EU und Briten einigen sich auf neue Nordirland-Regeln
Drei Jahre nach dem Brexit haben sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premier Rishi Sunak auf eine Anpassung des Nordirland-Protokolls verständigt. Ist jetzt endlich alles gut?
Der Durchbruch ist gelungen, der britische Premier Rishi Sunak erleichtert. Seit einem Jahr verhandeln die britische Regierung und die EU-Kommission über die Anpassung der Nordirland-Regeln – auch wenn die Beziehungen zwischen London und Brüssel drei Jahre nach dem Brexit an einem Tiefpunkt angelangt waren.
“Wir hatten Differenzen in der Vergangenheit, aber wir sind Alliierte, Handelspartner und Freunde. Ein neues Kapitel beginnt jetzt”, sagte Sunak in Windsor bei London.
Der Durchbruch ist gelungen, der britische Premier Rishi Sunak erleichtert. Seit einem Jahr verhandeln die britische Regierung und die EU-Kommission über die Anpassung der Nordirland-Regeln – auch wenn die Beziehungen zwischen London und Brüssel drei Jahre nach dem Brexit an einem Tiefpunkt angelangt waren.
Rishi Sunak ist der vierte Premier des Vereinigten Königreiches, der versucht, die Brexit-Regeln für den Landesteil Nordirland mit der Europäischen Union in eine für beide Seiten praktikable Form zu bringen.
Was ist das Kernproblem?
Sein Vorvorgänger Boris Johnson hatte dem sogenannten Nordirland-Protokoll im Austrittsvertrag aus der EU zunächst zugestimmt. Als in Nordirland Widerstand gegen die Handelsregeln aufkam, legte Johnson jedoch dann ein Gesetz vor, das die Regeln einseitig ändern sollte.
Die EU reagierte verschnupft auf diesen Rechtsbruch und drohte mit Konsequenzen. Boris Johnson musste vor Verabschiedung des Gesetzes seinen Posten räumen. Sein Gesetz lag seitdem auf Eis.
Nach dem Brexit 2020 blieb Nordirland, das zum Vereinigten Königreich gehört, und an das EU-Mitglied Irland grenzt, im EU-Binnenmarkt. Damit sollte ein reibungsloser Warenverkehr zwischen Irland und Nordirland gewährleistet werden. Personen- und Zollkontrollen an der sensiblen Grenze sollte es auf keinen Fall geben.
Man befürchtete ein Wiederaufbrechen des Konflikts zwischen protestantischen Unionisten, die zu Großbritannien gehören wollen, und katholischen Nationalisten, die eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland wünschen.
Der Konflikt, der in einen Art Bürgerkrieg ausartete, wurde vor 25 Jahren durch das “Karfreitagsabkommen” beigelegt. Nordirland sollte seitdem von einer Regierung aus Unionisten und Nationalisten immer gemeinsam regiert werden.
Durch den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU entstand auf einmal eine Grenze für Waren, die aus Großbritannien nach Nordirland, also in das Wirtschaftsgebiet der EU, eingeführt werden. Diese imaginäre Zollgrenze in der Irischen See erfordert großen bürokratischen Aufwand und viele Kontrollen in nordirischen Häfen und Flughäfen.
“Wenn man über Grenzkontrollen redet, entweder zwischen Großbritannien und Nordirland oder zwischen Irland und Nordirland, gerät man sofort in die existierende Spaltung innerhalb Nordirlands”, meint Lisa Claire Whitten, Politologin an der Queen’s University in Belfast, der Hauptstadt Nordirlands. “Für die Politik und die Regierungsstrukturen war der Brexit-Vertrag eine Belastung. Er hat die Spaltung zwischen Unionisten und Nationalisten vertieft.”
Nun sollen Handelsbeschränkungen abgebaut werden. Die EU stimmt zu, dass Waren, die künftig aus Großbritannien nach Nordirland exportiert werden und dort bleiben, also nicht über Irland weiter in die EU gelangen, weit weniger Kontrollen unterliegen. Nur Waren, die von Großbritannien über Nordirland weiter in die EU geschafft werden, müssen weiter eine Zollabfertigung und Kontrollen durchlaufen.
“Wir haben jeden Anschein einer Grenze in der Irischen See abgeschafft”, freute sich der britische Premier. “Käse und Kartoffeln sind zurück”, so Rishi Sunak. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versicherte, in den Regalen der Supermärkte in Großbritannien und Nordirland sollen wieder die gleichen Waren zu finden sein wie vor dem Brexit.
Die juristische Aufsicht über Handelsangelegenheiten hat aber nach wie vor der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Das Mitspracherecht der nordirischen Regionalregierung in der EU bleibt stark eingeschränkt. Die Regeln werden in Brüssel gemacht.
Viele nordirische Politiker betrachten dies als ein Defizit an Demokratie. Die Regierung in Belfast soll aber eine “Notbremse” in die Hand bekommen, mit der die Ausführung neuer Handelsregeln verzögert werden könnte. Diese Notbremse könnte von der britischen Zentralregierung in London wieder aufgehoben werden.
Die EU ist der britischen Regierung ein großes Stück entgegengekommen. Premierminister Rishi Sunak muss diesen Erfolg jetzt den eigenen hartgesottenen Brexit-Befürwortern in seiner konservativen Partei verkaufen.
Ebenso muss der Premier die nordirische Unionistenpartei DUP überzeugen. Die DUP hat die imaginäre Grenze in der Irischen See zu einer Frage der Identität erhoben und weigert sich deshalb, mit der nationalistischen pro-irischen Partei Sinn Fein eine gemeinsame Regierung zu bilden.
Das nordirische Parlament ist ebenfalls blockiert. Die DUP hat angekündigt, sie müsse sich den Kompromiss zwischen der EU-Kommission und dem Premierminister erst einmal genau anschauen. Rishi Sunak will sich “zu gegebener Zeit” mit dem neuen Nordirland-Protokoll einer Abstimmung im Unterhaus in London stellen.
“Seine Partei hat kein Interesse an pragmatischen Lösungen, sondern zieht pure Brexit-Ideologie vor. Dieser Brexit-Appetit könnte wieder angefacht werden. Und Boris Johnson wartet bereits in der Kulisse”, schrieb Sydney Nash in der Zeitung “Guardian”. Sydney Nash hat früher selbst für die Regierung am Brexit-Abkommen gearbeitet. Er glaubt, dass sogar der Stuhl von Rishi Sunak wackeln könnte.
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU in Brüssel könnten sich normalisieren. Das Vereinigte Königreich hätte zum Beispiel die Chance, wieder am Wissenschafts-Förderprogramm “Horizon” der EU teilzunehmen, was britische Universitäten gefordert hatten.
Der Durchbruch ist gelungen, der britische Premier Rishi Sunak erleichtert. Seit einem Jahr verhandeln die britische Regierung und die EU-Kommission über die Anpassung der Nordirland-Regeln – auch wenn die Beziehungen zwischen London und Brüssel drei Jahre nach dem Brexit an einem Tiefpunkt angelangt waren.
“Wir hatten Differenzen in der Vergangenheit, aber wir sind Alliierte, Handelspartner und Freunde. Ein neues Kapitel beginnt jetzt”, sagte Sunak in Windsor bei London.
Was ist das Kernproblem?
Rishi Sunak ist der vierte Premier des Vereinigten Königreiches, der versucht, die Brexit-Regeln für den Landesteil Nordirland mit der Europäischen Union in eine für beide Seiten praktikable Form zu bringen.
Sein Vorvorgänger Boris Johnson hatte dem sogenannten Nordirland-Protokoll im Austrittsvertrag aus der EU zunächst zugestimmt. Als in Nordirland Widerstand gegen die Handelsregeln aufkam, legte Johnson jedoch dann ein Gesetz vor, das die Regeln einseitig ändern sollte.
Die EU reagierte verschnupft auf diesen Rechtsbruch und drohte mit Konsequenzen. Boris Johnson musste vor Verabschiedung des Gesetzes seinen Posten räumen. Sein Gesetz lag seitdem auf Eis.
Nach dem Brexit 2020 blieb Nordirland, das zum Vereinigten Königreich gehört, und an das EU-Mitglied Irland grenzt, im EU-Binnenmarkt. Damit sollte ein reibungsloser Warenverkehr zwischen Irland und Nordirland gewährleistet werden. Personen- und Zollkontrollen an der sensiblen Grenze sollte es auf keinen Fall geben.
Was regelt das reformierte Nordirland-Protokoll?
Man befürchtete ein Wiederaufbrechen des Konflikts zwischen protestantischen Unionisten, die zu Großbritannien gehören wollen, und katholischen Nationalisten, die eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland wünschen.
Ist das Problem jetzt gelöst?
Der Konflikt, der in einen Art Bürgerkrieg ausartete, wurde vor 25 Jahren durch das “Karfreitagsabkommen” beigelegt. Nordirland sollte seitdem von einer Regierung aus Unionisten und Nationalisten immer gemeinsam regiert werden.
Durch den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU entstand auf einmal eine Grenze für Waren, die aus Großbritannien nach Nordirland, also in das Wirtschaftsgebiet der EU, eingeführt werden. Diese imaginäre Zollgrenze in der Irischen See erfordert großen bürokratischen Aufwand und viele Kontrollen in nordirischen Häfen und Flughäfen.
Welche Auswirkungen hat das neue Abkommen?
“Wenn man über Grenzkontrollen redet, entweder zwischen Großbritannien und Nordirland oder zwischen Irland und Nordirland, gerät man sofort in die existierende Spaltung innerhalb Nordirlands”, meint Lisa Claire Whitten, Politologin an der Queen’s University in Belfast, der Hauptstadt Nordirlands. “Für die Politik und die Regierungsstrukturen war der Brexit-Vertrag eine Belastung. Er hat die Spaltung zwischen Unionisten und Nationalisten vertieft.”
Nun sollen Handelsbeschränkungen abgebaut werden. Die EU stimmt zu, dass Waren, die künftig aus Großbritannien nach Nordirland exportiert werden und dort bleiben, also nicht über Irland weiter in die EU gelangen, weit weniger Kontrollen unterliegen. Nur Waren, die von Großbritannien über Nordirland weiter in die EU geschafft werden, müssen weiter eine Zollabfertigung und Kontrollen durchlaufen.
“Wir haben jeden Anschein einer Grenze in der Irischen See abgeschafft”, freute sich der britische Premier. “Käse und Kartoffeln sind zurück”, so Rishi Sunak. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versicherte, in den Regalen der Supermärkte in Großbritannien und Nordirland sollen wieder die gleichen Waren zu finden sein wie vor dem Brexit.
Die juristische Aufsicht über Handelsangelegenheiten hat aber nach wie vor der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Das Mitspracherecht der nordirischen Regionalregierung in der EU bleibt stark eingeschränkt. Die Regeln werden in Brüssel gemacht.
Viele nordirische Politiker betrachten dies als ein Defizit an Demokratie. Die Regierung in Belfast soll aber eine “Notbremse” in die Hand bekommen, mit der die Ausführung neuer Handelsregeln verzögert werden könnte. Diese Notbremse könnte von der britischen Zentralregierung in London wieder aufgehoben werden.
Die EU ist der britischen Regierung ein großes Stück entgegengekommen. Premierminister Rishi Sunak muss diesen Erfolg jetzt den eigenen hartgesottenen Brexit-Befürwortern in seiner konservativen Partei verkaufen.
Ebenso muss der Premier die nordirische Unionistenpartei DUP überzeugen. Die DUP hat die imaginäre Grenze in der Irischen See zu einer Frage der Identität erhoben und weigert sich deshalb, mit der nationalistischen pro-irischen Partei Sinn Fein eine gemeinsame Regierung zu bilden.
Das nordirische Parlament ist ebenfalls blockiert. Die DUP hat angekündigt, sie müsse sich den Kompromiss zwischen der EU-Kommission und dem Premierminister erst einmal genau anschauen. Rishi Sunak will sich “zu gegebener Zeit” mit dem neuen Nordirland-Protokoll einer Abstimmung im Unterhaus in London stellen.
“Seine Partei hat kein Interesse an pragmatischen Lösungen, sondern zieht pure Brexit-Ideologie vor. Dieser Brexit-Appetit könnte wieder angefacht werden. Und Boris Johnson wartet bereits in der Kulisse”, schrieb Sydney Nash in der Zeitung “Guardian”. Sydney Nash hat früher selbst für die Regierung am Brexit-Abkommen gearbeitet. Er glaubt, dass sogar der Stuhl von Rishi Sunak wackeln könnte.
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU in Brüssel könnten sich normalisieren. Das Vereinigte Königreich hätte zum Beispiel die Chance, wieder am Wissenschafts-Förderprogramm “Horizon” der EU teilzunehmen, was britische Universitäten gefordert hatten.
Premier Sunak, ein ehemaliger Goldman Sachs Bankier, hofft darauf, dass sich auch das Klima für Investoren aus dem Ausland verbessert, die dann endlich Rechtssicherheit haben. Außerdem sollen die Beziehungen zum großen Verbündeten USA entspannter werden. Die US-Regierung legt großen Wert auf ein friedliches Nordirland.
US-Präsident Bill Clinton hatte vor 25 Jahren das Karfreitags-Abkommen vermittelt. Am 10. April jährt sich das Abkommen. Bis dahin wollte Premier Sunak das Thema vom Tisch haben. Wenn dies der Fall wäre, könnte US-Präsident Joe Biden im April zu einem Staatsbesuch nach London kommen.
US-Präsident Bill Clinton hatte vor 25 Jahren das Karfreitags-Abkommen vermittelt. Am 10. April jährt sich das Abkommen. Bis dahin wollte Premier Sunak das Thema vom Tisch haben. Wenn dies der Fall wäre, könnte US-Präsident Joe Biden im April zu einem Staatsbesuch nach London kommen.