Kultur

Von Rekord zu Rekord: Das Phänomen Apache 207

Apache 207 ist Deutschlands momentan erfolgreichster Rapper. Er verbindet die im Hip-Hop gängige Bildsprache mit Eurodance. Was soll man davon bloß halten? Ein Dialog.

Der deutsche Rapper Apache 207 eilt von Rekord zu Rekord, gerade hat sein 2019 veröffentlichter Song “Roller” unter den am längsten in den deutschen Charts platzierten Titeln Platz eins von Whams “Last Christmas” übernommen. Über zwei Milliarden Streams, elf Songs auf Platz eins der Charts, im Juni erscheint sein drittes Studioalbum. Höchste Zeit, sich das Phänomen Apache 207 mal näher anzusehen.

Torsten Landsberg, Kultur-Autor bei der DW, ist Hip-Hop-affin, aber Apache-Neuling. Katharina Schantz, DW-Volontärin, ist ihm ein Stück voraus: Sie hat den Apache-Hype in Mannheim von Anfang an aufgesogen. Zusammen versuchen sie eine Annährung. 

Der deutsche Rapper Apache 207 eilt von Rekord zu Rekord, gerade hat sein 2019 veröffentlichter Song “Roller” unter den am längsten in den deutschen Charts platzierten Titeln Platz eins von Whams “Last Christmas” übernommen. Über zwei Milliarden Streams, elf Songs auf Platz eins der Charts, im Juni erscheint sein drittes Studioalbum. Höchste Zeit, sich das Phänomen Apache 207 mal näher anzusehen.

Versuch einer Annäherung an die Musik von Apache 207

Torsten Landsberg: OK, da ist erst mal der omnipräsente Einsatz von Auto-Tune, einer digitalen Tonhöhenkorrektur. Ursprünglich gedacht, um stimmliche Schwächen auszugleichen und Gesang zu perfektionieren, wird der Effekt inzwischen flächendeckend als Stilmittel eingesetzt. Wer Auto-Tune nicht mag, hat es momentan nicht leicht im deutschsprachigen Rap.

Etwas Gangster-Attitüde taucht in den Texten auf, Apache feiert sich standesgemäß selbst, nicht frei von Selbstironie – was schon mal sympathisch ist in einem Genre, das erstaunlich humorlos sein kann. Konsequent unironisch unterlegt sind Rap und Gesang dagegen von Eurodance, einem in den 1990er-Jahren erst sehr erfolgreichen und dann ebenso schnell verpönten Gemisch aus Pop, Dance und Techno. Ganz bestimmt partytauglich, aber irgendwie seltsam. Ist Apaches Aufstieg zum Superstar damit schon erklärt?

Katharina Schantz: Ich glaube, genau die Mischung macht’s. Ich bin definitiv nicht Hip-Hop-affin, aber Apache holt mich zu 100 Prozent ab. Das geht nicht nur mir so, sondern quasi allen Altersklassen: Gen Z, Millennials, aber auch Babyboomern und sogar meinen Großeltern. Warum? Stars sind sympathisch, wenn sie authentisch wirken. So ist das bei Apache. Ich kann mich mit ihm identifizieren, auch wenn seine Welt nicht meine Welt ist.

Seine Texte wirken asozial und haben diese No-Fucks-Given-Mentalität. Apache beleidigt “Pisser” und singt vom Leben am Limit, von Lamborghinis und Versace-Schuhen. In guter Rap-Manier flext er mit seinem Reichtum, fügt aber sofort hinzu: “Bet zu Gott, wenn das Geld uns verändert / Dann lass uns ein Leben lang arm”.

Er manifestiert sozusagen seine Bodenständigkeit, als habe er Angst, dass sie ihm eines Tages abhanden kommt. Damit katapultieren mich seine Texte in ein anderes Universum, sie sind aber trotzdem reflektiert. Deswegen überfordert er mich nicht. Apache (die Kunstfigur) ist selbst überfordert vom stressigen, schnellen Leben. Das macht ihn nahbar und, um im Slang zu bleiben, “real”.

Krasse Großeltern hast du! “Kunstfigur” ist ein gutes Stichwort, weil es das ständige Spannungsfeld zwischen Alter Ego und Authentizität aufgreift. Man kann es überzogen finden, aber im Hip-Hop ist Glaubwürdigkeit immer noch eine harte Währung, und Apache weiß das natürlich. Sein Image ist perfekt inszeniert: Er lässt Amazon eine Doku drehen, die keine Doku ist, sondern ein Werbefilm – weil sie nichts zeigt, was er nicht will. Er suggeriert Nähe, ohne etwas preiszugeben. Das ist schon ziemlich perfektes Marketing.

Ich finde nur diese Statussymbole – dicke Autos, Zigarre, Frauen, die Schönheitsklischees entsprechen – ziemlich ausgekaut, das sind Objekte aus der Mottenkiste. Punktuell bricht Apache damit, wenn er Roller fährt, nur sitzt dann eben doch eine “Bitch like Barbie” hinter ihm. Unterm Strich bleiben Stilmittel des sogenannten Gangsta- oder Straßenrap. Alles cool, nichts dagegen. Nur dieser Übererfolg erschließt sich mir nicht.

Klar, er verwendet die üblichen Motive. Die meisten Künstlerinnen und Künstler, die in die Charts klettern, erfinden das Rad nicht neu, auch nicht Apache. Aber er bringt da seine eigenen Facetten rein. Zum Beispiel die Selbstironie, von der Du anfangs gesprochen hast. Kein ernsthafter Rapper würde sich auf besagten Roller setzen und “BRMM BRMM”-Geräusche machen. Das ist einfach funny.

Apache ist auch ziemlich gut im RAP-resenten. Sein nächstes Album heißt “Gartenstadt”. Dort ist er aufgewachsen, in einem trostlosen Bezirk von Ludwigshafen – für viele die “hässlichste Stadt Deutschlands”.

Zur Herkunft bekennen, ein bisschen Lokalpatriotismus, das ist wichtig im Genre – Apache weiß auch das. Aber er geht noch einen Schritt weiter und singt ständig von seiner Mama, die ihm auch seinen Künstlernamen gegeben hat. Das hat Charisma und ist ein bisschen süß. Und die Leute feiern das.

Ein Künstlername, von dem niemand weiß, was er bedeutet – so schön geheimnisvoll… Auf welchen Anspieltipp einigen wir uns jetzt?

Ein Track zum Einsteigen ist sicher das Mash-up “Wham! – Last Christmas & Apache 207 – Roller”. Kurios, dass es ausgerechnet die beiden Tracks vereint, die am längsten in den deutschen Charts platziert sind.

Udo Lindenberg und Rapper Apache 207 sitzen auf einer Terrasse vor Nachthimmel, rauchen Zigarren und drehen sich zur Kamera hinter sich um.
Rapper Apache 207 ist von hinten auf einer Bühne zu sehen, im Hintergrund das Publikum.

Der deutsche Rapper Apache 207 eilt von Rekord zu Rekord, gerade hat sein 2019 veröffentlichter Song “Roller” unter den am längsten in den deutschen Charts platzierten Titeln Platz eins von Whams “Last Christmas” übernommen. Über zwei Milliarden Streams, elf Songs auf Platz eins der Charts, im Juni erscheint sein drittes Studioalbum. Höchste Zeit, sich das Phänomen Apache 207 mal näher anzusehen.

Torsten Landsberg, Kultur-Autor bei der DW, ist Hip-Hop-affin, aber Apache-Neuling. Katharina Schantz, DW-Volontärin, ist ihm ein Stück voraus: Sie hat den Apache-Hype in Mannheim von Anfang an aufgesogen. Zusammen versuchen sie eine Annährung. 

Versuch einer Annäherung an die Musik von Apache 207

Torsten Landsberg: OK, da ist erst mal der omnipräsente Einsatz von Auto-Tune, einer digitalen Tonhöhenkorrektur. Ursprünglich gedacht, um stimmliche Schwächen auszugleichen und Gesang zu perfektionieren, wird der Effekt inzwischen flächendeckend als Stilmittel eingesetzt. Wer Auto-Tune nicht mag, hat es momentan nicht leicht im deutschsprachigen Rap.

Etwas Gangster-Attitüde taucht in den Texten auf, Apache feiert sich standesgemäß selbst, nicht frei von Selbstironie – was schon mal sympathisch ist in einem Genre, das erstaunlich humorlos sein kann. Konsequent unironisch unterlegt sind Rap und Gesang dagegen von Eurodance, einem in den 1990er-Jahren erst sehr erfolgreichen und dann ebenso schnell verpönten Gemisch aus Pop, Dance und Techno. Ganz bestimmt partytauglich, aber irgendwie seltsam. Ist Apaches Aufstieg zum Superstar damit schon erklärt?

Katharina Schantz: Ich glaube, genau die Mischung macht’s. Ich bin definitiv nicht Hip-Hop-affin, aber Apache holt mich zu 100 Prozent ab. Das geht nicht nur mir so, sondern quasi allen Altersklassen: Gen Z, Millennials, aber auch Babyboomern und sogar meinen Großeltern. Warum? Stars sind sympathisch, wenn sie authentisch wirken. So ist das bei Apache. Ich kann mich mit ihm identifizieren, auch wenn seine Welt nicht meine Welt ist.

Apache feiert sich selbst – aber selbstironisch

Seine Texte wirken asozial und haben diese No-Fucks-Given-Mentalität. Apache beleidigt “Pisser” und singt vom Leben am Limit, von Lamborghinis und Versace-Schuhen. In guter Rap-Manier flext er mit seinem Reichtum, fügt aber sofort hinzu: “Bet zu Gott, wenn das Geld uns verändert / Dann lass uns ein Leben lang arm”.

“‘BRMM BRMM’ – das ist einfach funny”

Er manifestiert sozusagen seine Bodenständigkeit, als habe er Angst, dass sie ihm eines Tages abhanden kommt. Damit katapultieren mich seine Texte in ein anderes Universum, sie sind aber trotzdem reflektiert. Deswegen überfordert er mich nicht. Apache (die Kunstfigur) ist selbst überfordert vom stressigen, schnellen Leben. Das macht ihn nahbar und, um im Slang zu bleiben, “real”.

Krasse Großeltern hast du! “Kunstfigur” ist ein gutes Stichwort, weil es das ständige Spannungsfeld zwischen Alter Ego und Authentizität aufgreift. Man kann es überzogen finden, aber im Hip-Hop ist Glaubwürdigkeit immer noch eine harte Währung, und Apache weiß das natürlich. Sein Image ist perfekt inszeniert: Er lässt Amazon eine Doku drehen, die keine Doku ist, sondern ein Werbefilm – weil sie nichts zeigt, was er nicht will. Er suggeriert Nähe, ohne etwas preiszugeben. Das ist schon ziemlich perfektes Marketing.

Ich finde nur diese Statussymbole – dicke Autos, Zigarre, Frauen, die Schönheitsklischees entsprechen – ziemlich ausgekaut, das sind Objekte aus der Mottenkiste. Punktuell bricht Apache damit, wenn er Roller fährt, nur sitzt dann eben doch eine “Bitch like Barbie” hinter ihm. Unterm Strich bleiben Stilmittel des sogenannten Gangsta- oder Straßenrap. Alles cool, nichts dagegen. Nur dieser Übererfolg erschließt sich mir nicht.

Klar, er verwendet die üblichen Motive. Die meisten Künstlerinnen und Künstler, die in die Charts klettern, erfinden das Rad nicht neu, auch nicht Apache. Aber er bringt da seine eigenen Facetten rein. Zum Beispiel die Selbstironie, von der Du anfangs gesprochen hast. Kein ernsthafter Rapper würde sich auf besagten Roller setzen und “BRMM BRMM”-Geräusche machen. Das ist einfach funny.

Apache ist auch ziemlich gut im RAP-resenten. Sein nächstes Album heißt “Gartenstadt”. Dort ist er aufgewachsen, in einem trostlosen Bezirk von Ludwigshafen – für viele die “hässlichste Stadt Deutschlands”.

Zur Herkunft bekennen, ein bisschen Lokalpatriotismus, das ist wichtig im Genre – Apache weiß auch das. Aber er geht noch einen Schritt weiter und singt ständig von seiner Mama, die ihm auch seinen Künstlernamen gegeben hat. Das hat Charisma und ist ein bisschen süß. Und die Leute feiern das.

Ein Künstlername, von dem niemand weiß, was er bedeutet – so schön geheimnisvoll… Auf welchen Anspieltipp einigen wir uns jetzt?

Ein Track zum Einsteigen ist sicher das Mash-up “Wham! – Last Christmas & Apache 207 – Roller”. Kurios, dass es ausgerechnet die beiden Tracks vereint, die am längsten in den deutschen Charts platziert sind.

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Überprüfen Sie auch
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"