Konstantin Weckers “Willy” – ein Song für die Ewigkeit
Der deutsche Liedermacher Konstantin Wecker wird 75. Sein bekanntestes Lied handelt von einem Mann namens Willy, der sein Recht auf freie Meinung mit dem Leben bezahlte.
Eine Kneipe hinterm Münchener Viktualienmarkt, Mitte der 1970er-Jahre. Willy und ein paar Freunde sitzen am Tisch, trinken Bier und erzählen sich lustige Geschichten. Sie machen keinen Hehl daraus, dass sie politisch links stehen und gegen Neonazis und andere gefährliche rückwärts gewandte Ideologien kämpfen. Plötzlich steht einer vom Nebentisch auf und fängt an, die Gruppe zu provozieren. Schließlich stimmt er ein altes Nazi-Lied an. Der Rest der Kneipe beginnt mitzusummen. Willy springt auf und ruft “Halt’s Maul, Faschist!” Zunächst wird Willy von den anderen nur beleidigt. Aber dann schlägt einer mit einem abgebrochenen Glas zu.
Konstantin Wecker hatte das Lied vom Willy vor 45 Jahren einem Freund gewidmet, der tatsächlich in eine Schlägerei mit Rechtsradikalen geraten war, diese aber überlebt hat. Wecker konnte nicht wissen, dass die Zeilen “Gestern haben sie den Willy erschlagen, und heute wird er begraben” auch ein halbes Jahrhundert später noch aktuell sein würden.
Eine Kneipe hinterm Münchener Viktualienmarkt, Mitte der 1970er-Jahre. Willy und ein paar Freunde sitzen am Tisch, trinken Bier und erzählen sich lustige Geschichten. Sie machen keinen Hehl daraus, dass sie politisch links stehen und gegen Neonazis und andere gefährliche rückwärts gewandte Ideologien kämpfen. Plötzlich steht einer vom Nebentisch auf und fängt an, die Gruppe zu provozieren. Schließlich stimmt er ein altes Nazi-Lied an. Der Rest der Kneipe beginnt mitzusummen. Willy springt auf und ruft “Halt’s Maul, Faschist!” Zunächst wird Willy von den anderen nur beleidigt. Aber dann schlägt einer mit einem abgebrochenen Glas zu.
Denn der Rechtsradikalismus ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht aus Deutschland verschwunden und immer wieder aus seinen Löchern hervorgekrochen – und heute zeigt er selbstbewusster denn je sein hässliches Gesicht.
“Wer getreten wird, der tritt zurück”
Er kann sich in jeder Kneipe manifestieren – dort, wo sich Menschen abgehängt fühlen. Wo sie das Gefühl haben, niemand kümmere sich um sie. Vielleicht in einem Dorf im Spreewald, wo die Straße noch voller Pflastersteine und Schlaglöcher ist, wo neben einem mit Geranien geschmückten Vorgarten ein halb verfallenes Haus steht. Oder in einer kleinen Ortschaft in der Eifel, wo es weder Internet noch eine Bushaltestelle gibt.
Oder auch in einer Großstadt, hinterm Bahnhof, in einer Spelunke, wo Typen sitzen, die sich gar nichts mehr sagen lassen wollen. Bei Konstantin Wecker sind es die “Echten Leute”und er warnt seinen Freund noch: “Echter sind die schon, Willy, aber ich habe dich gewarnt, aufpassen musst du bei denen, weil das Geschlagene sind, und wer dauernd getreten wird, der tritt halt auch einmal zurück! Aber du hast keine Angst gehabt, ich kenne dich doch: ‘Mir tut keiner was!’
Neun verschiedene “Willy”-Versionen von Wecker sind dokumentiert. In der ersten Fassung von 1977 spricht er breitestes Bayrisch – die späteren Versionen sind auf Hochdeutsch – wahrscheinlich gibt es noch viel mehr. Denn immer, wenn es irgendwo auf der Welt rassistisch oder rechtsradikal motivierte Gewaltverbrechen gibt, holt Wecker seinen alten Freund Willy aus seiner Totenruhe. Etwa 1992, als in Eberswalde eine Gruppe Neonazis “aus purer Mordlust” den Angolaner Antonio Amadeu tottrat.
2001, nach den Anschlägen vom 11. September, fragte Wecker seinen Freund in dem Lied: “Wäre es jetzt nicht an der Zeit, den Schrecken zum Anlass zu nehmen, mal wirklich nachzudenken? Sind wir das nicht eher den Opfern schuldig, als Säbelrasseln und Vergeltungsgebrüll? Oder verbieten wir uns dieses Nachdenken etwa deshalb, weil es uns zwingen könnte, unsere buchstäblich überflüssige Lebensweise zu überprüfen?” Eine erschreckend aktuelle Frage vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges.
2015 richtete sich Weckers Zorn gegen “Pegida”, eine islam- und fremdenfeindliche, rassistische und rechtsextreme Organisation, 2018 gegen die rechtspopulistische Partei AfD im Deutschen Bundestag und deren führenden Politiker Alexander Gauland, der die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland (1933 – 1945) als einen “Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte” bezeichnet hatte.
In seinen “Gesprächen mit Willy” – so nennt Wecker die Liederreihe – prangert er immer wieder den mangelnden Aufklärungswillen der Behörden bei rassistischen Übergriffen an – oder auch die Polizei, die manchmal gar nicht erst kommt, wenn sie gerufen wird. Auch die Politiker nimmt er ins Gebet, fordert nicht nur Betroffenheitsbekundungen, sondern “dass ihren Worten Taten folgen sollen”. Faschismus sei keine Meinung, sondern ein Verbrechen, sagt Wecker in einem seiner Zwiegespräche, ein Verbrechen, das man immer und überall bekämpfen müsse.
2020 brach das Coronavirus aus und veränderte das Leben auf radikale Weise. Auch das ließ Konstantin Wecker nicht kalt – vor allem wegen der Maßnahmen, die gegen die Verbreitung der Pandemie getroffen wurden und die die Menschen in ihren Grundrechten und persönlichen Freiheiten einschränkten. Aber, so sagte Wecker sinngemäß in “Willy 2020”: “Wir haben uns gegenseitig geschützt und deshalb Konzerte, Partys und Versammlungen erst mal abgesagt. Wir haben das aus Solidarität und Verantwortungsgefühl für alle Menschen heraus gemacht. Aber nicht wegen der Politiker, die uns dieses Verhalten aufzwingen wollten.” Als “alter Anarcho” wolle er selbst darüber entscheiden, wie weit er seine Freiheiten beschneide.
2021, ein Jahr nach dem neonazistischen Anschlag von Hanau, wo ein 43-
Jähriger kaltblütig neun Menschen mit Migrationshintergrund erschoss, führte Wecker ein weiteres – sein bislang letztes – Gespräch mit Willy.
Und 2022? Der Krieg in der Ukraine und die Antwort der westlichen Welt beunruhigen den überzeugten Pazifisten. Ende April hat Konstantin Wecker, zusammen mit weiteren bekannten deutschen Intellektuellen und Kulturschaffenden, einen Offenen Brief unterzeichnet, in dem vom deutschen Bundeskanzler gefordert wird, keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern. Der Brief war höchst umstritten, denn viele Kritiker des Briefes bezeichneten die pazifistische Haltung der Unterzeichnenden als luxuriös und völlig unangemessen angesichts des Leids der ukrainischen Bevölkerung.
In einem Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) verteidigte Konstantin Wecker sein Anliegen: “Das Problem ist, dass – bis auf ganz wenige Ausnahmen – noch nie ein wirklich gewaltloser Widerstand wirklich probiert wurde.” Er sei vor allem Künstler und kein Politiker, fügte er hinzu, “und ich werde diese Idee weitertragen, denn es ist eine Idee zur Rettung der ganzen Menschheit. Wir müssen irgendwann beginnen, Frieden zu schaffen ohne Waffen.”
Am 1. Juni wird der streitbare Liedermacher 75 Jahre alt. Zu diesem Anlass geht Konstantin Wecker ab dem 3. Juli auf Jubiläumstour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Sein Motto: “Ich singe, weil ich ein Lied hab”. Willy wird dann wohl auch dabei sein.
Eine Kneipe hinterm Münchener Viktualienmarkt, Mitte der 1970er-Jahre. Willy und ein paar Freunde sitzen am Tisch, trinken Bier und erzählen sich lustige Geschichten. Sie machen keinen Hehl daraus, dass sie politisch links stehen und gegen Neonazis und andere gefährliche rückwärts gewandte Ideologien kämpfen. Plötzlich steht einer vom Nebentisch auf und fängt an, die Gruppe zu provozieren. Schließlich stimmt er ein altes Nazi-Lied an. Der Rest der Kneipe beginnt mitzusummen. Willy springt auf und ruft “Halt’s Maul, Faschist!” Zunächst wird Willy von den anderen nur beleidigt. Aber dann schlägt einer mit einem abgebrochenen Glas zu.
Konstantin Wecker hatte das Lied vom Willy vor 45 Jahren einem Freund gewidmet, der tatsächlich in eine Schlägerei mit Rechtsradikalen geraten war, diese aber überlebt hat. Wecker konnte nicht wissen, dass die Zeilen “Gestern haben sie den Willy erschlagen, und heute wird er begraben” auch ein halbes Jahrhundert später noch aktuell sein würden.
“Wer getreten wird, der tritt zurück”
Denn der Rechtsradikalismus ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht aus Deutschland verschwunden und immer wieder aus seinen Löchern hervorgekrochen – und heute zeigt er selbstbewusster denn je sein hässliches Gesicht.
Er kann sich in jeder Kneipe manifestieren – dort, wo sich Menschen abgehängt fühlen. Wo sie das Gefühl haben, niemand kümmere sich um sie. Vielleicht in einem Dorf im Spreewald, wo die Straße noch voller Pflastersteine und Schlaglöcher ist, wo neben einem mit Geranien geschmückten Vorgarten ein halb verfallenes Haus steht. Oder in einer kleinen Ortschaft in der Eifel, wo es weder Internet noch eine Bushaltestelle gibt.
Oder auch in einer Großstadt, hinterm Bahnhof, in einer Spelunke, wo Typen sitzen, die sich gar nichts mehr sagen lassen wollen. Bei Konstantin Wecker sind es die “Echten Leute”und er warnt seinen Freund noch: “Echter sind die schon, Willy, aber ich habe dich gewarnt, aufpassen musst du bei denen, weil das Geschlagene sind, und wer dauernd getreten wird, der tritt halt auch einmal zurück! Aber du hast keine Angst gehabt, ich kenne dich doch: ‘Mir tut keiner was!’
Neun verschiedene “Willy”-Versionen von Wecker sind dokumentiert. In der ersten Fassung von 1977 spricht er breitestes Bayrisch – die späteren Versionen sind auf Hochdeutsch – wahrscheinlich gibt es noch viel mehr. Denn immer, wenn es irgendwo auf der Welt rassistisch oder rechtsradikal motivierte Gewaltverbrechen gibt, holt Wecker seinen alten Freund Willy aus seiner Totenruhe. Etwa 1992, als in Eberswalde eine Gruppe Neonazis “aus purer Mordlust” den Angolaner Antonio Amadeu tottrat.
Bis heute Gespräche mit Willy
2001, nach den Anschlägen vom 11. September, fragte Wecker seinen Freund in dem Lied: “Wäre es jetzt nicht an der Zeit, den Schrecken zum Anlass zu nehmen, mal wirklich nachzudenken? Sind wir das nicht eher den Opfern schuldig, als Säbelrasseln und Vergeltungsgebrüll? Oder verbieten wir uns dieses Nachdenken etwa deshalb, weil es uns zwingen könnte, unsere buchstäblich überflüssige Lebensweise zu überprüfen?” Eine erschreckend aktuelle Frage vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges.
“Faschismus ist ein Verbrechen”
2015 richtete sich Weckers Zorn gegen “Pegida”, eine islam- und fremdenfeindliche, rassistische und rechtsextreme Organisation, 2018 gegen die rechtspopulistische Partei AfD im Deutschen Bundestag und deren führenden Politiker Alexander Gauland, der die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland (1933 – 1945) als einen “Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte” bezeichnet hatte.
In seinen “Gesprächen mit Willy” – so nennt Wecker die Liederreihe – prangert er immer wieder den mangelnden Aufklärungswillen der Behörden bei rassistischen Übergriffen an – oder auch die Polizei, die manchmal gar nicht erst kommt, wenn sie gerufen wird. Auch die Politiker nimmt er ins Gebet, fordert nicht nur Betroffenheitsbekundungen, sondern “dass ihren Worten Taten folgen sollen”. Faschismus sei keine Meinung, sondern ein Verbrechen, sagt Wecker in einem seiner Zwiegespräche, ein Verbrechen, das man immer und überall bekämpfen müsse.
2020 brach das Coronavirus aus und veränderte das Leben auf radikale Weise. Auch das ließ Konstantin Wecker nicht kalt – vor allem wegen der Maßnahmen, die gegen die Verbreitung der Pandemie getroffen wurden und die die Menschen in ihren Grundrechten und persönlichen Freiheiten einschränkten. Aber, so sagte Wecker sinngemäß in “Willy 2020”: “Wir haben uns gegenseitig geschützt und deshalb Konzerte, Partys und Versammlungen erst mal abgesagt. Wir haben das aus Solidarität und Verantwortungsgefühl für alle Menschen heraus gemacht. Aber nicht wegen der Politiker, die uns dieses Verhalten aufzwingen wollten.” Als “alter Anarcho” wolle er selbst darüber entscheiden, wie weit er seine Freiheiten beschneide.
“Als Anarchist entscheide ich selber über meine Freiheit”
2021, ein Jahr nach dem neonazistischen Anschlag von Hanau, wo ein 43-
Jähriger kaltblütig neun Menschen mit Migrationshintergrund erschoss, führte Wecker ein weiteres – sein bislang letztes – Gespräch mit Willy.
Und 2022? Der Krieg in der Ukraine und die Antwort der westlichen Welt beunruhigen den überzeugten Pazifisten. Ende April hat Konstantin Wecker, zusammen mit weiteren bekannten deutschen Intellektuellen und Kulturschaffenden, einen Offenen Brief unterzeichnet, in dem vom deutschen Bundeskanzler gefordert wird, keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern. Der Brief war höchst umstritten, denn viele Kritiker des Briefes bezeichneten die pazifistische Haltung der Unterzeichnenden als luxuriös und völlig unangemessen angesichts des Leids der ukrainischen Bevölkerung.
Ein unerschütterlicher Pazifist
In einem Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) verteidigte Konstantin Wecker sein Anliegen: “Das Problem ist, dass – bis auf ganz wenige Ausnahmen – noch nie ein wirklich gewaltloser Widerstand wirklich probiert wurde.” Er sei vor allem Künstler und kein Politiker, fügte er hinzu, “und ich werde diese Idee weitertragen, denn es ist eine Idee zur Rettung der ganzen Menschheit. Wir müssen irgendwann beginnen, Frieden zu schaffen ohne Waffen.”
Am 1. Juni wird der streitbare Liedermacher 75 Jahre alt. Zu diesem Anlass geht Konstantin Wecker ab dem 3. Juli auf Jubiläumstour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Sein Motto: “Ich singe, weil ich ein Lied hab”. Willy wird dann wohl auch dabei sein.