Kultur

Schloss Neuschwanstein: Märchentraum und Depot für NS-Raubkunst

Es ist das Märchenschloss schlechthin. Neuschwanstein inspirierte Walt Disney und lockt jährlich rund 1,4 Millionen Touristen an. Während des Zweiten Weltkriegs aber diente es den Nazis als Raubkunst-Lager.

Schloss Neuschwanstein ist der Inbegriff der Idylle: Es liegt auf einem Felsen mitten in den bayrischen Alpen, drumherum erstrecken sich malerische Berge und Seen, die spitzen Türme ragen bei schönem Wetter in den blauen Himmel hinein. In solchen Landschaften spielen Märchen – und so verwundert es auch nicht weiter, dass der Mann, der dieses prachtvolle Schloss bauen ließ, als “Märchenkönig” bezeichnet wird: Ludwig II. von Bayern, geboren 1845. 

“Neuschwanstein ist eingebettet in diese Alpenlandschaft wie in eine Theaterkulisse. Ludwig II. wollte Architektur, Kunst und Landschaft zu einem Gesamtkunstwerk vereinen”, sagt Alexander Wiesneth von der Bayerischen Schlösserverwaltung gegenüber der DW. 

Schloss Neuschwanstein ist der Inbegriff der Idylle: Es liegt auf einem Felsen mitten in den bayrischen Alpen, drumherum erstrecken sich malerische Berge und Seen, die spitzen Türme ragen bei schönem Wetter in den blauen Himmel hinein. In solchen Landschaften spielen Märchen – und so verwundert es auch nicht weiter, dass der Mann, der dieses prachtvolle Schloss bauen ließ, als “Märchenkönig” bezeichnet wird: Ludwig II. von Bayern, geboren 1845. 

Nur wenige Wochen nach dem mysteriösen Tod Ludwigs II. im Jahr 1886 wurde Neuschwanstein für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es war eine ironische Wendung des Schicksals, denn der König hatte das Schloss als privaten Zufluchtsort für sich selbst errichten lassen, da er verzweifelt nach Einsamkeit suchte.

Neuschwanstein – geplant als Ort der Zuflucht 

Die Inspiration für Neuschwanstein, das im Stil einer mittelalterlichen Ritterburg gebaut wurde, erhielt Ludwig II. 1867 auf seinen Reisen zur Wartburg bei Eisenach und zum Chateau de Pierrefonds in Frankreich.

Der exzentrische König schrieb im Mai 1868 an seinen verehrten Freund, den Opernkomponisten Richard Wagner: “Ich habe die Absicht, die alte Burgruine Hohenschwangau bei der Pöllatschlucht neu aufbauen zu lassen im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen, und muss Ihnen gestehen, dass ich mich sehr darauf freue, dort einst (in 3 Jahren) zu hausen.”

Der Bau des neuen Schlosses, das 200 Zimmer umfassen sollte, begann im September 1869. Als Erstes wurde 1873 der Torbau fertiggestellt, in den Ludwig II. einzog. Vollenden aber konnte er sein Projekt nicht. Als er starb, wurden die Bauarbeiten großenteils eingestellt. 

Trotz aller Romantik und Märchenpracht konnte Neuschwanstein schon damals moderne Errungenschaften wie eine Zentralheizung, Toiletten mit Wasserspülung und ein Glockensystem zum Rufen von Bediensteten vorweisen. 

Ludwigs große Verehrung für Wagner und dessen Werke spiegelte sich in der Gestaltung des Schlosses. Wagners Opern “Tannhäuser”, “Lohengrin” und “Parsifal” hatten Ludwig II. stark beeinflusst. Zahlreiche Gemälde- und Wandmalereien in den Schlossräumen zeigen Motive aus der Sagen- und Märchenwelt des Mittelalters. 

Doch nicht nur die aufwendige und märchenhafte Gestaltung von Neuschwanstein hat das Schloss berühmt gemacht. In die Schlagzeilen geriet es auch, weil es während des Zweiten Weltkrieges den Nationalsozialisten als Depot für geraubte Kunstwerke diente – wie George Clooneys Film “The Monuments Men” von 2014 eindrucksvoll gezeigt hat. 

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in das benachbarte Frankreich im Jahr 1940 ermächtigte Adolf Hitler den “Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg”, eine Rauborganisation der Nazis, wertvolle Kulturgüter des “herrenlosen jüdischen Besitzes” zu erfassen und zu beschlagnahmen. 

Diese Raubgüter wurden zwischen 1940 und 1945 von den Nationalsozialisten an Orte in ganz Europa und später auch nach Deutschland gebracht, in Salzbergwerke, Klöster und Schlösser.

Schloss Neuschwanstein diente als Depot und Hauptquartier der Rosenberg-Truppe. Nahe der österreichischen Grenze gelegen, weit entfernt von der Hauptstadt Berlin oder anderen möglichen Zielen der Alliierten, bot es reichlich Platz.

Als die Alliierten 1945 Neuschwanstein stürmten, fanden sie Kataloge, Diashows und Listen mit mehr als 20.000 Kunstwerken und anderen Gegenständen, die von den Nazis geraubt worden waren, darunter Schmuck und Möbel der Rothschilds sowie das Meisterwerk “Genter Altar” der Brüder Van Eyck.

Viele dieser Gegenstände stammten aus Frankreich. Es war dem beherzten Einsatz der französischen Kuratorin Rose Valland zu verdanken, dass die alliierten Einsatzkräfte das Versteck in Neuschwanstein überhaupt entdeckten, so die Aussage des Kunsthistorikers S. Lane Faison Jr.  – einem der “Momument Men” – in einem Interview, das in den “Archives of American Art” zu finden ist.

“Sie gab vor, eine Kollaborateurin (der Nazis, Anm. d. Red.) zu sein”, so Faison über Valland, die in der Galerie Nationale du Jeu de Paume in Paris arbeitete, einem Museum, das den Nationalsozialisten als Sammelstelle für geraubte Kunstwerke diente, bevor diese nach Deutschland verschifft wurden. 

Valland verfolgte heimlich, über Jahre hinweg, wohin die Kunstwerke transportiert wurden. Ihre akribischen Aufzeichnungen landeten unter glücklichen Umständen in den Händen der Alliierten. Gegen Ende des Krieges wurde der Munich Central Collecting Point (MCCP) gegründet, mit dem Ziel, von den Nazis geraubte Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzer zurückzugeben.

Maria Blenk, Museumsreferentin der Bayerischen Schlösserverwaltung, sagte gegenüber der DW, dass Besucher durchaus Fragen zu Neuschwanstein und dem Zweiten Weltkrieg stellen. “Vor allem Amerikaner, aber auch Briten erinnern sich an die Geschichte der ‘Monuments Men’ und viele haben oder hatten Familienangehörige, die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg in Bayern stationiert waren, so dass sie sich für die jüngere Geschichte von Neuschwanstein interessieren.”

Neuschwanstein war nur eines der aufwendigen Bauprojekte Ludwigs II. Weitere sind das Rokoko-Schloss Linderhof, das Barockschloss Herrenchiemsee sowie das Königshaus am Schachen. Gemeinsam mit Schloss Neuschwanstein bewerben sie sich derzeit um die Aufnahme in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Die Entscheidung über die Aufnahme soll voraussichtlich im Sommer 2025 fallen. 

Ob als Traum eines Königs, als ehemaliges NS-Raubkunstdepot oder als Inspiration für Walt Disneys Cinderella- und Dornröschen-Schlösser – Neuschwanstein hat eine Geschichte zu erzählen. Und seit kurzem ist das beliebte Touristenziel nachts auch wieder beleuchtet: Auf dem Höhepunkt der Energiekrise waren die Scheinwerfer nämlich abgeschaltet worden, um Strom zu sparen. Aber seit Sonntag (16.04.2023) erstrahlt Schloss Neuschwanstein wieder im Lichterglanz.

Adaption aus dem Englischen: Petra Lambeck

Schwarzweiß-Porträts von König Ludwig II. und Herzogin Sophie
Schwarzweißfoto: Lächelnde US-Soldaten neben zwei Gemälden auf Schloss Neuschwanstein

Schloss Neuschwanstein ist der Inbegriff der Idylle: Es liegt auf einem Felsen mitten in den bayrischen Alpen, drumherum erstrecken sich malerische Berge und Seen, die spitzen Türme ragen bei schönem Wetter in den blauen Himmel hinein. In solchen Landschaften spielen Märchen – und so verwundert es auch nicht weiter, dass der Mann, der dieses prachtvolle Schloss bauen ließ, als “Märchenkönig” bezeichnet wird: Ludwig II. von Bayern, geboren 1845. 

“Neuschwanstein ist eingebettet in diese Alpenlandschaft wie in eine Theaterkulisse. Ludwig II. wollte Architektur, Kunst und Landschaft zu einem Gesamtkunstwerk vereinen”, sagt Alexander Wiesneth von der Bayerischen Schlösserverwaltung gegenüber der DW. 

Neuschwanstein – geplant als Ort der Zuflucht 

Nur wenige Wochen nach dem mysteriösen Tod Ludwigs II. im Jahr 1886 wurde Neuschwanstein für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es war eine ironische Wendung des Schicksals, denn der König hatte das Schloss als privaten Zufluchtsort für sich selbst errichten lassen, da er verzweifelt nach Einsamkeit suchte.

Die Inspiration für Neuschwanstein, das im Stil einer mittelalterlichen Ritterburg gebaut wurde, erhielt Ludwig II. 1867 auf seinen Reisen zur Wartburg bei Eisenach und zum Chateau de Pierrefonds in Frankreich.

Der exzentrische König schrieb im Mai 1868 an seinen verehrten Freund, den Opernkomponisten Richard Wagner: “Ich habe die Absicht, die alte Burgruine Hohenschwangau bei der Pöllatschlucht neu aufbauen zu lassen im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen, und muss Ihnen gestehen, dass ich mich sehr darauf freue, dort einst (in 3 Jahren) zu hausen.”

Der Bau des neuen Schlosses, das 200 Zimmer umfassen sollte, begann im September 1869. Als Erstes wurde 1873 der Torbau fertiggestellt, in den Ludwig II. einzog. Vollenden aber konnte er sein Projekt nicht. Als er starb, wurden die Bauarbeiten großenteils eingestellt. 

Eine Hommage an Richard Wagner

Trotz aller Romantik und Märchenpracht konnte Neuschwanstein schon damals moderne Errungenschaften wie eine Zentralheizung, Toiletten mit Wasserspülung und ein Glockensystem zum Rufen von Bediensteten vorweisen. 

Depot für von den Nazis geraubte Kunstwerke 

Ludwigs große Verehrung für Wagner und dessen Werke spiegelte sich in der Gestaltung des Schlosses. Wagners Opern “Tannhäuser”, “Lohengrin” und “Parsifal” hatten Ludwig II. stark beeinflusst. Zahlreiche Gemälde- und Wandmalereien in den Schlossräumen zeigen Motive aus der Sagen- und Märchenwelt des Mittelalters. 

Doch nicht nur die aufwendige und märchenhafte Gestaltung von Neuschwanstein hat das Schloss berühmt gemacht. In die Schlagzeilen geriet es auch, weil es während des Zweiten Weltkrieges den Nationalsozialisten als Depot für geraubte Kunstwerke diente – wie George Clooneys Film “The Monuments Men” von 2014 eindrucksvoll gezeigt hat. 

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in das benachbarte Frankreich im Jahr 1940 ermächtigte Adolf Hitler den “Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg”, eine Rauborganisation der Nazis, wertvolle Kulturgüter des “herrenlosen jüdischen Besitzes” zu erfassen und zu beschlagnahmen. 

Freilegung der geplünderten Schätze

Diese Raubgüter wurden zwischen 1940 und 1945 von den Nationalsozialisten an Orte in ganz Europa und später auch nach Deutschland gebracht, in Salzbergwerke, Klöster und Schlösser.

Schloss Neuschwanstein diente als Depot und Hauptquartier der Rosenberg-Truppe. Nahe der österreichischen Grenze gelegen, weit entfernt von der Hauptstadt Berlin oder anderen möglichen Zielen der Alliierten, bot es reichlich Platz.

Blick in die Zukunft

Als die Alliierten 1945 Neuschwanstein stürmten, fanden sie Kataloge, Diashows und Listen mit mehr als 20.000 Kunstwerken und anderen Gegenständen, die von den Nazis geraubt worden waren, darunter Schmuck und Möbel der Rothschilds sowie das Meisterwerk “Genter Altar” der Brüder Van Eyck.

Viele dieser Gegenstände stammten aus Frankreich. Es war dem beherzten Einsatz der französischen Kuratorin Rose Valland zu verdanken, dass die alliierten Einsatzkräfte das Versteck in Neuschwanstein überhaupt entdeckten, so die Aussage des Kunsthistorikers S. Lane Faison Jr.  – einem der “Momument Men” – in einem Interview, das in den “Archives of American Art” zu finden ist.

Schwarzweiß-Foto: Ein US-Soldat packt ein Gemälde aus, das nach dem Zweiten Weltkrieg auf Schloss Neuschwanstein gefunden wurde.

“Sie gab vor, eine Kollaborateurin (der Nazis, Anm. d. Red.) zu sein”, so Faison über Valland, die in der Galerie Nationale du Jeu de Paume in Paris arbeitete, einem Museum, das den Nationalsozialisten als Sammelstelle für geraubte Kunstwerke diente, bevor diese nach Deutschland verschifft wurden. 

Valland verfolgte heimlich, über Jahre hinweg, wohin die Kunstwerke transportiert wurden. Ihre akribischen Aufzeichnungen landeten unter glücklichen Umständen in den Händen der Alliierten. Gegen Ende des Krieges wurde der Munich Central Collecting Point (MCCP) gegründet, mit dem Ziel, von den Nazis geraubte Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzer zurückzugeben.

Maria Blenk, Museumsreferentin der Bayerischen Schlösserverwaltung, sagte gegenüber der DW, dass Besucher durchaus Fragen zu Neuschwanstein und dem Zweiten Weltkrieg stellen. “Vor allem Amerikaner, aber auch Briten erinnern sich an die Geschichte der ‘Monuments Men’ und viele haben oder hatten Familienangehörige, die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg in Bayern stationiert waren, so dass sie sich für die jüngere Geschichte von Neuschwanstein interessieren.”

Neuschwanstein war nur eines der aufwendigen Bauprojekte Ludwigs II. Weitere sind das Rokoko-Schloss Linderhof, das Barockschloss Herrenchiemsee sowie das Königshaus am Schachen. Gemeinsam mit Schloss Neuschwanstein bewerben sie sich derzeit um die Aufnahme in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Die Entscheidung über die Aufnahme soll voraussichtlich im Sommer 2025 fallen. 

Ob als Traum eines Königs, als ehemaliges NS-Raubkunstdepot oder als Inspiration für Walt Disneys Cinderella- und Dornröschen-Schlösser – Neuschwanstein hat eine Geschichte zu erzählen. Und seit kurzem ist das beliebte Touristenziel nachts auch wieder beleuchtet: Auf dem Höhepunkt der Energiekrise waren die Scheinwerfer nämlich abgeschaltet worden, um Strom zu sparen. Aber seit Sonntag (16.04.2023) erstrahlt Schloss Neuschwanstein wieder im Lichterglanz.

Adaption aus dem Englischen: Petra Lambeck

Dieser Artikel wurde am 17.04.2023 aktualisiert.

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