Griechenland-Wahl: Die Tradition der tollsten Versprechen
In Griechenland wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Vollmundige Versprechen haben eine lange Tradition im griechischen Wahlkampf, vor allem bei den mächtigen Polit-Dynastien des Landes. Ein Rückblick.
“Ein Wahlversprechen abgeben schadet nicht, ein Wahlversprechen umsetzen vielleicht schon”, mahnte Giorgos Papandreou, der erste Regierungschef im Griechenland der Nachkriegszeit und Gründer einer der einflussreichsten Polit-Clans des Landes. Schon früh erkannte der gewiefte Rhetoriker, dass man in der Athener Politik nur dann weiterkommt, wenn man den Wählern das Blaue vom Himmel verspricht. Daran haben sich auch die meisten seiner Nachfolger gehalten.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel: Vor der Parlamentswahl 2012, auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise, versprach der damalige Oppositionsführer Alexis Tsipras in einer viel beachteten Haushaltsrede, er werde das Spardiktat der internationalen Gläubiger an einem einzigen Tag mit einem einzigen Gesetz, ja sogar mit einem einzigen Paragraphen annullieren. Nach dem Motto: Sparmaßnahmen werden ab sofort verboten.
“Ein Wahlversprechen abgeben schadet nicht, ein Wahlversprechen umsetzen vielleicht schon”, mahnte Giorgos Papandreou, der erste Regierungschef im Griechenland der Nachkriegszeit und Gründer einer der einflussreichsten Polit-Clans des Landes. Schon früh erkannte der gewiefte Rhetoriker, dass man in der Athener Politik nur dann weiterkommt, wenn man den Wählern das Blaue vom Himmel verspricht. Daran haben sich auch die meisten seiner Nachfolger gehalten.
Bei seiner linken Stammwählerschaft sorgte die kämpferische Aussage für Begeisterung. Doch es kam ganz anders: Nach seinem Wahlsieg 2015 wurde der linke Premier Tsipras mit der finanzpolitischen Realität konfrontiert und musste neuen Überbrückungskrediten und Sparauflagen zustimmen. Im Parlament erklärte er daraufhin, Griechenland habe keine andere Wahl, als das vereinbarte Reformprogramm umzusetzen, alles andere führe in die Katastrophe.
Falsche Zahlen nach Brüssel gemeldet
Das bedeutet jedoch nicht, dass Tsipras für die Schuldenkrise auch verantwortlich war. Schließlich hatten vor seiner Amtszeit Konservative und Sozialisten das politische Leben in Hellas eine gefühlte Ewigkeit lang bestimmt und ständig neue Schulden angehäuft. Allein im Zeitraum 2004-2009 hatte der glücklos agierende konservative Premier Kostas Karamanlis, ein Neffe des früheren Regierungschefs Konstantinos Karamanlis, die Staatsschulden fast verdoppelt und dabei auch noch falsche Zahlen nach Brüssel gemeldet.
Spekulationen über einen Bankrott des Landes unter Karamanlis machten schon damals die Runde. Doch kurz vor der Parlamentswahl 2009 versicherte sein Finanzminister Giorgos Alogoskoufis, es bestehe kein Grund zur Sorge. Griechenland sei gut gewappnet gegen die internationale Finanzkrise. Auch dieses Wahlversprechen war nicht viel wert.
Rückenwind in den Meinungsumfragen spürte zu diesem Zeitpunkt der sozialistische Hoffnungsträger Giorgos Papandreou, Sohn und Enkel ehemaliger Regierungschefs. Auch er stellte soziale Wohltaten in Aussicht. Bereits in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit würde der Reichtum gerechter verteilt, hieß es im Wahlkampf. Auf die Frage eines Journalisten, wer das alles bezahlen solle, gab Papandreou ein Wahlversprechen ab, das in die Geschichte einging: “Lefta Yparchoun” – “Geld gibt es genug”.
Damit gewann er überraschend deutlich die absolute Mehrheit im Parlament. Doch die Wähler wurden wieder einmal enttäuscht. Denn kaum im Amt angekommen, verkündete der sozialistische Premier einen “Titanenkampf” gegen den drohenden Bankrott des Vaterlandes. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Papandreou bat den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die EU um finanziellen Beistand und verpflichtete sich im Gegenzug zu Sparmaßnahmen, die in den darauffolgenden Jahren die Wirtschaftsleistung Griechenlands um über 30 Prozent schrumpfen ließen.
Immer wieder geht es im griechischen Wahlkampf um Billigkredite oder Steuererleichterungen. Ein Klassiker in dieser Hinsicht ist das Versprechen des konservativen Oppositionsführers Konstantin Mitsotakis vor der Parlamentswahl 1985, er werde die Steuern und Zollgebühren beim Autokauf drastisch reduzieren, damit sich jede Familie einen neuen Wagen leisten kann. Dazu muss man wissen: In den 80er-Jahren hatte die sozialistische Athener Regierung Industrieprodukte aus dem Ausland massiv besteuert, um die heimische Industrie zu schützen und die Staatskasse aufzubessern. Das durfte sie auch, da der europäische Binnenmarkt noch nicht in Kraft getreten war. Zu diesem Zeitpunkt war etwa ein deutscher Mittelklassenwagen für viele Familien in Hellas ein unerreichbarer Traum.
Genau dort wollte der wirtschaftsliberale Politiker Konstantin Mitsotakis, Vater des heutigen Regierungschefs Kyriakos Mitsotakis, ansetzen und seine Partei für die hart arbeitende Mittelschicht wieder attraktiv machen. Doch die damals regierenden Sozialisten konterten mit einem Wahlkampfslogan, der vor allem die jungen Wähler mobilisierte: “Lieber Mofa fahren, als Mitsotakis wählen!” Aus der Wahl im Juni 1985 ging der sozialistische Regierungschef Andreas Papandreou als klarer Sieger hervor.
Ein Grund dafür war allerdings auch die Negativkampagne, eine Methode, die in diesem Wahlkampf erstmals einen Höhepunkt erreichte: Vier Wochen vor der Wahl publizierte das regierungsfreundliche Blatt Avriani ein Foto aus dem Zweiten Weltkrieg, das Mitsotakis als jungen Mann auf Kreta im freundlichen Beisammensein mit zwei deutschen Nazi-Offizieren zeigte. Ausgerechnet Mitsotakis, der am Widerstand beteiligt war und sogar in Gefangenschaft geriet.
Die Konservativen warfen dem Sozialisten-Chef Andreas Papandreou “Fälschung” und politische Verschwörung vor. Es half alles nichts. Erst im Jahr 2016 berichtete der Athener Investigativ-Journalist Kostas Vaxevanis, die Nazi-Vorwürfe gegen Mitsotakis seien frei erfunden und auf eine Intervention der Stasi zurückzuführen gewesen. Sämtliche griechische Medien halten diese Interpretation der Geschichte für glaubwürdig. Aber was hatte die Stasi mit den damals regierenden Sozialisten zu tun? Diese Frage bleibt bis heute offen.
“Ein Wahlversprechen abgeben schadet nicht, ein Wahlversprechen umsetzen vielleicht schon”, mahnte Giorgos Papandreou, der erste Regierungschef im Griechenland der Nachkriegszeit und Gründer einer der einflussreichsten Polit-Clans des Landes. Schon früh erkannte der gewiefte Rhetoriker, dass man in der Athener Politik nur dann weiterkommt, wenn man den Wählern das Blaue vom Himmel verspricht. Daran haben sich auch die meisten seiner Nachfolger gehalten.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel: Vor der Parlamentswahl 2012, auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise, versprach der damalige Oppositionsführer Alexis Tsipras in einer viel beachteten Haushaltsrede, er werde das Spardiktat der internationalen Gläubiger an einem einzigen Tag mit einem einzigen Gesetz, ja sogar mit einem einzigen Paragraphen annullieren. Nach dem Motto: Sparmaßnahmen werden ab sofort verboten.
Falsche Zahlen nach Brüssel gemeldet
Bei seiner linken Stammwählerschaft sorgte die kämpferische Aussage für Begeisterung. Doch es kam ganz anders: Nach seinem Wahlsieg 2015 wurde der linke Premier Tsipras mit der finanzpolitischen Realität konfrontiert und musste neuen Überbrückungskrediten und Sparauflagen zustimmen. Im Parlament erklärte er daraufhin, Griechenland habe keine andere Wahl, als das vereinbarte Reformprogramm umzusetzen, alles andere führe in die Katastrophe.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Tsipras für die Schuldenkrise auch verantwortlich war. Schließlich hatten vor seiner Amtszeit Konservative und Sozialisten das politische Leben in Hellas eine gefühlte Ewigkeit lang bestimmt und ständig neue Schulden angehäuft. Allein im Zeitraum 2004-2009 hatte der glücklos agierende konservative Premier Kostas Karamanlis, ein Neffe des früheren Regierungschefs Konstantinos Karamanlis, die Staatsschulden fast verdoppelt und dabei auch noch falsche Zahlen nach Brüssel gemeldet.
Spekulationen über einen Bankrott des Landes unter Karamanlis machten schon damals die Runde. Doch kurz vor der Parlamentswahl 2009 versicherte sein Finanzminister Giorgos Alogoskoufis, es bestehe kein Grund zur Sorge. Griechenland sei gut gewappnet gegen die internationale Finanzkrise. Auch dieses Wahlversprechen war nicht viel wert.
Rückenwind in den Meinungsumfragen spürte zu diesem Zeitpunkt der sozialistische Hoffnungsträger Giorgos Papandreou, Sohn und Enkel ehemaliger Regierungschefs. Auch er stellte soziale Wohltaten in Aussicht. Bereits in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit würde der Reichtum gerechter verteilt, hieß es im Wahlkampf. Auf die Frage eines Journalisten, wer das alles bezahlen solle, gab Papandreou ein Wahlversprechen ab, das in die Geschichte einging: “Lefta Yparchoun” – “Geld gibt es genug”.
“Geld gibt es genug”
Damit gewann er überraschend deutlich die absolute Mehrheit im Parlament. Doch die Wähler wurden wieder einmal enttäuscht. Denn kaum im Amt angekommen, verkündete der sozialistische Premier einen “Titanenkampf” gegen den drohenden Bankrott des Vaterlandes. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Papandreou bat den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die EU um finanziellen Beistand und verpflichtete sich im Gegenzug zu Sparmaßnahmen, die in den darauffolgenden Jahren die Wirtschaftsleistung Griechenlands um über 30 Prozent schrumpfen ließen.
“Billige Autos für alle”
Immer wieder geht es im griechischen Wahlkampf um Billigkredite oder Steuererleichterungen. Ein Klassiker in dieser Hinsicht ist das Versprechen des konservativen Oppositionsführers Konstantin Mitsotakis vor der Parlamentswahl 1985, er werde die Steuern und Zollgebühren beim Autokauf drastisch reduzieren, damit sich jede Familie einen neuen Wagen leisten kann. Dazu muss man wissen: In den 80er-Jahren hatte die sozialistische Athener Regierung Industrieprodukte aus dem Ausland massiv besteuert, um die heimische Industrie zu schützen und die Staatskasse aufzubessern. Das durfte sie auch, da der europäische Binnenmarkt noch nicht in Kraft getreten war. Zu diesem Zeitpunkt war etwa ein deutscher Mittelklassenwagen für viele Familien in Hellas ein unerreichbarer Traum.
Genau dort wollte der wirtschaftsliberale Politiker Konstantin Mitsotakis, Vater des heutigen Regierungschefs Kyriakos Mitsotakis, ansetzen und seine Partei für die hart arbeitende Mittelschicht wieder attraktiv machen. Doch die damals regierenden Sozialisten konterten mit einem Wahlkampfslogan, der vor allem die jungen Wähler mobilisierte: “Lieber Mofa fahren, als Mitsotakis wählen!” Aus der Wahl im Juni 1985 ging der sozialistische Regierungschef Andreas Papandreou als klarer Sieger hervor.
Ein Grund dafür war allerdings auch die Negativkampagne, eine Methode, die in diesem Wahlkampf erstmals einen Höhepunkt erreichte: Vier Wochen vor der Wahl publizierte das regierungsfreundliche Blatt Avriani ein Foto aus dem Zweiten Weltkrieg, das Mitsotakis als jungen Mann auf Kreta im freundlichen Beisammensein mit zwei deutschen Nazi-Offizieren zeigte. Ausgerechnet Mitsotakis, der am Widerstand beteiligt war und sogar in Gefangenschaft geriet.
Fälschung der Stasi?
Die Konservativen warfen dem Sozialisten-Chef Andreas Papandreou “Fälschung” und politische Verschwörung vor. Es half alles nichts. Erst im Jahr 2016 berichtete der Athener Investigativ-Journalist Kostas Vaxevanis, die Nazi-Vorwürfe gegen Mitsotakis seien frei erfunden und auf eine Intervention der Stasi zurückzuführen gewesen. Sämtliche griechische Medien halten diese Interpretation der Geschichte für glaubwürdig. Aber was hatte die Stasi mit den damals regierenden Sozialisten zu tun? Diese Frage bleibt bis heute offen.