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China im Schatten des Ukraine-Kriegs

Alle reden über Deutschlands Energie-Abhängigkeit von Russland. Aber was ist eigentlich mit China? Sicherheitsexperten warnen vor Risiken bei der IT-Sicherheit und den Gefahren von Cyber-Angriffen.

Normalerweise lassen sich beide ungerne in die Karten schauen. Der Verfassungsschutz arbeitet im Verborgenen, um Feinde von Demokratie und Freiheit aufzuspüren. Die deutsche Wirtschaft wiederum hütet ihre Betriebsgeheimnisse, um auf dem Weltmarkt erfolgreich zu sein und konkurrenzfähig zu bleiben. Trotzdem sind sie mehr denn je aufeinander angewiesen und pflegen schon seit vielen Jahren enge Kontakte.

Sichtbarster Ausdruck ihrer Kooperation ist die schon traditionelle gemeinsame Sicherheitstagung in Berlin. Veranstaltet vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW). Das Motto 2022: “Sicherheit in einer komplexen Welt ermöglichen”. Wie schwierig das ist, zeigt sich seit Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine wie unter einem Brennglas.

Normalerweise lassen sich beide ungerne in die Karten schauen. Der Verfassungsschutz arbeitet im Verborgenen, um Feinde von Demokratie und Freiheit aufzuspüren. Die deutsche Wirtschaft wiederum hütet ihre Betriebsgeheimnisse, um auf dem Weltmarkt erfolgreich zu sein und konkurrenzfähig zu bleiben. Trotzdem sind sie mehr denn je aufeinander angewiesen und pflegen schon seit vielen Jahren enge Kontakte.

Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der internationalen Konferenz reicht ein Blick aus dem Fenster ihres Hotels am Hauptbahnhof: Täglich treffen hier tausende Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Hilfesuchend wenden sie sich an die vielen Freiwilligen im großen, weißen Willkommenszelt auf dem Washingtonplatz vis-à-vis vom Bundeskanzleramt. Vor den Augen der Konferenzteilnehmer spielt sich ein Kapitel Weltgeschichte ab.

Ukraine-Flüchtlinge vor der Hotel-Tür

ASW-Chef Volker Wagner sagt angesichts dieser Bilder und der Tragödie in der Ukraine: “Wir von der Unternehmensseite bekennen uns an dieser Stelle ganz klar zum Primat der Politik. Die wirtschaftlichen Folgen stehen für uns an zweiter Stelle.” Welche Folgen die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl für Deutschland und Europa haben könnte, daran lässt er keinen Zweifel: Die Lage könnte für energieintensive Unternehmen “äußerst problematisch” werden, so Wagner. 

Und schon ist die Sicherheitstagung mitten drin im alles beherrschenden Thema dieser Tage und der Frage, was gegen die Abhängigkeit von Despoten wie Putin zu tun sei. Dazu äußert sich ausführlich ein Sicherheitsexperte, dessen Kernkompetenz sonst der internationale Terrorismus ist. An diesem Tag aber wirbt Peter Neumann vom Londoner King’s College eindringlich dafür, auch angesichts des alles dominierenden Ukraine-Krieges andere Gefahren nicht zu übersehen.

“Auf dem Weg zu einer neuen Weltordnung?” lautet der Titel, den Neumann seiner Analyse gegeben hat. Dabei denkt er aber weniger an Russland. Putin habe Atomwaffen, aber sonst nicht viel zu bieten; sein Land sei wirtschaftlich schwach und korrupt, so Neumann. Deshalb sieht der aus Deutschland stammende Terror-Experte Europa und die Welt nicht primär im Wettbewerb mit Russland, sondern mit einem anderen Land: “China ist die wirkliche System-Konfrontation”, sagt Neumann.

Das sei anders als der Kalte Krieg, in dem die damalige Sowjetunion autoritär gewesen sei, aber wirtschaftlich nicht erfolgreich. “China ist autoritär, totalitär und wirtschaftlich erfolgreich.” Man habe gedacht, je reicher China werde, je mehr Mittelklasse es gebe, je gebildeter die Menschen werden, desto liberaler und demokratischer werde das Land. “Wandel durch Handel” sei das Motto gewesen – wie bei Russland. “Aber das ist eben nicht passiert”, urteilt Neumann.

Jetzt habe man es mit einem Land zu tun, dass sehr reich geworden sei, sehr selbstbewusst und das unter seinem Staatspräsidenten Xi Jinping begonnen habe, diese “Erfolgsgeschichte” zu exportieren. Was China anbiete, sei für viele afrikanische und asiatische Länder sehr attraktiv: ein Modell, “das basiert auf Stabilität, Souveränität und wirtschaftlicher Entwicklung”.

Der Westen müsse dem schnell etwas entgegensetzen. China habe mit seiner Botschaft sehr viel Erfolg. “Wir merken es häufig nicht, weil wir auf Europa fokussiert sind und uns meistens nicht so dafür interessieren, was in Asien und Afrika passiert”, so Neumann. 

Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine spricht auch Neumann von einem Umbruch, einer veränderten Weltordnung, einer Zeitenwende.  Und warnt zugleich: So wichtig es sei, sich mit der Ukraine zu beschäftigen, “so wichtig ist es auch, dass wir die anderen Themen nicht aus den Augen verlieren”. Neben China ist das aus seiner Sicht der Klimawandel, der ebenfalls zu vielen Konflikten führen werde.

Ebenso wie Peter Neumann beschäftigt sich der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz seit vielen Jahren mit Terrorismus. Als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr) hat er exklusive Einblicke in die deutsche Sicherheitsarchitektur. Und auch er betont: “Natürlich müssen wir uns mit China beschäftigen.”

Von Notz sorgt sich darum, Deutschland könne bei der Informationstechnologie zu sehr von der asiatischen Supermacht abhängig werden. speziell durch den Ausbau des G5-Netzes. Diese digitale Infrastruktur wird vor allem vom chinesischen Unternehmen Huawei aufgebaut. Der Grüne plädiert für eine “Wertegebundenheit” wirtschaftlicher Entscheidungen. Die Energie-Abhängigkeit vom russischen Konzern Gazprom dient ihm als abschreckendes Beispiel: “Das war lange Zeit krass pragmatisch, aber jetzt ist man irgendwie angeschmiert”, so der Grünen-Abgeordnete

Eine Einschätzung, der auf er Berliner Sicherheitstagung niemand widerspricht. Sinan Selen, Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), bläst ins gleiche Horn wie Konstantin von Notz – und denkt dabei auch an die Gefahren durch Cyber-Attacken: “Das sind Herausforderungen, die nicht enden werden.” Die letzten Warnungen seiner Behörde an die deutsche Wirtschaft seien 48 Stunden alt, sagt Selen. Sie betreffen Aktivitäten der staatlichen russischen Cyber-Gruppe “Ghostwriter”. 

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Hilfe für Ukrainer am Berliner Hauptbahnhof

Normalerweise lassen sich beide ungerne in die Karten schauen. Der Verfassungsschutz arbeitet im Verborgenen, um Feinde von Demokratie und Freiheit aufzuspüren. Die deutsche Wirtschaft wiederum hütet ihre Betriebsgeheimnisse, um auf dem Weltmarkt erfolgreich zu sein und konkurrenzfähig zu bleiben. Trotzdem sind sie mehr denn je aufeinander angewiesen und pflegen schon seit vielen Jahren enge Kontakte.

Sichtbarster Ausdruck ihrer Kooperation ist die schon traditionelle gemeinsame Sicherheitstagung in Berlin. Veranstaltet vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW). Das Motto 2022: “Sicherheit in einer komplexen Welt ermöglichen”. Wie schwierig das ist, zeigt sich seit Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine wie unter einem Brennglas.

Ukraine-Flüchtlinge vor der Hotel-Tür

Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der internationalen Konferenz reicht ein Blick aus dem Fenster ihres Hotels am Hauptbahnhof: Täglich treffen hier tausende Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Hilfesuchend wenden sie sich an die vielen Freiwilligen im großen, weißen Willkommenszelt auf dem Washingtonplatz vis-à-vis vom Bundeskanzleramt. Vor den Augen der Konferenzteilnehmer spielt sich ein Kapitel Weltgeschichte ab.

ASW-Chef Volker Wagner sagt angesichts dieser Bilder und der Tragödie in der Ukraine: “Wir von der Unternehmensseite bekennen uns an dieser Stelle ganz klar zum Primat der Politik. Die wirtschaftlichen Folgen stehen für uns an zweiter Stelle.” Welche Folgen die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl für Deutschland und Europa haben könnte, daran lässt er keinen Zweifel: Die Lage könnte für energieintensive Unternehmen “äußerst problematisch” werden, so Wagner. 

Und schon ist die Sicherheitstagung mitten drin im alles beherrschenden Thema dieser Tage und der Frage, was gegen die Abhängigkeit von Despoten wie Putin zu tun sei. Dazu äußert sich ausführlich ein Sicherheitsexperte, dessen Kernkompetenz sonst der internationale Terrorismus ist. An diesem Tag aber wirbt Peter Neumann vom Londoner King’s College eindringlich dafür, auch angesichts des alles dominierenden Ukraine-Krieges andere Gefahren nicht zu übersehen.

“Auf dem Weg zu einer neuen Weltordnung?” lautet der Titel, den Neumann seiner Analyse gegeben hat. Dabei denkt er aber weniger an Russland. Putin habe Atomwaffen, aber sonst nicht viel zu bieten; sein Land sei wirtschaftlich schwach und korrupt, so Neumann. Deshalb sieht der aus Deutschland stammende Terror-Experte Europa und die Welt nicht primär im Wettbewerb mit Russland, sondern mit einem anderen Land: “China ist die wirkliche System-Konfrontation”, sagt Neumann.

Es geht um mehr als Gas und Öl

Das sei anders als der Kalte Krieg, in dem die damalige Sowjetunion autoritär gewesen sei, aber wirtschaftlich nicht erfolgreich. “China ist autoritär, totalitär und wirtschaftlich erfolgreich.” Man habe gedacht, je reicher China werde, je mehr Mittelklasse es gebe, je gebildeter die Menschen werden, desto liberaler und demokratischer werde das Land. “Wandel durch Handel” sei das Motto gewesen – wie bei Russland. “Aber das ist eben nicht passiert”, urteilt Neumann.

Terror-Experte: “Putin hat nicht viel zu bieten”

Jetzt habe man es mit einem Land zu tun, dass sehr reich geworden sei, sehr selbstbewusst und das unter seinem Staatspräsidenten Xi Jinping begonnen habe, diese “Erfolgsgeschichte” zu exportieren. Was China anbiete, sei für viele afrikanische und asiatische Länder sehr attraktiv: ein Modell, “das basiert auf Stabilität, Souveränität und wirtschaftlicher Entwicklung”.

Der Westen müsse dem schnell etwas entgegensetzen. China habe mit seiner Botschaft sehr viel Erfolg. “Wir merken es häufig nicht, weil wir auf Europa fokussiert sind und uns meistens nicht so dafür interessieren, was in Asien und Afrika passiert”, so Neumann. 

Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine spricht auch Neumann von einem Umbruch, einer veränderten Weltordnung, einer Zeitenwende.  Und warnt zugleich: So wichtig es sei, sich mit der Ukraine zu beschäftigen, “so wichtig ist es auch, dass wir die anderen Themen nicht aus den Augen verlieren”. Neben China ist das aus seiner Sicht der Klimawandel, der ebenfalls zu vielen Konflikten führen werde.

Xi Jinping will seine Erfolgsgeschichte exportieren

Ebenso wie Peter Neumann beschäftigt sich der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz seit vielen Jahren mit Terrorismus. Als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr) hat er exklusive Einblicke in die deutsche Sicherheitsarchitektur. Und auch er betont: “Natürlich müssen wir uns mit China beschäftigen.”

Von Notz sorgt sich darum, Deutschland könne bei der Informationstechnologie zu sehr von der asiatischen Supermacht abhängig werden. speziell durch den Ausbau des G5-Netzes. Diese digitale Infrastruktur wird vor allem vom chinesischen Unternehmen Huawei aufgebaut. Der Grüne plädiert für eine “Wertegebundenheit” wirtschaftlicher Entscheidungen. Die Energie-Abhängigkeit vom russischen Konzern Gazprom dient ihm als abschreckendes Beispiel: “Das war lange Zeit krass pragmatisch, aber jetzt ist man irgendwie angeschmiert”, so der Grünen-Abgeordnete

Parallelen zwischen Gazprom und Huaweis G5-Netz

Eine Einschätzung, der auf er Berliner Sicherheitstagung niemand widerspricht. Sinan Selen, Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), bläst ins gleiche Horn wie Konstantin von Notz – und denkt dabei auch an die Gefahren durch Cyber-Attacken: “Das sind Herausforderungen, die nicht enden werden.” Die letzten Warnungen seiner Behörde an die deutsche Wirtschaft seien 48 Stunden alt, sagt Selen. Sie betreffen Aktivitäten der staatlichen russischen Cyber-Gruppe “Ghostwriter”. 

Peter Neumann

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