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Türkei vergibt weniger Visa für russische Auswanderer

Bis vor kurzem waren Familien aus Russland in der Türkei willkommen. Doch mittlerweile schottet sich Ankara mit Bußgeldern und Bürokratie zunehmend ab. Wie lange funktioniert das türkische Exil noch?

“In den vergangenen Jahren haben wir oft darüber nachgedacht, eine Wohnung in der Türkei zu kaufen, um sie zu vermieten und im Sommer für unseren eigenen Urlaub zu nutzen. Aber wir waren unentschlossen. Als all dies plötzlich losging, war uns klar, dass der Moment dazu gekommen war”, erzählt Nikita M. (Anmerkung d. Red.: Der Name wurde geändert) über sich und seine Frau.

Das Ehepaar aus Wladiwostok hatte zunächst Geld für einen Umzug nach Moskau zurückgelegt. Als Ende September der russische Präsident Wladimir Putin eine Mobilmachung für den Krieg gegen die Ukraine anordnete, änderten Nikita M. und seine Frau ihre Pläne.

“In den vergangenen Jahren haben wir oft darüber nachgedacht, eine Wohnung in der Türkei zu kaufen, um sie zu vermieten und im Sommer für unseren eigenen Urlaub zu nutzen. Aber wir waren unentschlossen. Als all dies plötzlich losging, war uns klar, dass der Moment dazu gekommen war”, erzählt Nikita M. (Anmerkung d. Red.: Der Name wurde geändert) über sich und seine Frau.

Der 36-jährige Informatiker, der für ein internationales IT-Unternehmen arbeitet, kaufte in Antalya eine Wohnung für 65.000 Dollar. “Wir haben sie komplett eingerichtet, gute Haushaltsgeräte gekauft und einige Baumängel beseitigt”, sagt er. Insgesamt habe der Umzug von Russland in die Türkei rund 80.000 Dollar gekostet.

“Ich habe eine Wohnung gekauft und kann nicht darin leben”

Im September 2022 beantragten Nikita M. und seine Frau eine Aufenthaltserlaubnis, um mindestens ein Jahr in der Türkei bleiben und frei ein- und ausreisen zu können. Ende Januar wurde sein Antrag ohne Angabe von Gründen abgelehnt.

“Ich bin bereit, die Tatsache in Kauf zu nehmen, dass die Russen jetzt auf der ganzen Welt als toxisch gelten. Ich weiß, welche Seite im Recht ist. Aber es muss wenigstens einige klare Spielregeln geben. Ich habe jetzt eine Wohnung gekauft und kann darin nicht leben”, sagt der Informatiker empört.

Nun muss er die Türkei innerhalb von zehn Tagen verlassen. So schnell wird er die Wohnung nicht wieder verkaufen können. Unklar ist noch, ob seine Frau eine Aufenthaltserlaubnis erhält. “Eine Rückkehr nach Russland ist keine Option. Aber irgendetwas muss man machen. Vielleicht werden wir erst einmal die Wohnung zurücklassen und in ein anderes Land gehen”, sagt Nikita M. Gegen die Ablehnung seiner Aufenthaltserlaubnis will er allerdings noch Beschwerde einlegen.

Immobilienbesitzer bekommen in der Regel problemlos eine Aufenthaltserlaubnis in der Türkei. Daher ist der Fall von Nikita M. eher eine Ausnahme. Viele seiner Landsleute haben bisher ohne große Probleme eine Aufenthaltserlaubnis in der Türkei erhalten, auch ohne Immobilieneigentum: Es reichte, einen Mietvertrag für eine Wohnung, eine Krankenversicherung und einen Einkommensnachweis vorzulegen.

Bis Oktober 2022 bildeten russische Staatsbürger in der Türkei die größte Gruppe unter den Ausländern, denen die Behörden Aufenthaltserlaubnisse erteilten. Insgesamt 153.000 Russinnen und Russen erhielten 2022 eine solche Erlaubnis, davon 132.000 zu touristischen Zwecken.

Doch seit Ende Dezember werden aus verschiedenen türkischen Städten immer mehr Ablehnungen gemeldet. Genaue Statistiken darüber gibt es nicht. Eine Anfrage der DW an die zuständigen türkischen Behörden blieb unbeantwortet

Laut einem Telegram-Chat, in dem eingereiste Russen selbst Daten sammeln, gab es seit Ende Dezember mehr als 250 Ablehnungen und nur etwas mehr als 100 Bewilligungen. Eva Rapoport, Koordinatorin des Projekts “The Ark” (Kovcheg), das russischen Auswanderern hilft, bestätigt die Beobachtung: “Viele Menschen bekommen Absagen, aber es gibt auch positive Bescheide. Die Gründe und Kriterien sind unklar. Offizielle Erklärungen gibt es keine”, sagt Rapoport.

Auch die Juristin Margarita Poljakowa, Leiterin des in Istanbul ansässigen Beratungsunternehmens New Days Agency, berichtet von einer zunehmenden Zahl von abgelehnten Aufenthaltsgenehmigungen. Allerdings sei diese Tendenz schon seit dem Sommer zu beobachten, vor allem in dem bei russischen Bürgern besonders beliebten Antalya

Im Frühjahr 2022 hatte Poljakowa in einem Interview erklärt, sie unterstütze die Entscheidungen des Präsidenten der Russischen Föderation, also den Krieg gegen die Ukraine. Jetzt betont sie, dass sie keine Partei ergreife und versuche, Menschen zu helfen, die unter dem Krieg leiden. Die Juristin verfügt über 22 Jahre Berufserfahrung, deshalb können ihre Informationen – unabhängig von ihrer politischen Position – wichtig sein für Russen, die in ihrem Land von Verfolgung bedroht sind.

Ihr zufolge hat die Türkei die Liste der Gebiete, in denen auf Grundlage von Mietverträgen keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr erteilt werden dürfen, seit Juli 2022 um weitere 1169 Orte erweitert. Der Grund: Die Zahl ausländischer Einwohner an der Gesamtbevölkerung liegt dort über 20 Prozent.

“Früher gab es mehr Ablehnungen bei Bürgern zentralasiatischer Länder, im Dezember erreichte dieser Trend nun auch die Russen”, so Poljakowa. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass die zunehmende Anzahl von Ablehnungen auch auf die zunehmende Zahl von Anträgen zurückzuführen sei. Türkische Medien berichten unterdessen unter Berufung auf die Behörden, dass die Regeln für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Kontrollen verschärft worden seien.

“Eine Aufenthaltserlaubnis zu touristischen Zwecken war früher sozusagen ein Ersatz für ein Langzeitvisum in der Türkei. Jetzt ist das nur noch für einen kurzen Aufenthalt gedacht”, sagt Poljakowa. Ihrer Meinung nach entscheiden die Behörden in jeder Region anders, aber insgesamt wolle der türkische Staat weniger Migranten aufnehmen. “Im Mai finden in der Türkei Wahlen statt, und es ist klar, dass der Präsident Entscheidungen trifft, die beim Volk populär sind”, sagt sie.

Wer sich länger als erlaubt in der Türkei aufhält, muss bei der Ausreise ein Bußgeld zahlen. Wer mit dem Auto aus Russland eingereist war, wird sogar doppelt zur Kasse gebeten. Je nach Aufenthaltsdauer können dann Bußgelder im vierstelligen Dollar-Bereich anfallen. 

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

Reportage über in Istanbul lebende Russen
Türkei | Reibereien zwischen russischen Touristen und ukrainischen Demonstranten in Istanbul
Portrait von Margarita Poljakowa

“In den vergangenen Jahren haben wir oft darüber nachgedacht, eine Wohnung in der Türkei zu kaufen, um sie zu vermieten und im Sommer für unseren eigenen Urlaub zu nutzen. Aber wir waren unentschlossen. Als all dies plötzlich losging, war uns klar, dass der Moment dazu gekommen war”, erzählt Nikita M. (Anmerkung d. Red.: Der Name wurde geändert) über sich und seine Frau.

Das Ehepaar aus Wladiwostok hatte zunächst Geld für einen Umzug nach Moskau zurückgelegt. Als Ende September der russische Präsident Wladimir Putin eine Mobilmachung für den Krieg gegen die Ukraine anordnete, änderten Nikita M. und seine Frau ihre Pläne.

“Ich habe eine Wohnung gekauft und kann nicht darin leben”

Der 36-jährige Informatiker, der für ein internationales IT-Unternehmen arbeitet, kaufte in Antalya eine Wohnung für 65.000 Dollar. “Wir haben sie komplett eingerichtet, gute Haushaltsgeräte gekauft und einige Baumängel beseitigt”, sagt er. Insgesamt habe der Umzug von Russland in die Türkei rund 80.000 Dollar gekostet.

Im September 2022 beantragten Nikita M. und seine Frau eine Aufenthaltserlaubnis, um mindestens ein Jahr in der Türkei bleiben und frei ein- und ausreisen zu können. Ende Januar wurde sein Antrag ohne Angabe von Gründen abgelehnt.

“Ich bin bereit, die Tatsache in Kauf zu nehmen, dass die Russen jetzt auf der ganzen Welt als toxisch gelten. Ich weiß, welche Seite im Recht ist. Aber es muss wenigstens einige klare Spielregeln geben. Ich habe jetzt eine Wohnung gekauft und kann darin nicht leben”, sagt der Informatiker empört.

Nun muss er die Türkei innerhalb von zehn Tagen verlassen. So schnell wird er die Wohnung nicht wieder verkaufen können. Unklar ist noch, ob seine Frau eine Aufenthaltserlaubnis erhält. “Eine Rückkehr nach Russland ist keine Option. Aber irgendetwas muss man machen. Vielleicht werden wir erst einmal die Wohnung zurücklassen und in ein anderes Land gehen”, sagt Nikita M. Gegen die Ablehnung seiner Aufenthaltserlaubnis will er allerdings noch Beschwerde einlegen.

Immer mehr Ablehnungen

Immobilienbesitzer bekommen in der Regel problemlos eine Aufenthaltserlaubnis in der Türkei. Daher ist der Fall von Nikita M. eher eine Ausnahme. Viele seiner Landsleute haben bisher ohne große Probleme eine Aufenthaltserlaubnis in der Türkei erhalten, auch ohne Immobilieneigentum: Es reichte, einen Mietvertrag für eine Wohnung, eine Krankenversicherung und einen Einkommensnachweis vorzulegen.

Strengere Regeln und Kontrollen

Bis Oktober 2022 bildeten russische Staatsbürger in der Türkei die größte Gruppe unter den Ausländern, denen die Behörden Aufenthaltserlaubnisse erteilten. Insgesamt 153.000 Russinnen und Russen erhielten 2022 eine solche Erlaubnis, davon 132.000 zu touristischen Zwecken.

Doch seit Ende Dezember werden aus verschiedenen türkischen Städten immer mehr Ablehnungen gemeldet. Genaue Statistiken darüber gibt es nicht. Eine Anfrage der DW an die zuständigen türkischen Behörden blieb unbeantwortet

Laut einem Telegram-Chat, in dem eingereiste Russen selbst Daten sammeln, gab es seit Ende Dezember mehr als 250 Ablehnungen und nur etwas mehr als 100 Bewilligungen. Eva Rapoport, Koordinatorin des Projekts “The Ark” (Kovcheg), das russischen Auswanderern hilft, bestätigt die Beobachtung: “Viele Menschen bekommen Absagen, aber es gibt auch positive Bescheide. Die Gründe und Kriterien sind unklar. Offizielle Erklärungen gibt es keine”, sagt Rapoport.

Bußgeld bei Ausreise

Auch die Juristin Margarita Poljakowa, Leiterin des in Istanbul ansässigen Beratungsunternehmens New Days Agency, berichtet von einer zunehmenden Zahl von abgelehnten Aufenthaltsgenehmigungen. Allerdings sei diese Tendenz schon seit dem Sommer zu beobachten, vor allem in dem bei russischen Bürgern besonders beliebten Antalya

Im Frühjahr 2022 hatte Poljakowa in einem Interview erklärt, sie unterstütze die Entscheidungen des Präsidenten der Russischen Föderation, also den Krieg gegen die Ukraine. Jetzt betont sie, dass sie keine Partei ergreife und versuche, Menschen zu helfen, die unter dem Krieg leiden. Die Juristin verfügt über 22 Jahre Berufserfahrung, deshalb können ihre Informationen – unabhängig von ihrer politischen Position – wichtig sein für Russen, die in ihrem Land von Verfolgung bedroht sind.

Ihr zufolge hat die Türkei die Liste der Gebiete, in denen auf Grundlage von Mietverträgen keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr erteilt werden dürfen, seit Juli 2022 um weitere 1169 Orte erweitert. Der Grund: Die Zahl ausländischer Einwohner an der Gesamtbevölkerung liegt dort über 20 Prozent.

“Früher gab es mehr Ablehnungen bei Bürgern zentralasiatischer Länder, im Dezember erreichte dieser Trend nun auch die Russen”, so Poljakowa. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass die zunehmende Anzahl von Ablehnungen auch auf die zunehmende Zahl von Anträgen zurückzuführen sei. Türkische Medien berichten unterdessen unter Berufung auf die Behörden, dass die Regeln für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Kontrollen verschärft worden seien.

“Eine Aufenthaltserlaubnis zu touristischen Zwecken war früher sozusagen ein Ersatz für ein Langzeitvisum in der Türkei. Jetzt ist das nur noch für einen kurzen Aufenthalt gedacht”, sagt Poljakowa. Ihrer Meinung nach entscheiden die Behörden in jeder Region anders, aber insgesamt wolle der türkische Staat weniger Migranten aufnehmen. “Im Mai finden in der Türkei Wahlen statt, und es ist klar, dass der Präsident Entscheidungen trifft, die beim Volk populär sind”, sagt sie.

Wer sich länger als erlaubt in der Türkei aufhält, muss bei der Ausreise ein Bußgeld zahlen. Wer mit dem Auto aus Russland eingereist war, wird sogar doppelt zur Kasse gebeten. Je nach Aufenthaltsdauer können dann Bußgelder im vierstelligen Dollar-Bereich anfallen. 

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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