Martina Voss-Tecklenburg zum Poker um die WM-TV-Rechte: “Findet einen Weg!”
Wenige Monate vor der Fußball-WM der Frauen gibt es in Deutschland noch keinen Fernsehsender, der die Übertragungsrechte gekauft hat. Die Bundestrainerin zeigt dafür im DW-Interview wenig Verständnis.
DW: Frau Voss-Tecklenburg, es könnte sein, dass die Fußball-WM der Frauen, die im Juli in Australien und Neuseeland stattfindet, in Ländern wie Deutschland und England nicht im Fernsehen ausgestrahlt wird. Halten Sie das für möglich?
Martina Voss-Tecklenburg: Für mich ist es alternativlos, dass es zu einer Einigung kommen muss. Bislang gibt es in fünf europäischen Ländern noch keine Lösung. Dabei ist der Frauenfußball gerade in Europa so stark. Daher kann ich nur an den gesunden Menschenverstand appellieren und an alle Parteien, die dazugehören, einen Weg zu finden, sich zu einigen. Es geht um so viel: die Wertigkeit eines Turniers, die Sichtbarkeit, um Millionen von Fans. Es geht auch um die ältere Generation, die gerne die Spiele sehen möchte. Wenn die WM nur im Stream gezeigt wird, können die Jüngeren noch damit umgehen, aber meine Eltern könnten dann keine Fußball-WM schauen. Die sind 86 und 82 Jahre alt. Es geht aber auch um die Menschen, die im TV-Bereich arbeiten, die planen müssen und eine Sicherheit brauchen, was in den nächsten Wochen passiert. Daher nochmal mein Appell: Findet einen gemeinsamen Weg!
DW: Frau Voss-Tecklenburg, es könnte sein, dass die Fußball-WM der Frauen, die im Juli in Australien und Neuseeland stattfindet, in Ländern wie Deutschland und England nicht im Fernsehen ausgestrahlt wird. Halten Sie das für möglich?
Der Frauenfußball hat viele Jahre für mehr Sichtbarkeit gekämpft. Wie groß wäre der Schaden, wenn das Turnier beispielsweise in Deutschland wortwörtlich unsichtbar wäre?
Zunächst glaube ich nicht, dass die WM ganz unsichtbar sein wird. Schließlich geben die Medien es heute her, dass man auch über andere Kanäle [als das klassische Fernsehen – Anm. d. Red.] Fußball schauen kann, wenn man das unbedingt möchte. Aber es geht um die breite Öffentlichkeit. Wir haben ein Turnier, das nicht zur Primetime gesendet wird, weil es auf einem anderen Kontinent stattfindet. Damit müssen wir ohnehin schon leben. Aber ich habe ein Bild vor Augen, dass man trotzdem gemeinsam die WM-Spiele anguckt. Vielleicht in der Schule als Schulstunde, oder dass die Arbeitgeber sagen: ‘Okay, wir verlängern die Frühstückspause ein bisschen und schauen uns die Frauen-WM an.’ Als Trainerin und auch als Mensch bin ich lösungsorientiert.
Statt zu sagen, warum es nicht geht, sollte man einen Weg finden, wie es geht. Ansonsten wäre es das absolut schlechteste Signal, das wir gerade in dieser Zeit geben könnten. Denn ganz unabhängig vom eigentlichen Fußball haben wir [als Nationalmannschaft] auch einen gesellschaftlichen Auftrag. Ich bin ehrlich gesagt fassungslos, weil ich nicht verstehe, warum man sich nicht einigen kann. Sollte es tatsächlich so kommen, müsste mir das dann bitte jemand erklären.
Leider sehen wir immer häufiger schwere Verletzungen im Frauenfußball, zum Beispiel Kreuzbandrisse. Sehen Sie einen bestimmten Grund dafür?
Auch bei den Männern gibt es mehr Verletzungen, einfach weil die Belastungen immer höher werden. Der Druck wird größer, die Anzahl der Spiele nimmt zu, die Intensität des Spiels hat sich verändert, die Spielgeschwindigkeit. Wir machen mehr Sprints, wir laufen mehr Kilometer. Deswegen müssten die Regenerationsphasen eigentlich länger werden, aber dafür gibt es gerade aktuell kein Zeitfenster. Meine Spielerinnen haben zwar im vergangenen Jahr den Begriff Belastungssteuerung beziehungsweise Belastungsmanagement zum Unwort erklärt, aber natürlich ist es unsere Verantwortung [als Trainerteam], ganzheitlich darauf zu schauen. Hinzu kommt noch, dass Frauen rein von der Physiologie gefährdeter sind, einen Kreuzbandriss zu erleiden.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um das Risiko zu senken?
Wir müssten eigentlich noch mehr in Prävention und detaillierte Belastungssteuerung investieren und uns jedes Spielerinnenprofil einzeln genau anschauen. Und trotzdem würden wir nicht jedes Risiko verhindern können, weil Fußball nun mal eine Kontaktsportart ist. Wir müssen uns aber alle nochmal hinterfragen, wie verantwortungsvoll wir mit bestimmten Dingen umgehen. Ich kann für unser Trainerinnen-Team und für unsere Spielerinnen sprechen: Wir haben in den vergangenen drei Jahren sehr viel Rücksicht auf die Belastung einzelner Spielerinnen genommen. Mit der Folge, dass man sich nicht immer einspielen konnte. Stattdessen haben wir haben ganz klar gesagt: Wir stellen unsere Spielerinnen ins Zentrum unserer Gedanken – und die Zeit, die wir auf dem Trainingsplatz und in der Vorbereitung haben, muss dann einfach ausreichen. Manchmal muss man sich eben auch mal für einen Kompromiss entscheiden.
Die ehemalige Nationalspielerin Martina Voss-Tecklenburg, Jahrgang 1967, gewann in ihrer aktiven Zeit mit den DFB-Frauen viermal die Europameisterschaft. Seit 2018 ist sie Bundestrainerin der deutschen Frauennationalmannschaft, 2022 führte sie das Team zur Vizeeuropameisterschaft.
Das Interview wurde aus dem Englischen adaptiert. Das Gespräch führte Oliver Moody.
DW: Frau Voss-Tecklenburg, es könnte sein, dass die Fußball-WM der Frauen, die im Juli in Australien und Neuseeland stattfindet, in Ländern wie Deutschland und England nicht im Fernsehen ausgestrahlt wird. Halten Sie das für möglich?
Martina Voss-Tecklenburg: Für mich ist es alternativlos, dass es zu einer Einigung kommen muss. Bislang gibt es in fünf europäischen Ländern noch keine Lösung. Dabei ist der Frauenfußball gerade in Europa so stark. Daher kann ich nur an den gesunden Menschenverstand appellieren und an alle Parteien, die dazugehören, einen Weg zu finden, sich zu einigen. Es geht um so viel: die Wertigkeit eines Turniers, die Sichtbarkeit, um Millionen von Fans. Es geht auch um die ältere Generation, die gerne die Spiele sehen möchte. Wenn die WM nur im Stream gezeigt wird, können die Jüngeren noch damit umgehen, aber meine Eltern könnten dann keine Fußball-WM schauen. Die sind 86 und 82 Jahre alt. Es geht aber auch um die Menschen, die im TV-Bereich arbeiten, die planen müssen und eine Sicherheit brauchen, was in den nächsten Wochen passiert. Daher nochmal mein Appell: Findet einen gemeinsamen Weg!
Der Frauenfußball hat viele Jahre für mehr Sichtbarkeit gekämpft. Wie groß wäre der Schaden, wenn das Turnier beispielsweise in Deutschland wortwörtlich unsichtbar wäre?
Zunächst glaube ich nicht, dass die WM ganz unsichtbar sein wird. Schließlich geben die Medien es heute her, dass man auch über andere Kanäle [als das klassische Fernsehen – Anm. d. Red.] Fußball schauen kann, wenn man das unbedingt möchte. Aber es geht um die breite Öffentlichkeit. Wir haben ein Turnier, das nicht zur Primetime gesendet wird, weil es auf einem anderen Kontinent stattfindet. Damit müssen wir ohnehin schon leben. Aber ich habe ein Bild vor Augen, dass man trotzdem gemeinsam die WM-Spiele anguckt. Vielleicht in der Schule als Schulstunde, oder dass die Arbeitgeber sagen: ‘Okay, wir verlängern die Frühstückspause ein bisschen und schauen uns die Frauen-WM an.’ Als Trainerin und auch als Mensch bin ich lösungsorientiert.
Statt zu sagen, warum es nicht geht, sollte man einen Weg finden, wie es geht. Ansonsten wäre es das absolut schlechteste Signal, das wir gerade in dieser Zeit geben könnten. Denn ganz unabhängig vom eigentlichen Fußball haben wir [als Nationalmannschaft] auch einen gesellschaftlichen Auftrag. Ich bin ehrlich gesagt fassungslos, weil ich nicht verstehe, warum man sich nicht einigen kann. Sollte es tatsächlich so kommen, müsste mir das dann bitte jemand erklären.
Leider sehen wir immer häufiger schwere Verletzungen im Frauenfußball, zum Beispiel Kreuzbandrisse. Sehen Sie einen bestimmten Grund dafür?
Auch bei den Männern gibt es mehr Verletzungen, einfach weil die Belastungen immer höher werden. Der Druck wird größer, die Anzahl der Spiele nimmt zu, die Intensität des Spiels hat sich verändert, die Spielgeschwindigkeit. Wir machen mehr Sprints, wir laufen mehr Kilometer. Deswegen müssten die Regenerationsphasen eigentlich länger werden, aber dafür gibt es gerade aktuell kein Zeitfenster. Meine Spielerinnen haben zwar im vergangenen Jahr den Begriff Belastungssteuerung beziehungsweise Belastungsmanagement zum Unwort erklärt, aber natürlich ist es unsere Verantwortung [als Trainerteam], ganzheitlich darauf zu schauen. Hinzu kommt noch, dass Frauen rein von der Physiologie gefährdeter sind, einen Kreuzbandriss zu erleiden.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um das Risiko zu senken?
Wir müssten eigentlich noch mehr in Prävention und detaillierte Belastungssteuerung investieren und uns jedes Spielerinnenprofil einzeln genau anschauen. Und trotzdem würden wir nicht jedes Risiko verhindern können, weil Fußball nun mal eine Kontaktsportart ist. Wir müssen uns aber alle nochmal hinterfragen, wie verantwortungsvoll wir mit bestimmten Dingen umgehen. Ich kann für unser Trainerinnen-Team und für unsere Spielerinnen sprechen: Wir haben in den vergangenen drei Jahren sehr viel Rücksicht auf die Belastung einzelner Spielerinnen genommen. Mit der Folge, dass man sich nicht immer einspielen konnte. Stattdessen haben wir haben ganz klar gesagt: Wir stellen unsere Spielerinnen ins Zentrum unserer Gedanken – und die Zeit, die wir auf dem Trainingsplatz und in der Vorbereitung haben, muss dann einfach ausreichen. Manchmal muss man sich eben auch mal für einen Kompromiss entscheiden.
Die ehemalige Nationalspielerin Martina Voss-Tecklenburg, Jahrgang 1967, gewann in ihrer aktiven Zeit mit den DFB-Frauen viermal die Europameisterschaft. Seit 2018 ist sie Bundestrainerin der deutschen Frauennationalmannschaft, 2022 führte sie das Team zur Vizeeuropameisterschaft.
Das Interview wurde aus dem Englischen adaptiert. Das Gespräch führte Oliver Moody.