Die Liebesbeziehung des Westens mit Ruanda
Ruanda lässt Personen verschwinden, hat keine Opposition und einen langjährigen Präsidenten, der keinen Widerspruch duldet. Warum westliche Demokratien dennoch versessen darauf sind, mit Ruanda Geschäfte zu machen.
In Kigali dreht sich am 16. März alles um die Ausrichtung des 73. FIFA-Kongresses. Im Mittelpunkt des Fußball-Spektakels steht Gianni Infantino. Er ließ sich ohne Gegenkandidaten ein drittes Mal zum FIFA-Präsidenten wählen und hat den Weltfußballverband fest in der Hand.
Die Ausrichtung des Kongresses in Ruanda sorgte jedoch für Aufregung. So bezeichnete die Menschenrechtsorganisation Equidem Ruanda als “einen der repressivsten Staaten Afrikas” und warf der FIFA vor, “ein Regime zu legitimieren, dem vorgeworfen wird, Aktivisten auf unbestimmte Zeit zu inhaftieren und zu foltern, nur weil sie ihre Meinung sagen”. Und Human Rights Watch beschreibt das Land als einen Staat, der “diejenigen ins Visier nimmt, die als Bedrohung für die Regierung wahrgenommen werden”.
In Kigali dreht sich am 16. März alles um die Ausrichtung des 73. FIFA-Kongresses. Im Mittelpunkt des Fußball-Spektakels steht Gianni Infantino. Er ließ sich ohne Gegenkandidaten ein drittes Mal zum FIFA-Präsidenten wählen und hat den Weltfußballverband fest in der Hand.
Nicht nur die FIFA verschließt die Augen vor den autoritären Zügen Ruandas. Großbritannien etwa wählte Ruanda als Partner für seinen viel kritisierten Plan, Asylbewerber, die illegal auf der Insel ankommen, in das ostafrikanische Land zurückzuschicken – eine Erwägung, mit der es nicht alleine dasteht.
Internationale Gemeinschaft nachsichtig
Und während das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erklärt, dass politische Gegner von Präsident Paul Kagame “immer wieder entführt und illegal inhaftiert werden”, trafen am Montag sechs mobile Impfstoffproduktionsanlagen des deutschen Pharmariesen BioNTech in Ruanda ein – die ersten Lieferungen dieser Art nach Afrika. Ruanda wurde damit beauftragt, die Impfstoffe an die 55 Mitglieder der Afrikanischen Union zu verteilen.
Warum ist der Westen bereit, Ruandas permanente Verstöße gegen die Menschenrechte zu ignorieren? Der unabhängige Forscher Frederick Golooba Mutebi aus Kampala beschreibt die westliche Politik in Ruanda als widersprüchlich: “Sie reden fast ununterbrochen über Ruandas Menschenrechtsbilanz, können aber nicht umhin, Ruandas Fähigkeit zu würdigen, die Ressourcen, die es von internationalen Organisationen und Entwicklungspartnern erhält, sehr effektiv zu verwalten”, so Mutebi im DW-Gespräch.
Ruanda habe sich nach dem Völkermord von 1994 erfolgreich als sehr vertrauenswürdiger internationaler Partner positioniert, sagt auch der britische Ostafrika-Experte Phil Clark der DW. “Viele internationale Organisationen und Staaten wollen mit dieser sehr überzeugenden Geschichte des Wiederaufbaus in Verbindung gebracht werden”, so Clark.
Zu diesen Partnern gehören auch die USA, die den größten Beitrag zum ruandischen Gesundheitssektor leisten. Im Jahr 2021 stellten die Vereinigten Staaten 147 Millionen US-Dollar an Auslandshilfe bereit und sind damit der größte bilaterale Geber Ruandas.
Ruanda vermittelt zudem den Eindruck, internationale Hilfsgelder besonders effektiv einzusetzen. Das Land hat eine gute Infrastruktur aufgebaut und in das Bildungs- und Gesundheitssystem investiert. Ruanda war das erste Land der Welt, das eine weibliche Mehrheit im Parlament hatte. Die Städte sind sicher, die Straßen sauber und der öffentliche Dienst gut organisiert.
Hinter diesen sichtbaren Entwicklungen steht eine gut strukturierte Regierungspartei. Die Ruandische Patriotische Front (RPF) hat ihre eigenen Unternehmen und kontrolliert viele Aspekte des ruandischen Alltags – was keinesfalls unumstritten ist.
Golooba Mutebi bestreitet indes, dass die Menschenrechtslage in Ruanda schlechter sei als in den Nachbarländern. Er beschreibt das politische System Ruandas als eines, das “der Konsensbildung den Vorrang vor dem Wettbewerb gibt”. Diese Methode sei oft als autoritär kritisiert worden, weil sie eine Mehrparteiendemokratie ablehne, sagt er.
Auch für Claire Akamanzi, Geschäftsführerin des Rwanda Development Board, das die Tätigkeiten der Regierung im Werben um internationale Investoren koordiniert, ist Ruandas eigenständiger Weg entscheidend: Die Ruander seien “entschlossen, die Versuche zu widerlegen, uns vorzuschreiben, wer wir sein sollen und was wir tun oder nicht tun sollen, um unser Leben zu verbessern”, schreibt sie.
Ruanda wird zunehmend beschuldigt, Sportereignisse zu nutzen, um das internationale Publikum von problematischen Menschenrechtsverhältnissen abzulenken. Durch seine “Visit Rwanda”-Partnerschaften mit den Fußballgiganten Arsenal FC und Paris St. Germain sowie mit der Basketballliga NBA Africa hat das Land internationale Sichtbarkeit erlangt. Es wird auch das erste afrikanische Land sein, das 2025 die Weltmeisterschaften im Straßenradsport durch den Weltradsportverband UCI ausrichtet.
Doch der Begriff des “Sportswashing” ist umstritten: Kritiker wie Claire Akamanzi in Kigali sagen, er werde “fast ausschließlich von Kommentatoren im Westen verwendet und gegen Länder im globalen Süden eingesetzt”. Der Brite Phil Clark seinerseits sieht die Konzentration auf den Sport schlicht als ein Beispiel für die pragmatische Herangehensweise der ruandischen Regierung an ausländische Partnerschaften. Um zu überleben, habe das kleine Binnenland darauf gesetzt, sich für globale, mächtige Akteure nützlich zu machen, durch Migrationsabkommen und Friedenssicherung – aber auch durch Sport.
Eine Erklärung für Ruandas rasanten Aufstieg liegt auch in der Person Paul Kagame. Der 65-Jährige ist seit 2000 Präsident – länger als seine Amtskollegen im Westen. De facto regiert er, seit er mit dem Einmarsch der RPF in Kigali 1994 den Völkermord beendete. Der ehrgeizige Ex-Rebell, Militär und Politiker gilt als scharfsinnig und versteht es, westliche Nationen gegeneinander auszuspielen.
Ein Beispiel: Das ehemals frankophone Ruanda trat 2009 dem britischen Commonwealth bei und beendete gleichzeitig eine diplomatische Blockade mit Frankreich. Trotz zahlreicher Kritik reagieren westliche Politiker positiv auf Kagames beeindruckende Persönlichkeit. “Kagame ist ein Meister im internationalen Spiel”, sagte Clark. “Manchmal übersehen seine Kritiker das. Er ist in der Lage, ein sehr klares Gefühl von Führung zu vermitteln.”
Ruanda, ein stabiles Land in der fragilen Region der Großen Seen, steht immer wieder in der Kritik, die Unsicherheit in den Nachbarländern zu schüren und sich so den Zugang zu wertvollen Rohstoffen zu sichern. In der viel größeren Demokratischen Republik Kongo hat die Rebellengruppe M23 zuletzt weite Teile der Nordkivu-Provinz erobert. Nicolas de Rivière, ständiger Vertreter Frankreichs bei den Vereinten Nationen, erklärte gegenüber Reportern: “Es ist klar, dass Ruanda die M23 unterstützt. Es ist auch klar, dass es Übergriffe der regulären ruandischen Armee im Nordkivu gibt und dass auch dies inakzeptabel ist.”
Dasselbe Militär werde jedoch in anderen Kreisen in ganz Afrika als eine Kampftruppe verehrt, die schnell Frieden und Stabilität bringen kann, von Darfur bis Mosambik, so Clark. Und auch der Westen setze auf Ruandas Armee, die in der Lage sei, in regionalen Konflikten die Ordnung wiederherzustellen.
Die internationalen Geber seien sich dessen bewusst, sagt Clark: “Diese beiden Realitäten existieren nebeneinander und sie finden sich damit ab, weil es in einem sehr undemokratischen Umfeld einige sehr greifbare Vorteile gibt.”
Golooba Mutebi ist sich nicht sicher, ob Kagames Stil der Außenpolitik oder des Aufbaus von Partnerschaften ihn überdauern kann. Vieles werde davon abhängen, ob Kagames Nachfolger “genauso visionär, vorausschauend und unkonventionell denkt”, sagt er der DW.
In Kigali dreht sich am 16. März alles um die Ausrichtung des 73. FIFA-Kongresses. Im Mittelpunkt des Fußball-Spektakels steht Gianni Infantino. Er ließ sich ohne Gegenkandidaten ein drittes Mal zum FIFA-Präsidenten wählen und hat den Weltfußballverband fest in der Hand.
Die Ausrichtung des Kongresses in Ruanda sorgte jedoch für Aufregung. So bezeichnete die Menschenrechtsorganisation Equidem Ruanda als “einen der repressivsten Staaten Afrikas” und warf der FIFA vor, “ein Regime zu legitimieren, dem vorgeworfen wird, Aktivisten auf unbestimmte Zeit zu inhaftieren und zu foltern, nur weil sie ihre Meinung sagen”. Und Human Rights Watch beschreibt das Land als einen Staat, der “diejenigen ins Visier nimmt, die als Bedrohung für die Regierung wahrgenommen werden”.
Internationale Gemeinschaft nachsichtig
Nicht nur die FIFA verschließt die Augen vor den autoritären Zügen Ruandas. Großbritannien etwa wählte Ruanda als Partner für seinen viel kritisierten Plan, Asylbewerber, die illegal auf der Insel ankommen, in das ostafrikanische Land zurückzuschicken – eine Erwägung, mit der es nicht alleine dasteht.
Und während das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erklärt, dass politische Gegner von Präsident Paul Kagame “immer wieder entführt und illegal inhaftiert werden”, trafen am Montag sechs mobile Impfstoffproduktionsanlagen des deutschen Pharmariesen BioNTech in Ruanda ein – die ersten Lieferungen dieser Art nach Afrika. Ruanda wurde damit beauftragt, die Impfstoffe an die 55 Mitglieder der Afrikanischen Union zu verteilen.
Warum ist der Westen bereit, Ruandas permanente Verstöße gegen die Menschenrechte zu ignorieren? Der unabhängige Forscher Frederick Golooba Mutebi aus Kampala beschreibt die westliche Politik in Ruanda als widersprüchlich: “Sie reden fast ununterbrochen über Ruandas Menschenrechtsbilanz, können aber nicht umhin, Ruandas Fähigkeit zu würdigen, die Ressourcen, die es von internationalen Organisationen und Entwicklungspartnern erhält, sehr effektiv zu verwalten”, so Mutebi im DW-Gespräch.
Ruanda habe sich nach dem Völkermord von 1994 erfolgreich als sehr vertrauenswürdiger internationaler Partner positioniert, sagt auch der britische Ostafrika-Experte Phil Clark der DW. “Viele internationale Organisationen und Staaten wollen mit dieser sehr überzeugenden Geschichte des Wiederaufbaus in Verbindung gebracht werden”, so Clark.
Das Land, das alles kann
Zu diesen Partnern gehören auch die USA, die den größten Beitrag zum ruandischen Gesundheitssektor leisten. Im Jahr 2021 stellten die Vereinigten Staaten 147 Millionen US-Dollar an Auslandshilfe bereit und sind damit der größte bilaterale Geber Ruandas.
Gute Infrastruktur aufgebaut
Ruanda vermittelt zudem den Eindruck, internationale Hilfsgelder besonders effektiv einzusetzen. Das Land hat eine gute Infrastruktur aufgebaut und in das Bildungs- und Gesundheitssystem investiert. Ruanda war das erste Land der Welt, das eine weibliche Mehrheit im Parlament hatte. Die Städte sind sicher, die Straßen sauber und der öffentliche Dienst gut organisiert.
Hinter diesen sichtbaren Entwicklungen steht eine gut strukturierte Regierungspartei. Die Ruandische Patriotische Front (RPF) hat ihre eigenen Unternehmen und kontrolliert viele Aspekte des ruandischen Alltags – was keinesfalls unumstritten ist.
Golooba Mutebi bestreitet indes, dass die Menschenrechtslage in Ruanda schlechter sei als in den Nachbarländern. Er beschreibt das politische System Ruandas als eines, das “der Konsensbildung den Vorrang vor dem Wettbewerb gibt”. Diese Methode sei oft als autoritär kritisiert worden, weil sie eine Mehrparteiendemokratie ablehne, sagt er.
Ruanda zwischen “Sportswashing” und Pragmatismus
Auch für Claire Akamanzi, Geschäftsführerin des Rwanda Development Board, das die Tätigkeiten der Regierung im Werben um internationale Investoren koordiniert, ist Ruandas eigenständiger Weg entscheidend: Die Ruander seien “entschlossen, die Versuche zu widerlegen, uns vorzuschreiben, wer wir sein sollen und was wir tun oder nicht tun sollen, um unser Leben zu verbessern”, schreibt sie.
Ruanda wird zunehmend beschuldigt, Sportereignisse zu nutzen, um das internationale Publikum von problematischen Menschenrechtsverhältnissen abzulenken. Durch seine “Visit Rwanda”-Partnerschaften mit den Fußballgiganten Arsenal FC und Paris St. Germain sowie mit der Basketballliga NBA Africa hat das Land internationale Sichtbarkeit erlangt. Es wird auch das erste afrikanische Land sein, das 2025 die Weltmeisterschaften im Straßenradsport durch den Weltradsportverband UCI ausrichtet.
Der Kagame-Faktor
Doch der Begriff des “Sportswashing” ist umstritten: Kritiker wie Claire Akamanzi in Kigali sagen, er werde “fast ausschließlich von Kommentatoren im Westen verwendet und gegen Länder im globalen Süden eingesetzt”. Der Brite Phil Clark seinerseits sieht die Konzentration auf den Sport schlicht als ein Beispiel für die pragmatische Herangehensweise der ruandischen Regierung an ausländische Partnerschaften. Um zu überleben, habe das kleine Binnenland darauf gesetzt, sich für globale, mächtige Akteure nützlich zu machen, durch Migrationsabkommen und Friedenssicherung – aber auch durch Sport.
Ruandas effektives Militär und “inakzeptable” Einmischung
Eine Erklärung für Ruandas rasanten Aufstieg liegt auch in der Person Paul Kagame. Der 65-Jährige ist seit 2000 Präsident – länger als seine Amtskollegen im Westen. De facto regiert er, seit er mit dem Einmarsch der RPF in Kigali 1994 den Völkermord beendete. Der ehrgeizige Ex-Rebell, Militär und Politiker gilt als scharfsinnig und versteht es, westliche Nationen gegeneinander auszuspielen.
Ein Beispiel: Das ehemals frankophone Ruanda trat 2009 dem britischen Commonwealth bei und beendete gleichzeitig eine diplomatische Blockade mit Frankreich. Trotz zahlreicher Kritik reagieren westliche Politiker positiv auf Kagames beeindruckende Persönlichkeit. “Kagame ist ein Meister im internationalen Spiel”, sagte Clark. “Manchmal übersehen seine Kritiker das. Er ist in der Lage, ein sehr klares Gefühl von Führung zu vermitteln.”
Ruanda, ein stabiles Land in der fragilen Region der Großen Seen, steht immer wieder in der Kritik, die Unsicherheit in den Nachbarländern zu schüren und sich so den Zugang zu wertvollen Rohstoffen zu sichern. In der viel größeren Demokratischen Republik Kongo hat die Rebellengruppe M23 zuletzt weite Teile der Nordkivu-Provinz erobert. Nicolas de Rivière, ständiger Vertreter Frankreichs bei den Vereinten Nationen, erklärte gegenüber Reportern: “Es ist klar, dass Ruanda die M23 unterstützt. Es ist auch klar, dass es Übergriffe der regulären ruandischen Armee im Nordkivu gibt und dass auch dies inakzeptabel ist.”
Dasselbe Militär werde jedoch in anderen Kreisen in ganz Afrika als eine Kampftruppe verehrt, die schnell Frieden und Stabilität bringen kann, von Darfur bis Mosambik, so Clark. Und auch der Westen setze auf Ruandas Armee, die in der Lage sei, in regionalen Konflikten die Ordnung wiederherzustellen.
Die internationalen Geber seien sich dessen bewusst, sagt Clark: “Diese beiden Realitäten existieren nebeneinander und sie finden sich damit ab, weil es in einem sehr undemokratischen Umfeld einige sehr greifbare Vorteile gibt.”
Golooba Mutebi ist sich nicht sicher, ob Kagames Stil der Außenpolitik oder des Aufbaus von Partnerschaften ihn überdauern kann. Vieles werde davon abhängen, ob Kagames Nachfolger “genauso visionär, vorausschauend und unkonventionell denkt”, sagt er der DW.