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Sanktionen: EU-Kohleboykott nur der Anfang?

Die Botschafter in Brüssel beraten an diesem Mittwoch über das fünfte Sanktionspaket gegen Russland. Die EU-Kommission schlägt neben Verschärfungen einen Boykott von Kohleimporten vor, aber das Europaparlament will mehr.

Frankreichs Präsident Emmanuel Emmanuel Macron hat sein politisches Gewicht bereits in die Waagschale geworfen: “Was in Butscha geschehen ist, verlangt nach einer neuen Runde von Sanktionen und ganz klaren Maßnahmen”, erklärte er Anfang der Woche im Radiosender “France Inter”. Und diese neuen Sanktionen sollten einen Boykott von Öl und Gas beinhalten. Darüber hinaus teilte die Staatsanwaltschaft für Terrorismus in Paris mit, dass sie drei Untersuchungen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in verschiedenen Regionen eröffnen werde.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug zunächst nur ein abgemildertes Sanktionspaket vor: Ein Boykott von Kohleexporten, die Entfernung vier weiterer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT, ein Bann für russische Schiffe und Lastwagen, weitere Importverbote für Technologie-Produkte und die Listung weiterer Personen aus dem Umkreis von Staatschef Wladimir Putin. Bis auf das Ende der Kohleimporte bedeutet dieses Bündel von Maßnahmen kaum mehr als ein Anziehen der Schrauben auf der Basis der bestehenden Sanktionen. Es wäre ein Beschluss für weitere Nadelstiche und nicht der Donnerschlag, den eine ganze Reihe von Europaabgeordneten herbeisehnt. 

Frankreichs Präsident Emmanuel Emmanuel Macron hat sein politisches Gewicht bereits in die Waagschale geworfen: “Was in Butscha geschehen ist, verlangt nach einer neuen Runde von Sanktionen und ganz klaren Maßnahmen”, erklärte er Anfang der Woche im Radiosender “France Inter”. Und diese neuen Sanktionen sollten einen Boykott von Öl und Gas beinhalten. Darüber hinaus teilte die Staatsanwaltschaft für Terrorismus in Paris mit, dass sie drei Untersuchungen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in verschiedenen Regionen eröffnen werde.

Während die EU-Kommissionspräsidentin gemeinsam mit Chefdiplomat Josep Borrell noch im Laufe der Woche nach Kiew fahren will, um dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj der Solidarität der Europäer zu versichern, nähern sich die Europäer wohl nur sehr schrittweise einer seiner Hauptforderungen: Den Stopp von Energieexporten aus Russland, mit denen Putin seinen Krieg finanzieren kann.

Gräueltaten bringen Bewegung in Sanktionsdebatte

“Die EVP unterstützt ein sofortiges Embargo von Öl und Gas aus Russland, wobei Gas sobald wie möglich folgen soll”, erklärte Manfred Weber, Vorsitzender der Christdemokraten im Europaparlament in Straßburg. Einige Kollegen aus osteuropäischen Ländern wollten da noch weiter gehen, aber man habe sich einstimmig auf den Kompromiss geeinigt, den Einstieg in den Ausstieg von russischer Energie mit Öl und Kohle zu beginnen, sagte Weber. Unterstützt wird seine Fraktion von einer Mehrheit auch der Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. 

“Wir können das System Putin nicht weiter finanzieren, das diesen furchtbaren Krieg führt”, mahnte der CSU-Abgeordnete, aber mit einem Öl- und Kohleboykott eliminiere man zumindest die Hälfte der Einnahmen, die jetzt noch täglich aus EU-Ländern nach Russland überwiesen werden. Man wisse nicht, ob der Rat der Regierungen bereit sei, der Forderung aus dem Parlament zu folgen, so Weber, aber die Ereignisse von Butscha verlangten eine starke Botschaft an Putin.

Bisher galt Deutschland als größter Bremser unter den EU-Ländern, weil die Regierung die Sicherheit der heimischen Energieversorgung als Hinderungsgrund anführte. Jetzt ist die Frage, ob Berlin bereit ist zumindest diesen Teil-Boykott zu unterstützen. Besonders polnische Politiker hatten Berlin immer wieder scharf kritisiert: “Deutschland ist das größte Hindernis für schärfere Sanktionen”, betonte Premier Mateusz Morawiecki in Warschau einmal mehr. 

Radikalere Forderungen erhebt eine Gruppe von rund 200 Parlamentariern, unter ihnen viele polnische Abgeordnete, Balten und Liberale wie etwa der frühere belgische Premier Guy Verhofstadt. Sie fordern einen Sondergipfel, um unverzüglich ein umfassendes Embargo auf allen Ebenen zu beschließen: Dazu sollten ein volles Gas-, Öl- und Kohle-Embargo gehören, die Sperrung aller Häfen für russische Schiffe, die Abkoppelung sämtlicher Banken vom Zahlungssystem SWIFT sowie zusätzliche militärische Unterstützung für die Ukraine.

Aber obwohl EU-Ratspräsident Charles Michel verlangt, “die Kriegsmaschine des Kreml zu verkrüppeln, um die Gräueltaten in der Ukraine zu stoppen” – und es gebe dafür keinen anderen Weg, als die Sanktionen ernsthaft zu verschärfen, müssen die Mitgliedsländer einstimmig über das neue Sanktionspaket entscheiden.

Und da steht nicht nur Berlin auf der Bremse. “Mehrere unserer Mitgliedsländer wie die Slowakei, die Tschechen, sogar Rumänien und Bulgarien sind nicht so glücklich über sofortige Maßnahmen. Da müssen wir genau hinschauen, denn wir brauchen eine europäische Lösung und Solidarität von allen Staaten, die von russischen Energieimporten sehr abhängen”, sagt Grünenvertreterin Viola von Cramon. Im Prinzip wolle ihre Partei Uran, Öl und Kohle sofort boykottieren und Gas so bald wie möglich. Aber angesichts der deutschen Situation sei das eben ziemlich schwierig und man müsse auch an die Situation ärmerer Bürger in anderen Mitgliedsländern denken.

Frankreich erwartet, dass die EU-Botschafter stellvertretend für ihre Regierungen an diesem Mittwoch über die neue Sanktionsrunde entscheiden werden. Und noch scheint der Kampf nicht entschieden, denn Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovkis erklärte, ein Bann gegen Öl und Kohle sei “definitiv eine Option”. Der kleine baltische Staat Litauen hat bereits vorgemacht, dass ein sofortiger Energie-Boykott möglich ist und schlagartig alle Gasimporte aus Russland gestoppt. “Das könnt ihr auch, Freunde”, forderte Präsident Gitanis Nauseda seine europäischen Kollegen heraus.

Aber möglicherweise ist der Gipfel europäischer Einigkeit bei der Ukraine bereits überschritten. Der österreichische Finanzminister Magnus Brunner sprach sich beim Routinetreffen seiner Kollegen in Luxemburg gegen einen Energieboykott aus: “Alle Sanktionen, die uns mehr treffen als die Russen, wären nicht gut. Deswegen sind wir gegen Sanktionen bei Öl und Gas.” Möglicherweise bringt der Gruppendruck bei den Verhandlungen am Mittwoch hier noch etwas Bewegung, aber bislang scheint die Regierung in Wien allenfalls auf Linie mit dem Kompromiss für den Kohle-Stopp. Es sieht so aus, als ob sich die EU lediglich auf eine kleinere Lösung beim neuen Sanktionspaket zubewegt, ungeachtet aller schockierten Reaktionen über die Gräueltaten, die Russland in Butscha und anderswo angelastet werden.          

Frankreich Straßburg | Europaparlament | Ursula von der Leyen
Russland Ölförderung in der Republik Tatarstan
Ukraine-Konflikt - Demonstration in Frankfurt am Main

Frankreichs Präsident Emmanuel Emmanuel Macron hat sein politisches Gewicht bereits in die Waagschale geworfen: “Was in Butscha geschehen ist, verlangt nach einer neuen Runde von Sanktionen und ganz klaren Maßnahmen”, erklärte er Anfang der Woche im Radiosender “France Inter”. Und diese neuen Sanktionen sollten einen Boykott von Öl und Gas beinhalten. Darüber hinaus teilte die Staatsanwaltschaft für Terrorismus in Paris mit, dass sie drei Untersuchungen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in verschiedenen Regionen eröffnen werde.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug zunächst nur ein abgemildertes Sanktionspaket vor: Ein Boykott von Kohleexporten, die Entfernung vier weiterer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT, ein Bann für russische Schiffe und Lastwagen, weitere Importverbote für Technologie-Produkte und die Listung weiterer Personen aus dem Umkreis von Staatschef Wladimir Putin. Bis auf das Ende der Kohleimporte bedeutet dieses Bündel von Maßnahmen kaum mehr als ein Anziehen der Schrauben auf der Basis der bestehenden Sanktionen. Es wäre ein Beschluss für weitere Nadelstiche und nicht der Donnerschlag, den eine ganze Reihe von Europaabgeordneten herbeisehnt. 

Gräueltaten bringen Bewegung in Sanktionsdebatte

Während die EU-Kommissionspräsidentin gemeinsam mit Chefdiplomat Josep Borrell noch im Laufe der Woche nach Kiew fahren will, um dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj der Solidarität der Europäer zu versichern, nähern sich die Europäer wohl nur sehr schrittweise einer seiner Hauptforderungen: Den Stopp von Energieexporten aus Russland, mit denen Putin seinen Krieg finanzieren kann.

“Die EVP unterstützt ein sofortiges Embargo von Öl und Gas aus Russland, wobei Gas sobald wie möglich folgen soll”, erklärte Manfred Weber, Vorsitzender der Christdemokraten im Europaparlament in Straßburg. Einige Kollegen aus osteuropäischen Ländern wollten da noch weiter gehen, aber man habe sich einstimmig auf den Kompromiss geeinigt, den Einstieg in den Ausstieg von russischer Energie mit Öl und Kohle zu beginnen, sagte Weber. Unterstützt wird seine Fraktion von einer Mehrheit auch der Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. 

“Wir können das System Putin nicht weiter finanzieren, das diesen furchtbaren Krieg führt”, mahnte der CSU-Abgeordnete, aber mit einem Öl- und Kohleboykott eliminiere man zumindest die Hälfte der Einnahmen, die jetzt noch täglich aus EU-Ländern nach Russland überwiesen werden. Man wisse nicht, ob der Rat der Regierungen bereit sei, der Forderung aus dem Parlament zu folgen, so Weber, aber die Ereignisse von Butscha verlangten eine starke Botschaft an Putin.

Bisher galt Deutschland als größter Bremser unter den EU-Ländern, weil die Regierung die Sicherheit der heimischen Energieversorgung als Hinderungsgrund anführte. Jetzt ist die Frage, ob Berlin bereit ist zumindest diesen Teil-Boykott zu unterstützen. Besonders polnische Politiker hatten Berlin immer wieder scharf kritisiert: “Deutschland ist das größte Hindernis für schärfere Sanktionen”, betonte Premier Mateusz Morawiecki in Warschau einmal mehr. 

Volles Embargo jetzt ?

Radikalere Forderungen erhebt eine Gruppe von rund 200 Parlamentariern, unter ihnen viele polnische Abgeordnete, Balten und Liberale wie etwa der frühere belgische Premier Guy Verhofstadt. Sie fordern einen Sondergipfel, um unverzüglich ein umfassendes Embargo auf allen Ebenen zu beschließen: Dazu sollten ein volles Gas-, Öl- und Kohle-Embargo gehören, die Sperrung aller Häfen für russische Schiffe, die Abkoppelung sämtlicher Banken vom Zahlungssystem SWIFT sowie zusätzliche militärische Unterstützung für die Ukraine.

EU-Botschafter entscheiden im Namen der Mitgliedsländer

Aber obwohl EU-Ratspräsident Charles Michel verlangt, “die Kriegsmaschine des Kreml zu verkrüppeln, um die Gräueltaten in der Ukraine zu stoppen” – und es gebe dafür keinen anderen Weg, als die Sanktionen ernsthaft zu verschärfen, müssen die Mitgliedsländer einstimmig über das neue Sanktionspaket entscheiden.

Und da steht nicht nur Berlin auf der Bremse. “Mehrere unserer Mitgliedsländer wie die Slowakei, die Tschechen, sogar Rumänien und Bulgarien sind nicht so glücklich über sofortige Maßnahmen. Da müssen wir genau hinschauen, denn wir brauchen eine europäische Lösung und Solidarität von allen Staaten, die von russischen Energieimporten sehr abhängen”, sagt Grünenvertreterin Viola von Cramon. Im Prinzip wolle ihre Partei Uran, Öl und Kohle sofort boykottieren und Gas so bald wie möglich. Aber angesichts der deutschen Situation sei das eben ziemlich schwierig und man müsse auch an die Situation ärmerer Bürger in anderen Mitgliedsländern denken.

Frankreich erwartet, dass die EU-Botschafter stellvertretend für ihre Regierungen an diesem Mittwoch über die neue Sanktionsrunde entscheiden werden. Und noch scheint der Kampf nicht entschieden, denn Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovkis erklärte, ein Bann gegen Öl und Kohle sei “definitiv eine Option”. Der kleine baltische Staat Litauen hat bereits vorgemacht, dass ein sofortiger Energie-Boykott möglich ist und schlagartig alle Gasimporte aus Russland gestoppt. “Das könnt ihr auch, Freunde”, forderte Präsident Gitanis Nauseda seine europäischen Kollegen heraus.

Aber möglicherweise ist der Gipfel europäischer Einigkeit bei der Ukraine bereits überschritten. Der österreichische Finanzminister Magnus Brunner sprach sich beim Routinetreffen seiner Kollegen in Luxemburg gegen einen Energieboykott aus: “Alle Sanktionen, die uns mehr treffen als die Russen, wären nicht gut. Deswegen sind wir gegen Sanktionen bei Öl und Gas.” Möglicherweise bringt der Gruppendruck bei den Verhandlungen am Mittwoch hier noch etwas Bewegung, aber bislang scheint die Regierung in Wien allenfalls auf Linie mit dem Kompromiss für den Kohle-Stopp. Es sieht so aus, als ob sich die EU lediglich auf eine kleinere Lösung beim neuen Sanktionspaket zubewegt, ungeachtet aller schockierten Reaktionen über die Gräueltaten, die Russland in Butscha und anderswo angelastet werden.          

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