160 Jahre SPD – (K)ein Grund zum Feiern
Die SPD führt die Bundesregierung an, stellt mit Olaf Scholz den Kanzler. Trotzdem ist die Stimmung schlecht. In den Umfragen ist sie abgestürzt. In der Koalition mit Grünen und FDP läuft es nicht rund.
Grund zum Feiern – in der SPD-Zentrale in Berlin gibt es das nicht mehr allzu häufig. Umso mehr wird jede Erfolgsmeldung geschätzt. “Das ist ein schöner Abend für uns heute. Wir sind saustolz auf die SPD in Bremen und in Bremerhaven”, freute sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, nachdem die Sozialdemokraten am 14. Mai die Bürgerschaftswahl in dem norddeutschen Stadtstaat gewonnen hatten.
Selbstverständlich war das nicht. Es hatte beinahe etwas Beschwörendes, als SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte zum Abschluss des Wahlkampfes “Stand by me” sang, die musikalische Aufforderung an die Wähler, ihm beizustehen. SPD-Chef Lars Klingbeil, der aus Berlin zur Verstärkung angereist war, unterstützte ihn auf der Gitarre. Am Ende fuhr die SPD mit 29,8 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis in mehr als 70 Jahren in Bremen ein.
Grund zum Feiern – in der SPD-Zentrale in Berlin gibt es das nicht mehr allzu häufig. Umso mehr wird jede Erfolgsmeldung geschätzt. “Das ist ein schöner Abend für uns heute. Wir sind saustolz auf die SPD in Bremen und in Bremerhaven”, freute sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, nachdem die Sozialdemokraten am 14. Mai die Bürgerschaftswahl in dem norddeutschen Stadtstaat gewonnen hatten.
In Berlin wollen sie nun von Bremen lernen. Man werde einen genauen Blick darauf werfen, wie der Sieg gelungen sei, sagte Generalsekretär Kühnert. Die Bundes-SPD kann von dem Bremer Ergebnis nur träumen. Während die CDU/CSU in Umfragen bei über 30 Prozent liegt, dümpelt die SPD zwischen 17 und 19 Prozent und konkurriert mit den Grünen und der rechten AfD um den zweiten Platz im Parteienspektrum. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hatte eine Kanzlerpartei so niedrige Zustimmungswerte.
Kanzlerpartei im Sinkflug
Haben Olaf Scholz und die SPD die Bundestagswahl im September 2021 nur gewonnen, weil der CDU-Kanzlerkandidat im Wahlkampf zu viele Fehler machte und zu schwach war?
Ein Blick auf die Umfragen im Wahljahr und danach zeigt, dass sich die Sozialdemokraten vor der Bundestagswahl enorm steigern konnten. Von 16 Prozent im Juli 2021 auf knapp 26 Prozent im September. Der Höhenflug währte bis ins Frühjahr 2022, seitdem sind die Zahlen wieder unten. Bitter für die SPD: Politikwissenschaftler sprechen von einer Volkspartei, wenn sie mindestens 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinen kann.
Das von der SPD bejubelte “Comeback der Sozialdemokratie”, ist es schon wieder Geschichte? Wie schon vor der Bundestagswahl gehen die Mitgliederzahlen weiter zurück, und selbst in den Großstädten, in denen die SPD früher viel Rückhalt hatte, verliert sie. Jüngstes Beispiel: das Bundesland Berlin. In dem Stadtstaat übernahm gerade die CDU nach 22 Jahren sozialdemokratischer Regierung wieder das Rathaus.
Richtig mies sieht es im Osten Deutschlands aus. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind die Zustimmungswerte der SPD in Umfragen einstellig.
In dieses Stimmungstief fällt der 160. Geburtstag der SPD. Die älteste noch bestehende Partei in Deutschland feiert sich drei Tage lang mit Reden, Podien, Ausstellungen und Preisverleihungen. Eine willkommene Gelegenheit, um Luft zu holen, Kraft zu tanken und auch ein Anlass, um innerhalb der Regierungskoalition wieder sichtbarer zu werden. Das Motto der Feierlichkeiten im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale in Berlin: “Fortschritt braucht Gerechtigkeit”.
Die soziale Frage ist so etwas wie die Kernkompetenz der SPD. Doch sie wird de facto überlagert vom Krieg in der Ukraine und seinen Folgen. Der SPD-Kanzler ist vor allem mit Außenpolitik beschäftigt, die SPD-Innenministerin mit der Migration, der SPD-Arbeitsminister kämpft mit einem Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Vom zentralen Wahlversprechen der SPD, jährlich 400.000 Wohnungen bauen zu lassen, ist angesichts der Inflation und der angespannten Lage auf dem Baumarkt keine Rede mehr.
Die SPD wirkt in der Ampel-Koalition mit den Grünen und der FDP eher blass und profillos. Die Schlagzeilen werden vom Streit zwischen den Liberalen und den Grünen beim Klimaschutz dominiert. Das von den Grünen vorangetriebene Aus für Öl- und Gasheizungen ab 2024 macht vielen Menschen Angst und treibt der Opposition die Wähler zu.
Wegen der Inflation sind die Lebenshaltungskosten ohnehin deutlich gestiegen, wer keine finanziellen Rücklagen hat, kommt immer schwerer über die Runden. Die SPD will beim Gebäudeenergiegesetz nun sichtbar auf die Bremse treten. Der Klimaschutz sei zwar wichtig, der Preis dürfe die Bürger aber nicht überfordern, heißt es. Es müsse nachgebessert werden, Lösungen müssten “technisch machbar und sozial darstellbar” sein, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil.
Wenn sich nun auch die SPD in der Ampel stärker profilieren will, dürfte das in der Koalition für noch mehr Spannungen sorgen. Eine streitende Regierung kommt bei den Wählern allerdings nie gut an. In der SPD-Zentrale muss das beunruhigen. Schlechte Perfomance – das zeigt die Parteigeschichte – führte bei den Sozialdemokraten oft genug zu innerparteilichem Streit bis hin zur Selbstzerfleischung. Darüber stürzten sogar SPD-Chefs, die die Partei eigentlich liebte.
Schon jetzt wächst in der SPD die Unzufriedenheit. Es rumort vor allem im starken linken Parteiflügel, der schon immer äußerst streitbar war. 2019 verhinderte der linke Flügel, dass der eher im rechten sozialdemokratischen Spektrum verankerte Olaf Scholz Parteivorsitzender wurde. Seit Scholz Kanzler ist, hält sich der linke Flügel still und beugt sich der Parteidisziplin.
Scholz war in der SPD nie besonders beliebt, wird als Kanzler aber respektiert und geschätzt. Ein Wohlwollen, das jedoch an Erfolge geknüpft ist. Die Partei steht nur so lange hinter ihm, wie er sie liefern kann. In dieser Situation könnte es tatsächlich hilfreich sein, den Wahlsieg der SPD in Bremen genauer anzuschauen. In dem Stadtstaat überzeugte ein Sozialdemokrat mit Bodenständigkeit, Nahbarkeit und Beliebtheit.
Der Persönlichkeitsfaktor wird immer wichtiger bei Wahlentscheidungen, das haben auch andere Landtagswahlen in den letzten Jahren gezeigt. Olaf Scholz hat in diesem Punkt eher wenig zu bieten. Er wirkt oft spröde, wird als emotionslos und unnahbar wahrgenommen. Von Bremen lernen, das könnte also schwierig werden.
Grund zum Feiern – in der SPD-Zentrale in Berlin gibt es das nicht mehr allzu häufig. Umso mehr wird jede Erfolgsmeldung geschätzt. “Das ist ein schöner Abend für uns heute. Wir sind saustolz auf die SPD in Bremen und in Bremerhaven”, freute sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, nachdem die Sozialdemokraten am 14. Mai die Bürgerschaftswahl in dem norddeutschen Stadtstaat gewonnen hatten.
Selbstverständlich war das nicht. Es hatte beinahe etwas Beschwörendes, als SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte zum Abschluss des Wahlkampfes “Stand by me” sang, die musikalische Aufforderung an die Wähler, ihm beizustehen. SPD-Chef Lars Klingbeil, der aus Berlin zur Verstärkung angereist war, unterstützte ihn auf der Gitarre. Am Ende fuhr die SPD mit 29,8 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis in mehr als 70 Jahren in Bremen ein.
Kanzlerpartei im Sinkflug
In Berlin wollen sie nun von Bremen lernen. Man werde einen genauen Blick darauf werfen, wie der Sieg gelungen sei, sagte Generalsekretär Kühnert. Die Bundes-SPD kann von dem Bremer Ergebnis nur träumen. Während die CDU/CSU in Umfragen bei über 30 Prozent liegt, dümpelt die SPD zwischen 17 und 19 Prozent und konkurriert mit den Grünen und der rechten AfD um den zweiten Platz im Parteienspektrum. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hatte eine Kanzlerpartei so niedrige Zustimmungswerte.
Haben Olaf Scholz und die SPD die Bundestagswahl im September 2021 nur gewonnen, weil der CDU-Kanzlerkandidat im Wahlkampf zu viele Fehler machte und zu schwach war?
Ein Blick auf die Umfragen im Wahljahr und danach zeigt, dass sich die Sozialdemokraten vor der Bundestagswahl enorm steigern konnten. Von 16 Prozent im Juli 2021 auf knapp 26 Prozent im September. Der Höhenflug währte bis ins Frühjahr 2022, seitdem sind die Zahlen wieder unten. Bitter für die SPD: Politikwissenschaftler sprechen von einer Volkspartei, wenn sie mindestens 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinen kann.
Das von der SPD bejubelte “Comeback der Sozialdemokratie”, ist es schon wieder Geschichte? Wie schon vor der Bundestagswahl gehen die Mitgliederzahlen weiter zurück, und selbst in den Großstädten, in denen die SPD früher viel Rückhalt hatte, verliert sie. Jüngstes Beispiel: das Bundesland Berlin. In dem Stadtstaat übernahm gerade die CDU nach 22 Jahren sozialdemokratischer Regierung wieder das Rathaus.
Kurzer Höhenflug
Richtig mies sieht es im Osten Deutschlands aus. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind die Zustimmungswerte der SPD in Umfragen einstellig.
Rückbesinnung auf Soziales
In dieses Stimmungstief fällt der 160. Geburtstag der SPD. Die älteste noch bestehende Partei in Deutschland feiert sich drei Tage lang mit Reden, Podien, Ausstellungen und Preisverleihungen. Eine willkommene Gelegenheit, um Luft zu holen, Kraft zu tanken und auch ein Anlass, um innerhalb der Regierungskoalition wieder sichtbarer zu werden. Das Motto der Feierlichkeiten im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale in Berlin: “Fortschritt braucht Gerechtigkeit”.
Die soziale Frage ist so etwas wie die Kernkompetenz der SPD. Doch sie wird de facto überlagert vom Krieg in der Ukraine und seinen Folgen. Der SPD-Kanzler ist vor allem mit Außenpolitik beschäftigt, die SPD-Innenministerin mit der Migration, der SPD-Arbeitsminister kämpft mit einem Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Vom zentralen Wahlversprechen der SPD, jährlich 400.000 Wohnungen bauen zu lassen, ist angesichts der Inflation und der angespannten Lage auf dem Baumarkt keine Rede mehr.
Die SPD wirkt in der Ampel-Koalition mit den Grünen und der FDP eher blass und profillos. Die Schlagzeilen werden vom Streit zwischen den Liberalen und den Grünen beim Klimaschutz dominiert. Das von den Grünen vorangetriebene Aus für Öl- und Gasheizungen ab 2024 macht vielen Menschen Angst und treibt der Opposition die Wähler zu.
Die Ampel streitet
Wegen der Inflation sind die Lebenshaltungskosten ohnehin deutlich gestiegen, wer keine finanziellen Rücklagen hat, kommt immer schwerer über die Runden. Die SPD will beim Gebäudeenergiegesetz nun sichtbar auf die Bremse treten. Der Klimaschutz sei zwar wichtig, der Preis dürfe die Bürger aber nicht überfordern, heißt es. Es müsse nachgebessert werden, Lösungen müssten “technisch machbar und sozial darstellbar” sein, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil.
Wenn sich nun auch die SPD in der Ampel stärker profilieren will, dürfte das in der Koalition für noch mehr Spannungen sorgen. Eine streitende Regierung kommt bei den Wählern allerdings nie gut an. In der SPD-Zentrale muss das beunruhigen. Schlechte Perfomance – das zeigt die Parteigeschichte – führte bei den Sozialdemokraten oft genug zu innerparteilichem Streit bis hin zur Selbstzerfleischung. Darüber stürzten sogar SPD-Chefs, die die Partei eigentlich liebte.
In der SPD rumort es
Schon jetzt wächst in der SPD die Unzufriedenheit. Es rumort vor allem im starken linken Parteiflügel, der schon immer äußerst streitbar war. 2019 verhinderte der linke Flügel, dass der eher im rechten sozialdemokratischen Spektrum verankerte Olaf Scholz Parteivorsitzender wurde. Seit Scholz Kanzler ist, hält sich der linke Flügel still und beugt sich der Parteidisziplin.
Persönlichkeit wird immer wichtiger
Scholz war in der SPD nie besonders beliebt, wird als Kanzler aber respektiert und geschätzt. Ein Wohlwollen, das jedoch an Erfolge geknüpft ist. Die Partei steht nur so lange hinter ihm, wie er sie liefern kann. In dieser Situation könnte es tatsächlich hilfreich sein, den Wahlsieg der SPD in Bremen genauer anzuschauen. In dem Stadtstaat überzeugte ein Sozialdemokrat mit Bodenständigkeit, Nahbarkeit und Beliebtheit.
Der Persönlichkeitsfaktor wird immer wichtiger bei Wahlentscheidungen, das haben auch andere Landtagswahlen in den letzten Jahren gezeigt. Olaf Scholz hat in diesem Punkt eher wenig zu bieten. Er wirkt oft spröde, wird als emotionslos und unnahbar wahrgenommen. Von Bremen lernen, das könnte also schwierig werden.