Kultur

Body Positivity: Ist die Bewegung vorbei?

Ariana Grande ruft auf TikTok dazu auf, freundlicher miteinander zu sein in Bezug aufs Aussehen. Schönheit sei vielfältig. Die Models auf den Laufstegen aber tragen längst wieder Size 0.

Grammy-Gewinnerin Ariana Grande macht sich gegen Hasskommentare und einen ungesunden Körperkult stark: “Wir sollten einfühlsamer sein”, sagte die 29-jährige US-Sängerin in einem Tiktok-Video. Sie rief ihre Fans dazu auf, nicht leichtfertig den Körper anderer Menschen zu kommentieren. “Es gibt viele verschiedene Arten, gesund und schön auszusehen”, betonte sie.

Zur gleichen Zeit empfehlen viele Modemagazine in der nördlichen Hemisphäre – wo gerade der Frühling angebrochen ist – verschiedenste Diäten, um sich den perfekten Körper für die warme Saison zuzulegen, passend für kurze Kleider und schicke Bikinis. Von Body Positivity – den eigenen Körper so zu lieben, wie er ist – fehlt jede Spur. 

Grammy-Gewinnerin Ariana Grande macht sich gegen Hasskommentare und einen ungesunden Körperkult stark: “Wir sollten einfühlsamer sein”, sagte die 29-jährige US-Sängerin in einem Tiktok-Video. Sie rief ihre Fans dazu auf, nicht leichtfertig den Körper anderer Menschen zu kommentieren. “Es gibt viele verschiedene Arten, gesund und schön auszusehen”, betonte sie.

Auch bei der diesjährigen Paris Fashion Week im Frühjahr setzten Modedesignerinnen und -designer laut Medienberichten wieder auf Models der Größe 0. Laut “Vogue Business” wurde während der weltweiten Modeschauen in New York, London, Mailand und Paris rund 95 Prozent der Mode von ultradünnen Models mit Kleidergröße 32 präsentiert.

Body Positivity: Wie alles begann

Das war besonders auffällig, weil in den vergangenen Jahren auch Models mit anderen Körpermaßen auf dem Laufsteg zu sehen gewesen waren, sogenannte “Plus-Size Models” – nicht zuletzt, weil sich die Modehäuser des Themas Body Positivity angenommen hatten.

So wählte zum Beispiel die Marke Jean-Paul Gaultier eine Aktivistin der Body-Positivity-Bewegung als Gesicht ihres Parfums “La Belle Fleur Terrible” aus. Die Wahl fiel auf die französische queere DJane Barbara Butch, die sich gegen Fettphobie einsetzt. Butch war eines von mehreren Gesichtern der großangelegten Werbekampagne.

Body Positivity wird oft als Social-Media-Phänomen wahrgenommen, erläutert die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner im Interview mit der DW. Dabei sei die Bewegung viel älter und habe ihre Wurzeln in der Frauenbewegung der 1960er und 1970er-Jahre in den USA.

Gegen die Vorherrschaft des konventionellen Schönheitsideals regte sich damals Widerstand: In New York City kam es 1967 zu Protestaktionen, bei denen gemeinsam Kuchen verzehrt und Diätratgeber verbannt wurden, so Lechner. Die Aktivistinnen und Aktivisten hatten politische Anliegen: “Es ging nicht darum, dass man sich rund um die Uhr selbst lieben soll, sondern darum, eine gerechte Behandlung von dicken Körpern zu verlangen – so, wie sie sind.”

Sie stellten konkrete politische Forderungen, führt Lechner aus: “Dass man nicht im Krankenhaus schlecht behandelt wird, was wirklich manchmal fatale Konsequenzen haben kann, weil alles auf das Gewicht geschoben wird, dass man bei Versicherungen nicht schlechter gestellt wird, am Arbeitsmarkt, am Wohnungsmarkt, beim Dating, in allen Lebensbereichen”, erläutert die Autorin des Buches “Riot, Don’t Diet: Aufstand der widerspenstigen Körper”. Darin sieht Lechner einen Unterschied zur gegenwärtigen Spielart von Body Positivity: “Es ging wirklich um strukturelle Kritik und nicht um diese leicht vermarktbare Selbstliebe.”

In manchen Kommentaren wird nach der diesjährigen Rückkehr ultradünner Models auf die Laufstege der USA und Europas von einem “backlash” gegen Body Positivity durch große Konzerne gesprochen. Auch die Rückkehr der Mode der 1990er könnte den Rückschlag begünstigt haben, schließlich war das die Epoche der bauchfreien Tanktops und dünnen, blonden, weißen Superstars wie Britney Spears, Gwyneth Paltrow oder Jennifer Aniston.

Bis heute sei die Bewegung überwiegend von weißen Menschen geprägt, merkte auch die Body Positivity-Ikone Lizzo an. Laut Medienberichten habe Lizzo darauf hingewiesen, dass die meisten Influencerinnen im Bereich Body Positivity weiterhin relativ dünne weiße Frauen seien, Männer und Menschen mit anderer Hautfarbe seien unterrepräsentiert.

Elisabeth Lechner sieht die Verantwortung dafür auch bei den sozialen Medien, denen es nicht darum ginge, politischen Widerstand zu ermöglichen, sondern Geld zu verdienen: “Plattformkapitalismus verlangt die immer selben Normkörper, über die mit Werbung Produkte verkauft werden. Und das ist ein komplett unregulierter Markt. Es ist ein Problem, sich auch mit solchen und auf solchen zutiefst kapitalistisch geprägten Medien widerständig und solidarisch zu positionieren.”

Möglich sei es aber, das würden viele Aktivistinnen und Aktivisten beweisen, so Lechner – unter ihnen auch Lizzo. Die Kulturwissenschaftlerin glaubt, dass sich vieles verbessert hat. Als sie groß wurde, habe es keinerlei Vorbilder für andere Körperformen gegeben, erinnert sie sich.

Trotz der Erfolge von Body Positivity – viele positive Effekte für die mentale Gesundheit und das Selbstwertgefühl sind durch Studien belegt – gewinnt inzwischen ein neues Konzept an Beliebtheit: “body neutrality”, also eine neutrale Haltung zum eigenen Körper. Die Philosophin Jessica van der Schalk, die für den niederländischen Think Tank “Freedom Lab” tätig ist, wies bereits 2018 in einem Artikel darauf hin, dass es möglich ist, den eigenen Körper weder zu lieben noch zu hassen – sondern sich einfach nicht so viel mit ihm zu beschäftigen. Denn auch, wer seinen Körper liebt, hängt viel von seinem Selbstwertgefühl ans eigene Aussehen. Und gibt sich selbst die Schuld, wenn es ihm mal nicht gelingt, alles am eigenen Körper zu lieben.

Ob “body positive” oder “body neutral” – Viren Swami, Professor für Sozialpsychologie an der britischen Anglia Ruskin University, weist in “The Conversation” darauf hin, dass es entscheidend fürs eigene Selbstwertgefühl sei, sich mit seinem Körper wohlzufühlen. Um das zu erreichen, müsse man ihn vor allen Dingen benutzen.

In der Wissenschaft wird dafür der Begriff der “body functionality” populärer, des “funktionierenden Körpers”: Wenn Menschen erleben, dass ihr Körper funktioniert, also ihnen das ermöglicht, was sie erreichen wollen – einen Berg erklimmen, zu Fuß zum Einkaufen gehen, das Enkelkind hochheben, eine Reise unternehmen, tanzen, Yoga-Übungen absolvieren oder im Wald spazieren gehen – stärkt das ihr Selbstwertgefühl und hilft ihnen, ihren Körper nicht als Objekt wahrzunehmen.

Laut Swami haben sich schon US-amerikanische und britische Stars wie Taylor Swift und Jameela Jamil dem Konzept der “body neutrality” verschrieben.

Ob das Konzept Zukunft hat, steht aber noch in den Sternen, merkt van der Schalk in ihrem Artikel an. Denn einen “Nachteil” habe es, wenn sich Menschen weniger für Schönheitsideale interessieren: Mode- und Beauty-Konzerne können damit kein Geld verdienen, soziale Netzwerke damit keine Werbeeinnahmen generieren.

Vielleicht kehren Modedesigner auch deshalb zur “size 0” und Modezeitschriften zum “beach body” zurück: Sie setzen darauf, dass dünne Körper auch im Jahr 2023 noch immer das einfachste Mittel sind, um ihre Produkte zu verkaufen.

Grammy-Gewinnerin Ariana Grande macht sich gegen Hasskommentare und einen ungesunden Körperkult stark: “Wir sollten einfühlsamer sein”, sagte die 29-jährige US-Sängerin in einem Tiktok-Video. Sie rief ihre Fans dazu auf, nicht leichtfertig den Körper anderer Menschen zu kommentieren. “Es gibt viele verschiedene Arten, gesund und schön auszusehen”, betonte sie.

Zur gleichen Zeit empfehlen viele Modemagazine in der nördlichen Hemisphäre – wo gerade der Frühling angebrochen ist – verschiedenste Diäten, um sich den perfekten Körper für die warme Saison zuzulegen, passend für kurze Kleider und schicke Bikinis. Von Body Positivity – den eigenen Körper so zu lieben, wie er ist – fehlt jede Spur. 

Body Positivity: Wie alles begann

Auch bei der diesjährigen Paris Fashion Week im Frühjahr setzten Modedesignerinnen und -designer laut Medienberichten wieder auf Models der Größe 0. Laut “Vogue Business” wurde während der weltweiten Modeschauen in New York, London, Mailand und Paris rund 95 Prozent der Mode von ultradünnen Models mit Kleidergröße 32 präsentiert.

Das war besonders auffällig, weil in den vergangenen Jahren auch Models mit anderen Körpermaßen auf dem Laufsteg zu sehen gewesen waren, sogenannte “Plus-Size Models” – nicht zuletzt, weil sich die Modehäuser des Themas Body Positivity angenommen hatten.

So wählte zum Beispiel die Marke Jean-Paul Gaultier eine Aktivistin der Body-Positivity-Bewegung als Gesicht ihres Parfums “La Belle Fleur Terrible” aus. Die Wahl fiel auf die französische queere DJane Barbara Butch, die sich gegen Fettphobie einsetzt. Butch war eines von mehreren Gesichtern der großangelegten Werbekampagne.

Body Positivity wird oft als Social-Media-Phänomen wahrgenommen, erläutert die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner im Interview mit der DW. Dabei sei die Bewegung viel älter und habe ihre Wurzeln in der Frauenbewegung der 1960er und 1970er-Jahre in den USA.

Ist es mit Body Positivity vorbei?

Gegen die Vorherrschaft des konventionellen Schönheitsideals regte sich damals Widerstand: In New York City kam es 1967 zu Protestaktionen, bei denen gemeinsam Kuchen verzehrt und Diätratgeber verbannt wurden, so Lechner. Die Aktivistinnen und Aktivisten hatten politische Anliegen: “Es ging nicht darum, dass man sich rund um die Uhr selbst lieben soll, sondern darum, eine gerechte Behandlung von dicken Körpern zu verlangen – so, wie sie sind.”

Was folgt auf Body Positivity?

Sie stellten konkrete politische Forderungen, führt Lechner aus: “Dass man nicht im Krankenhaus schlecht behandelt wird, was wirklich manchmal fatale Konsequenzen haben kann, weil alles auf das Gewicht geschoben wird, dass man bei Versicherungen nicht schlechter gestellt wird, am Arbeitsmarkt, am Wohnungsmarkt, beim Dating, in allen Lebensbereichen”, erläutert die Autorin des Buches “Riot, Don’t Diet: Aufstand der widerspenstigen Körper”. Darin sieht Lechner einen Unterschied zur gegenwärtigen Spielart von Body Positivity: “Es ging wirklich um strukturelle Kritik und nicht um diese leicht vermarktbare Selbstliebe.”

In manchen Kommentaren wird nach der diesjährigen Rückkehr ultradünner Models auf die Laufstege der USA und Europas von einem “backlash” gegen Body Positivity durch große Konzerne gesprochen. Auch die Rückkehr der Mode der 1990er könnte den Rückschlag begünstigt haben, schließlich war das die Epoche der bauchfreien Tanktops und dünnen, blonden, weißen Superstars wie Britney Spears, Gwyneth Paltrow oder Jennifer Aniston.

Bis heute sei die Bewegung überwiegend von weißen Menschen geprägt, merkte auch die Body Positivity-Ikone Lizzo an. Laut Medienberichten habe Lizzo darauf hingewiesen, dass die meisten Influencerinnen im Bereich Body Positivity weiterhin relativ dünne weiße Frauen seien, Männer und Menschen mit anderer Hautfarbe seien unterrepräsentiert.

Elisabeth Lechner sieht die Verantwortung dafür auch bei den sozialen Medien, denen es nicht darum ginge, politischen Widerstand zu ermöglichen, sondern Geld zu verdienen: “Plattformkapitalismus verlangt die immer selben Normkörper, über die mit Werbung Produkte verkauft werden. Und das ist ein komplett unregulierter Markt. Es ist ein Problem, sich auch mit solchen und auf solchen zutiefst kapitalistisch geprägten Medien widerständig und solidarisch zu positionieren.”

Möglich sei es aber, das würden viele Aktivistinnen und Aktivisten beweisen, so Lechner – unter ihnen auch Lizzo. Die Kulturwissenschaftlerin glaubt, dass sich vieles verbessert hat. Als sie groß wurde, habe es keinerlei Vorbilder für andere Körperformen gegeben, erinnert sie sich.

Trotz der Erfolge von Body Positivity – viele positive Effekte für die mentale Gesundheit und das Selbstwertgefühl sind durch Studien belegt – gewinnt inzwischen ein neues Konzept an Beliebtheit: “body neutrality”, also eine neutrale Haltung zum eigenen Körper. Die Philosophin Jessica van der Schalk, die für den niederländischen Think Tank “Freedom Lab” tätig ist, wies bereits 2018 in einem Artikel darauf hin, dass es möglich ist, den eigenen Körper weder zu lieben noch zu hassen – sondern sich einfach nicht so viel mit ihm zu beschäftigen. Denn auch, wer seinen Körper liebt, hängt viel von seinem Selbstwertgefühl ans eigene Aussehen. Und gibt sich selbst die Schuld, wenn es ihm mal nicht gelingt, alles am eigenen Körper zu lieben.

Ob “body positive” oder “body neutral” – Viren Swami, Professor für Sozialpsychologie an der britischen Anglia Ruskin University, weist in “The Conversation” darauf hin, dass es entscheidend fürs eigene Selbstwertgefühl sei, sich mit seinem Körper wohlzufühlen. Um das zu erreichen, müsse man ihn vor allen Dingen benutzen.

In der Wissenschaft wird dafür der Begriff der “body functionality” populärer, des “funktionierenden Körpers”: Wenn Menschen erleben, dass ihr Körper funktioniert, also ihnen das ermöglicht, was sie erreichen wollen – einen Berg erklimmen, zu Fuß zum Einkaufen gehen, das Enkelkind hochheben, eine Reise unternehmen, tanzen, Yoga-Übungen absolvieren oder im Wald spazieren gehen – stärkt das ihr Selbstwertgefühl und hilft ihnen, ihren Körper nicht als Objekt wahrzunehmen.

Laut Swami haben sich schon US-amerikanische und britische Stars wie Taylor Swift und Jameela Jamil dem Konzept der “body neutrality” verschrieben.

Ob das Konzept Zukunft hat, steht aber noch in den Sternen, merkt van der Schalk in ihrem Artikel an. Denn einen “Nachteil” habe es, wenn sich Menschen weniger für Schönheitsideale interessieren: Mode- und Beauty-Konzerne können damit kein Geld verdienen, soziale Netzwerke damit keine Werbeeinnahmen generieren.

Vielleicht kehren Modedesigner auch deshalb zur “size 0” und Modezeitschriften zum “beach body” zurück: Sie setzen darauf, dass dünne Körper auch im Jahr 2023 noch immer das einfachste Mittel sind, um ihre Produkte zu verkaufen.

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