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Ukraine aktuell: Selenskyj fordert “ehrliche” Verhandlungen

Der Präsident der Ukraine hat Russland nachdrücklich zu ernsthaften Gesprächen aufgerufen. Der deutsche Bundeskanzler ruft die EU dazu auf, ihre Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Der Überblick.

 

Das Wichtigste in Kürze: 

 

 

Erbitterte Kämpfe in Cherson

“Sinnvolle Verhandlungen über Frieden und Sicherheit für die Ukraine, ehrliche Verhandlungen und ohne Verzögerungen, sind die einzige Chance für Russland, den durch eigene Fehler angerichteten Schaden zu verringern”, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videoansprache vom späten Freitagabend. Es sei an der Zeit, die territoriale Einheit und Gerechtigkeit für die Ukraine wieder herzustellen. “Ansonsten wird Russland derartige Verluste erleiden, dass es mehrere Generationen brauchen wird, um sich wieder aufzurichten.”

Selenskyj bekräftigte seine Forderung nach direkten Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Friedenslösung. “Es ist Zeit, zu reden”, sagte er. Der Kreml lehnt dies bisher ab.

Die Kriegsparteien führen seit dem 28. Februar Verhandlungen über eine Friedenslösung, zuletzt beinahe täglich über eine Videoschalte. Während Moskau von erkennbaren Kompromissen vor allem bei der Frage eines neutralen Status der Ukraine spricht, sieht Kiew keine größeren Fortschritte.

Der Flughafen Tschornobajewka bei Cherson im Süden der Ukraine ist nach ukrainischer Darstellung nach wie vor erbittert umkämpft. “Wir haben sie dort schon wieder getroffen”, schreibt Olexij Arestowitsch auf Facebook mit Blick auf die russischen Truppen. Arestowitsch zählt zum Stab im Büro von Präsident Selenskyj. Die ukrainischen Streitkräfte hätten das russische Militär an diesem Flughafen bereits das sechste Mal überfallen und dem Gegner dort schwere Verluste zugefügt, heißt es weiter. Angaben wie diese lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, bezichtigt Russland der Lügen. “Es ist eine Lüge der Russischen Föderation zu behaupten, dass sie nur militärische Ziele angreifen”, sagte der frühere Box-Weltmeister der “Bild”-Zeitung. “Städte wie Irpin, Butscha oder Borodjanka gibt es nicht mehr.”

Es sei inzwischen Ziel des russischen Militärs, so viele Zivilisten wie nur möglich zu töten, sagte Klitschko – und bezeichnete die russischen Angreifer als “Faschisten, weil sie Frauen, Kinder und Zivilisten umbringen”. Doch die Bürger Kiews seien bereit, ihre Hauptstadt zu verteidigen.

Angesichts der anhaltenden Kämpfe warnt die EU-Kommission vor einer Hungersnot in der Ukraine. “Die Menschen in den belagerten Städten sind apokalyptischen Zuständen ausgesetzt – keine Nahrung, kein Wasser, keine medizinische Versorgung und kein Ausweg”, sagt der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic für humanitäre Hilfe und Krisenschutz der “Welt am Sonntag”. Es gebe eine Verpflichtung, humanitären Zugang zu gewähren, ohne jedes Hindernis, sagt der Politiker aus der Slowakei. Die Verletzung des Völkerrechts müsse sofort aufhören.

109 leere Kinderwagen machen auf dem Markplatz der westukrainischen Stadt Lwiw erschreckend deutlich, wie hoch der “Preis des Krieges” inzwischen ist. Auf einem Plakat steht “108”, mit einem Filzstift ist die Zahl 8 durchgestrichen und durch eine 9 ersetzt – so viele Kinder sollen seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine getötet worden sein – durch Angriffe auf Schulen, Krankenhäuser, ein Kinderhospital und eine Entbindungsstation.

Zuletzt war ein Theater in Mariupol bombardiert worden, in dem hunderte Menschen Zuflucht gesucht hatten. Vor beiden Seiten des Gebäudes stand gut sichtbar das russische Wort “Kinder” auf dem Boden. Das von der ukrainischen Regierung organisierte Mahnmal aus leeren Kinderwagen gibt den Menschen in Lwiw einen Ort zum Trauern.

Russlands Angriff auf die Ukraine muss aus Sicht von Bundeskanzler Olaf Scholz auch die Europäische Union verändern. Die EU müsse ihre Verteidigungsfähigkeit stärken und Beschlüsse im Energiebereich treffen. “Der Krieg in der Ukraine bedeutet eine Zeitenwende auch für die EU”, sagte Scholz in Berlin.

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht schließt ein militärisches Eingreifen der NATO in der Ukraine kategorisch aus. Das westliche Bündnis werde nicht zur Kriegspartei und “dabei bleibt es”, sagt die Sozialdemokratin der “Süddeutschen Zeitung”. “Wir müssen verhindern, dass aus diesem furchtbaren Krieg ein Flächenbrand wird.” Auch die von der Ukraine geforderte Flugverbotszone lehnt sie weiterhin ab: “Die Gefahr wäre unkalkulierbar. Deswegen haben wir so klar entschieden, keine solche Zone einzurichten.”

Nach Angaben von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze verstärkt Deutschland aber Hilfen für die Ukraine unter anderem mit schwerem Gerät zur Brandbekämpfung und für den Zivilschutz. “Wir helfen zum Beispiel mit Feuerlöschgeräten, Sattelschleppern, Stromgeneratoren, Unterkünften für Menschen auf der Flucht und psychologischer Betreuung”, sagt die SPD-Politikerin der “Augsburger Allgemeinen”.

 

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen. 

rb/nob (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, bei seiner Videoansprache vom Freitag

 

Das Wichtigste in Kürze: 

Erbitterte Kämpfe in Cherson

 

“Sinnvolle Verhandlungen über Frieden und Sicherheit für die Ukraine, ehrliche Verhandlungen und ohne Verzögerungen, sind die einzige Chance für Russland, den durch eigene Fehler angerichteten Schaden zu verringern”, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videoansprache vom späten Freitagabend. Es sei an der Zeit, die territoriale Einheit und Gerechtigkeit für die Ukraine wieder herzustellen. “Ansonsten wird Russland derartige Verluste erleiden, dass es mehrere Generationen brauchen wird, um sich wieder aufzurichten.”

Selenskyj bekräftigte seine Forderung nach direkten Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Friedenslösung. “Es ist Zeit, zu reden”, sagte er. Der Kreml lehnt dies bisher ab.

Die Kriegsparteien führen seit dem 28. Februar Verhandlungen über eine Friedenslösung, zuletzt beinahe täglich über eine Videoschalte. Während Moskau von erkennbaren Kompromissen vor allem bei der Frage eines neutralen Status der Ukraine spricht, sieht Kiew keine größeren Fortschritte.

Bürgermeister Klitschko wirft Russland Lügen vor

Der Flughafen Tschornobajewka bei Cherson im Süden der Ukraine ist nach ukrainischer Darstellung nach wie vor erbittert umkämpft. “Wir haben sie dort schon wieder getroffen”, schreibt Olexij Arestowitsch auf Facebook mit Blick auf die russischen Truppen. Arestowitsch zählt zum Stab im Büro von Präsident Selenskyj. Die ukrainischen Streitkräfte hätten das russische Militär an diesem Flughafen bereits das sechste Mal überfallen und dem Gegner dort schwere Verluste zugefügt, heißt es weiter. Angaben wie diese lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

EU sieht die Ukraine vor einer Hungersnot

Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, bezichtigt Russland der Lügen. “Es ist eine Lüge der Russischen Föderation zu behaupten, dass sie nur militärische Ziele angreifen”, sagte der frühere Box-Weltmeister der “Bild”-Zeitung. “Städte wie Irpin, Butscha oder Borodjanka gibt es nicht mehr.”

Es sei inzwischen Ziel des russischen Militärs, so viele Zivilisten wie nur möglich zu töten, sagte Klitschko – und bezeichnete die russischen Angreifer als “Faschisten, weil sie Frauen, Kinder und Zivilisten umbringen”. Doch die Bürger Kiews seien bereit, ihre Hauptstadt zu verteidigen.

Angesichts der anhaltenden Kämpfe warnt die EU-Kommission vor einer Hungersnot in der Ukraine. “Die Menschen in den belagerten Städten sind apokalyptischen Zuständen ausgesetzt – keine Nahrung, kein Wasser, keine medizinische Versorgung und kein Ausweg”, sagt der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic für humanitäre Hilfe und Krisenschutz der “Welt am Sonntag”. Es gebe eine Verpflichtung, humanitären Zugang zu gewähren, ohne jedes Hindernis, sagt der Politiker aus der Slowakei. Die Verletzung des Völkerrechts müsse sofort aufhören.

“The price of war”

109 leere Kinderwagen machen auf dem Markplatz der westukrainischen Stadt Lwiw erschreckend deutlich, wie hoch der “Preis des Krieges” inzwischen ist. Auf einem Plakat steht “108”, mit einem Filzstift ist die Zahl 8 durchgestrichen und durch eine 9 ersetzt – so viele Kinder sollen seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine getötet worden sein – durch Angriffe auf Schulen, Krankenhäuser, ein Kinderhospital und eine Entbindungsstation.

Zuletzt war ein Theater in Mariupol bombardiert worden, in dem hunderte Menschen Zuflucht gesucht hatten. Vor beiden Seiten des Gebäudes stand gut sichtbar das russische Wort “Kinder” auf dem Boden. Das von der ukrainischen Regierung organisierte Mahnmal aus leeren Kinderwagen gibt den Menschen in Lwiw einen Ort zum Trauern.

“Russischer Angriff ist auch Zeitenwende für die EU”

Russlands Angriff auf die Ukraine muss aus Sicht von Bundeskanzler Olaf Scholz auch die Europäische Union verändern. Die EU müsse ihre Verteidigungsfähigkeit stärken und Beschlüsse im Energiebereich treffen. “Der Krieg in der Ukraine bedeutet eine Zeitenwende auch für die EU”, sagte Scholz in Berlin.

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht schließt ein militärisches Eingreifen der NATO in der Ukraine kategorisch aus. Das westliche Bündnis werde nicht zur Kriegspartei und “dabei bleibt es”, sagt die Sozialdemokratin der “Süddeutschen Zeitung”. “Wir müssen verhindern, dass aus diesem furchtbaren Krieg ein Flächenbrand wird.” Auch die von der Ukraine geforderte Flugverbotszone lehnt sie weiterhin ab: “Die Gefahr wäre unkalkulierbar. Deswegen haben wir so klar entschieden, keine solche Zone einzurichten.”

Ein Mahnmal aus 109 leeren Kinderwagen in Lwiew: Der Preis des Krieges

Nach Angaben von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze verstärkt Deutschland aber Hilfen für die Ukraine unter anderem mit schwerem Gerät zur Brandbekämpfung und für den Zivilschutz. “Wir helfen zum Beispiel mit Feuerlöschgeräten, Sattelschleppern, Stromgeneratoren, Unterkünften für Menschen auf der Flucht und psychologischer Betreuung”, sagt die SPD-Politikerin der “Augsburger Allgemeinen”.

 

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen. 

rb/nob (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)

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