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Griechenland: Nach der Wahl ist vor der Wahl

Der haushohe Sieger der Wahl in Griechenland ist Premier Mitsotakis mit seiner Partei Nea Dimokratia – trotz lediglich mäßiger Regierungserfolge. Warum strebt er dennoch einen neuen Urnengang an?

Gerade hat Griechenland gewählt – und steht schon vor einer neuen Wahl. Zwar ist der große und eindeutige Sieger der Parlamentswahl vom Sonntag (21.05.2023) der konservative Premierminister Kyriakos Mitsotakis mit seiner Partei Nea Dimokratia (ND) – sie kam auf 40,8 Prozent und 146 Sitze im Parlament. Doch das reicht nicht für die absolute Mehrheit, für die 151 Sitze notwendig wären. Und deshalb strebt der Wahlsieger Mitsotakis nun eine möglichst schnelle Neuwahl an. Denn die nächsten Wahlen finden nach einem neuen Wahlsystem statt, durch das die Gewinner-Partei bis zu 50 Bonus-Sitze bekommen kann.

Kein Wunder, dass Mitsotakis einen zweiten Urnengang möglichst sofort anstrebt. Bereits am Tag nach der Wahl teilte er der griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou seine Absicht mit, keine Sondierungsgespräche mit anderen Parteien führen zu wollen. Er bat sie vielmehr, die verfassungsmäßig vorgeschriebene Frist für eine Neuwahl zu verkürzen, so dass diese bereits am 25. Juni stattfinden kann.

Gerade hat Griechenland gewählt – und steht schon vor einer neuen Wahl. Zwar ist der große und eindeutige Sieger der Parlamentswahl vom Sonntag (21.05.2023) der konservative Premierminister Kyriakos Mitsotakis mit seiner Partei Nea Dimokratia (ND) – sie kam auf 40,8 Prozent und 146 Sitze im Parlament. Doch das reicht nicht für die absolute Mehrheit, für die 151 Sitze notwendig wären. Und deshalb strebt der Wahlsieger Mitsotakis nun eine möglichst schnelle Neuwahl an. Denn die nächsten Wahlen finden nach einem neuen Wahlsystem statt, durch das die Gewinner-Partei bis zu 50 Bonus-Sitze bekommen kann.

Mitsotakis sprach noch am Wahlabend von einem “politischen Erdbeben”. Nicht zu Unrecht. Obwohl seine Regierung in den vergangenen vier Jahren lediglich mäßig gute Arbeit leistete, konnte Nea Dimokratia einen Stimmengewinn verbuchen. Die Wähler ignorierten das verheerende Zugunglück in Tempi Anfang März 2023 sowie den seit einem Jahr andauernden Abhörskandal und belohnten die “Stabilität”, die ND ihnen versprochen hatte.

“Stabilität oder Chaos”

Dagegen bestraften sie die Unklarheit und die vagen Botschaften von Syriza, der größten Oppositionspartei, hart. Statt der erhofften mehr als 30 Prozent kam die linke Syriza nur auf 20 Prozent – knapp 12 Prozent weniger als 2019. Der Vorsitzende des linken Syriza-Bündnisses, Alexis Tsipras, konnte die Wähler nicht davon überzeugen, dass er eine “Koalition der progressiven Kräfte” schmieden würde, da weder die sozialdemokratische PASOK noch die kleineren linken Parteien mit Syriza regieren wollen.

Andererseits konnte Nea Dimokratia – auch mit Hilfe der extrem regierungsfreundlichen Medien – die Bürger davon überzeugen, dass Syriza für “Chaos” stehe. Das Dilemma der Wahl vermittelte Mitsotakis der Öffentlichkeit fast wie ein Ultimatum: “Stabilität oder Chaos”. Und er hatte Erfolg damit. “Die Bürger wollen eine starke Regierung mit einem Horizont von vier Jahren”, lautete die Erklärung des Premiers für seinen unerwartet hohen Sieg am Tag danach.

Die Erklärung des Athener Unternehmensberaters Vassilis Sakas für das Wahlergebnis lautet, dass die Bürger den ihrer Meinung nach weniger schlechten Polit-Manager gewählt haben: “Die Menschen haben den Politikern gesagt, lasst uns in Ruhe und tut eure Arbeit, am liebsten ohne Experimente”, sagt er der DW.

Die griechischen Demoskopen erkannten diese Stimmung nicht und lagen deshalb in ihren Voraussagen so krass falsch wie selten zuvor in den vergangenen Jahren. Für die Nea Dimokratia prognostizierten sie einen Vorsprung von vier bis maximal sieben Prozentpunkten vor Syriza, tatsächlich waren es am Ende mehr als 20 Prozent. “Wir waren alle blind und konnten nicht erkennen, was hinter der Stummheit der Bürgerinnen und Bürger steckte”, sagt Nikos Maratzidis, Professor der Politikwissenschaften an der Universität Makedonia in Thessaloniki, der selbst ein erfahrener Demoskop ist. Am blindesten jedoch seien die Politiker selbst gewesen, so Maratzidis zur DW, denn sie hätten nicht gemerkt, ob und wie ihre Botschaften beim Wahlvolk ankämen.

Maratzidis ist davon überzeugt, dass die Rechten in Griechenland in den kommenden Jahren praktisch ohne Gegner regieren werden. “Die Opposition links vom Zentrum ist fragmentiert und wird es auch längerfristig bleiben”, sagt er. Addiert man die Wahlergebnisse von Syriza (20 Prozent), der sozialdemokratischen PASOK (11,4), der kommunistischen KKE (7,3) und der linksradikalen DiEM 25 von Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis (2,6) – der es aber nicht ins Parlament schaffte -, bekommt man keine Mehrheit. Aber nicht nur das: Syriza und PASOK werden auf der Oppositionsbank künftig eher gegeneinander kämpfen als zusammenzuarbeiten.

Obwohl die Wahlen in Griechenland immer gut für eine Überraschung sind, ist schon jetzt klar, dass Nea Dimokratia bei der kommenden Wahl im Juni siegen und höchstwahrscheinlich eine bequeme Regierungsmehrheit bekommen wird. Syriza hingegen dürfte versuchen, nicht zu zerfallen und ihren Absturz zu stoppen. PASOK wiederum möchte ihre einstige Stärke zurückgewinnen und strebt an, auf Platz zwei vor Syriza zu landen. Beide Vorhaben sind im Augenblick ergebnisoffen.

Interessant verspricht der Kampf dreier kleinerer Parteien zu werden, die den Einzug ins Parlament diesmal knapp verpasst haben, doch noch über die Drei-Prozent-Hürde zu springen. Es geht um die linksradikale DiEM 25, die politisch undurchsichtige Plefsi Eleftherias (Kurs der Freiheit) und die rechtsradikale und eher Klerus-freundliche Niki. Aber ihr potentieller Erfolg wird die absolute Mehrheit der ND nicht gefährden.

Es ist zu erwarten, dass Nea Dimokratia in den kommenden vier Jahren ohne eine starke Opposition regieren kann. Eine Konstellation, die nach Meinung des Politikwissenschaftlers Maratzidis nicht gut für die Qualität der griechischen Demokratie sei. Maratzidis mag nicht vergessen, wie vehement die Regierung Mitsotakis die Abhöraffäre zu vertuschen versuchte. Bislang machte lediglich die zuständige Untersuchungskommission des Europaparlaments Druck für eine Aufklärung. Eine neu gewählte ND-Regierung wird diesen Druck noch erfolgreicher ignorieren.

Griechenland, Athen | Parlamentswahlen | Stimmabgabe von Kyriakos Mitsotakis
Griechenland, Athen | Parlamentswahlen | Stimmabgabe von Alexis Tsipras
Griechenland Wahlkampf | Partei MERA25 Yanis Varoufakis

Gerade hat Griechenland gewählt – und steht schon vor einer neuen Wahl. Zwar ist der große und eindeutige Sieger der Parlamentswahl vom Sonntag (21.05.2023) der konservative Premierminister Kyriakos Mitsotakis mit seiner Partei Nea Dimokratia (ND) – sie kam auf 40,8 Prozent und 146 Sitze im Parlament. Doch das reicht nicht für die absolute Mehrheit, für die 151 Sitze notwendig wären. Und deshalb strebt der Wahlsieger Mitsotakis nun eine möglichst schnelle Neuwahl an. Denn die nächsten Wahlen finden nach einem neuen Wahlsystem statt, durch das die Gewinner-Partei bis zu 50 Bonus-Sitze bekommen kann.

Kein Wunder, dass Mitsotakis einen zweiten Urnengang möglichst sofort anstrebt. Bereits am Tag nach der Wahl teilte er der griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou seine Absicht mit, keine Sondierungsgespräche mit anderen Parteien führen zu wollen. Er bat sie vielmehr, die verfassungsmäßig vorgeschriebene Frist für eine Neuwahl zu verkürzen, so dass diese bereits am 25. Juni stattfinden kann.

“Stabilität oder Chaos”

Mitsotakis sprach noch am Wahlabend von einem “politischen Erdbeben”. Nicht zu Unrecht. Obwohl seine Regierung in den vergangenen vier Jahren lediglich mäßig gute Arbeit leistete, konnte Nea Dimokratia einen Stimmengewinn verbuchen. Die Wähler ignorierten das verheerende Zugunglück in Tempi Anfang März 2023 sowie den seit einem Jahr andauernden Abhörskandal und belohnten die “Stabilität”, die ND ihnen versprochen hatte.

Dagegen bestraften sie die Unklarheit und die vagen Botschaften von Syriza, der größten Oppositionspartei, hart. Statt der erhofften mehr als 30 Prozent kam die linke Syriza nur auf 20 Prozent – knapp 12 Prozent weniger als 2019. Der Vorsitzende des linken Syriza-Bündnisses, Alexis Tsipras, konnte die Wähler nicht davon überzeugen, dass er eine “Koalition der progressiven Kräfte” schmieden würde, da weder die sozialdemokratische PASOK noch die kleineren linken Parteien mit Syriza regieren wollen.

Andererseits konnte Nea Dimokratia – auch mit Hilfe der extrem regierungsfreundlichen Medien – die Bürger davon überzeugen, dass Syriza für “Chaos” stehe. Das Dilemma der Wahl vermittelte Mitsotakis der Öffentlichkeit fast wie ein Ultimatum: “Stabilität oder Chaos”. Und er hatte Erfolg damit. “Die Bürger wollen eine starke Regierung mit einem Horizont von vier Jahren”, lautete die Erklärung des Premiers für seinen unerwartet hohen Sieg am Tag danach.

Die Erklärung des Athener Unternehmensberaters Vassilis Sakas für das Wahlergebnis lautet, dass die Bürger den ihrer Meinung nach weniger schlechten Polit-Manager gewählt haben: “Die Menschen haben den Politikern gesagt, lasst uns in Ruhe und tut eure Arbeit, am liebsten ohne Experimente”, sagt er der DW.

Die Niederlage der Demoskopen

Die griechischen Demoskopen erkannten diese Stimmung nicht und lagen deshalb in ihren Voraussagen so krass falsch wie selten zuvor in den vergangenen Jahren. Für die Nea Dimokratia prognostizierten sie einen Vorsprung von vier bis maximal sieben Prozentpunkten vor Syriza, tatsächlich waren es am Ende mehr als 20 Prozent. “Wir waren alle blind und konnten nicht erkennen, was hinter der Stummheit der Bürgerinnen und Bürger steckte”, sagt Nikos Maratzidis, Professor der Politikwissenschaften an der Universität Makedonia in Thessaloniki, der selbst ein erfahrener Demoskop ist. Am blindesten jedoch seien die Politiker selbst gewesen, so Maratzidis zur DW, denn sie hätten nicht gemerkt, ob und wie ihre Botschaften beim Wahlvolk ankämen.

Auf der Oppositionsbank gegeneinander

Maratzidis ist davon überzeugt, dass die Rechten in Griechenland in den kommenden Jahren praktisch ohne Gegner regieren werden. “Die Opposition links vom Zentrum ist fragmentiert und wird es auch längerfristig bleiben”, sagt er. Addiert man die Wahlergebnisse von Syriza (20 Prozent), der sozialdemokratischen PASOK (11,4), der kommunistischen KKE (7,3) und der linksradikalen DiEM 25 von Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis (2,6) – der es aber nicht ins Parlament schaffte -, bekommt man keine Mehrheit. Aber nicht nur das: Syriza und PASOK werden auf der Oppositionsbank künftig eher gegeneinander kämpfen als zusammenzuarbeiten.

Obwohl die Wahlen in Griechenland immer gut für eine Überraschung sind, ist schon jetzt klar, dass Nea Dimokratia bei der kommenden Wahl im Juni siegen und höchstwahrscheinlich eine bequeme Regierungsmehrheit bekommen wird. Syriza hingegen dürfte versuchen, nicht zu zerfallen und ihren Absturz zu stoppen. PASOK wiederum möchte ihre einstige Stärke zurückgewinnen und strebt an, auf Platz zwei vor Syriza zu landen. Beide Vorhaben sind im Augenblick ergebnisoffen.

Interessant verspricht der Kampf dreier kleinerer Parteien zu werden, die den Einzug ins Parlament diesmal knapp verpasst haben, doch noch über die Drei-Prozent-Hürde zu springen. Es geht um die linksradikale DiEM 25, die politisch undurchsichtige Plefsi Eleftherias (Kurs der Freiheit) und die rechtsradikale und eher Klerus-freundliche Niki. Aber ihr potentieller Erfolg wird die absolute Mehrheit der ND nicht gefährden.

Schlecht für die Demokratie

Es ist zu erwarten, dass Nea Dimokratia in den kommenden vier Jahren ohne eine starke Opposition regieren kann. Eine Konstellation, die nach Meinung des Politikwissenschaftlers Maratzidis nicht gut für die Qualität der griechischen Demokratie sei. Maratzidis mag nicht vergessen, wie vehement die Regierung Mitsotakis die Abhöraffäre zu vertuschen versuchte. Bislang machte lediglich die zuständige Untersuchungskommission des Europaparlaments Druck für eine Aufklärung. Eine neu gewählte ND-Regierung wird diesen Druck noch erfolgreicher ignorieren.

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