Steinmeier in Rumänien: Achse Berlin-Bukarest?
Rumänien war ein Land an der Peripherie der EU und der NATO. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat das radikal geändert. Besonders durch die Kooperation mit Deutschland rückt es ins Zentrum der Geopolitik.
Rumänien hat in der deutschen Öffentlichkeit noch immer das Image eines Schmuddelkindes am Südostrand der EU. Ein wirtschaftlich kriselndes, politisch dauerinstabiles und recht korruptes Land, das viele “Sozialtouristen” produziert – so haben manche Politiker in Deutschland in der Vergangenheit abwertend Migranten aus Rumänien und anderen ärmeren Ländern genannt.
Die deutsche Politik hat sich in den vergangenen Jahren nicht sonderlich um Rumänien gekümmert. Dass die Züge im Karpatenland pünktlicher und die Internetverbindungen besser sind als in Deutschland, zehntausende gut ausgebildete Ärzte und Ingenieure aus Rumänien das deutsche BIP bereichern oder das siebenbürgische Klausenburg eine der angesagtesten IT-Metropolen Europas ist – Insiderwissen.
Rumänien hat in der deutschen Öffentlichkeit noch immer das Image eines Schmuddelkindes am Südostrand der EU. Ein wirtschaftlich kriselndes, politisch dauerinstabiles und recht korruptes Land, das viele “Sozialtouristen” produziert – so haben manche Politiker in Deutschland in der Vergangenheit abwertend Migranten aus Rumänien und anderen ärmeren Ländern genannt.
Doch Russlands verheerender und brutaler Vernichtungskrieg gegen die Ukraine hat vieles geändert – auch Rumäniens Image und Rolle. Es ist inzwischen zu einem Schlüsselpartner in der EU und der NATO und dabei vor allem für Deutschland geworden. Denn es liegt in der vielleicht sensibelsten Nachbarregion der Ukraine – in direkter Nachbarschaft der Republik Moldau, dem nächsten Wunschangriffsziel Russlands, nur wenige Dutzend Kilometer entfernt von der ukrainischen Hafenstadt Odessa, die vom Schwarzen Meer her immer wieder von Russland bombardiert wird.
Strategische Zusammenarbeit
Und: Gemeinsam mit Polen zählt Rumänien zu den wichtigsten und stärksten Unterstützern der Ukraine in Europa – wenngleich Bukarest weitaus leisere Töne anschlägt als Warschau und militärische und andere Hilfe im Stillen und nahezu völlig abgeschirmt von der Öffentlichkeit leistet.
Dies ist der Hintergrund, warum sich deutsche Spitzenpolitiker in Bukarest zurzeit fast die Klinke in die Hand geben. Vor kurzem war Bundeskanzler Olaf Scholz in Bukarest, unter anderem zu einem deutsch-moldauisch-rumänischen Dreiergipfel. Nun ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem mehrtägigen Staatsbesuch nach Rumänien gereist. Er führt in Bukarest politische Spitzengespräche, unter anderem mit dem rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis, reist ins siebenbürgische Hermannstadt (Sibiu), um die dortige sächsisch-rumänische Lebensvielfalt kennenzulernen und wird im westrumänischen Temeswar (Timisoara), der europäischen Kulturhauptstadt 2023, unter anderem die Rolle der Stadt als Ausgangspunkt für den blutigen Aufstand gegen den Diktator Nicolae Ceausescu im Dezember 1989 würdigen.
Im Hintergrund des Besuchs dürfte es in der Hauptsache um die zukünftige strategische Zusammenarbeit beider Länder und dabei ganz wesentlich um die Unterstützung für die Ukraine und die Republik Moldau gehen. Noch scheint es verfrüht, von einer Achse Berlin-Bukarest zu sprechen, doch die Voraussetzungen dafür sind günstig. Politische Differenzen wie mit Polen und Ungarn bestehen nicht, die deutsche Wirtschaft ist in Rumänien sehr stark vertreten. Und: Trotz vieler und auch aktueller innenpolitischer Krisenmomente stellt kein politischer Entscheidungsträger im Land die Solidarität mit der Ukraine und die Verankerung in EU und NATO in Frage.
Im April kündigte das deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall an, im nordrumänischen Satu Mare eine Fabrik zur Reparatur von Leopard-Panzern zu eröffnen. Zuvor hatte Jens Plötner, der Sicherheitsberater von Bundeskanzler Olaf Scholz, mit hochrangigen rumänischen Regierungsvertretern über die “Entwicklung neuer Technologien in der Verteidigungsindustrie” verhandelt. Nach verschiedenen Medienberichten will Deutschland auch dabei helfen, rumänische Rüstungsbetriebe aus der Zeit des Kalten Krieges zu modernisieren, um Haubitzen nach NATO-Standard und Geschosse nach sowjetischem Vorbild herzustellen, die von den Ukrainern verwendet werden.
Die Entwicklungen in der Rüstungsindustrie kommen nicht von ungefähr, denn Deutschland ist seit langem der wichtigste Wirtschaftspartner Rumäniens: Die deutschen Investitionen beliefen sich im Jahr 2021 auf 12,5 Milliarden Euro, während das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern im vergangenen Jahr 33 Milliarden Euro erreichte – mit Einfuhren aus Rumänien in Höhe von 15 Milliarden Euro und deutschen Ausfuhren nach Rumänien von rund 18 Milliarden Euro. Mehr als 23.000 deutsche Firmen haben in Rumänien rund 300.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, wobei auch Programme zur Finanzierung der beruflichen Bildung zum Einsatz kommen. Die rumänische Botschafterin in Berlin, Adriana Stanescu, ist der Auffassung, dass “Rumänien sich zu einem sicheren strategischen Investitions- und Geschäftsstandort für Deutschland entwickelt”.
Seit dem Sturz der Ceausescu-Diktatur im Dezember 1989 haben Rumäniens politische Eliten konstant fast ausnahmslos auf die USA als strategischen Partner gesetzt. Manifestiert hat sich das vor allem in dem Umstand, dass die Vereinigten Staaten militärische sehr präsent sind und im rumänischen Deveselu einen der größten Raketenabwehrschirme am südosteuropäischen Rand der NATO eingerichtet haben.
Doch historisch, kulturell und sozial ist Rumänien eher “germanophil” eingestellt. Vor allem in den vergangenen Jahren hat sich der Auswanderungsschub aus Rumänien von Italien und Spanien in Richtung Deutschland verlagert. Dabei sind es auch viele gut ausgebildete Fachkräfte, die zur Arbeit nach Deutschland kommen, daneben auch viele Menschen aus der Republik Moldau, die die rumänische Staatsbürgerschaft besitzen.
Paradoxer- und schmerzhafterweise sind es nun Russlands blutiger Krieg gegen die Ukraine und die deutsche “Zeitenwende”, die Rumänien eine historische Entwicklungschance weg von der Peripherie Europas und seinem Image als “Schmuddel-Land” bieten. Sollte eine Achse Berlin-Bukarest zustande kommen, dann könnte Rumänien sich noch mehr als bisher als verlässlicher Partner der EU und der NATO etablieren.
Das könnte sich für Rumänien als hilfreich erweisen, um illiberale Strömungen im Land, etwa den Einfluss der antiwestlich eingestellten orthodoxen Kirche oder der prorussischen Rechtsaußen-Partei AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen) zurückzudrängen. Zugleich könnte Rumänien durch eine solche Partnerschaft Investitionen in Höhe vieler Milliarden Euro anziehen, die es dringend braucht, um seinen immer noch großen Infrastruktur-Modernisierungsrückstand abzubauen.
Berlin wiederum hat die Chance, nach Jahrzehnten einer fatalen Politik der Partnerschaft mit Russland über die Köpfe der Mittel- und Südosteuropäer hinweg neue Zeichen zu setzen, dass es die Region ernster nimmt. Eine Chance gerade auch für Frank-Walter Steinmeier, einen der langjährigen Architekten der deutschen Russland-Politik.
Rumänien hat in der deutschen Öffentlichkeit noch immer das Image eines Schmuddelkindes am Südostrand der EU. Ein wirtschaftlich kriselndes, politisch dauerinstabiles und recht korruptes Land, das viele “Sozialtouristen” produziert – so haben manche Politiker in Deutschland in der Vergangenheit abwertend Migranten aus Rumänien und anderen ärmeren Ländern genannt.
Die deutsche Politik hat sich in den vergangenen Jahren nicht sonderlich um Rumänien gekümmert. Dass die Züge im Karpatenland pünktlicher und die Internetverbindungen besser sind als in Deutschland, zehntausende gut ausgebildete Ärzte und Ingenieure aus Rumänien das deutsche BIP bereichern oder das siebenbürgische Klausenburg eine der angesagtesten IT-Metropolen Europas ist – Insiderwissen.
Strategische Zusammenarbeit
Doch Russlands verheerender und brutaler Vernichtungskrieg gegen die Ukraine hat vieles geändert – auch Rumäniens Image und Rolle. Es ist inzwischen zu einem Schlüsselpartner in der EU und der NATO und dabei vor allem für Deutschland geworden. Denn es liegt in der vielleicht sensibelsten Nachbarregion der Ukraine – in direkter Nachbarschaft der Republik Moldau, dem nächsten Wunschangriffsziel Russlands, nur wenige Dutzend Kilometer entfernt von der ukrainischen Hafenstadt Odessa, die vom Schwarzen Meer her immer wieder von Russland bombardiert wird.
Und: Gemeinsam mit Polen zählt Rumänien zu den wichtigsten und stärksten Unterstützern der Ukraine in Europa – wenngleich Bukarest weitaus leisere Töne anschlägt als Warschau und militärische und andere Hilfe im Stillen und nahezu völlig abgeschirmt von der Öffentlichkeit leistet.
Dies ist der Hintergrund, warum sich deutsche Spitzenpolitiker in Bukarest zurzeit fast die Klinke in die Hand geben. Vor kurzem war Bundeskanzler Olaf Scholz in Bukarest, unter anderem zu einem deutsch-moldauisch-rumänischen Dreiergipfel. Nun ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem mehrtägigen Staatsbesuch nach Rumänien gereist. Er führt in Bukarest politische Spitzengespräche, unter anderem mit dem rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis, reist ins siebenbürgische Hermannstadt (Sibiu), um die dortige sächsisch-rumänische Lebensvielfalt kennenzulernen und wird im westrumänischen Temeswar (Timisoara), der europäischen Kulturhauptstadt 2023, unter anderem die Rolle der Stadt als Ausgangspunkt für den blutigen Aufstand gegen den Diktator Nicolae Ceausescu im Dezember 1989 würdigen.
Im Hintergrund des Besuchs dürfte es in der Hauptsache um die zukünftige strategische Zusammenarbeit beider Länder und dabei ganz wesentlich um die Unterstützung für die Ukraine und die Republik Moldau gehen. Noch scheint es verfrüht, von einer Achse Berlin-Bukarest zu sprechen, doch die Voraussetzungen dafür sind günstig. Politische Differenzen wie mit Polen und Ungarn bestehen nicht, die deutsche Wirtschaft ist in Rumänien sehr stark vertreten. Und: Trotz vieler und auch aktueller innenpolitischer Krisenmomente stellt kein politischer Entscheidungsträger im Land die Solidarität mit der Ukraine und die Verankerung in EU und NATO in Frage.
Rüstungskooperation
Im April kündigte das deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall an, im nordrumänischen Satu Mare eine Fabrik zur Reparatur von Leopard-Panzern zu eröffnen. Zuvor hatte Jens Plötner, der Sicherheitsberater von Bundeskanzler Olaf Scholz, mit hochrangigen rumänischen Regierungsvertretern über die “Entwicklung neuer Technologien in der Verteidigungsindustrie” verhandelt. Nach verschiedenen Medienberichten will Deutschland auch dabei helfen, rumänische Rüstungsbetriebe aus der Zeit des Kalten Krieges zu modernisieren, um Haubitzen nach NATO-Standard und Geschosse nach sowjetischem Vorbild herzustellen, die von den Ukrainern verwendet werden.
Fokus Deutschland
Die Entwicklungen in der Rüstungsindustrie kommen nicht von ungefähr, denn Deutschland ist seit langem der wichtigste Wirtschaftspartner Rumäniens: Die deutschen Investitionen beliefen sich im Jahr 2021 auf 12,5 Milliarden Euro, während das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern im vergangenen Jahr 33 Milliarden Euro erreichte – mit Einfuhren aus Rumänien in Höhe von 15 Milliarden Euro und deutschen Ausfuhren nach Rumänien von rund 18 Milliarden Euro. Mehr als 23.000 deutsche Firmen haben in Rumänien rund 300.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, wobei auch Programme zur Finanzierung der beruflichen Bildung zum Einsatz kommen. Die rumänische Botschafterin in Berlin, Adriana Stanescu, ist der Auffassung, dass “Rumänien sich zu einem sicheren strategischen Investitions- und Geschäftsstandort für Deutschland entwickelt”.
Seit dem Sturz der Ceausescu-Diktatur im Dezember 1989 haben Rumäniens politische Eliten konstant fast ausnahmslos auf die USA als strategischen Partner gesetzt. Manifestiert hat sich das vor allem in dem Umstand, dass die Vereinigten Staaten militärische sehr präsent sind und im rumänischen Deveselu einen der größten Raketenabwehrschirme am südosteuropäischen Rand der NATO eingerichtet haben.
Doch historisch, kulturell und sozial ist Rumänien eher “germanophil” eingestellt. Vor allem in den vergangenen Jahren hat sich der Auswanderungsschub aus Rumänien von Italien und Spanien in Richtung Deutschland verlagert. Dabei sind es auch viele gut ausgebildete Fachkräfte, die zur Arbeit nach Deutschland kommen, daneben auch viele Menschen aus der Republik Moldau, die die rumänische Staatsbürgerschaft besitzen.
Historische Chancen
Paradoxer- und schmerzhafterweise sind es nun Russlands blutiger Krieg gegen die Ukraine und die deutsche “Zeitenwende”, die Rumänien eine historische Entwicklungschance weg von der Peripherie Europas und seinem Image als “Schmuddel-Land” bieten. Sollte eine Achse Berlin-Bukarest zustande kommen, dann könnte Rumänien sich noch mehr als bisher als verlässlicher Partner der EU und der NATO etablieren.
Das könnte sich für Rumänien als hilfreich erweisen, um illiberale Strömungen im Land, etwa den Einfluss der antiwestlich eingestellten orthodoxen Kirche oder der prorussischen Rechtsaußen-Partei AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen) zurückzudrängen. Zugleich könnte Rumänien durch eine solche Partnerschaft Investitionen in Höhe vieler Milliarden Euro anziehen, die es dringend braucht, um seinen immer noch großen Infrastruktur-Modernisierungsrückstand abzubauen.
Berlin wiederum hat die Chance, nach Jahrzehnten einer fatalen Politik der Partnerschaft mit Russland über die Köpfe der Mittel- und Südosteuropäer hinweg neue Zeichen zu setzen, dass es die Region ernster nimmt. Eine Chance gerade auch für Frank-Walter Steinmeier, einen der langjährigen Architekten der deutschen Russland-Politik.