Afrika: Wie die Urbanisierung den Kontinent überrollt
Kein Kontinent ist so stark ländlich geprägt wie Afrika. Doch jetzt zieht es Menschen in die Städte: Afrika wird zum Treiber der weltweiten Urbanisierung. Megacitys wie Lagos haben daran gar nicht den größten Anteil.
Nicht überraschend – wohl aber später als erwartet: Afrika wird städtischer. Lange schon prognostizierten Experten, dass der Bevölkerungsanstieg auf dem afrikanischen Kontinent allmählich in einer wachsenden städtischen Mittelschicht sichtbar werden würde – doch noch ist Afrika der Kontinent, auf dem der weltweit geringste Anteil der Bevölkerung in Städten lebt. Während in Nordamerika, der am stärksten urbanisierten Region, 82 Prozent der Bevölkerung laut Zahlen der Vereinten Nationen in urbanen Zentren lebt, in Europa immerhin noch 74 Prozent, trifft das in Afrika immer noch auf weniger als die Hälfte der Bevölkerung (43 Prozent) zu.
Der weltweite Durchschnitt liegt demnach bei 55 Prozent, Tendenz steigend: Bis 2050 werden laut UN-Prognosen mehr als zwei Drittel der Menschheit in städtischen Gebieten leben. Ein Anstieg, der ganz entscheidend von Afrika und Asien ausgehen wird: Bis 2050 werden zweieinhalb Milliarden Menschen zur städtischen Weltbevölkerung hinzukommen, und 90 Prozent von ihnen werden Afrikaner und Asiaten sein. Würden sich heute 100 beliebige Stadtbewohnerinnen in einem Raum versammeln, wären darunter gerade 13 Menschen aus Afrika. In drei Jahrzehnten wären es schon 22.
Nicht überraschend – wohl aber später als erwartet: Afrika wird städtischer. Lange schon prognostizierten Experten, dass der Bevölkerungsanstieg auf dem afrikanischen Kontinent allmählich in einer wachsenden städtischen Mittelschicht sichtbar werden würde – doch noch ist Afrika der Kontinent, auf dem der weltweit geringste Anteil der Bevölkerung in Städten lebt. Während in Nordamerika, der am stärksten urbanisierten Region, 82 Prozent der Bevölkerung laut Zahlen der Vereinten Nationen in urbanen Zentren lebt, in Europa immerhin noch 74 Prozent, trifft das in Afrika immer noch auf weniger als die Hälfte der Bevölkerung (43 Prozent) zu.
Natürlich verläuft diese Entwicklung auf dem Kontinent ungleichmäßig. Einige Länder wie Niger, Burundi, Ruanda und Malawi sind nach wie vor weitgehend ländlich geprägt, hier kommt auf fünf Einwohner durchschnittlich nur ein Städter. Trotz seiner Megastädte und einer soliden Urbanisierungsrate weist Nigeria die größte ländliche Bevölkerung des Kontinents auf (95 Millionen), dicht gefolgt von Äthiopien (85 Millionen).
Ab 2033 mehr Menschen in Städten
Doch der Trend ist unaufhaltsam. Wahrscheinlich um das Jahr 2033 wird sich die Balance verschieben: Ab diesem Zeitpunkt wird auch in Afrika die Bevölkerung in den Städten diejenige auf dem Land übersteigen. Mitte des Jahrhunderts sollen bereits 60 Prozent in Städten leben.
Die 60-Prozent-Marke hat Südafrika bereits erreicht: Es weist die höchste Urbanisierungsrate des Kontinents auf. Doch auch West- und Zentralafrika sind bereits stark urbanisiert und im Begriff, Nordafrika hinter sich zurückzulassen. Die Region Westafrika, zu der auch Nigeria gehört, stellt den größten Anteil der urbanen Bevölkerung Afrikas, woran sich auch in Zukunft nichts ändern dürfte. In Zentralafrika hingegen sticht die riesige Demokratische Republik Kongo heraus, die allein bis 2050 eine Stadtbevölkerung von 126 Millionen Menschen haben wird.
Die Kehrseite ist, dass die rapide städtische Expansion kaum zu kontrollieren ist. Schmerzhaft deutlich machen das die immer wiederkehrenden verheerenden Überschwemmungen in Städten wie der kongolesischen Megastadt Kinshasa, den Sahel-Städten Niamey und Ndjamena oder der ivorischen Atlantik-Metropole Abidjan. Hier wird unkontrolliert gebaut und regelmäßig fallen Ansiedlungen in Überschwemmungsgebieten den Hochwassern zum Opfer.
Laut dem African Cities Research Consortium, einem Rechercheprogramm des britischen Außenministeriums, leben etwa 60% der städtischen Bevölkerung in Subsahara-Afrika in informellen Siedlungen – Gebieten, die sich zunehmend anfällig zeigen für die Folgen des Klimawandels. “Sie sind Klimarisiken stärker ausgesetzt und haben gleichzeitig eine geringere Anpassungskapazität”, heißt es dazu im Onlineauftritt.
So kommt Afrikas Megacitys mit ihrer ungebrochenen Anziehungskraft eine wichtige Rolle in der Kanalisierung der Urbanisierung zu. Und es werden mehr: Kairo, Kinshasa und Lagos sind heute die einzigen Städte des Kontinents mit mehr als 10 Millionen Einwohnern, aber bis 2030 werden Luanda und Daressalam dazu kommen. Bis dahin wird Kongos Hauptstadt Kinshasa, zurzeit etwa gleichauf mit der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos, fast die Bevölkerungszahl von Kairo erreicht haben – und bis 2035 auch die 25-Millionen-Marke geknackt haben.
Doch so wichtig Lagos und Kinshasa und auch die weniger ausufernden Großstädte in der öffentlichen Wahrnehmung sind, so wenig komplett ist das Bild ohne das untere Spektrum: Über 90 Prozent der Städte Afrikas haben weniger als 100.000 Einwohner. Hier wohnt einer von drei Stadtbewohnern auf dem Kontinent – insgesamt rund 185 Millionen. Auf dieser untersten Ebene entsteht Urbanität, dringt die Stadt Straße für Straße in die ländlichen Gebiete vor und nimmt die umliegenden Gemeinden in sich auf.
Die Online-Datenplattform Africapolis verwendet auch den Maßstab der räumlichen Nähe von Städten, um die fortschreitende Verstädterung zu beschreiben: Betrug 1950 die durchschnittliche Entfernung zwischen Ballungsräumen noch 61 Kilometer, war diese bis 2015 bereits um 40 Kilometer geschrumpft.
“Kleine Städte sind die wichtigste Verbindung zwischen ländlichen und städtischen Gebieten”, heißt es in einer Studie von Africapolis. Diese Kleinstädte böten der Landbevölkerung die Möglichkeit, ihre Erzeugnisse auf Märkten zu verkaufen, hier hätte sie Zugang zu Gesundheitsdiensten, öffentlichen Dienstleistungen und Arbeitsplätzen.
Adaptiert aus dem Französischen von Philipp Sandner.
Nicht überraschend – wohl aber später als erwartet: Afrika wird städtischer. Lange schon prognostizierten Experten, dass der Bevölkerungsanstieg auf dem afrikanischen Kontinent allmählich in einer wachsenden städtischen Mittelschicht sichtbar werden würde – doch noch ist Afrika der Kontinent, auf dem der weltweit geringste Anteil der Bevölkerung in Städten lebt. Während in Nordamerika, der am stärksten urbanisierten Region, 82 Prozent der Bevölkerung laut Zahlen der Vereinten Nationen in urbanen Zentren lebt, in Europa immerhin noch 74 Prozent, trifft das in Afrika immer noch auf weniger als die Hälfte der Bevölkerung (43 Prozent) zu.
Der weltweite Durchschnitt liegt demnach bei 55 Prozent, Tendenz steigend: Bis 2050 werden laut UN-Prognosen mehr als zwei Drittel der Menschheit in städtischen Gebieten leben. Ein Anstieg, der ganz entscheidend von Afrika und Asien ausgehen wird: Bis 2050 werden zweieinhalb Milliarden Menschen zur städtischen Weltbevölkerung hinzukommen, und 90 Prozent von ihnen werden Afrikaner und Asiaten sein. Würden sich heute 100 beliebige Stadtbewohnerinnen in einem Raum versammeln, wären darunter gerade 13 Menschen aus Afrika. In drei Jahrzehnten wären es schon 22.
Ab 2033 mehr Menschen in Städten
Natürlich verläuft diese Entwicklung auf dem Kontinent ungleichmäßig. Einige Länder wie Niger, Burundi, Ruanda und Malawi sind nach wie vor weitgehend ländlich geprägt, hier kommt auf fünf Einwohner durchschnittlich nur ein Städter. Trotz seiner Megastädte und einer soliden Urbanisierungsrate weist Nigeria die größte ländliche Bevölkerung des Kontinents auf (95 Millionen), dicht gefolgt von Äthiopien (85 Millionen).
Doch der Trend ist unaufhaltsam. Wahrscheinlich um das Jahr 2033 wird sich die Balance verschieben: Ab diesem Zeitpunkt wird auch in Afrika die Bevölkerung in den Städten diejenige auf dem Land übersteigen. Mitte des Jahrhunderts sollen bereits 60 Prozent in Städten leben.
Die 60-Prozent-Marke hat Südafrika bereits erreicht: Es weist die höchste Urbanisierungsrate des Kontinents auf. Doch auch West- und Zentralafrika sind bereits stark urbanisiert und im Begriff, Nordafrika hinter sich zurückzulassen. Die Region Westafrika, zu der auch Nigeria gehört, stellt den größten Anteil der urbanen Bevölkerung Afrikas, woran sich auch in Zukunft nichts ändern dürfte. In Zentralafrika hingegen sticht die riesige Demokratische Republik Kongo heraus, die allein bis 2050 eine Stadtbevölkerung von 126 Millionen Menschen haben wird.
Gefahr durch unkontrolliertes Bauen und Klimakrise
Die Kehrseite ist, dass die rapide städtische Expansion kaum zu kontrollieren ist. Schmerzhaft deutlich machen das die immer wiederkehrenden verheerenden Überschwemmungen in Städten wie der kongolesischen Megastadt Kinshasa, den Sahel-Städten Niamey und Ndjamena oder der ivorischen Atlantik-Metropole Abidjan. Hier wird unkontrolliert gebaut und regelmäßig fallen Ansiedlungen in Überschwemmungsgebieten den Hochwassern zum Opfer.
Die Zukunft liegt in den kleinen und mittelgroßen Städten
Laut dem African Cities Research Consortium, einem Rechercheprogramm des britischen Außenministeriums, leben etwa 60% der städtischen Bevölkerung in Subsahara-Afrika in informellen Siedlungen – Gebieten, die sich zunehmend anfällig zeigen für die Folgen des Klimawandels. “Sie sind Klimarisiken stärker ausgesetzt und haben gleichzeitig eine geringere Anpassungskapazität”, heißt es dazu im Onlineauftritt.
So kommt Afrikas Megacitys mit ihrer ungebrochenen Anziehungskraft eine wichtige Rolle in der Kanalisierung der Urbanisierung zu. Und es werden mehr: Kairo, Kinshasa und Lagos sind heute die einzigen Städte des Kontinents mit mehr als 10 Millionen Einwohnern, aber bis 2030 werden Luanda und Daressalam dazu kommen. Bis dahin wird Kongos Hauptstadt Kinshasa, zurzeit etwa gleichauf mit der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos, fast die Bevölkerungszahl von Kairo erreicht haben – und bis 2035 auch die 25-Millionen-Marke geknackt haben.
Doch so wichtig Lagos und Kinshasa und auch die weniger ausufernden Großstädte in der öffentlichen Wahrnehmung sind, so wenig komplett ist das Bild ohne das untere Spektrum: Über 90 Prozent der Städte Afrikas haben weniger als 100.000 Einwohner. Hier wohnt einer von drei Stadtbewohnern auf dem Kontinent – insgesamt rund 185 Millionen. Auf dieser untersten Ebene entsteht Urbanität, dringt die Stadt Straße für Straße in die ländlichen Gebiete vor und nimmt die umliegenden Gemeinden in sich auf.
Die Online-Datenplattform Africapolis verwendet auch den Maßstab der räumlichen Nähe von Städten, um die fortschreitende Verstädterung zu beschreiben: Betrug 1950 die durchschnittliche Entfernung zwischen Ballungsräumen noch 61 Kilometer, war diese bis 2015 bereits um 40 Kilometer geschrumpft.
“Kleine Städte sind die wichtigste Verbindung zwischen ländlichen und städtischen Gebieten”, heißt es in einer Studie von Africapolis. Diese Kleinstädte böten der Landbevölkerung die Möglichkeit, ihre Erzeugnisse auf Märkten zu verkaufen, hier hätte sie Zugang zu Gesundheitsdiensten, öffentlichen Dienstleistungen und Arbeitsplätzen.
Adaptiert aus dem Französischen von Philipp Sandner.