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Manuel Sarrazin: Neue Chancen für den Westbalkan

Der Südosteuropa-Experte Manuel Sarrazin von den Grünen ist Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Westbalkan. Im DW-Interview spricht er über Chancen und Risiken im europäischen Integrationsprozess der Region.

An diesem Montag (27.02.2023) kommen in Brüssel der serbische Präsident Aleksandar Vucic und der kosovarische Premierminister Albin Kurti erneut zu Gesprächen zusammen. Thema des Treffens ist der von Deutschland und Frankreich initiierte Plan zur Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Die Europäische Union und die USA haben Serbien und Kosovo eine Frist bis März 2023 gesetzt, dem Plan zuzustimmen.

Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass die beiden Nachbarländer einander zwar formell nicht anerkennen, ihre Existenz jedoch wechselseitig akzeptieren und damit einen Prozess der Normalisierung in Gang setzen, ähnlich wie dies zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR auf der Basis des Grundlagenvertrags nach 1972 gelang. Serbien weigert sich bisher, die 2008 ausgerufene Unabhängigkeit Kosovos anzuerkennen.

An diesem Montag (27.02.2023) kommen in Brüssel der serbische Präsident Aleksandar Vucic und der kosovarische Premierminister Albin Kurti erneut zu Gesprächen zusammen. Thema des Treffens ist der von Deutschland und Frankreich initiierte Plan zur Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Die Europäische Union und die USA haben Serbien und Kosovo eine Frist bis März 2023 gesetzt, dem Plan zuzustimmen.

Der Grünen-Politiker und Südosteuropa-Experte Manuel Sarrazin, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Westbalkan, erkennt im vorliegenden Plan durchaus eine Chance für beide Länder: “Der europäische Vorschlag, der auf einer deutschen und französischen Initiative basiert, ist in der Lage, einen Großteil der Probleme zwischen beiden Ländern zu lösen. Er kann die regionale EU-Integration freischalten”. Die Annahme des Plans wäre ein wesentlicher Fortschritt für beide Länder in Richtung EU. Jetzt sei die Möglichkeit da, dass beide Seiten sich flexibel zeigten und die vorgelegten Entwürfe akzeptierten. Das wäre letztlich auch ein starkes positives Signal für die ganze Region des Westbalkans in einer schwierigen internationalen Situation, so Sarrazin im DW-Gespräch.

Ein starkes Signal für Serbien und Kosovo

Die Annahme des Plans würde zwar noch nicht alle Probleme im Miteinander lösen, glaubt Sarrazin, aber er würde “einen positiven Strang aufmachen”, so dass es sich endlich für Serbien und für Kosovo lohnen würde, konstruktiv zu sein. Es würde zudem viele Fragen der regionalen Kooperation, auch der regionalen Wirtschaftszusammenarbeit, vereinfachen: “Es würde viele Möglichkeiten geben, Punkte, die wir im Berlin-Prozess erreicht haben, umzusetzen und über diese auch hinauszugehen”.

Durch eine positive Haltung zum europäischen Vorschlag könnten insbesondere die Vertreter Serbiens beweisen, dass sie es ehrlich damit meinten, “die Kosovo-Frage konstruktiv zu lösen und damit den Pfad der europäischen Integration auch glaubwürdig zu beschreiten”. Es könne ein ganz neues Vertrauen entstehen, “dass man sich auf die serbische Politik verlassen kann”. Es wäre ein starkes Signal in Richtung jener wirtschaftlichen Akteure, unter anderem in Deutschland, die jetzt überlegten, ob sie in Serbien investieren sollten.

Das sei auch vor dem Hintergrund wichtig, dass viele sich im Moment nicht sicher seien, wo Serbien im Ukraine-Krieg stehe: “Wir erwarten natürlich weiterhin, dass Serbien sich, wie im Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen festgeschrieben, der europäischen gemeinsamen Außenpolitik Schritt für Schritt weiter annähert und sich dann letztendlich anschließt”.

Wer der EU beitreten wolle, müsse auch die europäischen Entscheidungen mitgehen. “Wir vermissen dort jegliche Bewegung”, kritisiert Sarrazin. Er appelliert an die EU, gegenüber Serbien Klartext zu sprechen. Ehrlichkeit sei besser als ein “Übertünchen oder ein Schönreden von kleinen Schritten, die man gegenseitig absprechen würde, um dann so zu tun, als sei alles in Ordnung”.

Erfreulich sei allerdings, dass die serbische Regierung in den letzten Wochen und Monaten versucht habe, ihr bilaterales Engagement in Bezug auf die Ukraine zu stärken. Diese Signale habe man in der EU durchaus wahrgenommen. Gleichzeitig gebe es aber in Serbien weiterhin viel pro-russische Propaganda. Deshalb müsse man versuchen, den Diskurs über den Krieg in der Ukraine, der in Serbien stattfindet, breiter anzulegen. Die Perspektive des Leidens in der Ukraine und der Verbrechen, die Russland in der Ukraine begeht, müssten viel mehr in den Blick genommen und auch öffentlich thematisiert werden: “Es sind letztlich russische Kriegsverbrechen, russische imperialistische Versuche, die Ukraine zu kolonialisieren – gegenüber einem slawischen Volk, gegenüber der Ukraine”, so Sarrazin.

Als Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Westbalkan hat Manuel Sarrazin auch die angespannte Lage in Bosnien und Herzegowina im Blick. Vor allem die aktuelle heftige Debatte um den deutschen CSU-Politiker Christian Schmidt, dem Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, findet er kontraproduktiv. Mit der Kritik an Schmidt werde auch das Amt in Frage gestellt: “In der derzeitigen geopolitischen Lage halte ich eine Diskussion über die Abschaffung des OHR für fahrlässig und sogar gefährlich”.

Über seine einjährige Tätigkeit als erster Westbalkan-Beauftragter der Bundesregierung zieht Sarrazin eine positive Bilanz. Vor allem der Berlin-Gipfel, die drei Mobilitäts-Abkommen, die Energie-Erklärung, im Rahmen derer auch Deutschland bilateral in der Region eine große Summe an finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt habe, seien sehr wichtige Signale: “Die Bundesregierung hat ein klares Commitment zur europäischen Zukunft aller sechs Westbalkanstaaten”, hebt Sarrazin hervor.

Dazu gehöre nicht nur die Suche nach Lösungsmöglichkeiten für die aktuellen akuten Krisen, sondern dazu gehöre auch, die Perspektiven für die Gesellschaften in der Region spürbar zu verbessern: “Daran wollen wir in der Bundesregierung in den nächsten Monaten arbeiten”. Ein geschlossenes Auftreten in enger Abstimmung mit den Partnern in der EU und den USA sei die Voraussetzung dafür, um positive Entwicklungen auf dem Westbalkan zu erreichen.

Doppelbild mit Aleksandar Vucic und Albin Kurti
Bundeskanzler Olaf Scholz (Mi.), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (re.) und Manuel Sarrazin (li.) sitzen an einem Tisch in einem Konferenzraum

An diesem Montag (27.02.2023) kommen in Brüssel der serbische Präsident Aleksandar Vucic und der kosovarische Premierminister Albin Kurti erneut zu Gesprächen zusammen. Thema des Treffens ist der von Deutschland und Frankreich initiierte Plan zur Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Die Europäische Union und die USA haben Serbien und Kosovo eine Frist bis März 2023 gesetzt, dem Plan zuzustimmen.

Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass die beiden Nachbarländer einander zwar formell nicht anerkennen, ihre Existenz jedoch wechselseitig akzeptieren und damit einen Prozess der Normalisierung in Gang setzen, ähnlich wie dies zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR auf der Basis des Grundlagenvertrags nach 1972 gelang. Serbien weigert sich bisher, die 2008 ausgerufene Unabhängigkeit Kosovos anzuerkennen.

Ein starkes Signal für Serbien und Kosovo

Der Grünen-Politiker und Südosteuropa-Experte Manuel Sarrazin, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Westbalkan, erkennt im vorliegenden Plan durchaus eine Chance für beide Länder: “Der europäische Vorschlag, der auf einer deutschen und französischen Initiative basiert, ist in der Lage, einen Großteil der Probleme zwischen beiden Ländern zu lösen. Er kann die regionale EU-Integration freischalten”. Die Annahme des Plans wäre ein wesentlicher Fortschritt für beide Länder in Richtung EU. Jetzt sei die Möglichkeit da, dass beide Seiten sich flexibel zeigten und die vorgelegten Entwürfe akzeptierten. Das wäre letztlich auch ein starkes positives Signal für die ganze Region des Westbalkans in einer schwierigen internationalen Situation, so Sarrazin im DW-Gespräch.

Die Annahme des Plans würde zwar noch nicht alle Probleme im Miteinander lösen, glaubt Sarrazin, aber er würde “einen positiven Strang aufmachen”, so dass es sich endlich für Serbien und für Kosovo lohnen würde, konstruktiv zu sein. Es würde zudem viele Fragen der regionalen Kooperation, auch der regionalen Wirtschaftszusammenarbeit, vereinfachen: “Es würde viele Möglichkeiten geben, Punkte, die wir im Berlin-Prozess erreicht haben, umzusetzen und über diese auch hinauszugehen”.

Durch eine positive Haltung zum europäischen Vorschlag könnten insbesondere die Vertreter Serbiens beweisen, dass sie es ehrlich damit meinten, “die Kosovo-Frage konstruktiv zu lösen und damit den Pfad der europäischen Integration auch glaubwürdig zu beschreiten”. Es könne ein ganz neues Vertrauen entstehen, “dass man sich auf die serbische Politik verlassen kann”. Es wäre ein starkes Signal in Richtung jener wirtschaftlichen Akteure, unter anderem in Deutschland, die jetzt überlegten, ob sie in Serbien investieren sollten.

Das sei auch vor dem Hintergrund wichtig, dass viele sich im Moment nicht sicher seien, wo Serbien im Ukraine-Krieg stehe: “Wir erwarten natürlich weiterhin, dass Serbien sich, wie im Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen festgeschrieben, der europäischen gemeinsamen Außenpolitik Schritt für Schritt weiter annähert und sich dann letztendlich anschließt”.

Serbiens Haltung zum Krieg in der Ukraine ist unklar

Wer der EU beitreten wolle, müsse auch die europäischen Entscheidungen mitgehen. “Wir vermissen dort jegliche Bewegung”, kritisiert Sarrazin. Er appelliert an die EU, gegenüber Serbien Klartext zu sprechen. Ehrlichkeit sei besser als ein “Übertünchen oder ein Schönreden von kleinen Schritten, die man gegenseitig absprechen würde, um dann so zu tun, als sei alles in Ordnung”.

“Die EU sollte Klartext gegenüber Serbien sprechen”

Erfreulich sei allerdings, dass die serbische Regierung in den letzten Wochen und Monaten versucht habe, ihr bilaterales Engagement in Bezug auf die Ukraine zu stärken. Diese Signale habe man in der EU durchaus wahrgenommen. Gleichzeitig gebe es aber in Serbien weiterhin viel pro-russische Propaganda. Deshalb müsse man versuchen, den Diskurs über den Krieg in der Ukraine, der in Serbien stattfindet, breiter anzulegen. Die Perspektive des Leidens in der Ukraine und der Verbrechen, die Russland in der Ukraine begeht, müssten viel mehr in den Blick genommen und auch öffentlich thematisiert werden: “Es sind letztlich russische Kriegsverbrechen, russische imperialistische Versuche, die Ukraine zu kolonialisieren – gegenüber einem slawischen Volk, gegenüber der Ukraine”, so Sarrazin.

Als Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Westbalkan hat Manuel Sarrazin auch die angespannte Lage in Bosnien und Herzegowina im Blick. Vor allem die aktuelle heftige Debatte um den deutschen CSU-Politiker Christian Schmidt, dem Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, findet er kontraproduktiv. Mit der Kritik an Schmidt werde auch das Amt in Frage gestellt: “In der derzeitigen geopolitischen Lage halte ich eine Diskussion über die Abschaffung des OHR für fahrlässig und sogar gefährlich”.

Über seine einjährige Tätigkeit als erster Westbalkan-Beauftragter der Bundesregierung zieht Sarrazin eine positive Bilanz. Vor allem der Berlin-Gipfel, die drei Mobilitäts-Abkommen, die Energie-Erklärung, im Rahmen derer auch Deutschland bilateral in der Region eine große Summe an finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt habe, seien sehr wichtige Signale: “Die Bundesregierung hat ein klares Commitment zur europäischen Zukunft aller sechs Westbalkanstaaten”, hebt Sarrazin hervor.

Angespannte Lage in Bosnien und Herzegowina

Dazu gehöre nicht nur die Suche nach Lösungsmöglichkeiten für die aktuellen akuten Krisen, sondern dazu gehöre auch, die Perspektiven für die Gesellschaften in der Region spürbar zu verbessern: “Daran wollen wir in der Bundesregierung in den nächsten Monaten arbeiten”. Ein geschlossenes Auftreten in enger Abstimmung mit den Partnern in der EU und den USA sei die Voraussetzung dafür, um positive Entwicklungen auf dem Westbalkan zu erreichen.

Christian Schmidt schreibt im Rahmen einer Gedenkveranstaltung an den Völkermord von Srebrenica in der ehemaligen Basis von UN-Soldaten in ein Buch, hinter ihm steht eine Flagge

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