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Rumänien: Roma fordern Entschuldigung von Orthodoxer Kirche

Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche sollte sich für die jahrhundertelange Sklaverei der Roma entschuldigen. Es wäre eine längst überfällige symbolische Geste, glauben Historiker, Soziologen und Vertreter der Roma-Community.

In Rumänien hat Dorin Cioaba, selbsternannter König der Roma, eine neue Debatte um die Aufarbeitung eines dunklen Kapitels in der Geschichte angestoßen: Er fordert einen internationalen Prozess gegen die Rumänisch-Orthodoxe Kirche wegen der historischen Schuld, die sie auf sich geladen habe. Die Roma in Rumänien wünschten sich zumindest eine Entschuldigung für die Zeit, in der Angehörige dieser Minderheit zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert versklavt waren, so Cioaba. Das Thema stand auf der Tagesordnung einer europäischen Roma-Konferenz Anfang März 2023 in Sibiu/Hermannstadt.

“In diesem Jahr feiern wir 167 Jahre seit der Emanzipation der Roma. Unsere lange Sklaverei davor ist ein schwarzer Teil unserer Geschichte”, erklärte Dorin Cioaba während einer Pressekonferenz. Die Roma-Community erwarte von der Orthodoxen Kirche ein Schuldbekenntnis dafür, dass Roma auf den Kirchhöfen als Sklaven gehalten wurden und beim Bau der Kirchen mithelfen mussten. Sollte dies nicht geschehen, müsse man vor einem internationalen Gericht klagen.

In Rumänien hat Dorin Cioaba, selbsternannter König der Roma, eine neue Debatte um die Aufarbeitung eines dunklen Kapitels in der Geschichte angestoßen: Er fordert einen internationalen Prozess gegen die Rumänisch-Orthodoxe Kirche wegen der historischen Schuld, die sie auf sich geladen habe. Die Roma in Rumänien wünschten sich zumindest eine Entschuldigung für die Zeit, in der Angehörige dieser Minderheit zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert versklavt waren, so Cioaba. Das Thema stand auf der Tagesordnung einer europäischen Roma-Konferenz Anfang März 2023 in Sibiu/Hermannstadt.

Sklaverei gab es auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens fast ein halbes Jahrtausend lang sowohl in den beiden Fürstentümern Walachei und Moldau als auch in Siebenbürgen, das Teil der Habsburgermonarchie war. Die meisten Sklaven waren Roma. Sie waren Eigentum der Adeligen (Bojaren), der christlich-orthodoxen Klöster oder staatlicher Institutionen. Die Abschaffung der Sklaverei erfolgte Mitte des 19. Jahrhunderts.

“Das Gegengift gegen Rassismus ist Wissen”

Ein internationaler Prozess in dieser Angelegenheit sei “eine phantasmagorische Idee”, meint der Soziologe und Roma-Aktivist Gelu Duminica. Er macht die heutigen orthodoxen Würdenträger nicht für das verantwortlich, was ihre Vorgänger getan haben, weist aber darauf hin, dass sie “eine mit Blut erbaute Institution” geerbt hätten. Deshalb müssten sie sich bei den Roma entschuldigen, denn “das Gegengift gegen Unwissenheit ist Anerkennung und das Gegengift gegen Rassismus ist Wissen”, so Duminica.

Der Sprecher des Rumänisch-Orthodoxen Patriarchats, Vasile Banescu, reagierte mit Zurückhaltung auf die neu entbrannte Diskussion: “Ein rationaler Dialog ist immer notwendig und willkommen”, heißt es in seiner Erklärung. Über die Vergangenheit könne nicht mit den Werkzeugen der Gegenwart entschieden werden. Die Logik eines Prozesses, durch den eine Entschädigung gefordert würde, ginge über die ethnische Zugehörigkeit der Roma hinaus, weil “eine große Mehrheit” der Einwohner Rumäniens eine Entschädigung für die in den ehemaligen rumänischen Fürstentümern praktizierte Leibeigenschaft verlangen könnte, so Banescu.

Mit anderen Worten: Nicht nur die Kirche, sondern auch andere Institutionen und wohlhabende Personen hielten Sklaven. Aus Sicht der Rumänisch-Orthodoxen Kirche “könnte es ungerecht erscheinen”, wenn nur eine bestimmte “Kategorie von historischen Tatsachen” ausgewählt würde “wie die Sklaverei der Roma” und “dieser Urteilsschlüssel nur auf eine Institution angewendet würde, auf die Rumänisch-Orthodoxe Kirche”.

Dieses Argument gilt auch für die Entschuldigung, die zumindest ein Teil der Roma-Community von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche erwartet. Der Historiker Viorel Achim, der sich eingehend mit dem Thema beschäftigt, sagt, dass “die Sklaverei in den rumänischen Fürstentümern keine ethnische Institution war”. Neben Roma-Sklaven habe es auch Sklaven anderer Ethnien gegeben, “vor allem rumänische Bauern”. Zudem seien neben der Sklaverei auch andere Formen der Ausbeutung praktiziert worden – Leibeigenschaft oder Hörigkeit. Der Forscher räumt jedoch ein, dass, ähnlich wie die westlichen christlichen Kirchen, auch die orthodoxe Kirche “die Sklaverei legitimiert hat”. Deshalb sei eine Bewertung ihrer Beziehung zur Sklaverei und ihrem Erbe notwendig. Leider würden sich nur wenige Historiker diesem Thema zuwenden, die Debatten darüber seien meist ideologisiert, ein echter Dialog finde nicht statt, sagt Achim.

Der Abgeordnete der Roma-Partei im rumänischen Parlament, Catalin Zamfir Manea, lehnt die Möglichkeit eines Gerichtsverfahrens kategorisch ab und glaubt, dass “Entschuldigungen nichts mehr nützen”. Viel mehr seien eine “Versöhnung” und eine “moralische Wiedergutmachung” nötig. Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche solle sich aktiv einbringen in die Förderung der Roma-Kultur und -Identität, einschließlich bei der Umsetzung der Idee der Roma-Partei, ein Museum zur Geschichte und Sklaverei der Roma zu errichten. 

Der Soziologe Gelu Duminica greift in seiner Argumentation auf den christlichen Glauben zurück: “Die Vergebung der Sünden kommt nach dem Erkennen des Fehlers.” Es sei eine Sünde gewesen, Menschen als Sklaven gehalten zu haben. Der prominente Roma-Aktivist hofft, “dass sich die Rumänisch-Orthodoxe Kirche den westlichen christlichen Kirchen anschließt und ihre Sünden eingesteht”, denn ihr Name sei mit allen dunklen Perioden der Geschichte verbunden, sei es die Sklaverei, der Holocaust oder der Kommunismus.

2019 hatte Papst Franziskus bei seinem historischen Besuch in Rumänien während eines Treffens mit Roma-Vertretern um Vergebung gebeten “für die Momente, in denen wir Sie im Laufe der Geschichte diskriminiert, misshandelt oder falsch angesehen haben”. Durch Gleichgültigkeit würden Vorurteile genährt und Hass geschürt, so der Papst weiter: “Wenn jemand zurückgelassen wird, kann die Menschheitsfamilie nicht vorwärtsschreiten.”

Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche hat eine andere Sicht auf die Dinge. Im Jahr 2016, als an die Emanzipation der Roma vor 160 Jahren erinnert wurde, hob Patriarch Daniel die strahlenden Figuren einiger orthodoxer Pfarrer hervor, die auf der Seite der Sklaven gestanden und sich später um die Belange der Roma gekümmert hatten. In seiner Rede suchte Daniel damals aber eher nach Entschuldigungen für die Sklaverei, in der die Roma gehalten wurden, als nach Gründen der Vergebung. Dieser unterschiedliche Ansatz zwischen den beiden Kirchen lässt sich nicht nur auf die Geschichte zurückführen, sondern auch auf die unterschiedlichen Philosophien ihrer Würdenträger. Während Papst Franziskus eine tolerante und entspannte Sicht auf die Welt und das Leben hat, ist Patriarch Daniel gezwungen, gemäß den Traditionen der Orthodoxie eine konservativere Haltung einzunehmen.

In den vergangenen 50 Jahren haben die meisten westlichen christlichen Kirchen um Vergebung gebeten für die Zeiten, in denen sie Sklaven gehalten haben. Auch die Politik hat daraus ihre Lehren gezogen. So verabschiedete beispielsweise das französische Parlament im Jahr 2001 ein Gesetz, das die Sklaverei zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt. Nicht nur die Roma in Rumänien hoffen, dass sich in naher Zukunft auch die Rumänisch-Orthodoxe Kirche der Welt anschließen und um Vergebung für ihre historischen Sünden bitten wird.

Rumänien | Dorin Cioaba
Rumänien Bukarest Papst Franziskus und Patriarch Daniel (2019)

In Rumänien hat Dorin Cioaba, selbsternannter König der Roma, eine neue Debatte um die Aufarbeitung eines dunklen Kapitels in der Geschichte angestoßen: Er fordert einen internationalen Prozess gegen die Rumänisch-Orthodoxe Kirche wegen der historischen Schuld, die sie auf sich geladen habe. Die Roma in Rumänien wünschten sich zumindest eine Entschuldigung für die Zeit, in der Angehörige dieser Minderheit zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert versklavt waren, so Cioaba. Das Thema stand auf der Tagesordnung einer europäischen Roma-Konferenz Anfang März 2023 in Sibiu/Hermannstadt.

“In diesem Jahr feiern wir 167 Jahre seit der Emanzipation der Roma. Unsere lange Sklaverei davor ist ein schwarzer Teil unserer Geschichte”, erklärte Dorin Cioaba während einer Pressekonferenz. Die Roma-Community erwarte von der Orthodoxen Kirche ein Schuldbekenntnis dafür, dass Roma auf den Kirchhöfen als Sklaven gehalten wurden und beim Bau der Kirchen mithelfen mussten. Sollte dies nicht geschehen, müsse man vor einem internationalen Gericht klagen.

“Das Gegengift gegen Rassismus ist Wissen”

Sklaverei gab es auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens fast ein halbes Jahrtausend lang sowohl in den beiden Fürstentümern Walachei und Moldau als auch in Siebenbürgen, das Teil der Habsburgermonarchie war. Die meisten Sklaven waren Roma. Sie waren Eigentum der Adeligen (Bojaren), der christlich-orthodoxen Klöster oder staatlicher Institutionen. Die Abschaffung der Sklaverei erfolgte Mitte des 19. Jahrhunderts.

Ein internationaler Prozess in dieser Angelegenheit sei “eine phantasmagorische Idee”, meint der Soziologe und Roma-Aktivist Gelu Duminica. Er macht die heutigen orthodoxen Würdenträger nicht für das verantwortlich, was ihre Vorgänger getan haben, weist aber darauf hin, dass sie “eine mit Blut erbaute Institution” geerbt hätten. Deshalb müssten sie sich bei den Roma entschuldigen, denn “das Gegengift gegen Unwissenheit ist Anerkennung und das Gegengift gegen Rassismus ist Wissen”, so Duminica.

Der Sprecher des Rumänisch-Orthodoxen Patriarchats, Vasile Banescu, reagierte mit Zurückhaltung auf die neu entbrannte Diskussion: “Ein rationaler Dialog ist immer notwendig und willkommen”, heißt es in seiner Erklärung. Über die Vergangenheit könne nicht mit den Werkzeugen der Gegenwart entschieden werden. Die Logik eines Prozesses, durch den eine Entschädigung gefordert würde, ginge über die ethnische Zugehörigkeit der Roma hinaus, weil “eine große Mehrheit” der Einwohner Rumäniens eine Entschädigung für die in den ehemaligen rumänischen Fürstentümern praktizierte Leibeigenschaft verlangen könnte, so Banescu.

Mit anderen Worten: Nicht nur die Kirche, sondern auch andere Institutionen und wohlhabende Personen hielten Sklaven. Aus Sicht der Rumänisch-Orthodoxen Kirche “könnte es ungerecht erscheinen”, wenn nur eine bestimmte “Kategorie von historischen Tatsachen” ausgewählt würde “wie die Sklaverei der Roma” und “dieser Urteilsschlüssel nur auf eine Institution angewendet würde, auf die Rumänisch-Orthodoxe Kirche”.

Wäre also eine Entschuldigung nötig?

Dieses Argument gilt auch für die Entschuldigung, die zumindest ein Teil der Roma-Community von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche erwartet. Der Historiker Viorel Achim, der sich eingehend mit dem Thema beschäftigt, sagt, dass “die Sklaverei in den rumänischen Fürstentümern keine ethnische Institution war”. Neben Roma-Sklaven habe es auch Sklaven anderer Ethnien gegeben, “vor allem rumänische Bauern”. Zudem seien neben der Sklaverei auch andere Formen der Ausbeutung praktiziert worden – Leibeigenschaft oder Hörigkeit. Der Forscher räumt jedoch ein, dass, ähnlich wie die westlichen christlichen Kirchen, auch die orthodoxe Kirche “die Sklaverei legitimiert hat”. Deshalb sei eine Bewertung ihrer Beziehung zur Sklaverei und ihrem Erbe notwendig. Leider würden sich nur wenige Historiker diesem Thema zuwenden, die Debatten darüber seien meist ideologisiert, ein echter Dialog finde nicht statt, sagt Achim.

Unterschiedliche Ansätze

Der Abgeordnete der Roma-Partei im rumänischen Parlament, Catalin Zamfir Manea, lehnt die Möglichkeit eines Gerichtsverfahrens kategorisch ab und glaubt, dass “Entschuldigungen nichts mehr nützen”. Viel mehr seien eine “Versöhnung” und eine “moralische Wiedergutmachung” nötig. Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche solle sich aktiv einbringen in die Förderung der Roma-Kultur und -Identität, einschließlich bei der Umsetzung der Idee der Roma-Partei, ein Museum zur Geschichte und Sklaverei der Roma zu errichten. 

Der Soziologe Gelu Duminica greift in seiner Argumentation auf den christlichen Glauben zurück: “Die Vergebung der Sünden kommt nach dem Erkennen des Fehlers.” Es sei eine Sünde gewesen, Menschen als Sklaven gehalten zu haben. Der prominente Roma-Aktivist hofft, “dass sich die Rumänisch-Orthodoxe Kirche den westlichen christlichen Kirchen anschließt und ihre Sünden eingesteht”, denn ihr Name sei mit allen dunklen Perioden der Geschichte verbunden, sei es die Sklaverei, der Holocaust oder der Kommunismus.

2019 hatte Papst Franziskus bei seinem historischen Besuch in Rumänien während eines Treffens mit Roma-Vertretern um Vergebung gebeten “für die Momente, in denen wir Sie im Laufe der Geschichte diskriminiert, misshandelt oder falsch angesehen haben”. Durch Gleichgültigkeit würden Vorurteile genährt und Hass geschürt, so der Papst weiter: “Wenn jemand zurückgelassen wird, kann die Menschheitsfamilie nicht vorwärtsschreiten.”

Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche hat eine andere Sicht auf die Dinge. Im Jahr 2016, als an die Emanzipation der Roma vor 160 Jahren erinnert wurde, hob Patriarch Daniel die strahlenden Figuren einiger orthodoxer Pfarrer hervor, die auf der Seite der Sklaven gestanden und sich später um die Belange der Roma gekümmert hatten. In seiner Rede suchte Daniel damals aber eher nach Entschuldigungen für die Sklaverei, in der die Roma gehalten wurden, als nach Gründen der Vergebung. Dieser unterschiedliche Ansatz zwischen den beiden Kirchen lässt sich nicht nur auf die Geschichte zurückführen, sondern auch auf die unterschiedlichen Philosophien ihrer Würdenträger. Während Papst Franziskus eine tolerante und entspannte Sicht auf die Welt und das Leben hat, ist Patriarch Daniel gezwungen, gemäß den Traditionen der Orthodoxie eine konservativere Haltung einzunehmen.

In den vergangenen 50 Jahren haben die meisten westlichen christlichen Kirchen um Vergebung gebeten für die Zeiten, in denen sie Sklaven gehalten haben. Auch die Politik hat daraus ihre Lehren gezogen. So verabschiedete beispielsweise das französische Parlament im Jahr 2001 ein Gesetz, das die Sklaverei zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt. Nicht nur die Roma in Rumänien hoffen, dass sich in naher Zukunft auch die Rumänisch-Orthodoxe Kirche der Welt anschließen und um Vergebung für ihre historischen Sünden bitten wird.

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