Deutschland

Bundeswehr: Gerüstet gegen Bürokratie?

Effektiver, schlanker, schlagkräftiger: Verteidigungsminister Boris Pistorius muss beweisen, dass er kann, woran seine Vorgänger scheiterten: Bürokratie abbauen und die Bundeswehr auf Vordermann zu bringen.

Die Bundeswehr ist oft wie ein schwerfälliger Tanker, den man nicht so schnell wenden kann. Berüchtigt sind zum Beispiel kostspielige und komplizierte Beschaffungen – von Socken für die Soldaten und Soldatinnen bis hin zu hochmodernen Waffen. Verteidigungsminister Boris Pistorius trat Anfang des Jahres sein neues Amt mit der Botschaft an, das zu ändern.

Es gehe vor allem um Tempo bei der Beschaffung und darum, Lücken zu schließen, sagte Pistorius beim Runden Tisch mit dem wehrtechnischen Mittelstand im Bundesverteidigungsministerium Anfang des Monats.

Die Bundeswehr ist oft wie ein schwerfälliger Tanker, den man nicht so schnell wenden kann. Berüchtigt sind zum Beispiel kostspielige und komplizierte Beschaffungen – von Socken für die Soldaten und Soldatinnen bis hin zu hochmodernen Waffen. Verteidigungsminister Boris Pistorius trat Anfang des Jahres sein neues Amt mit der Botschaft an, das zu ändern.

Pistorius erklärte Devise: Vorschriften abschaffen, die Forschung und Entwicklung sowie Beschaffung behindern und die sich im Laufe der Jahre angehäuft haben. Langwierige und hierarchische Genehmigungsverfahren innerhalb des Ministeriums sollen gestrafft werden.

Erste Regel: weniger Regeln

Flexibilität, Kreativität und Eigeninitiative sollen die neuen Leitideen für die 11.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Beschaffungsamtes der Bundeswehr werden. Damit ist das Amt sechsmal so groß wie das Bundesverteidigungsministerium.

Ende April veröffentlichte das Bundesverteidigungsministerium ein internes Papier, auch bekannt unter dem Namen Zimmer-Erlass, benannt nach Staatssekretär Benedikt Zimmer. Darin heißt es: “Der Faktor Zeit hat höchste Priorität und ist mit sofortiger Wirkung als der wesensbestimmende Faktor aller laufenden und neuen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr maßgebend, um zu beschaffende Produkte für die Truppe so schnell wie möglich nutzbar zu machen.”

Trotz der Dringlichkeit sorgen weder starke Worte noch ein Erlass unbedingt dafür, dass sich eine träge Bürokratie-Maschine in Bewegung setzt. “Papier ist geduldig”, sagt Christian Mölling, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), im Gespräch mit der DW. Der Erlass lege zwar einen Rahmen fest, allerdings sei “die große Frage, ob man das System zum Laufen bringt”.

Zwei Jahre könnte es laut Mölling dauern, bis sich die ersten Veränderungen zeigen. Bis dahin wird sich die Politik bereits auf die nächste Bundestagswahl vorbereiten und das 100 Milliarden starke Sondervermögen für die Bundeswehr könnte schon aufgebraucht sein. Das setzt Pistorius unter Druck, er muss Ergebnisse liefern. Wenn er den Gesetzgeber überzeugen möchte, dass sein Ministerium auf Dauer ein größeres Jahresbudget verdient, muss er beweisen, dass er das Geld umsichtig und kosteneffizient ausgeben kann.

Der geeignete Weg dahin, das zeigt Zimmer in seinem Erlass auf, ist der des geringsten Widerstandes. Statt auf Spezialausrüstungen, die den zeitlichen und finanziellen Rahmen sprengen können, solle man lieber auf “marktverfügbare Produkte” setzen. Das spiegelt eine Kritik wider, die immer wieder an der Bundeswehr geäußert wird: Statt verfügbare Ressourcen zu nutzen, werde immer wieder versucht, das Rad neu zu erfinden.

Der eingeschlagene Weg stößt auf Zustimmung im deutschen Verteidigungssektor. “Die konsequente Anwendung der neuen Anforderungen ermöglicht es uns als Industrie auch, der Bundeswehr unsere bereits am Markt befindlichen und bei anderen NATO-Kunden bewährten Produkte zur Verfügung zu stellen”, heißt es in einer Stellungnahme von Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), auf Anfrage der DW.

In politischen Kreisen sind die Schwierigkeiten der Bundeswehr, die richtige Ausrüstung zu beschaffen und auch zu warten, schon altbekannt. Die Gründe sind tief verwurzelt und existieren schon lange.

Es habe von Anfang an ein gewisses “Misstrauen” gegenüber der Bundeswehr gegeben, das sie von Anfang an behindert habe, sagt der General a.D. Klaus Wittmann der DW. Aus der Erfahrung der Zeit des Nationalsozialismus legt das Grundgesetz eine Trennung der Bundeswehr und ihrer Verwaltung fest. Dadurch wurde die Beschaffungsbefugnis für die Streitkräfte außerhalb der Reichweite der Truppe selbst angesiedelt.

Während des Kalten Krieges war die Bundeswehr schlagkräftiger, doch mit der sowjetischen Bedrohung schwand nach 1990 auch der politische Wille, die Streitkräfte ausreichend zu finanzieren.

Vieles hat sich allerdings mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verändert. Ein neues Gefühl der Dringlichkeit zog ein, am deutlichsten erkennbar, als Bundeskanzler Olaf Scholz die “Zeitenwende” wenige Tage nach Beginn des Krieges ausrief. Die deutschen Empfindlichkeiten gegenüber militärischer Stärke sind seitdem schwächer geworden.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern genießt Pistorius eine Menge Rückenwind, und er ist sich über die Sicherheitslage, die er übernommen hat, im klaren. Er habe gezeigt, in seinem Job zu lernen, so General a.D. Klaus Wittmann, und auf die Bedürfnisse der Militärs zu hören.

“Ich bin wirklich sehr optimistisch und denke, dass [Pistorius] auf dem richtigen Fuß angefangen hat”, sagt Wittmann. Und fügt dann einschränkend hinzu: Trotz des guten Willens werde er die Ergebnisse – und das Feedback der Truppe – abwarten, bevor er bereit sei zu sagen: Mission accomplished.

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.

drei Soldaten, die Gesichter verdeckt mit Maske und Brille im Gespräch mit Verteidigungsminister Boris Pistorius
Man sieht den Schützenpanzer Puma, bedeckt mit Moos auf einer aschigen Straße

Die Bundeswehr ist oft wie ein schwerfälliger Tanker, den man nicht so schnell wenden kann. Berüchtigt sind zum Beispiel kostspielige und komplizierte Beschaffungen – von Socken für die Soldaten und Soldatinnen bis hin zu hochmodernen Waffen. Verteidigungsminister Boris Pistorius trat Anfang des Jahres sein neues Amt mit der Botschaft an, das zu ändern.

Es gehe vor allem um Tempo bei der Beschaffung und darum, Lücken zu schließen, sagte Pistorius beim Runden Tisch mit dem wehrtechnischen Mittelstand im Bundesverteidigungsministerium Anfang des Monats.

Erste Regel: weniger Regeln

Pistorius erklärte Devise: Vorschriften abschaffen, die Forschung und Entwicklung sowie Beschaffung behindern und die sich im Laufe der Jahre angehäuft haben. Langwierige und hierarchische Genehmigungsverfahren innerhalb des Ministeriums sollen gestrafft werden.

Flexibilität, Kreativität und Eigeninitiative sollen die neuen Leitideen für die 11.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Beschaffungsamtes der Bundeswehr werden. Damit ist das Amt sechsmal so groß wie das Bundesverteidigungsministerium.

Ende April veröffentlichte das Bundesverteidigungsministerium ein internes Papier, auch bekannt unter dem Namen Zimmer-Erlass, benannt nach Staatssekretär Benedikt Zimmer. Darin heißt es: “Der Faktor Zeit hat höchste Priorität und ist mit sofortiger Wirkung als der wesensbestimmende Faktor aller laufenden und neuen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr maßgebend, um zu beschaffende Produkte für die Truppe so schnell wie möglich nutzbar zu machen.”

Trotz der Dringlichkeit sorgen weder starke Worte noch ein Erlass unbedingt dafür, dass sich eine träge Bürokratie-Maschine in Bewegung setzt. “Papier ist geduldig”, sagt Christian Mölling, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), im Gespräch mit der DW. Der Erlass lege zwar einen Rahmen fest, allerdings sei “die große Frage, ob man das System zum Laufen bringt”.

Der schnellste Weg ans Ziel

Zwei Jahre könnte es laut Mölling dauern, bis sich die ersten Veränderungen zeigen. Bis dahin wird sich die Politik bereits auf die nächste Bundestagswahl vorbereiten und das 100 Milliarden starke Sondervermögen für die Bundeswehr könnte schon aufgebraucht sein. Das setzt Pistorius unter Druck, er muss Ergebnisse liefern. Wenn er den Gesetzgeber überzeugen möchte, dass sein Ministerium auf Dauer ein größeres Jahresbudget verdient, muss er beweisen, dass er das Geld umsichtig und kosteneffizient ausgeben kann.

Ein schweres Erbe

Der geeignete Weg dahin, das zeigt Zimmer in seinem Erlass auf, ist der des geringsten Widerstandes. Statt auf Spezialausrüstungen, die den zeitlichen und finanziellen Rahmen sprengen können, solle man lieber auf “marktverfügbare Produkte” setzen. Das spiegelt eine Kritik wider, die immer wieder an der Bundeswehr geäußert wird: Statt verfügbare Ressourcen zu nutzen, werde immer wieder versucht, das Rad neu zu erfinden.

Der eingeschlagene Weg stößt auf Zustimmung im deutschen Verteidigungssektor. “Die konsequente Anwendung der neuen Anforderungen ermöglicht es uns als Industrie auch, der Bundeswehr unsere bereits am Markt befindlichen und bei anderen NATO-Kunden bewährten Produkte zur Verfügung zu stellen”, heißt es in einer Stellungnahme von Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), auf Anfrage der DW.

In politischen Kreisen sind die Schwierigkeiten der Bundeswehr, die richtige Ausrüstung zu beschaffen und auch zu warten, schon altbekannt. Die Gründe sind tief verwurzelt und existieren schon lange.

Es habe von Anfang an ein gewisses “Misstrauen” gegenüber der Bundeswehr gegeben, das sie von Anfang an behindert habe, sagt der General a.D. Klaus Wittmann der DW. Aus der Erfahrung der Zeit des Nationalsozialismus legt das Grundgesetz eine Trennung der Bundeswehr und ihrer Verwaltung fest. Dadurch wurde die Beschaffungsbefugnis für die Streitkräfte außerhalb der Reichweite der Truppe selbst angesiedelt.

Während des Kalten Krieges war die Bundeswehr schlagkräftiger, doch mit der sowjetischen Bedrohung schwand nach 1990 auch der politische Wille, die Streitkräfte ausreichend zu finanzieren.

Vieles hat sich allerdings mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verändert. Ein neues Gefühl der Dringlichkeit zog ein, am deutlichsten erkennbar, als Bundeskanzler Olaf Scholz die “Zeitenwende” wenige Tage nach Beginn des Krieges ausrief. Die deutschen Empfindlichkeiten gegenüber militärischer Stärke sind seitdem schwächer geworden.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern genießt Pistorius eine Menge Rückenwind, und er ist sich über die Sicherheitslage, die er übernommen hat, im klaren. Er habe gezeigt, in seinem Job zu lernen, so General a.D. Klaus Wittmann, und auf die Bedürfnisse der Militärs zu hören.

Deutschland Veitshöchheim | Verteidigungsminister Boris Pistorius

“Ich bin wirklich sehr optimistisch und denke, dass [Pistorius] auf dem richtigen Fuß angefangen hat”, sagt Wittmann. Und fügt dann einschränkend hinzu: Trotz des guten Willens werde er die Ergebnisse – und das Feedback der Truppe – abwarten, bevor er bereit sei zu sagen: Mission accomplished.

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.

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