Inflationsdruck lässt deutlich nach
Sinkende Benzinpreise und das neue 49-Euro-Ticket haben die deutsche Inflationsrate im Mai auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr gedrückt. Verbraucher zahlten im Schnitt 6,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Mai so langsam gestiegen wie seit über einem Jahr nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 6,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Im April hatte die Inflationsrate noch 7,2 Prozent betragen.
In Nordrhein-Westfalen stiegen die Verbraucherpreise nur noch um 5,7 Prozent nach 6,7 Prozent im April, hatte das Statistische Landesamt zuvor mitgeteilt. Auch in Bayern (6,1 Prozent), Baden-Württemberg (6,6 Prozent), Brandenburg (6,3) Sachsen (6,5) und Hessen (5,9) lag die Inflationsrate jeweils deutlich niedriger als im April. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten für Deutschland mit einem Anstieg der Verbraucherpreise von 6,5 Prozent gerechnet.
Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Mai so langsam gestiegen wie seit über einem Jahr nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 6,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Im April hatte die Inflationsrate noch 7,2 Prozent betragen.
“Die Richtung stimmt”, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters die Chefvolkswirtin der KfW Bank, Fritzi Köhler. “Aber der Weg zum Ziel ist noch weit.” Die empfindlichen Kaufkraftverluste der Verbraucher seien der maßgebliche Grund dafür, dass Deutschland im Winter in die Rezession gerutscht ist. “Der deutliche Rückgang der deutschen Inflationsrate bringt nun immerhin etwas Erleichterung.”
Nicht zu früh freuen!
Skeptischer blickt ihr Kollege, der ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann, auf die aktuellen Zahlen: “Deutschland und die Euro-Zone leiden weiterhin unter einer Inflation, die immer noch mehr als vier Prozentpunkte über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent liegt. Wer jetzt wegen des Rückgangs der Inflation schon die Rückkehr zur Preisstabilität erwartet, könnte sich zu früh freuen. Der inflationäre Kaufkraftverlust setzt sich fort.”
Berenberg-Bank-Chefvolkswirt Holger Schmieding spricht von “guten Nachrichten für Verbraucher und die Europäische Zentralbank”. Die EZB hatte wegen der starken Inflation ihre Leitzinsen kräftig erhöht, was jedoch die Konjunktur belastet.
Für den Chefvolkswirt der Commerzbank Jörg Krämer sind das “gute Nachrichten von der Inflationsfront”. Erstmals sei auch die Kerninflation – ohne die schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise – gesunken, von 5,8 Prozent auf geschätzte 5,3 Prozent. Die Inflation dürfte in den kommenden Monaten weiter zurückgehen. “Trotzdem ist eine Entwarnung nicht angebracht.”
Da auch in Frankreich (6,0 Prozent) und Spanien (3,2 Prozent) die Inflationsraten im Mai deutlich gesunken sind, rückt ein Ende der Zinserhöhungen näher. Experten rechnen jedoch noch mit zwei weiteren Schritten nach oben im Sommer. Die EZB ist laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde bestrebt, die Zinsen auf ein ausreichend hohes Niveau zu bringen, damit das Inflationsziel von 2,0 Prozent nachhaltig erreicht werden kann.
Die jüngsten regionalen Daten zeigen laut EZB-Vizepräsident Luis de Guindos in die richtige Richtung. “Die Daten, die wir gestern und heute bekamen, sind positiv”, sagte der Stellvertreter von Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde am Mittwoch bei der Präsentation des halbjährlichen Finanzstabilitätsberichts der Europäischen Zentralbank (EZB).
Der Rückgang der Inflation sei größer ausgefallen als Analysten erwartet hätten. “Die Nachrichten, die wir nun bekommen, sind positiv und gehen in die Richtung eines wichtigen Rückgangs der Gesamtinflation.” Es sei aber noch kein Sieg über den Preisschub.
Nach Ansicht von Italiens Notenbankchef Ignazio Visco müsse die EZB nun aufpassen, die Geldpolitik nicht zu stark zu straffen. “Nachdem wir die Referenzsätze auf restriktive Niveaus gebracht haben, müssen wir nun mit dem richtigen Ausmaß graduell vorgehen”, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch auf einer Veranstaltung der Banca d’Italia in Rom.
Unter einem restriktiven Zins verstehen Volkswirte eine Zinsniveau, das eine Volkswirtschaft bremst. Eine unangemessene Straffung hätte akute Folgen für die Wirtschaftsaktivität und negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität und schließlich mittelfristig auf die Preisstabilität, führte Visco aus. Die EZB müsse graduell vorgehen, aber nicht langsam, um zu ihrem Inflationsziel zurückzukehren.
Die Zahlen aus den deutschen Bundesländern “legen den Schluss nahe, dass der Preisdruck auf breiter Front abnimmt”, sagte Volkswirt Holger Schmieding. “Hier hat der Staat mit dem Deutschlandticket nachgeholfen.” Das Ticket in Nordrhein-Westfalen habe die Preise für die kombinierte Personenbeförderung um 28,5 Prozent zum Vorjahresmonat gedrückt. Dadurch habe auch die unter besonderer Beobachtung stehende Kernrate – bei der die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden – von 5,5 auf 5,0 Prozent nachgegeben. “Hier sehen wir also erste Anzeichen einer echten Trendwende”, sagte Schmieding.
In einigen Bereichen bleibt der Preisdruck allerdings hoch. Pauschalreisen etwa verteuerten sich in Bayern und Sachsen um jeweils 13,6 Prozent. “Es zeigt sich, dass die Deutschen nach der Pandemie trotz knapper Kassen das Leben wieder genießen und richtig Urlaub machen möchten”, sagte Schmieding. “Das erleichtert es den Anbietern, in diesen Bereichen höhere Kosten auf die Verbraucher zu überwälzen.”
Wie sich die Inflation künftig entwickelt, ist offen. “In den kommenden Monaten wird es dann komplizierter”, sagte ING Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. “Denn dann bekommen wir Basiseffekte vom 9-Euro-Ticket und Tankrabatt, wodurch der Inflationsdruck wieder zunimmt.” Beides wurde von der Bundesregierung für Juni, Juli und August 2022 eingeführt, um die Bürger zu entlasten.
Gleichzeitig seien die Gaspreise extrem niedrig, gleichzeitig lasse der Preisdruck in der Industrie erheblich nach. “Allerdings zeigt sich der Dienstleistungssektor noch sehr inflationsfreudig”, sagte der ING-Chefökonom. Daher könne sich die Teuerungsrate im Sommer noch einmal in Richtung sieben Prozent bewegen, ehe sie bis Winter auf gut vier Prozent fallen dürfte.
dk/hb (rtr, dpa)
Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Mai so langsam gestiegen wie seit über einem Jahr nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 6,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Im April hatte die Inflationsrate noch 7,2 Prozent betragen.
In Nordrhein-Westfalen stiegen die Verbraucherpreise nur noch um 5,7 Prozent nach 6,7 Prozent im April, hatte das Statistische Landesamt zuvor mitgeteilt. Auch in Bayern (6,1 Prozent), Baden-Württemberg (6,6 Prozent), Brandenburg (6,3) Sachsen (6,5) und Hessen (5,9) lag die Inflationsrate jeweils deutlich niedriger als im April. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten für Deutschland mit einem Anstieg der Verbraucherpreise von 6,5 Prozent gerechnet.
Nicht zu früh freuen!
“Die Richtung stimmt”, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters die Chefvolkswirtin der KfW Bank, Fritzi Köhler. “Aber der Weg zum Ziel ist noch weit.” Die empfindlichen Kaufkraftverluste der Verbraucher seien der maßgebliche Grund dafür, dass Deutschland im Winter in die Rezession gerutscht ist. “Der deutliche Rückgang der deutschen Inflationsrate bringt nun immerhin etwas Erleichterung.”
Skeptischer blickt ihr Kollege, der ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann, auf die aktuellen Zahlen: “Deutschland und die Euro-Zone leiden weiterhin unter einer Inflation, die immer noch mehr als vier Prozentpunkte über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent liegt. Wer jetzt wegen des Rückgangs der Inflation schon die Rückkehr zur Preisstabilität erwartet, könnte sich zu früh freuen. Der inflationäre Kaufkraftverlust setzt sich fort.”
Berenberg-Bank-Chefvolkswirt Holger Schmieding spricht von “guten Nachrichten für Verbraucher und die Europäische Zentralbank”. Die EZB hatte wegen der starken Inflation ihre Leitzinsen kräftig erhöht, was jedoch die Konjunktur belastet.
Für den Chefvolkswirt der Commerzbank Jörg Krämer sind das “gute Nachrichten von der Inflationsfront”. Erstmals sei auch die Kerninflation – ohne die schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise – gesunken, von 5,8 Prozent auf geschätzte 5,3 Prozent. Die Inflation dürfte in den kommenden Monaten weiter zurückgehen. “Trotzdem ist eine Entwarnung nicht angebracht.”
Noch kein Sieg
Da auch in Frankreich (6,0 Prozent) und Spanien (3,2 Prozent) die Inflationsraten im Mai deutlich gesunken sind, rückt ein Ende der Zinserhöhungen näher. Experten rechnen jedoch noch mit zwei weiteren Schritten nach oben im Sommer. Die EZB ist laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde bestrebt, die Zinsen auf ein ausreichend hohes Niveau zu bringen, damit das Inflationsziel von 2,0 Prozent nachhaltig erreicht werden kann.
Warnung aus Rom
Die jüngsten regionalen Daten zeigen laut EZB-Vizepräsident Luis de Guindos in die richtige Richtung. “Die Daten, die wir gestern und heute bekamen, sind positiv”, sagte der Stellvertreter von Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde am Mittwoch bei der Präsentation des halbjährlichen Finanzstabilitätsberichts der Europäischen Zentralbank (EZB).
Der Rückgang der Inflation sei größer ausgefallen als Analysten erwartet hätten. “Die Nachrichten, die wir nun bekommen, sind positiv und gehen in die Richtung eines wichtigen Rückgangs der Gesamtinflation.” Es sei aber noch kein Sieg über den Preisschub.
Nach Ansicht von Italiens Notenbankchef Ignazio Visco müsse die EZB nun aufpassen, die Geldpolitik nicht zu stark zu straffen. “Nachdem wir die Referenzsätze auf restriktive Niveaus gebracht haben, müssen wir nun mit dem richtigen Ausmaß graduell vorgehen”, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch auf einer Veranstaltung der Banca d’Italia in Rom.
Trendwende in Sicht?
Unter einem restriktiven Zins verstehen Volkswirte eine Zinsniveau, das eine Volkswirtschaft bremst. Eine unangemessene Straffung hätte akute Folgen für die Wirtschaftsaktivität und negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität und schließlich mittelfristig auf die Preisstabilität, führte Visco aus. Die EZB müsse graduell vorgehen, aber nicht langsam, um zu ihrem Inflationsziel zurückzukehren.
Die Zahlen aus den deutschen Bundesländern “legen den Schluss nahe, dass der Preisdruck auf breiter Front abnimmt”, sagte Volkswirt Holger Schmieding. “Hier hat der Staat mit dem Deutschlandticket nachgeholfen.” Das Ticket in Nordrhein-Westfalen habe die Preise für die kombinierte Personenbeförderung um 28,5 Prozent zum Vorjahresmonat gedrückt. Dadurch habe auch die unter besonderer Beobachtung stehende Kernrate – bei der die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden – von 5,5 auf 5,0 Prozent nachgegeben. “Hier sehen wir also erste Anzeichen einer echten Trendwende”, sagte Schmieding.
Durchwachsene Aussichten
In einigen Bereichen bleibt der Preisdruck allerdings hoch. Pauschalreisen etwa verteuerten sich in Bayern und Sachsen um jeweils 13,6 Prozent. “Es zeigt sich, dass die Deutschen nach der Pandemie trotz knapper Kassen das Leben wieder genießen und richtig Urlaub machen möchten”, sagte Schmieding. “Das erleichtert es den Anbietern, in diesen Bereichen höhere Kosten auf die Verbraucher zu überwälzen.”
Wie sich die Inflation künftig entwickelt, ist offen. “In den kommenden Monaten wird es dann komplizierter”, sagte ING Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. “Denn dann bekommen wir Basiseffekte vom 9-Euro-Ticket und Tankrabatt, wodurch der Inflationsdruck wieder zunimmt.” Beides wurde von der Bundesregierung für Juni, Juli und August 2022 eingeführt, um die Bürger zu entlasten.
Gleichzeitig seien die Gaspreise extrem niedrig, gleichzeitig lasse der Preisdruck in der Industrie erheblich nach. “Allerdings zeigt sich der Dienstleistungssektor noch sehr inflationsfreudig”, sagte der ING-Chefökonom. Daher könne sich die Teuerungsrate im Sommer noch einmal in Richtung sieben Prozent bewegen, ehe sie bis Winter auf gut vier Prozent fallen dürfte.
dk/hb (rtr, dpa)