Ukrainischer Fußball in Zeiten des Krieges
Die Ukraine bei der Fußball-WM 2022? Trotz des Krieges in der Heimat und Monaten ohne Pflichtspiel wollen Team und Trainer es in den Playoffs gegen Schottland und Wales unbedingt nach Katar schaffen.
Oleksandr Petrakow ist kein Mann der großen Worte. Hart und angespannt wirkt der Nationaltrainer der Ukraine im Gespräch mit der DW. “Ich spüre eine große Verantwortung. Für unsere Fans in der Heimat, für unsere Streitkräfte, für die einfachen Menschen, die gerade zu Hause in der Ukraine sind”, sagt er knapp. “Das ist eine große Verantwortung für mich und für die Jungs.”
Aus einem rein sportlichen Wettbewerb ist so etwas wie eine nationale Aufgabe geworden. “Fußball ist zwar nicht das Wichtigste im Moment “, unterstreicht die ukrainische Historikerin Kateryna Chernii, “aber die Spiele der Nationalelf sind für die Menschen in der Ukraine und die Geflüchteten eine Gelegenheit, etwas gemeinsam zu erleben. Wie beim jüngsten ukrainischen ESC-Triumph gibt es eine Sehnsucht nach guten Nachrichten.” Würde es den Kickern gelingen, Schottland am 1. Juni in den Qualifikations-Playoffs zu bezwingen, könnte das Team fünf Tage später gegen Wales in Cardiff die zweite WM-Teilnahme der Ukraine klarmachen.
Oleksandr Petrakow ist kein Mann der großen Worte. Hart und angespannt wirkt der Nationaltrainer der Ukraine im Gespräch mit der DW. “Ich spüre eine große Verantwortung. Für unsere Fans in der Heimat, für unsere Streitkräfte, für die einfachen Menschen, die gerade zu Hause in der Ukraine sind”, sagt er knapp. “Das ist eine große Verantwortung für mich und für die Jungs.”
“Es ist für uns die Möglichkeit, für Aufmerksamkeit für die Lage in unserer Heimat zu sorgen”, sagt Nationalspieler Serhij Sydortschuk der DW. Doch ebenso groß wie die Sehnsucht, so schwierig ist die Aufgabe aus gleich zweierlei Gründen: zum Einen fehlt die Spielpraxis. Noch im November war Mittelfeldspieler Sydortschuk mit Dynamo Kiew in der Champions League gegen den FC Bayern angetreten. Doch seit Beginn der Winterpause gab es keine Pflichtspiele mehr – weder für die Klubs, noch für das Nationalteam.
Sorgen bei Trainer und Spielern
Für die Vorbereitung auf Schottland hat Petrakow seinen Kader in der Fremde, in Slowenien, nahe Ljubljana, versammelt. Testspiele sollen den Kader fit machen. Das sorgte allerdings für rege Reisetätigkeit, unter anderem in die Toskana, Kroatien und nach Mönchengladbach, wo die ukrainische Elf gegen den dort heimischen Bundesligaklub Borussia antrat.
Zum Anderen sind die Spieler und ihr Umfeld unmittelbar vom Krieg betroffen. “Wir haben alle ungefähr das Gleiche in der Seele, im Kopf, in Gesprächen”, erklärt Sydortschuk. Sein Trainer pflichtet ihm bei: “Ich habe gerade eben noch meine Frau und meine Tochter angerufen. Sie sagen, heute ist es ruhig, alles gut. Alle Jungs rufen an, alle machen sich Sorgen um ihre Angehörigen. Natürlich hat man Zweifel”, betont Petrakow. Gut vorstellbar, wie schwierig es ist, sich in dieser Situation auf Fußball zu konzentrieren.
Manche Spieler, wie Torwart Andrij Pjatow, durchleben die Bedrohung schon zum zweiten Mal. 2014 musste er mit seiner Familie fliehen, als pro-russische Separatisten die Volksrepublik Donezk ausriefen. Sein Verein Schachtar Donezk spielte seither in der Hauptstadt Kiew. Dort mussten er und seine Familie erneut Beschuss und Krieg ertragen.
Der russische Überfall bleibt für die Ukrainer unbegreiflich. Wie in vielen anderen Bereichen waren beide Länder auch im Fußball eng verwoben. Zu Zeiten der Sowjetunion feierte die gemeinsame Elf unter dem ukrainischen Trainer Walerij Lobanowskyj seine größten Erfolge, wurde EM-Zweiter 1988. Im gleichen Jahr gewann die UdSSR unter der Ägide seines Landsmanns Anatoli Byschowez Olympiagold gegen Brasilien. Spieler aus der Ukraine bildeten lange Zeit das Gerüst der sowjetischen Elf, mit Namen wie Oleksij Mychajlytschenko oder Oleg Blochin.
Bis zu einer konkurrenzfähigen Mannschaft der Ukraine dauerte es nach dem Zerfall des sowjetischen Reiches noch einige Jahre. “Die Nationalelf hatte aber gerade in dieser Zeit eine enorm wichtige Rolle auf dem Weg zu einer eigenständigen Nation. Sie war ein Identitätsanker für die Menschen in der Ukraine”, erklärt Historikerin Chernii. Davon gebe es inzwischen mehrere, aber gerade bei bedeutenden Turnieren sei die Anziehungskraft des Fußballs nach wie vor groß. Zum ersten Mal spürbar war das 2006 bei der WM in Deutschland. Unter Trainer Blochin sorgte das Team für Furore: Erst gegen den späteren Weltmeister Italien war im Viertelfinale Schluss. Seit der EURO 2012 im eigenen Land waren die Gelb-Blauen bei jeder EM dabei.
“Wir wissen, welche Bürde auf unseren Schultern liegt”, sagt Sydortschuk mit Blick auf das Spiel gegen Schottland und möchte sich gleichzeitig nicht beklagen. Das Team sei im Vergleich zu den Menschen im Krieg privilegiert. “Zuhause kämpfen und sterben junge Männer in den Schützengräben”, sagt Trainer Petrakow.
Nach eigener Aussage hat sich der 64-Jährige nach Kriegsausbruch freiwillig zur Territorialverteidigung in Kiew gemeldet, wurde jedoch mit Blick auf mangelnde militärische Erfahrung und seine bevorstehende Aufgabe abgelehnt. Aufmerksamkeit erregen, für positive Schlagzeilen sorgen, das ist nun seine Mission. Die Spieler sind entschlossen in Glasgow ihr Bestes zu geben, unterstreicht Sydortschuk: “Wir leben alle für dieses Spiel und hoffen, das uns alles gelingt.”
Oleksandr Petrakow ist kein Mann der großen Worte. Hart und angespannt wirkt der Nationaltrainer der Ukraine im Gespräch mit der DW. “Ich spüre eine große Verantwortung. Für unsere Fans in der Heimat, für unsere Streitkräfte, für die einfachen Menschen, die gerade zu Hause in der Ukraine sind”, sagt er knapp. “Das ist eine große Verantwortung für mich und für die Jungs.”
Aus einem rein sportlichen Wettbewerb ist so etwas wie eine nationale Aufgabe geworden. “Fußball ist zwar nicht das Wichtigste im Moment “, unterstreicht die ukrainische Historikerin Kateryna Chernii, “aber die Spiele der Nationalelf sind für die Menschen in der Ukraine und die Geflüchteten eine Gelegenheit, etwas gemeinsam zu erleben. Wie beim jüngsten ukrainischen ESC-Triumph gibt es eine Sehnsucht nach guten Nachrichten.” Würde es den Kickern gelingen, Schottland am 1. Juni in den Qualifikations-Playoffs zu bezwingen, könnte das Team fünf Tage später gegen Wales in Cardiff die zweite WM-Teilnahme der Ukraine klarmachen.
Sorgen bei Trainer und Spielern
“Es ist für uns die Möglichkeit, für Aufmerksamkeit für die Lage in unserer Heimat zu sorgen”, sagt Nationalspieler Serhij Sydortschuk der DW. Doch ebenso groß wie die Sehnsucht, so schwierig ist die Aufgabe aus gleich zweierlei Gründen: zum Einen fehlt die Spielpraxis. Noch im November war Mittelfeldspieler Sydortschuk mit Dynamo Kiew in der Champions League gegen den FC Bayern angetreten. Doch seit Beginn der Winterpause gab es keine Pflichtspiele mehr – weder für die Klubs, noch für das Nationalteam.
Für die Vorbereitung auf Schottland hat Petrakow seinen Kader in der Fremde, in Slowenien, nahe Ljubljana, versammelt. Testspiele sollen den Kader fit machen. Das sorgte allerdings für rege Reisetätigkeit, unter anderem in die Toskana, Kroatien und nach Mönchengladbach, wo die ukrainische Elf gegen den dort heimischen Bundesligaklub Borussia antrat.
Zum Anderen sind die Spieler und ihr Umfeld unmittelbar vom Krieg betroffen. “Wir haben alle ungefähr das Gleiche in der Seele, im Kopf, in Gesprächen”, erklärt Sydortschuk. Sein Trainer pflichtet ihm bei: “Ich habe gerade eben noch meine Frau und meine Tochter angerufen. Sie sagen, heute ist es ruhig, alles gut. Alle Jungs rufen an, alle machen sich Sorgen um ihre Angehörigen. Natürlich hat man Zweifel”, betont Petrakow. Gut vorstellbar, wie schwierig es ist, sich in dieser Situation auf Fußball zu konzentrieren.
Manche Spieler, wie Torwart Andrij Pjatow, durchleben die Bedrohung schon zum zweiten Mal. 2014 musste er mit seiner Familie fliehen, als pro-russische Separatisten die Volksrepublik Donezk ausriefen. Sein Verein Schachtar Donezk spielte seither in der Hauptstadt Kiew. Dort mussten er und seine Familie erneut Beschuss und Krieg ertragen.
Wichtige Rolle für die Identität der Ukraine
Der russische Überfall bleibt für die Ukrainer unbegreiflich. Wie in vielen anderen Bereichen waren beide Länder auch im Fußball eng verwoben. Zu Zeiten der Sowjetunion feierte die gemeinsame Elf unter dem ukrainischen Trainer Walerij Lobanowskyj seine größten Erfolge, wurde EM-Zweiter 1988. Im gleichen Jahr gewann die UdSSR unter der Ägide seines Landsmanns Anatoli Byschowez Olympiagold gegen Brasilien. Spieler aus der Ukraine bildeten lange Zeit das Gerüst der sowjetischen Elf, mit Namen wie Oleksij Mychajlytschenko oder Oleg Blochin.
Sydortschuk: “Leben für dieses Spiel”
Bis zu einer konkurrenzfähigen Mannschaft der Ukraine dauerte es nach dem Zerfall des sowjetischen Reiches noch einige Jahre. “Die Nationalelf hatte aber gerade in dieser Zeit eine enorm wichtige Rolle auf dem Weg zu einer eigenständigen Nation. Sie war ein Identitätsanker für die Menschen in der Ukraine”, erklärt Historikerin Chernii. Davon gebe es inzwischen mehrere, aber gerade bei bedeutenden Turnieren sei die Anziehungskraft des Fußballs nach wie vor groß. Zum ersten Mal spürbar war das 2006 bei der WM in Deutschland. Unter Trainer Blochin sorgte das Team für Furore: Erst gegen den späteren Weltmeister Italien war im Viertelfinale Schluss. Seit der EURO 2012 im eigenen Land waren die Gelb-Blauen bei jeder EM dabei.
“Wir wissen, welche Bürde auf unseren Schultern liegt”, sagt Sydortschuk mit Blick auf das Spiel gegen Schottland und möchte sich gleichzeitig nicht beklagen. Das Team sei im Vergleich zu den Menschen im Krieg privilegiert. “Zuhause kämpfen und sterben junge Männer in den Schützengräben”, sagt Trainer Petrakow.
Nach eigener Aussage hat sich der 64-Jährige nach Kriegsausbruch freiwillig zur Territorialverteidigung in Kiew gemeldet, wurde jedoch mit Blick auf mangelnde militärische Erfahrung und seine bevorstehende Aufgabe abgelehnt. Aufmerksamkeit erregen, für positive Schlagzeilen sorgen, das ist nun seine Mission. Die Spieler sind entschlossen in Glasgow ihr Bestes zu geben, unterstreicht Sydortschuk: “Wir leben alle für dieses Spiel und hoffen, das uns alles gelingt.”