Welt

Nigerias Ölindustrie – eine Krise mit Ansage

Nigeria ist Afrikas größter Ölproduzent. Aber die Industrie steckt in der Krise, das Land muss sogar teures Benzin importieren. Die Dangote-Raffinerie soll Abhilfe bringen, aber noch ist sie nicht in Betrieb.

Nigeria ist ein Gigant – ganz gleich, ob es um Bevölkerungsgröße oder Wirtschaftskraft geht. Rund 220 Millionen Menschen leben in dem Land, im Jahr 2050 werden es Schätzungen zufolge 375 Millionen sein.

Allein der Bundesstaat Lagos rund um die gleichnamige Wirtschaftsmetropole am Golf von Guinea hat eine größere Wirtschaftsleistung als Kenia. Nigeria insgesamt erwirtschaftet ein größeres Bruttoinlandsprodukt (BIP) als alle anderen Staaten Westafrikas zusammen.

Nigeria ist ein Gigant – ganz gleich, ob es um Bevölkerungsgröße oder Wirtschaftskraft geht. Rund 220 Millionen Menschen leben in dem Land, im Jahr 2050 werden es Schätzungen zufolge 375 Millionen sein.

Angetrieben wird die Wirtschaftsmaschinerie Nigerias durch Erdöl, das in riesigen Lagerstätten im Niger-Delta vorkommt. Doch trotz des Reichtums geht es der Wirtschaft schlecht: So liegt das Wirtschaftswachstum niedriger als das Bevölkerungswachstum – Experten warnen vor steigender Armut und sozialen Unruhen.

Steigende Armut und soziale Unruhen

Die Gründe für den Abwärtstrend liegen auf der Hand: Die Ölproduktion ist auf einen historischen Tiefstand gesunken. Dem nigerianischen Wirtschaftsexperten Afolabi Olowookere zufolge fiel der Anteil des Ölsektors an den Staatseinnahmen von knapp 47 Prozent 2017 auf nur noch magere 7,4 Prozent im ersten Halbjahr 2022 ab, sagte er der Zeitung “The Guardian Nigeria News”.

Nigeria ist es nicht gelungen, von dem weltweiten Ölpreisboom 2022 zu profitieren. Auch der Anteil des Ölsektors am BIP Nigerias hat sich seit 2010 von mehr als 13 Prozent auf knapp sechs Prozent praktisch halbiert.

Das Kernproblem Nigerias besteht darin, dass das Land, obwohl es der größte Öl- und Gasproduzent Afrikas ist, zur Deckung seines Benzinbedarfs fast vollständig auf teure Importe angewiesen ist. Nigeria verfügt zwar über vier staatliche Raffinerien, aber sie sind durch Misswirtschaft marode geworden und stehen still. Um die sozialen Folgen abzufedern, steckt die Regierung Jahr für Jahr Milliarden Dollar in Treibstoffsubventionen. 

Der Politik fehle eine Strategie, klagt Muazu Magaji, Experte für Erdölvorkommen in Lagos: “Es ist eine Tatsache, dass die Regierung selbst keine Vision für die Energiesicherheit entwickelt hat.” Und das gelte nicht nur für die derzeitige Regierung, sondern auch für die bisherigen Regierungen des Landes, sagt Magaji im DW-Interview.

Dies setzt den Staatshaushalt immer stärker unter Druck: Erst vor wenigen Tagen erklärte der Vorstandsvorsitzende der staatlichen Ölgesellschaft Nigerian National Petroleum Company (NNPC), Mele Kyari, dass Nigeria in diesem Jahr 4,2 Billionen Naira (rund 8,5 Milliarden Euro oder 9,1 Milliarden US-Dollar) benötigt, um den Bedarf an Kraftstoffsubventionen in diesem Jahr zu decken.

Die seit Jahren immer weiter steigenden Kosten für die Treibstoffsubventionen führten während der Pandemie dazu, dass Nigeria überhaupt nur durch einen Notkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlungsfähig gehalten werden konnte.

Mit den Finanzspritzen der Weltbank sind seit 2020 gut fünf Milliarden US-Dollar nach Nigeria geflossen, um die größte Volkswirtschaft Afrikas vor dem Kollaps zu bewahren.

Aber die Probleme kommen mit Ansage: Bereits 2018 hatte der IWF an Nigeria appelliert, seine steigende Verschuldung einzudämmen und die Wirtschaft zu diversifizieren, um eine Krise zu vermeiden. Geholfen hat es wenig. Das wird beim Blick auf den Ölsektor mehr als deutlich. Die Tagesförderung von 1,8 Millionen Barrel pro Tag vor der Pandemie ist mittlerweile auf rund eine Million Barrel eingebrochen. Inzwischen hat zudem der Ölpreis wieder nachgelassen – nach dem Rekordwert von rund 130 US-Dollar pro Barrel vom Frühjahr 2022 liegt er derzeit bei rund 80 Dollar.

Auch bei den Devisenreserven ist das Land in gefährlichem Fahrwasser unterwegs: Mit jedem Jahr schmelzen sie weiter zusammen. Wird die Grenze von 30 Milliarden US-Dollar unterschritten, so warnen internationale Finanzexperten, droht eine Abwertung der Landeswährung Naira.

Die aktuelle Länderstudie der Weltbank lässt keinen Zweifel daran, wie ernst die Lage ist. “Nigeria befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, die sich weiter verschlechtert”, schrieben die Weltbank-Experten in der im vergangenen Dezember erschienenen Studie “Nigeria’s Choice”.

Allerdings sind die Wahlmöglichkeiten bei sinkenden Steuereinnahmen, steigenden Kosten für Treibstoffsubventionen, kombiniert mit dem neuerlichen Rückgang der Ölpreise bei einer sinkenden Ölförderung, eher begrenzt. Dazu kommt eine Inflationsrate von mehr als 20 Prozent.

Wie stark Korruption das Wirtschaftsgeschehen dominiert, zeigt der Blick auf das Ranking von Transparency International. Dort rangierte Nigeria im Jahr 2021 auf Platz 154 von 180 untersuchten Ländern, eine deutliche Verschlechterung von Position 144 im Jahr 2018.

Ein großer Teil des Öl- und Treibstoffmangels geht auf Diebstahl zurück. Regierungsmitglieder wie Finanzminister Zainab Ahmed erklären ganz offiziell einen Teil der Benzin- und Diesel-Engpässe mit dem grassierendem Treibstoffdiebstahl. Dazu kommen, so der Minister, noch Sabotage-Aktionen an den Pipelines im Niger-Delta.

Vor den Toren von Lagos entsteht die riesige Dangote-Raffinerie. Wenn sie einmal in Betrieb ist, soll sie künftig Nigeria zuverlässig mit Benzin und Diesel versorgen. Bauherr und Namensgeber ist der Multimilliardär Aliko Dangote, der als reichster Mann Afrikas gilt. Jedoch wird die Inbetriebnahme seit Jahren hinausgeschoben – nun ist sie für Mitte 2023 geplant.

Mit der Investition aus dem Privatsektor hofft man, eine Alternative zu den staatlichen Raffinerien zu schaffen, sagt Magaji. Die kombinierte Kapazität der vier bestehenden Raffinerien liegt bei 450.000 Barrel pro Tag, bei der Dangote-Raffinerie dagegen sollen es 650.000 Barrel pro Tag sein.

Tankstelle in Lagos: Autofahrer warten an den Zapfsäulen, um Benzin und Diesel zu tanken

Nigeria ist ein Gigant – ganz gleich, ob es um Bevölkerungsgröße oder Wirtschaftskraft geht. Rund 220 Millionen Menschen leben in dem Land, im Jahr 2050 werden es Schätzungen zufolge 375 Millionen sein.

Allein der Bundesstaat Lagos rund um die gleichnamige Wirtschaftsmetropole am Golf von Guinea hat eine größere Wirtschaftsleistung als Kenia. Nigeria insgesamt erwirtschaftet ein größeres Bruttoinlandsprodukt (BIP) als alle anderen Staaten Westafrikas zusammen.

Steigende Armut und soziale Unruhen

Angetrieben wird die Wirtschaftsmaschinerie Nigerias durch Erdöl, das in riesigen Lagerstätten im Niger-Delta vorkommt. Doch trotz des Reichtums geht es der Wirtschaft schlecht: So liegt das Wirtschaftswachstum niedriger als das Bevölkerungswachstum – Experten warnen vor steigender Armut und sozialen Unruhen.

Die Gründe für den Abwärtstrend liegen auf der Hand: Die Ölproduktion ist auf einen historischen Tiefstand gesunken. Dem nigerianischen Wirtschaftsexperten Afolabi Olowookere zufolge fiel der Anteil des Ölsektors an den Staatseinnahmen von knapp 47 Prozent 2017 auf nur noch magere 7,4 Prozent im ersten Halbjahr 2022 ab, sagte er der Zeitung “The Guardian Nigeria News”.

Nigeria ist es nicht gelungen, von dem weltweiten Ölpreisboom 2022 zu profitieren. Auch der Anteil des Ölsektors am BIP Nigerias hat sich seit 2010 von mehr als 13 Prozent auf knapp sechs Prozent praktisch halbiert.

Kernproblem: Teure Ölimporte

Das Kernproblem Nigerias besteht darin, dass das Land, obwohl es der größte Öl- und Gasproduzent Afrikas ist, zur Deckung seines Benzinbedarfs fast vollständig auf teure Importe angewiesen ist. Nigeria verfügt zwar über vier staatliche Raffinerien, aber sie sind durch Misswirtschaft marode geworden und stehen still. Um die sozialen Folgen abzufedern, steckt die Regierung Jahr für Jahr Milliarden Dollar in Treibstoffsubventionen. 

Kostspielige Treibstoffsubventionen

Der Politik fehle eine Strategie, klagt Muazu Magaji, Experte für Erdölvorkommen in Lagos: “Es ist eine Tatsache, dass die Regierung selbst keine Vision für die Energiesicherheit entwickelt hat.” Und das gelte nicht nur für die derzeitige Regierung, sondern auch für die bisherigen Regierungen des Landes, sagt Magaji im DW-Interview.

Dies setzt den Staatshaushalt immer stärker unter Druck: Erst vor wenigen Tagen erklärte der Vorstandsvorsitzende der staatlichen Ölgesellschaft Nigerian National Petroleum Company (NNPC), Mele Kyari, dass Nigeria in diesem Jahr 4,2 Billionen Naira (rund 8,5 Milliarden Euro oder 9,1 Milliarden US-Dollar) benötigt, um den Bedarf an Kraftstoffsubventionen in diesem Jahr zu decken.

Devisenreserven schrumpfen

Die seit Jahren immer weiter steigenden Kosten für die Treibstoffsubventionen führten während der Pandemie dazu, dass Nigeria überhaupt nur durch einen Notkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlungsfähig gehalten werden konnte.

Mit den Finanzspritzen der Weltbank sind seit 2020 gut fünf Milliarden US-Dollar nach Nigeria geflossen, um die größte Volkswirtschaft Afrikas vor dem Kollaps zu bewahren.

Korruption schwächt Wirtschaft

Aber die Probleme kommen mit Ansage: Bereits 2018 hatte der IWF an Nigeria appelliert, seine steigende Verschuldung einzudämmen und die Wirtschaft zu diversifizieren, um eine Krise zu vermeiden. Geholfen hat es wenig. Das wird beim Blick auf den Ölsektor mehr als deutlich. Die Tagesförderung von 1,8 Millionen Barrel pro Tag vor der Pandemie ist mittlerweile auf rund eine Million Barrel eingebrochen. Inzwischen hat zudem der Ölpreis wieder nachgelassen – nach dem Rekordwert von rund 130 US-Dollar pro Barrel vom Frühjahr 2022 liegt er derzeit bei rund 80 Dollar.

Hoffnung auf neue Mega-Raffinerie

Auch bei den Devisenreserven ist das Land in gefährlichem Fahrwasser unterwegs: Mit jedem Jahr schmelzen sie weiter zusammen. Wird die Grenze von 30 Milliarden US-Dollar unterschritten, so warnen internationale Finanzexperten, droht eine Abwertung der Landeswährung Naira.

Die aktuelle Länderstudie der Weltbank lässt keinen Zweifel daran, wie ernst die Lage ist. “Nigeria befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, die sich weiter verschlechtert”, schrieben die Weltbank-Experten in der im vergangenen Dezember erschienenen Studie “Nigeria’s Choice”.

Allerdings sind die Wahlmöglichkeiten bei sinkenden Steuereinnahmen, steigenden Kosten für Treibstoffsubventionen, kombiniert mit dem neuerlichen Rückgang der Ölpreise bei einer sinkenden Ölförderung, eher begrenzt. Dazu kommt eine Inflationsrate von mehr als 20 Prozent.

Wie stark Korruption das Wirtschaftsgeschehen dominiert, zeigt der Blick auf das Ranking von Transparency International. Dort rangierte Nigeria im Jahr 2021 auf Platz 154 von 180 untersuchten Ländern, eine deutliche Verschlechterung von Position 144 im Jahr 2018.

Ein großer Teil des Öl- und Treibstoffmangels geht auf Diebstahl zurück. Regierungsmitglieder wie Finanzminister Zainab Ahmed erklären ganz offiziell einen Teil der Benzin- und Diesel-Engpässe mit dem grassierendem Treibstoffdiebstahl. Dazu kommen, so der Minister, noch Sabotage-Aktionen an den Pipelines im Niger-Delta.

Vor den Toren von Lagos entsteht die riesige Dangote-Raffinerie. Wenn sie einmal in Betrieb ist, soll sie künftig Nigeria zuverlässig mit Benzin und Diesel versorgen. Bauherr und Namensgeber ist der Multimilliardär Aliko Dangote, der als reichster Mann Afrikas gilt. Jedoch wird die Inbetriebnahme seit Jahren hinausgeschoben – nun ist sie für Mitte 2023 geplant.

Mit der Investition aus dem Privatsektor hofft man, eine Alternative zu den staatlichen Raffinerien zu schaffen, sagt Magaji. Die kombinierte Kapazität der vier bestehenden Raffinerien liegt bei 450.000 Barrel pro Tag, bei der Dangote-Raffinerie dagegen sollen es 650.000 Barrel pro Tag sein.

Doch neuer Schwung für den Ölsektor alleine wird nicht reichen – zumal die fossile Industrie die Klimakrise direkt befeuert und deshalb weltweit heruntergefahren werden muss: Schon lange fordern Experten, dass sich Nigeria aus der Abhängigkeit vom Öl lösen muss. “Die Politik der Diversifizierung wird leider schon seit vier oder fünf Jahrzehnten diskutiert.Wir haben von großen Revolutionen gesprochen, wollten den Bergbausektor fördern und die Landwirtschaft zu einem wichtigen Zweig ausbauen, aber es ist uns nicht gelungen”, sagt Magaji zur DW.

Doch neuer Schwung für den Ölsektor alleine wird nicht reichen – zumal die fossile Industrie die Klimakrise direkt befeuert und deshalb weltweit heruntergefahren werden muss: Schon lange fordern Experten, dass sich Nigeria aus der Abhängigkeit vom Öl lösen muss. “Die Politik der Diversifizierung wird leider schon seit vier oder fünf Jahrzehnten diskutiert.Wir haben von großen Revolutionen gesprochen, wollten den Bergbausektor fördern und die Landwirtschaft zu einem wichtigen Zweig ausbauen, aber es ist uns nicht gelungen”, sagt Magaji zur DW.

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"