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Ukraine-Krieg: Vermittlungsversuch der Kirchen

Versuchen die Kirchen einen Dialog mit der Putin-nahen russischen Orthodoxie? Nach einem Besuch der Spitze des Weltkirchenrats bei Papst Franziskus gibt es entsprechende Ankündigungen. Aber wann?

Seit einem halben Jahr stehen sie an der Spitze des Weltkirchenrats (ÖRK), der neue Generalsekretär Jerry Pillay und der Vorsitzende des wichtigen ÖRK-Zentralausschusses, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. 

An diesem Donnerstag empfing sie Papst Franziskus im Vatikan zu einem Antrittsbesuch. Danach betonten die beiden die Nähe zwischen Gast und Gastgeber. Bedford-Strohm sprach von einer “Ökumene des Herzens”, die beide Seiten verbinde. “Ein wunderbares, herzliches Gespräch”, sagte ÖRK-Generalsekretär Pillay. Zur katholischen Kirche bekennen sich nach offiziellen Schätzungen knapp 1,4 Milliarde Menschen; der 1948 gegründete Weltkirchenrat, in dem die katholische Kirche kein Mitglied ist, aber Beobachterstatus hat, vertritt nach eigenen Angaben rund 580 Millionen Menschen in 350 Kirchen.

Seit einem halben Jahr stehen sie an der Spitze des Weltkirchenrats (ÖRK), der neue Generalsekretär Jerry Pillay und der Vorsitzende des wichtigen ÖRK-Zentralausschusses, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. 

Bei dem Gespräch und im Anschluss daran auch öffentlich kündigte der Weltkirchenrat einen neuen Dialogversuch mit der Putin-nahen russisch-orthodoxen Kirche angesichts der russischen Aggression in der Ukraine an. Pillay erläuterte, man wolle bei einem Runden Tisch die ukrainischen Kirchen, die orthodoxen Kirchen und weitere Kirchenführer zusammenbringen – auch mit der russisch-orthodoxen Kirche. Es gehe dabei nicht um eine “politische Agenda”. Aber die Kirchen sollten sich in einer solchen Situation gemeinsam auf die Friedensbotschaft des Evangeliums konzentrieren.Im Hintergrund liefen bereits Gespräche mit allen Seiten.

Runder Tisch im Mai?

Im Gespräch mit der Deutschen Welle äußerte sich Pillay zum möglichen Zeitrahmen. Nach dem Osterfest – die Kirchen des Westens begehen den Ostersonntag am 2. April, die des Ostens am 16. April – wolle der ÖRK das Gespräch zunächst getrennt mit den Kirchen in der Ukraine und mit der russischen Orthodoxie suchen. Er hoffe, dass es dann im Mai eine Zusammenkunft gebe, bei der es eine gemeinsame Begegnung und einen Dialog gebe. Papst Franziskus habe die Idee positiv zur Kenntnis genommen. 

Bedford-Strohm betonte,dass der Weltkirchenrat dabei nicht neutral sei. Vor allem bei seiner Vollversammlung im September in Karlsruhe habe der Weltkirchenrat die Aggression verurteilt. Und bereits bei seiner letzten Sitzung vor dem Karlsruher Großtreffen habe der Zentralausschuss – das höchste Leitungsgremium zwischen den etwa alle acht Jahre stattfindenden Vollversammlungen – den russischen Angriff als “Invasion” sowie als “unmoralisch und illegal” verurteilt. Zudem habe es auch den Missbrauch religiöser Sprache zur Rechtfertigung von Gewalt zurückgewiesen. 

Bedford-Strohm betonte, dass diese Stellungnahmen des ÖRK verabschiedet wurden “ohne blaue Karten”. Traditionell signalisieren bei Abstimmungen des Zentralausschusses die blauen Karten eine abweichende Haltung von Delegierten zu einer Beschlussvorlage. Das heißt: Auch die russisch-orthodoxen Delegierten widersprachen den Bewertungen nicht. Bedford-Strohm ist es wichtig, dass die Kirchen eben über nationale Grenzen hinaus in Gemeinschaft stünden.

Indes bleibt offen, wie die vom Konflikt berührten Kirchen, wie vor allem sich die russische Orthodoxie zu der Initiative verhalten wird. Seit Monaten vertieft sich der Graben zwischen dem Patriarchat in Moskau und den anderen orthodoxen Kirchen weiter. Das Oberhaupt der russischen Orthodoxie, Patriarch Kyrill, ein enger Parteigänger von Präsident Wladimir Putin, stützt beständig dessen Kurs und verteidigt den Überfall auf die Ukraine. 

Papst Franziskus seinerseits äußerte sich lange Zeit eher zurückhaltend zur russischen Aggression und versuchte, mit Kyrill im Gespräch zu bleiben. Erst seit Herbst 2022 verurteilt er Angriffe deutlicher und spricht von einem Martyrium der ukrainischen Zivilbevölkerung.

Ganz unabhängig von der Sorge um den Ukraine-Krieg steht das Treffen des römisch-katholischen Kirchenoberhaupts mit der ÖRK-Spitze für eine neue Phase im beiderseitigen Dialog. Pillay, der bis 2017 Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen war, begegnete nun zum insgesamt vierten Mal Franziskus, bei Bedford-Strohm, der bereits im Vatikanischen Gästehaus genächtigt hatte, sind es noch weit mehr Begegnungen. Der Südafrikaner Pillay sprach von guten Übereinstimmungen, auch beim gemeinsamen Arbeit hin zur Einheit der Christen.

Das passt zu den großen Perspektiven der Christenheit weltweit, die nach Aussage der ÖRK-Vertreter im Vatikan zur Sprache kamen. Seit längerem erörtern Repräsentanten und Fachleute die Bedeutung des Jahres 2025 für die Kirchen weltweit. Dann jährt sich zum 1700. Mal das Konzil von Nizäa, das im Jahr 325 die Grundlagen des christlichen Glaubens festschrieb. 2025 fällt – ein Zufall angesichts unterschiedlicher kirchlicher Kalender und eher selten – das Osterfest für die Kirchen des Westens und des Ostens auf denselben Termin. 

“Klar ist, dass sich alle Kirchen engagieren sollten, dieses Gedenken gemeinsam auszugestalten”, so Pillay im DW-Gespräch. Daran arbeiteten sowohl die WCC-Mitgliedskirchen als auch die katholische Kirche. Man werde sich nun stärker darüber ökumenisch austauschen, auch über ökumenische Begegnungen auf Spitzenebene. Ob da der Papst, der immer wieder die Einheit der Christen beschwört, dabei sein wird? Pillay will das nicht klar bejahen. Der Vatikan sehe die Bedeutung des Jahres 2025. Er selbst “wäre nicht überrascht”, sagt er, “wenn Papst Franziskus im Jahr 2025 in sichtbarer Form an Feiern beteiligt wäre.”

Zuvor steht im Herbst dieses Jahres in der katholischen Kirche eine mit Spannung erwartete Weltsynode, bei der es um einen kirchlichen Aufbruch, Reformfragen angesichts der weltweiten Skandale um sexuellen Missbrauch und besseren innerkirchlichen Dialog geht. In beider Kalender, bei Pillay und Bedford-Strohm, steht bereits der Abend des 30. September, eine große Abendveranstaltung auf dem Petersplatz, Gebet und Gesang. Franziskus will wohl weitere Verantwortliche anderer Kirchen zu der Feier einladen.

Ein Abend, der wohl zigtausende Gläubige anziehen wird. “Together –  Versammlung des Volkes Gottes”, lautet der noch nicht offizielle Titel des Abends. Und Papst Franziskus hat Frere Alois, den Prior der international geschätzten Ökumenischen Gemeinschaft von Taize in Frankreich, um Beteiligung gebeten. In Rom mehren sich die Vorbereitungstreffen. Und Anfang März fuhr übrigens ein ganzer Bus voller Taize-Brüder und dort tätiger Freiwilliger ins knapp 200 Kilometer entfernte Genf, besuchte den Weltkirchenrat, sprach mit Generalsekretär Pillay. 

11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Karlsruhe Jerry Pillay und Heinrich Bedford-Strohm
Wladimir Putin mit Patriarch von Moskau Kyrill I.
Deutschland | WCC 2022 Karlsruhe

Seit einem halben Jahr stehen sie an der Spitze des Weltkirchenrats (ÖRK), der neue Generalsekretär Jerry Pillay und der Vorsitzende des wichtigen ÖRK-Zentralausschusses, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. 

An diesem Donnerstag empfing sie Papst Franziskus im Vatikan zu einem Antrittsbesuch. Danach betonten die beiden die Nähe zwischen Gast und Gastgeber. Bedford-Strohm sprach von einer “Ökumene des Herzens”, die beide Seiten verbinde. “Ein wunderbares, herzliches Gespräch”, sagte ÖRK-Generalsekretär Pillay. Zur katholischen Kirche bekennen sich nach offiziellen Schätzungen knapp 1,4 Milliarde Menschen; der 1948 gegründete Weltkirchenrat, in dem die katholische Kirche kein Mitglied ist, aber Beobachterstatus hat, vertritt nach eigenen Angaben rund 580 Millionen Menschen in 350 Kirchen.

Runder Tisch im Mai?

Bei dem Gespräch und im Anschluss daran auch öffentlich kündigte der Weltkirchenrat einen neuen Dialogversuch mit der Putin-nahen russisch-orthodoxen Kirche angesichts der russischen Aggression in der Ukraine an. Pillay erläuterte, man wolle bei einem Runden Tisch die ukrainischen Kirchen, die orthodoxen Kirchen und weitere Kirchenführer zusammenbringen – auch mit der russisch-orthodoxen Kirche. Es gehe dabei nicht um eine “politische Agenda”. Aber die Kirchen sollten sich in einer solchen Situation gemeinsam auf die Friedensbotschaft des Evangeliums konzentrieren.Im Hintergrund liefen bereits Gespräche mit allen Seiten.

Im Gespräch mit der Deutschen Welle äußerte sich Pillay zum möglichen Zeitrahmen. Nach dem Osterfest – die Kirchen des Westens begehen den Ostersonntag am 2. April, die des Ostens am 16. April – wolle der ÖRK das Gespräch zunächst getrennt mit den Kirchen in der Ukraine und mit der russischen Orthodoxie suchen. Er hoffe, dass es dann im Mai eine Zusammenkunft gebe, bei der es eine gemeinsame Begegnung und einen Dialog gebe. Papst Franziskus habe die Idee positiv zur Kenntnis genommen. 

Bedford-Strohm betonte,dass der Weltkirchenrat dabei nicht neutral sei. Vor allem bei seiner Vollversammlung im September in Karlsruhe habe der Weltkirchenrat die Aggression verurteilt. Und bereits bei seiner letzten Sitzung vor dem Karlsruher Großtreffen habe der Zentralausschuss – das höchste Leitungsgremium zwischen den etwa alle acht Jahre stattfindenden Vollversammlungen – den russischen Angriff als “Invasion” sowie als “unmoralisch und illegal” verurteilt. Zudem habe es auch den Missbrauch religiöser Sprache zur Rechtfertigung von Gewalt zurückgewiesen. 

Bedford-Strohm betonte, dass diese Stellungnahmen des ÖRK verabschiedet wurden “ohne blaue Karten”. Traditionell signalisieren bei Abstimmungen des Zentralausschusses die blauen Karten eine abweichende Haltung von Delegierten zu einer Beschlussvorlage. Das heißt: Auch die russisch-orthodoxen Delegierten widersprachen den Bewertungen nicht. Bedford-Strohm ist es wichtig, dass die Kirchen eben über nationale Grenzen hinaus in Gemeinschaft stünden.

Der Papst beklagt das Martyrium der Ukrainer 

Indes bleibt offen, wie die vom Konflikt berührten Kirchen, wie vor allem sich die russische Orthodoxie zu der Initiative verhalten wird. Seit Monaten vertieft sich der Graben zwischen dem Patriarchat in Moskau und den anderen orthodoxen Kirchen weiter. Das Oberhaupt der russischen Orthodoxie, Patriarch Kyrill, ein enger Parteigänger von Präsident Wladimir Putin, stützt beständig dessen Kurs und verteidigt den Überfall auf die Ukraine. 

Das Jahr 2025

Papst Franziskus seinerseits äußerte sich lange Zeit eher zurückhaltend zur russischen Aggression und versuchte, mit Kyrill im Gespräch zu bleiben. Erst seit Herbst 2022 verurteilt er Angriffe deutlicher und spricht von einem Martyrium der ukrainischen Zivilbevölkerung.

Ganz unabhängig von der Sorge um den Ukraine-Krieg steht das Treffen des römisch-katholischen Kirchenoberhaupts mit der ÖRK-Spitze für eine neue Phase im beiderseitigen Dialog. Pillay, der bis 2017 Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen war, begegnete nun zum insgesamt vierten Mal Franziskus, bei Bedford-Strohm, der bereits im Vatikanischen Gästehaus genächtigt hatte, sind es noch weit mehr Begegnungen. Der Südafrikaner Pillay sprach von guten Übereinstimmungen, auch beim gemeinsamen Arbeit hin zur Einheit der Christen.

Das passt zu den großen Perspektiven der Christenheit weltweit, die nach Aussage der ÖRK-Vertreter im Vatikan zur Sprache kamen. Seit längerem erörtern Repräsentanten und Fachleute die Bedeutung des Jahres 2025 für die Kirchen weltweit. Dann jährt sich zum 1700. Mal das Konzil von Nizäa, das im Jahr 325 die Grundlagen des christlichen Glaubens festschrieb. 2025 fällt – ein Zufall angesichts unterschiedlicher kirchlicher Kalender und eher selten – das Osterfest für die Kirchen des Westens und des Ostens auf denselben Termin. 

Die Weltsynode in Rom

“Klar ist, dass sich alle Kirchen engagieren sollten, dieses Gedenken gemeinsam auszugestalten”, so Pillay im DW-Gespräch. Daran arbeiteten sowohl die WCC-Mitgliedskirchen als auch die katholische Kirche. Man werde sich nun stärker darüber ökumenisch austauschen, auch über ökumenische Begegnungen auf Spitzenebene. Ob da der Papst, der immer wieder die Einheit der Christen beschwört, dabei sein wird? Pillay will das nicht klar bejahen. Der Vatikan sehe die Bedeutung des Jahres 2025. Er selbst “wäre nicht überrascht”, sagt er, “wenn Papst Franziskus im Jahr 2025 in sichtbarer Form an Feiern beteiligt wäre.”

Zuvor steht im Herbst dieses Jahres in der katholischen Kirche eine mit Spannung erwartete Weltsynode, bei der es um einen kirchlichen Aufbruch, Reformfragen angesichts der weltweiten Skandale um sexuellen Missbrauch und besseren innerkirchlichen Dialog geht. In beider Kalender, bei Pillay und Bedford-Strohm, steht bereits der Abend des 30. September, eine große Abendveranstaltung auf dem Petersplatz, Gebet und Gesang. Franziskus will wohl weitere Verantwortliche anderer Kirchen zu der Feier einladen.

Ein Abend, der wohl zigtausende Gläubige anziehen wird. “Together –  Versammlung des Volkes Gottes”, lautet der noch nicht offizielle Titel des Abends. Und Papst Franziskus hat Frere Alois, den Prior der international geschätzten Ökumenischen Gemeinschaft von Taize in Frankreich, um Beteiligung gebeten. In Rom mehren sich die Vorbereitungstreffen. Und Anfang März fuhr übrigens ein ganzer Bus voller Taize-Brüder und dort tätiger Freiwilliger ins knapp 200 Kilometer entfernte Genf, besuchte den Weltkirchenrat, sprach mit Generalsekretär Pillay. 

Papst Franziskus empfängt Vertreter der Bruderschaft von Taize

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