Lieferkettengesetz: Chance oder Hürde für kleine Zulieferer aus dem Globalen Süden?
Strenge Regeln für Umweltschutz und Menschenrechte sollen die globalen Arbeitsbedingungen verbessern. Doch die Kleinsten in der Kette haben Angst rauszufliegen. Wer sich jetzt nachhaltig aufstellt, könnte profitieren.
Eigentlich soll das neue deutsche Lieferkettengesetz für mehr Umweltschutz und bessere soziale Bedingungen bei den Zulieferern sorgen, für manche Zulieferer ist es aber kein Grund zur Freude. Sie befürchten, dass deutsche Unternehmen ihre Produkte bald gar nicht mehr nachfragen könnten.
Seit Januar gibt es auch in Deutschlandein Gesetz zur Überprüfung von Lieferketten. Es soll deutsche Unternehmen dazu bringen, ihre Lieferketten zu kontrollieren und zu gewährleisten, dass in Sachen Menschenrechteund Nachhaltigkeit gewisse Standards eingehalten werden. Ihre Zulieferer müssen zukünftig Nachweise dafür erbringen.
Eigentlich soll das neue deutsche Lieferkettengesetz für mehr Umweltschutz und bessere soziale Bedingungen bei den Zulieferern sorgen, für manche Zulieferer ist es aber kein Grund zur Freude. Sie befürchten, dass deutsche Unternehmen ihre Produkte bald gar nicht mehr nachfragen könnten.
Ausländische Zulieferer fliegen aus der deutschen Lieferkette
Damit reiht sich die Bundesrepublik in eine Gruppe von Ländern wie Frankreich, Italien, Australien oder Kanada ein, die solche Gesetze bereits verabschiedet haben. Auch die EU arbeitet an einem Entwurf zu einem Lieferkettengesetz. Am Dienstag wird der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments über seine Position dazu abstimmen.
Professor Alexander Sandkamp vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht die Gefahr, dass durch strengere Vorgaben kleine Unternehmen im Ausland aus deutschen Lieferketten verdrängt werden, da es für deutsche Importeure schlicht zu teuer ist, sie zu überprüfen. Einige der deutschen Konzerne könnten ihre Lieferketten konsolidieren, “oder sie verlagern die Produktion direkt zurück in Industrieländer, wo es leichter ist, die Einhaltung der Menschenrechte sicherzustellen.”
In Frankreich, wo bereits 2017 ein Sorgfaltspflichtengesetz verabschiedet wurde, zeichnet sich nach einer noch nicht veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ein Rückgang von Importen aus Ländern mit geringem Pro-Kopf-Einkommen bereits ab. Eine entsprechende Umfrage des IW vom Februar 2022 ergab zudem, dass 18 Prozent der befragten deutschen Unternehmen zukünftig nur noch Vorprodukte aus Ländern beziehen wollen, die ausreichend auf die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards achten. Etwa zwölf Prozent der Unternehmen planen, sich vor allem aus Entwicklungs- und Schwellenländern zurückzuziehen. Das verheißt nichts Gutes für die Zulieferer aus ärmeren Ländern.
“Ghanaische Zulieferer haben Sorge, dass sie aus der Lieferkette rausfliegen”, bestätigt Stefanie Simon von der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Ghana. Zudem sei es für ghanaische Produzenten nicht leicht, an die Informationen über das deutsche Lieferkettengesetz zu kommen, weshalb bisher nur wenige Unternehmen über das neue Gesetz Bescheid wüssten.
Ähnlich ist die Lage in Malaysia. Napolean Anak Royal Ningkos ist Zulieferer für die Palmölindustrie und macht sich wegen des kommenden europäischen Lieferkettengesetzes Sorgen. “Das ist eine große Belastung für uns Kleinbauern, weil wir ohne finanzielle Unterstützung nicht die Anforderungen erfüllen können.” Die Palmölproduktion zählt laut der Deutsch-Malaysischen Industrie- und Handelskammer zu den Risiko-Sektoren des Landes. Zwangsarbeit und Umweltverschmutzung würden die größten Gefahren darstellen.
In seiner Funktion als Präsident der Sarawak Dayak Oil Palm Planters Association hofft Ningkos auf mehr Unterstützung der EU, aber auch seiner eigenen Regierung. Es fehle an Workshops und Bildungsprogrammen für die Kleinbauern, zu Themen wie nachhaltiges Wirtschaften und Diversifizierung der Landwirtschaft. Er wünscht sich von der EU einen stärkeren Dialog mit den Menschen vor Ort.
Viele Handelskammern und Verbände arbeiten an Programmen zur Unterstützung und Aufklärung über das deutsche Lieferkettengesetz. Auch Stefanie Simon hat mit ihrem Team in Ghana ein Projekt gestartet: “Unser Ziel ist, dass wir auf das Gesetz vorbereiten – so funktioniert das, so mache ich ein Risk Management, wie kann ich mir das als Unternehmen in Ghana leisten?”
Eine Idee die Überprüfung einfacher zu gestalten sind standardisierte Zertifikate, wie beispielsweise das Deutsche Institut für kleine und mittlere Unternehmen (DIKMU) vorschlägt. Kleine Zulieferer könnten sie nutzen, um nachzuweisen, dass sie den “deutschen Standards” gerecht werden. Gerade Zulieferer mit verschiedenen Auftraggebern würden sich laut dem DIKMU dadurch viel Bürokratie sparen und einen “Vertrauensvorschuss” gewinnen.
“Was wir von unseren Partnern im Globalen Süden hören, ist, dass es für viele Unternehmen von Vorteil ist, dass ein solches Gesetz entwickelt und umgesetzt wird”, sagt Gert van der Bijl von der Entwicklungs-Organisation Solidaridad. Entscheidend sei jedoch die praktische Umsetzung der Sorgfaltspflichten: “Ziel sollte es sein, das Einkaufsverhalten der großen Unternehmen grundlegend zu ändern und nicht einfach Anforderungen an die Lieferanten abzuwälzen.” Auf freiwilliger Basis habe das bisher nicht funktioniert, daher seien Lieferkettengesetze ein wichtiger Schritt, Unternehmen zu einer ethischeren Produktion zu verpflichten.
Aus der Zusammenarbeit mit Landwirten, schließt van der Bijl vor allem, dass viele Probleme mit der Nachhaltigkeit ein Resultat der Armut seien. “Die Landwirte bekommen ohnehin nur sehr niedrige Preise für ihre Produkte. Wenn man die Unternehmen jetzt noch dazu anregt, den Lieferanten zusätzliche Lasten aufzuerlegen, wird sich das wahrscheinlich nicht positiv auswirken.”
Daher sei es enorm wichtig in den Gesetzen einen, wie er es nennt, “rücksichtsvollen Rückzug” zu verankern. Damit ist gemeint, dass Unternehmen ermutigt und belohnt werden, in die Zulieferer zu investieren und sie dabei zu unterstützen, ihre sozialen und ökologischen Ziele im Laufe der Zeit zu verbessern und anzuheben.
Das deutsche Gesetz enthält Bestimmungen, die ein sogenanntes “cut and run” der Unternehmen, also ein plötzliches Abschneiden von Verbindungen zu Lieferanten, verhindern sollen. Für den europäischen Entwurf existieren bereits Änderungsanträge, mit denen einem Rückzug von Unternehmen besser entgegengewirkt werden soll.
Als ersten Schritt empfiehlt er den lokalen Bauern, sich darauf vorzubereiten, ihre eigene Produktion transparent zu machen: “Die Unternehmen werden wissen wollen, woher das Produkt kommt und wie es hergestellt wird, und das erfordert Transparenz bei den Lieferanten.”
Stefanie Simon sieht die Situation für Ghana dennoch “vorsichtig optimistisch”, und sagt: “Was viele Unternehmen in Europa unterschätzen ist, dass die meisten Zulieferer gar nicht bei Null anfangen müssen.” Aufgrund von Gütesiegelvorgaben, Lieferkettengesetzen anderer Länder oder Corporate Social Responsibility erfüllen viele von ihnen schon Voraussetzungen, die auch mit dem deutschen Gesetz kompatibel sind. Hier liege Potenzial für lokale Zulieferer, sich entsprechend zu positionieren.
Mostafiz Uddin hat die Bangladesh Circular Economy Summit, die sich mit Kreislaufwirtschaft beschäftigt, gegründet und ist Geschäftsführer von Denim Expert Ltd. Er sieht Chancen in den Lieferkettengesetzen, da sich Einzelhändler dazu entscheiden könnten nur noch mit “den Besten” zusammenzuarbeiten. “Dies würde wiederum die Lieferanten belohnen, die viel in soziale und ökologische Aspekte der Unternehmensführung investiert haben. Theoretisch könnten die Sozial- und Umweltstandards auf breiter Front angehoben werden.”, schreibt er in der bangladeschischen, englischsprachigen Zeitung Daily Star.
Manche Regionen können so besonders von Lieferkettengesetzen profitieren. Prof. Dr. Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik, der zu Lateinamerika forscht, sieht in den Investitionszahlen bereits eine positive Entwicklung: “Für die Länder im nördlichen Teil des Kontinents ist das Gesetz eine Chance.” Durch die Nähe zu den USA seien sie bereits zu strengeren Regulationen gezwungen und bilden nun einen attraktiven Zielort für aus Asien abwandernde Unternehmen.
Eigentlich soll das neue deutsche Lieferkettengesetz für mehr Umweltschutz und bessere soziale Bedingungen bei den Zulieferern sorgen, für manche Zulieferer ist es aber kein Grund zur Freude. Sie befürchten, dass deutsche Unternehmen ihre Produkte bald gar nicht mehr nachfragen könnten.
Seit Januar gibt es auch in Deutschlandein Gesetz zur Überprüfung von Lieferketten. Es soll deutsche Unternehmen dazu bringen, ihre Lieferketten zu kontrollieren und zu gewährleisten, dass in Sachen Menschenrechteund Nachhaltigkeit gewisse Standards eingehalten werden. Ihre Zulieferer müssen zukünftig Nachweise dafür erbringen.
Ausländische Zulieferer fliegen aus der deutschen Lieferkette
Damit reiht sich die Bundesrepublik in eine Gruppe von Ländern wie Frankreich, Italien, Australien oder Kanada ein, die solche Gesetze bereits verabschiedet haben. Auch die EU arbeitet an einem Entwurf zu einem Lieferkettengesetz. Am Dienstag wird der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments über seine Position dazu abstimmen.
Professor Alexander Sandkamp vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht die Gefahr, dass durch strengere Vorgaben kleine Unternehmen im Ausland aus deutschen Lieferketten verdrängt werden, da es für deutsche Importeure schlicht zu teuer ist, sie zu überprüfen. Einige der deutschen Konzerne könnten ihre Lieferketten konsolidieren, “oder sie verlagern die Produktion direkt zurück in Industrieländer, wo es leichter ist, die Einhaltung der Menschenrechte sicherzustellen.”
In Frankreich, wo bereits 2017 ein Sorgfaltspflichtengesetz verabschiedet wurde, zeichnet sich nach einer noch nicht veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ein Rückgang von Importen aus Ländern mit geringem Pro-Kopf-Einkommen bereits ab. Eine entsprechende Umfrage des IW vom Februar 2022 ergab zudem, dass 18 Prozent der befragten deutschen Unternehmen zukünftig nur noch Vorprodukte aus Ländern beziehen wollen, die ausreichend auf die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards achten. Etwa zwölf Prozent der Unternehmen planen, sich vor allem aus Entwicklungs- und Schwellenländern zurückzuziehen. Das verheißt nichts Gutes für die Zulieferer aus ärmeren Ländern.
Kleinbauern im Globalen Süden fürchten um ihre Existenz
“Ghanaische Zulieferer haben Sorge, dass sie aus der Lieferkette rausfliegen”, bestätigt Stefanie Simon von der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Ghana. Zudem sei es für ghanaische Produzenten nicht leicht, an die Informationen über das deutsche Lieferkettengesetz zu kommen, weshalb bisher nur wenige Unternehmen über das neue Gesetz Bescheid wüssten.
Armut als Ursprung der Probleme
Ähnlich ist die Lage in Malaysia. Napolean Anak Royal Ningkos ist Zulieferer für die Palmölindustrie und macht sich wegen des kommenden europäischen Lieferkettengesetzes Sorgen. “Das ist eine große Belastung für uns Kleinbauern, weil wir ohne finanzielle Unterstützung nicht die Anforderungen erfüllen können.” Die Palmölproduktion zählt laut der Deutsch-Malaysischen Industrie- und Handelskammer zu den Risiko-Sektoren des Landes. Zwangsarbeit und Umweltverschmutzung würden die größten Gefahren darstellen.
In seiner Funktion als Präsident der Sarawak Dayak Oil Palm Planters Association hofft Ningkos auf mehr Unterstützung der EU, aber auch seiner eigenen Regierung. Es fehle an Workshops und Bildungsprogrammen für die Kleinbauern, zu Themen wie nachhaltiges Wirtschaften und Diversifizierung der Landwirtschaft. Er wünscht sich von der EU einen stärkeren Dialog mit den Menschen vor Ort.
Viele Handelskammern und Verbände arbeiten an Programmen zur Unterstützung und Aufklärung über das deutsche Lieferkettengesetz. Auch Stefanie Simon hat mit ihrem Team in Ghana ein Projekt gestartet: “Unser Ziel ist, dass wir auf das Gesetz vorbereiten – so funktioniert das, so mache ich ein Risk Management, wie kann ich mir das als Unternehmen in Ghana leisten?”
Es gibt Chancen sich zu positionieren
Eine Idee die Überprüfung einfacher zu gestalten sind standardisierte Zertifikate, wie beispielsweise das Deutsche Institut für kleine und mittlere Unternehmen (DIKMU) vorschlägt. Kleine Zulieferer könnten sie nutzen, um nachzuweisen, dass sie den “deutschen Standards” gerecht werden. Gerade Zulieferer mit verschiedenen Auftraggebern würden sich laut dem DIKMU dadurch viel Bürokratie sparen und einen “Vertrauensvorschuss” gewinnen.
“Was wir von unseren Partnern im Globalen Süden hören, ist, dass es für viele Unternehmen von Vorteil ist, dass ein solches Gesetz entwickelt und umgesetzt wird”, sagt Gert van der Bijl von der Entwicklungs-Organisation Solidaridad. Entscheidend sei jedoch die praktische Umsetzung der Sorgfaltspflichten: “Ziel sollte es sein, das Einkaufsverhalten der großen Unternehmen grundlegend zu ändern und nicht einfach Anforderungen an die Lieferanten abzuwälzen.” Auf freiwilliger Basis habe das bisher nicht funktioniert, daher seien Lieferkettengesetze ein wichtiger Schritt, Unternehmen zu einer ethischeren Produktion zu verpflichten.
Aus der Zusammenarbeit mit Landwirten, schließt van der Bijl vor allem, dass viele Probleme mit der Nachhaltigkeit ein Resultat der Armut seien. “Die Landwirte bekommen ohnehin nur sehr niedrige Preise für ihre Produkte. Wenn man die Unternehmen jetzt noch dazu anregt, den Lieferanten zusätzliche Lasten aufzuerlegen, wird sich das wahrscheinlich nicht positiv auswirken.”
Daher sei es enorm wichtig in den Gesetzen einen, wie er es nennt, “rücksichtsvollen Rückzug” zu verankern. Damit ist gemeint, dass Unternehmen ermutigt und belohnt werden, in die Zulieferer zu investieren und sie dabei zu unterstützen, ihre sozialen und ökologischen Ziele im Laufe der Zeit zu verbessern und anzuheben.
Das deutsche Gesetz enthält Bestimmungen, die ein sogenanntes “cut and run” der Unternehmen, also ein plötzliches Abschneiden von Verbindungen zu Lieferanten, verhindern sollen. Für den europäischen Entwurf existieren bereits Änderungsanträge, mit denen einem Rückzug von Unternehmen besser entgegengewirkt werden soll.
Als ersten Schritt empfiehlt er den lokalen Bauern, sich darauf vorzubereiten, ihre eigene Produktion transparent zu machen: “Die Unternehmen werden wissen wollen, woher das Produkt kommt und wie es hergestellt wird, und das erfordert Transparenz bei den Lieferanten.”
Stefanie Simon sieht die Situation für Ghana dennoch “vorsichtig optimistisch”, und sagt: “Was viele Unternehmen in Europa unterschätzen ist, dass die meisten Zulieferer gar nicht bei Null anfangen müssen.” Aufgrund von Gütesiegelvorgaben, Lieferkettengesetzen anderer Länder oder Corporate Social Responsibility erfüllen viele von ihnen schon Voraussetzungen, die auch mit dem deutschen Gesetz kompatibel sind. Hier liege Potenzial für lokale Zulieferer, sich entsprechend zu positionieren.
Mostafiz Uddin hat die Bangladesh Circular Economy Summit, die sich mit Kreislaufwirtschaft beschäftigt, gegründet und ist Geschäftsführer von Denim Expert Ltd. Er sieht Chancen in den Lieferkettengesetzen, da sich Einzelhändler dazu entscheiden könnten nur noch mit “den Besten” zusammenzuarbeiten. “Dies würde wiederum die Lieferanten belohnen, die viel in soziale und ökologische Aspekte der Unternehmensführung investiert haben. Theoretisch könnten die Sozial- und Umweltstandards auf breiter Front angehoben werden.”, schreibt er in der bangladeschischen, englischsprachigen Zeitung Daily Star.
Manche Regionen können so besonders von Lieferkettengesetzen profitieren. Prof. Dr. Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik, der zu Lateinamerika forscht, sieht in den Investitionszahlen bereits eine positive Entwicklung: “Für die Länder im nördlichen Teil des Kontinents ist das Gesetz eine Chance.” Durch die Nähe zu den USA seien sie bereits zu strengeren Regulationen gezwungen und bilden nun einen attraktiven Zielort für aus Asien abwandernde Unternehmen.