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In fünf Jahren in die Bundesliga? Viktoria Berlin will den Frauenfußball verändern

Ausschließlich Investorinnen wollen eine kleine Berliner Fußball-Mannschaft in die höchste Spielklasse bringen. Das Modell sorgt für Aufsehen.

300 Fans füllen beim Heimspiel gegen den FSV Babelsberg 74 die Tribünen des Stadions Lichterfelde. In zwei Zelten werden Bier und Bratwürste serviert. Eine dreiköpfige Fangruppe sorgt mit nur einer Trommel, aber unbändiger Energie für gute Stimmung. Das ist Viktoria Berlin. Der Drittligist wirkt auf den ersten Blick nicht gerade wie die Zukunft des Frauenfußballs in Deutschland, doch viele sehen in dem Verein genau das. 

“Der Status quo ist nicht das, was wir wollen. Wir haben beschlossen, dass es jetzt an der Zeit ist, tatsächlich etwas zu tun. Nicht nur über Veränderungen zu reden, sondern wirklich etwas zu tun”, sagt Lisa Währer der DW. Währer ist Geschäftsführerin und eine der sechs Gründerinnen des Frauenteams von Viktoria, das in diesem Sommer in neuem Anstrich das Licht der Welt erblickte.

300 Fans füllen beim Heimspiel gegen den FSV Babelsberg 74 die Tribünen des Stadions Lichterfelde. In zwei Zelten werden Bier und Bratwürste serviert. Eine dreiköpfige Fangruppe sorgt mit nur einer Trommel, aber unbändiger Energie für gute Stimmung. Das ist Viktoria Berlin. Der Drittligist wirkt auf den ersten Blick nicht gerade wie die Zukunft des Frauenfußballs in Deutschland, doch viele sehen in dem Verein genau das. 

Das postulierte Ziel, bis 2027 in die Bundesliga aufzusteigen, ist ambitioniert. Doch Währer betont, dass die Investorinnen das große Ganze im Blick haben: “Das Projekt ist auch eine Art Frauenbewegung, um Frauen im Sport sichtbarer zu machen und sie stärker ins Rampenlicht zu stellen. Denn das ist wirklich sehr vernachlässigt worden.”. 

Die Hoffnung, etwas zu verändern

Der Frauenfußball hat auf höchster Ebene für Aufsehen gesorgt: Die Europameisterschaft im vergangenen Sommer in England hat eine Euphorie ausgelöst. Zuschauerrekorde purzelten, auf Vereinsebene, in ganz Europa. Die Macherinnen von Viktoria Berlin sehen auch für ihren Klub viel Potential. “Die ganze Idee entstand aus der Tatsache, dass Berlin keine Bundesligamannschaft hat. Das ist für eine Stadt, die sich selbst als Sporthauptstadt Deutschlands bezeichnet, seltsam und meiner Meinung nach auch traurig”, so Währer.

Turbine Potsdam war, vor den Toren der Hauptstadt, jahrelang eine dominierende Kraft im deutschen Frauenfußball und spielt nach wie vor in der Bundesliga. Aus Berlin selbst jedoch war Tennis Borussia der letzte Verein, der – in der Saison 2009/2010 – in der höchsten deutschen Spielklasse spielte.

Inspiriert vom Ansatz des neuen Teams Angel City FC in der US-Liga NWSL investierten Währer und fünf weitere Mitgründerinnen in Viktoria. Die Gruppe aus Wirtschaft, Marketing und Sport – darunter die ehemalige deutsche Nationalspielerin Ariane Hingst – gliederten das bestehende Frauenteam aus dem Männerbereich aus, um ein unabhängiges Management und größere Investitionen zu ermöglichen.

Dieser Prozess der Ausgliederung ist bei deutschen Männervereinen üblich, um Investoren zu gewinnen, ohne die 50+1 Regel zu verletzen. Viktoria ist jedoch der erste Verein mit Männer-und Frauenmannschaften, der sein Frauenteam ausgliedert, um dessen Wachstum durch zusätzliche Investitionen zu fördern.

Die “Mini-Wiedergeburt” von Viktoria hat dem verschlafenen Stadtteil Lichterfelde im Südwesten Berlins große Aufmerksamkeit beschert. Das hat sich auch in vergleichsweise hohen Zuschauerzahlen niedergeschlagen. Beim Ligaspiel gegen Union Berlin – einen Verein, der ebenfalls langfristige Ambitionen auf die Bundesliga hegt – kamen 700 Fans. Das DFB-Pokalspiel gegen Turbine Potsdam, in dem Viktoria knapp scheiterte, besuchten sogar 1200 Fans. Diese Zuschauerzahlen sind höher als bei manchem Erstligisten. 

Auch die Spielerinnen sind begeistert. “Du möchtest ein Teil davon sein. Vor ein paar Jahren war alles nur zum Spaß. Jetzt haben wir konkrete Ziele”, sagt Mittelfeldspielerin Stephanie Gerken der DW. “Die Fans sind hier, weil sie hier sein wollen. Sie feiern den Frauenfußball. Das ist ein tolles Gefühl, aber wir müssen uns auch erst daran gewöhnen.”

Skeptiker verweisen darauf, dass das Modell, durch zahlungskräftige Investoren versprochene Neuerungen zu erreichen, nicht selten im Chaos endete. Die Investoren der Frauenteams von Viktoria sind sich der vielen abschreckenden Beispiele aus dem Männerfußball bewusst. Dennoch argumentieren sie, dass das Umfeld im Frauenfußball deutlich anders sei und ihren Plan realistischer mache.

“Im Männerfußball gibt es viel mehr Konkurrenz. Das Gute am Frauenfußball ist, dass es noch so viel Entwicklungspotential gibt. Selbst mit relativ kleinen Schritten kann man ein anderes Niveau erreichen”, sagt Währer. Die Investorinnen von Viktoria sind zwar nicht ganz so hochkarätig besetzt wie die von Angel City (Schauspielerin Natalie Portman, Tennisstar Serena Williams sowie die Ex-Fußballstars Abby Wambach und Mia Hamm gehören zu den Geldgeberinnen des US-Klubs), aber sie haben dabei geholfen, ein großes Netzwerk für potentielle Investoren zu bilden.

“Die Idee war von Anfang an, sich nicht auf ein bis drei Großinvestoren zu verlassen, sondern eine breitere Basis von privaten Investoren aufzubauen. Wir möchten, dass alle, die Geld investieren, Einzelpersonen sind, die an dieses Projekt glauben und etwas verändern wollen”, so Währer gegenüber der DW. Dieser Ansatz macht das Viktoria-Projekt weniger abhängig von den Launen eines einzelnen Investors – was schon so manchem Männerteam zum Verhängnis wurde. Bisher funktioniert die Herangehensweise sehr gut. Nach Angaben des Deutschlandfunks hat Viktoria in den ersten drei Monaten seit dem Relaunch über eine Million Euro von mehr als 80 Investoren eingesammelt. 

Unabhängig davon, wie gut der Plan des Managements ausgearbeitet ist, muss er allerdings auch auf dem Spielfeld umgesetzt werden. Der ehrgeizige Ansatz hat auch Trainer Alejandro Prieto überzeugt. Seit Beginn der Saison ist er Trainer von Viktorias Frauenmannschaft. “Der Plan ist es, in dieser Saison aufzusteigen und auch in der nächsten und dann weiter aufwärts, aufwärts”, sagt Prieto der DW. “Das ist das Ziel aller Spielerinnen und aller im Verein. Aber wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen.”

Stephanie Gerken ist die dienstälteste Spielerin der Mannschaft. Für sie ist klar, dass nicht alle Mitglieder des aktuellen Kaders bis zum Zielstrich dabei sein können. Das hält sie jedoch nicht davon ab, sich darüber zu freuen, ein Teil des Projekts zu sein. “Jede Spielerin geht damit auf ihre Weise um. Ich weiß, dass ich vorerst dazugehören werde und alles dafür tun werde, um diese Mannschaft in die zweite Liga zu bringen” sagt die 31-Jährige. “Aber ich weiß auch, dass ich nicht mehr in der Bundesliga spielen werde. Deshalb ist es meine Aufgabe, die jungen Spielerinnen zu fördern und ihnen in ihrer Entwicklung zu helfen.”

Bevor sich die Spielerinnen über die erste Liga Gedanken machen können, muss ihnen jedoch erst einmal der Aufstieg in die zweite Liga gelingen. Ob die Mannschaft das schafft, hängt auch davon ab, ob es sich bei Viktoria nur um eine Modeerscheinung handelt oder ob der Verein mit seinen neuartigen Besitzverhältnissen wirklich nachhaltig den deutschen Frauenfußball verändern kann. 

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert. 

Die Fußballerinnen von Viktoria Berlin beim Training
Trainer Alejandro Pietro (m) mit zwei Spielerinnen von Viktoria Berlin

300 Fans füllen beim Heimspiel gegen den FSV Babelsberg 74 die Tribünen des Stadions Lichterfelde. In zwei Zelten werden Bier und Bratwürste serviert. Eine dreiköpfige Fangruppe sorgt mit nur einer Trommel, aber unbändiger Energie für gute Stimmung. Das ist Viktoria Berlin. Der Drittligist wirkt auf den ersten Blick nicht gerade wie die Zukunft des Frauenfußballs in Deutschland, doch viele sehen in dem Verein genau das. 

“Der Status quo ist nicht das, was wir wollen. Wir haben beschlossen, dass es jetzt an der Zeit ist, tatsächlich etwas zu tun. Nicht nur über Veränderungen zu reden, sondern wirklich etwas zu tun”, sagt Lisa Währer der DW. Währer ist Geschäftsführerin und eine der sechs Gründerinnen des Frauenteams von Viktoria, das in diesem Sommer in neuem Anstrich das Licht der Welt erblickte.

Die Hoffnung, etwas zu verändern

Das postulierte Ziel, bis 2027 in die Bundesliga aufzusteigen, ist ambitioniert. Doch Währer betont, dass die Investorinnen das große Ganze im Blick haben: “Das Projekt ist auch eine Art Frauenbewegung, um Frauen im Sport sichtbarer zu machen und sie stärker ins Rampenlicht zu stellen. Denn das ist wirklich sehr vernachlässigt worden.”. 

Der Frauenfußball hat auf höchster Ebene für Aufsehen gesorgt: Die Europameisterschaft im vergangenen Sommer in England hat eine Euphorie ausgelöst. Zuschauerrekorde purzelten, auf Vereinsebene, in ganz Europa. Die Macherinnen von Viktoria Berlin sehen auch für ihren Klub viel Potential. “Die ganze Idee entstand aus der Tatsache, dass Berlin keine Bundesligamannschaft hat. Das ist für eine Stadt, die sich selbst als Sporthauptstadt Deutschlands bezeichnet, seltsam und meiner Meinung nach auch traurig”, so Währer.

Turbine Potsdam war, vor den Toren der Hauptstadt, jahrelang eine dominierende Kraft im deutschen Frauenfußball und spielt nach wie vor in der Bundesliga. Aus Berlin selbst jedoch war Tennis Borussia der letzte Verein, der – in der Saison 2009/2010 – in der höchsten deutschen Spielklasse spielte.

Inspiriert vom Ansatz des neuen Teams Angel City FC in der US-Liga NWSL investierten Währer und fünf weitere Mitgründerinnen in Viktoria. Die Gruppe aus Wirtschaft, Marketing und Sport – darunter die ehemalige deutsche Nationalspielerin Ariane Hingst – gliederten das bestehende Frauenteam aus dem Männerbereich aus, um ein unabhängiges Management und größere Investitionen zu ermöglichen.

Ein ehrgeiziger, vertrauter Traum

Dieser Prozess der Ausgliederung ist bei deutschen Männervereinen üblich, um Investoren zu gewinnen, ohne die 50+1 Regel zu verletzen. Viktoria ist jedoch der erste Verein mit Männer-und Frauenmannschaften, der sein Frauenteam ausgliedert, um dessen Wachstum durch zusätzliche Investitionen zu fördern.

Wenn es wirklich zählt

Die “Mini-Wiedergeburt” von Viktoria hat dem verschlafenen Stadtteil Lichterfelde im Südwesten Berlins große Aufmerksamkeit beschert. Das hat sich auch in vergleichsweise hohen Zuschauerzahlen niedergeschlagen. Beim Ligaspiel gegen Union Berlin – einen Verein, der ebenfalls langfristige Ambitionen auf die Bundesliga hegt – kamen 700 Fans. Das DFB-Pokalspiel gegen Turbine Potsdam, in dem Viktoria knapp scheiterte, besuchten sogar 1200 Fans. Diese Zuschauerzahlen sind höher als bei manchem Erstligisten. 

Auch die Spielerinnen sind begeistert. “Du möchtest ein Teil davon sein. Vor ein paar Jahren war alles nur zum Spaß. Jetzt haben wir konkrete Ziele”, sagt Mittelfeldspielerin Stephanie Gerken der DW. “Die Fans sind hier, weil sie hier sein wollen. Sie feiern den Frauenfußball. Das ist ein tolles Gefühl, aber wir müssen uns auch erst daran gewöhnen.”

Skeptiker verweisen darauf, dass das Modell, durch zahlungskräftige Investoren versprochene Neuerungen zu erreichen, nicht selten im Chaos endete. Die Investoren der Frauenteams von Viktoria sind sich der vielen abschreckenden Beispiele aus dem Männerfußball bewusst. Dennoch argumentieren sie, dass das Umfeld im Frauenfußball deutlich anders sei und ihren Plan realistischer mache.

“Im Männerfußball gibt es viel mehr Konkurrenz. Das Gute am Frauenfußball ist, dass es noch so viel Entwicklungspotential gibt. Selbst mit relativ kleinen Schritten kann man ein anderes Niveau erreichen”, sagt Währer. Die Investorinnen von Viktoria sind zwar nicht ganz so hochkarätig besetzt wie die von Angel City (Schauspielerin Natalie Portman, Tennisstar Serena Williams sowie die Ex-Fußballstars Abby Wambach und Mia Hamm gehören zu den Geldgeberinnen des US-Klubs), aber sie haben dabei geholfen, ein großes Netzwerk für potentielle Investoren zu bilden.

“Die Idee war von Anfang an, sich nicht auf ein bis drei Großinvestoren zu verlassen, sondern eine breitere Basis von privaten Investoren aufzubauen. Wir möchten, dass alle, die Geld investieren, Einzelpersonen sind, die an dieses Projekt glauben und etwas verändern wollen”, so Währer gegenüber der DW. Dieser Ansatz macht das Viktoria-Projekt weniger abhängig von den Launen eines einzelnen Investors – was schon so manchem Männerteam zum Verhängnis wurde. Bisher funktioniert die Herangehensweise sehr gut. Nach Angaben des Deutschlandfunks hat Viktoria in den ersten drei Monaten seit dem Relaunch über eine Million Euro von mehr als 80 Investoren eingesammelt. 

Unabhängig davon, wie gut der Plan des Managements ausgearbeitet ist, muss er allerdings auch auf dem Spielfeld umgesetzt werden. Der ehrgeizige Ansatz hat auch Trainer Alejandro Prieto überzeugt. Seit Beginn der Saison ist er Trainer von Viktorias Frauenmannschaft. “Der Plan ist es, in dieser Saison aufzusteigen und auch in der nächsten und dann weiter aufwärts, aufwärts”, sagt Prieto der DW. “Das ist das Ziel aller Spielerinnen und aller im Verein. Aber wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen.”

Stephanie Gerken ist die dienstälteste Spielerin der Mannschaft. Für sie ist klar, dass nicht alle Mitglieder des aktuellen Kaders bis zum Zielstrich dabei sein können. Das hält sie jedoch nicht davon ab, sich darüber zu freuen, ein Teil des Projekts zu sein. “Jede Spielerin geht damit auf ihre Weise um. Ich weiß, dass ich vorerst dazugehören werde und alles dafür tun werde, um diese Mannschaft in die zweite Liga zu bringen” sagt die 31-Jährige. “Aber ich weiß auch, dass ich nicht mehr in der Bundesliga spielen werde. Deshalb ist es meine Aufgabe, die jungen Spielerinnen zu fördern und ihnen in ihrer Entwicklung zu helfen.”

Bevor sich die Spielerinnen über die erste Liga Gedanken machen können, muss ihnen jedoch erst einmal der Aufstieg in die zweite Liga gelingen. Ob die Mannschaft das schafft, hängt auch davon ab, ob es sich bei Viktoria nur um eine Modeerscheinung handelt oder ob der Verein mit seinen neuartigen Besitzverhältnissen wirklich nachhaltig den deutschen Frauenfußball verändern kann. 

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert. 

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