Foto: BARBARA DEBOUT/AFP via Getty Images)
Die Ergebnisse eines Tests auf einem Handybildschirm

Bei Harriet Uwanziga überwiegt zwar die Skepsis, aber sie hat das digitale Angebot von Babyl schon genutzt: eine Gesundheitsberatung per Handy, inklusive Konsultation eines Arztes. Harriet wohnt in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, wo Babyl Rwanda sein noch junges Geschäftsmodell als digitaler Gesundheitsdienstleister bewirbt – seit 2020 in Partnerschaft mit der ruandischen Regierung. Mehr als zweieinhalb Millionen Nutzer in dem kleinen ostafrikanischen Land haben sich nach Angaben des Unternehmens bisher für die digitalen Dienste registriert.

Babyls Firmenphilosophie begründet sich auf Ideen aus der antiken Stadt Babylon – dort hätten sich vor fast 2500 Jahren Bürger, die medizinischen Rat brauchten, auf dem Marktplatz versammelt und über die Behandlung gewöhnlicher Krankheiten ausgetauscht, heißt es auf der Website des Unternehmens, einer Tochtergesellschaft der britischen Babylon Health. Für Babyl ist das “eines der frühesten Beispiele für die Demokratisierung der Gesundheitsversorgung”.

Digitaler Service erweckt Misstrauen

Im März 2020 hat Babyl eine Partnerschaft mit der Regierung Ruandas geschlossen. Erklärtes Ziel: Eine digitale Grundversorgung zu erschwinglichen Preisen aufzubauen. Apotheken und Gesundheitszentren im ganzen Land sind Teil des Systems, das sich auf die schnelle Verbreitung von Internet- und Telefondiensten in ganz Ruanda stützt: Mit Babyls Hilfe können Konsultationen, Labortests, Überweisungen, Rezepte und Zahlungen per Telefon über SMS-Codes abgewickelt werden.

Das Prinzip: Babyl-Nutzer senden einen einfachen Code für eine Terminvereinbarung, ein Arzt ruft sie zur vereinbarten Zeit an. Verschreibt er Medikamente oder weitere Tests, erhalten die Nutzer hierfür weitere Codes, die sie in Apotheken und Gesundheitszentren in ihrer Nähe einlösen können.

Die Patientin Uwanziga ist indes noch nicht so richtig überzeugt: “Ich traue diesem digitalen System nicht”, sagt sie der DW. “Es könnte zu Fehldiagnosen kommen, ein Patient kann bestimmte Symptome haben, die auf verschiedene Krankheiten hinweisen.” Viele in ihrem Umfeld hielten es für besser, einen Arzt für eine umfassende Untersuchung aufzusuchen.

Calliope Simba, medizinischer Leiter von Babyl Rwanda, ist sich der Probleme bewusst, die noch auf dem Weg liegen: “Erstens gibt es einen Mangel an Personal im Gesundheitswesen und wir haben einen Arzt-Patienten-Schlüssel von eins zu 80.000”, sagt Simba im DW-Gespräch. Viele Ärzte ziehe es in die Stadt, sie fehlten somit auf dem Land.

Das Problem Ärztemangel

Der Mediziner ist sich auch des tiefsitzenden Misstrauens in digitale Gesundheitsdienste bewusst. “Es war nicht einfach, den Markt des Landes zu durchdringen, weil der Kenntnisstand in Bezug auf digitale Gesundheitsdienste gering ist und einige Menschen immer noch nicht an die digitale Konsultation glauben”, so Simba. Sein Ziel: “Wir müssen sicherstellen, dass jeder im Land versteht, dass eine Online-Konsultation möglich ist.”

Entwicklungssprung durch Digitalisierung

Der Ausbau des Gesundheitswesens ist für afrikanische Länder eine große Herausforderung. Stehen hierzulande 84 Ärztinnen für 10.000 Menschen zur Verfügung, berechnet die WHO im Durchschnitt für den afrikanischen Kontinent knapp 3 Ärztinnen pro 10.000 Menschen, schreibt die Global Perspectives Initiative (GPI). Sie vernetzt Akteure aus Politik, Wirtschaft, Medien und Zivilgesellschaft, um neue Lösungsansätze für nachhaltige Entwicklung mit anzustoßen.

Gesundheitseinrichtungen in Afrika seien vielerorts weit entfernt, die Ausstattung dort mangelhaft und die Leistungen teuer, so GPI. Zahlen müssten die allermeisten dafür aus eigener Tasche – kaum jemand sei krankenversichert. Aber die Digitalisierung erlaube im Gesundheitsbereich große Entwicklungssprünge, getragen von einer wachsende Zahl junger Unternehmen.

Zum Beispiel John Mark Bwanika, Mitbegründer von Rocket Health in Uganda, einem der größten Unternehmen dieser Art in Afrika. Laut Bwanika entstehen viele Vorteile für Patienten: Per Anruf gebe ein Bereitschaftsarzt Auskünfte zu den geschilderten Symptomen, eine Diagnose schnell per WhatsApp. Medikamente würden auch nach Hause geliefert und eigene Kliniken vor Ort erleichterten die Behandlung von Kranken.

Afrika als Vorreiter

“Private Unternehmen wie Rocket Health tragen stark zur Versorgung bei, in Uganda wählen mehr als 50 Prozent eine private Versorgung”, sagte Bwanika bei einer Veranstaltung am Rande des Weltgesundheitsgipfels im Oktober 2020. Er plädiert dafür, dass Staaten vermehrt private Unternehmen unterstützen, um eine breitere Versorgung zu ermöglichen.

Laut Hannah Hölscher von GPI gibt es viele verschiedene Sektoren im Gesundheitsbereich, in die man eingreifen kann: Bei Life Bank in Nigeria bringt man auf Anruf Blut und Sauerstoff direkt zur Haustür, es gibt einen 24-Stunden-Dienst”, sagt Hölscher im DW-Interview. In Kenia könnten Patienten bei Suri Health mit Ärzten in einem virtuellen Krankenhaus reden.

Mehr Bildung ist Teil der Lösung

“Es gibt in Afrika eine junge Bevölkerung, viele Digital Natives, die sehr gut ausgebildet sind,” sagt Hölscher im DW-Interview. Der Zugang zu Mobiltelefonen und Smartphones nehme rapide zu. “41 Länder haben digitale Gesundheitsstrategien. Das gibt es in vielen europäischen Ländern so noch nicht.” Die größte Hürde seien jedoch die Finanzen – auf internationaler Ebene müssten Investitionen folgen.

Auch die Schweizer Organisation SolidarMed, die sich für eine medizinische Grundversorgung besonders in den ländlichen Gebieten Afrikas einsetzt, betont das Innovationspotenzial des Kontinents: “Die Digitalisierung geht in Afrika schnell voran und in manchen Gebieten ist Afrika Vorreiter”, sagt Programmleiter Michael Hobbins im DW-Interview. “Zum Beispiel konnte man schon vor vielen Jahren mit dem Mobiltelefon Geld überweisen, während das in manchen europäischen Staaten erst während der Pandemie vorangetrieben wurde.”

Symbolbild I Digitale Gesundheitsberatung in Afrika (Foto: Blend Images/Hello Lovely/picture alliance)

Im Gesundheitsbereich seien die Unterschiede aber sehr groß. “Man findet Krankenhäuser, wo alles noch handgeschrieben in großen Büchern hinterlegt wird, und Netzwerkanschluss und Computer nicht vorhanden sind. Papiere mit Daten werden über Kilometer transportiert, um digitalisiert zu werden.” Aber es gebe auch Krankenhäuser, die sehr gut vernetzt seien und nur noch digital arbeiteten, vor allem die privaten Kliniken in größeren Städten.

Handlungsbedarf sieht Hobbins in den Bereichen Infrastruktur und Bildung. “Wenn nur wenige die digitalen Angebote beherrschen, ist das fatal”, sagt er. In Gegenden, wo viele Menschen nicht schreiben könnten, brauche man immer noch eine Person, mit der Patienten sprechen können.

Wichtige Fragen seien ohnehin noch zu lösen: Wer hat das Recht auf die Daten, wo werden sie gespeichert, wer hat Zugang und Kontrolle. Hobbins: “Digitalisierung ist wichtig und trägt zur Weiterentwicklung der Länder und besserer Gesundheitsversorgung bei, es ist aber nicht der Schlüssel dazu.”

Mitarbeit: Alex Ngarambe, Kigali

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