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Nahost und Nordafrika: Solarenergie als Chance

Der Krieg in der Ukraine könnte den Energiemarkt auch im Nahen Osten und Nordafrika verändern – und zwar zugunsten der Solarenergie. Noch bleibt die Region weit unter ihren Möglichkeiten. Doch einige Länder gehen voran.

Der Krieg in der Ukraine legt für viele Politiker in Deutschland und der Europäischen Union eine Schlussfolgerung nahe: Die westlichen Staaten müssen sich vom Import fossiler Energieträger aus Russland möglichst rasch befreien. Deshalb sollen Entwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien künftig eine noch größere Rolle spielen als bislang.

So rücken auch die Länder im Nahen Osten und Nordafrika, der sogenannten MENA-Region, in den Blick. Sie gehört zu den sonnenreichsten Regionen der Erde und bieten sich als potentielle Energielieferanten auch für Europa an.

Der Krieg in der Ukraine legt für viele Politiker in Deutschland und der Europäischen Union eine Schlussfolgerung nahe: Die westlichen Staaten müssen sich vom Import fossiler Energieträger aus Russland möglichst rasch befreien. Deshalb sollen Entwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien künftig eine noch größere Rolle spielen als bislang.

Noch allerdings sind die Länder der MENA-Region weit entfernt von den inzwischen in Europa erreichten Erzeugungskapazitäten. Zum Vergleich: Während im Jahr 2020 in der EU rund 810 Kilowattstunden Solarstrom pro Person erzeugt wurden, kamen Marokko und Saudi-Arabien im selben Jahr nur auf 106 beziehungsweise 74 Kilowattstunden. Beide Länder gehören in der MENA-Region zu den Spitzenreitern bei der Produktion von Solarenergie.

Missmanagement im Libanon

Einige Länder der Region nutzen Solarenergie trotz zahlreicher Sonnenstunden dort im Jahr bislang noch erstaunlich wenig. Verantwortlich dafür sind oftmals schlechte Staatsführung, Korruption und Geldmangel. So etwa im Libanon: In dem seit Jahren unter einer schweren finanziellen und politischen Krise leidenden Land gelten die Staatsunternehmen als wesentliche Treiber vieler Probleme – auch der des Energiesektors. Nahezu täglich haben die Libanesen mit mehrstündigen Stromausfällen zu kämpfen. “Der libanesische Elektrizitätssektor und insbesondere EDL (Electricité du Liban, ein staatliches Versorgungsunternehmen, Anm. d. Red.) werden seit langem als Hauptverantwortliche für die Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes genannt”, heißt es in einer Studie der American University of Beirut, veröffentlicht in einem Bericht im September 2021.

Zwar haben der konstante Strommangel und die steigenden Treibstoffkosten für Generatoren die Nachfrage nach privaten Solaranlagen steigen lassen. Doch die hohen Preise – eine günstige Anlage kostet umgerechnet fast 3700 Euro – können sich viele Bürger nicht leisten.

Erfolgreich in der Entwicklung alternativer Energien ist hingegen Marokko. Nahe der Stadt Ouarzazate im Süden des Landes befindet sich etwa der Solarkomplex “Noor” – das arabisch Wort für “Licht”. Die Anlage zählt zu den weltweit größten ihrer Art. Allein die erste der vier Einheiten des Kraftwerks produziert seit seiner Inbetriebnahme 2016 rund 400 Gigawattstunden Strom im Jahr – genug für den durchschnittlichen Jahresbedarf von rund 400.000 Menschen.

Allerdings komme in Ouarzazate mit der Solarthermie teils eine nicht wettbewerbsfähige Technologie zum Einsatz, sagt Bauke Baumann, Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Rabat. Diese könne aufgrund langfristiger vertraglicher Bindungen nicht leicht ersetzt werden und produziere überteuerten Strom, den der Staat derzeit noch bezuschussen müsse, so Baumann im DW-Interview.

In den jüngeren Solarparks würden inzwischen aber hauptsächlich neue Solarzellen verbaut, so der deutsche Experte. “Ihr Einsatz macht die Technik auch für durchschnittliche Verbraucher interessant. Denn sie produzieren konkurrenzlos günstig, im Vergleich zu fossilen Energien.” Da Marokko über keine eigenen Ressourcen verfügt, muss es diese sämtlich importieren. Gerade mit dem Blick auf den Ukrainekrieg drohen aber empfindliche Preissteigerungen, die viele Bürger vor erhebliche Probleme stellen dürften.

Ein anderer Spitzenreiter in der MENA-Region sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Im Jahr 2020 zählten sie mit einer Pro-Kopf-Leistung von 1.385 Kilowattstunden zu den weltweit führenden Produzenten von Solarenergie. Zum Vergleich: Deutschland, ebenfalls weltweit führend in der Solarenergie, produzierte im Jahr 2020 rund 1.490 Kilowattstunden pro Kopf der Bevölkerung.

Auch Saudi-Arabien treibt den Ausbau alternativer Energien voran. Lange Zeit hatte sich das Königreich auf eine Stromproduktion vor allem auf Grundlage seiner Ölvorkommen produziert. Doch diese Politik hat sich unter der Herrschaft von Kronprinz Mohammed bin Salman (auch kurz MbS genannt) grundlegend geändert. Fortan soll das Erdöl vor allem in den Export gehen – und nicht mehr als Treibstoff der heimischen Energiegewinnung genutzt werden.

Inzwischen engagieren sich die Saudis auch bei ihren Nachbarn. So wurde etwa das erste, im Januar dieses Jahres fertiggestellte Solarkraftwerk des Oman durch Investitionen aus Saudi-Arabien und Kuwait finanziert.

Der Krieg in der Ukraine stellt nun aber auch die Solarbranche vor Probleme. Bislang nämlich spielten russische und ukrainische Unternehmen im Kontext der erneuerbaren Energien als Zulieferer eine wichtige Rolle, sagt Li-Chen Sim, Forscher am Middle East Institute (MEI) in Washington. Rohstoffe wie Stahl, Aluminium, Kobalt, Nickel, Neon und Palladium kämen oftmals aus diesen beiden Ländern. Das Funktionieren der entsprechenden Lieferketten stünde nun in Frage, so Sim im DW-Interview.

Umgekehrt könnte der Krieg in der Ukraine aber auch zu verstärkten Investitionen in die Solarenergie führen. In Marokko etwa seien die Benzin- und Dieselpreise deutlich gestiegen, sagt Bauke Baumann von der Heinrich-Böll-Stiftung in Rabatt. Dies habe eine Debatte um die Energieversorgung der Zukunft ausgelöst.

“Derzeit sind viele Anlagen in Planung, die grünen Wasserstoff produzieren. Für den gab es bereits vor dem Krieg eine erhebliche Nachfrage. Die könnte sich jetzt noch einmal steigern,” so Baumann. Er verweist auf das britische Unternehmen Xlinks, das sich eine große Fläche im Süden Marokkos gesichert hat und von dort Elektrizität direkt für den britischen Markt produzieren will. Diese soll mit einem noch zu verlegenden Unterseekabel nach Großbritannien transportiert werden. “An Projekten mangelt es nicht”, so Baumann. “Und natürlich wird vermutlich der Eindruck des Kriegs in der Ukraine das noch verstärken.”

Libanon Stromausfall in Beirut
Marokko Ouarzazate | Solaranlage
Vereinigte Arabische Emirate | Solarenergie

Der Krieg in der Ukraine legt für viele Politiker in Deutschland und der Europäischen Union eine Schlussfolgerung nahe: Die westlichen Staaten müssen sich vom Import fossiler Energieträger aus Russland möglichst rasch befreien. Deshalb sollen Entwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien künftig eine noch größere Rolle spielen als bislang.

So rücken auch die Länder im Nahen Osten und Nordafrika, der sogenannten MENA-Region, in den Blick. Sie gehört zu den sonnenreichsten Regionen der Erde und bieten sich als potentielle Energielieferanten auch für Europa an.

Missmanagement im Libanon

Noch allerdings sind die Länder der MENA-Region weit entfernt von den inzwischen in Europa erreichten Erzeugungskapazitäten. Zum Vergleich: Während im Jahr 2020 in der EU rund 810 Kilowattstunden Solarstrom pro Person erzeugt wurden, kamen Marokko und Saudi-Arabien im selben Jahr nur auf 106 beziehungsweise 74 Kilowattstunden. Beide Länder gehören in der MENA-Region zu den Spitzenreitern bei der Produktion von Solarenergie.

Einige Länder der Region nutzen Solarenergie trotz zahlreicher Sonnenstunden dort im Jahr bislang noch erstaunlich wenig. Verantwortlich dafür sind oftmals schlechte Staatsführung, Korruption und Geldmangel. So etwa im Libanon: In dem seit Jahren unter einer schweren finanziellen und politischen Krise leidenden Land gelten die Staatsunternehmen als wesentliche Treiber vieler Probleme – auch der des Energiesektors. Nahezu täglich haben die Libanesen mit mehrstündigen Stromausfällen zu kämpfen. “Der libanesische Elektrizitätssektor und insbesondere EDL (Electricité du Liban, ein staatliches Versorgungsunternehmen, Anm. d. Red.) werden seit langem als Hauptverantwortliche für die Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes genannt”, heißt es in einer Studie der American University of Beirut, veröffentlicht in einem Bericht im September 2021.

Zwar haben der konstante Strommangel und die steigenden Treibstoffkosten für Generatoren die Nachfrage nach privaten Solaranlagen steigen lassen. Doch die hohen Preise – eine günstige Anlage kostet umgerechnet fast 3700 Euro – können sich viele Bürger nicht leisten.

Erfolgreich in der Entwicklung alternativer Energien ist hingegen Marokko. Nahe der Stadt Ouarzazate im Süden des Landes befindet sich etwa der Solarkomplex “Noor” – das arabisch Wort für “Licht”. Die Anlage zählt zu den weltweit größten ihrer Art. Allein die erste der vier Einheiten des Kraftwerks produziert seit seiner Inbetriebnahme 2016 rund 400 Gigawattstunden Strom im Jahr – genug für den durchschnittlichen Jahresbedarf von rund 400.000 Menschen.

“Licht” in Marokkos Süden

Allerdings komme in Ouarzazate mit der Solarthermie teils eine nicht wettbewerbsfähige Technologie zum Einsatz, sagt Bauke Baumann, Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Rabat. Diese könne aufgrund langfristiger vertraglicher Bindungen nicht leicht ersetzt werden und produziere überteuerten Strom, den der Staat derzeit noch bezuschussen müsse, so Baumann im DW-Interview.

Golfhalbinsel im Umbruch

In den jüngeren Solarparks würden inzwischen aber hauptsächlich neue Solarzellen verbaut, so der deutsche Experte. “Ihr Einsatz macht die Technik auch für durchschnittliche Verbraucher interessant. Denn sie produzieren konkurrenzlos günstig, im Vergleich zu fossilen Energien.” Da Marokko über keine eigenen Ressourcen verfügt, muss es diese sämtlich importieren. Gerade mit dem Blick auf den Ukrainekrieg drohen aber empfindliche Preissteigerungen, die viele Bürger vor erhebliche Probleme stellen dürften.

Ein anderer Spitzenreiter in der MENA-Region sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Im Jahr 2020 zählten sie mit einer Pro-Kopf-Leistung von 1.385 Kilowattstunden zu den weltweit führenden Produzenten von Solarenergie. Zum Vergleich: Deutschland, ebenfalls weltweit führend in der Solarenergie, produzierte im Jahr 2020 rund 1.490 Kilowattstunden pro Kopf der Bevölkerung.

Auch Saudi-Arabien treibt den Ausbau alternativer Energien voran. Lange Zeit hatte sich das Königreich auf eine Stromproduktion vor allem auf Grundlage seiner Ölvorkommen produziert. Doch diese Politik hat sich unter der Herrschaft von Kronprinz Mohammed bin Salman (auch kurz MbS genannt) grundlegend geändert. Fortan soll das Erdöl vor allem in den Export gehen – und nicht mehr als Treibstoff der heimischen Energiegewinnung genutzt werden.

Einfluss des Ukraine-Kriegs

Inzwischen engagieren sich die Saudis auch bei ihren Nachbarn. So wurde etwa das erste, im Januar dieses Jahres fertiggestellte Solarkraftwerk des Oman durch Investitionen aus Saudi-Arabien und Kuwait finanziert.

Der Krieg in der Ukraine stellt nun aber auch die Solarbranche vor Probleme. Bislang nämlich spielten russische und ukrainische Unternehmen im Kontext der erneuerbaren Energien als Zulieferer eine wichtige Rolle, sagt Li-Chen Sim, Forscher am Middle East Institute (MEI) in Washington. Rohstoffe wie Stahl, Aluminium, Kobalt, Nickel, Neon und Palladium kämen oftmals aus diesen beiden Ländern. Das Funktionieren der entsprechenden Lieferketten stünde nun in Frage, so Sim im DW-Interview.

Umgekehrt könnte der Krieg in der Ukraine aber auch zu verstärkten Investitionen in die Solarenergie führen. In Marokko etwa seien die Benzin- und Dieselpreise deutlich gestiegen, sagt Bauke Baumann von der Heinrich-Böll-Stiftung in Rabatt. Dies habe eine Debatte um die Energieversorgung der Zukunft ausgelöst.

“Derzeit sind viele Anlagen in Planung, die grünen Wasserstoff produzieren. Für den gab es bereits vor dem Krieg eine erhebliche Nachfrage. Die könnte sich jetzt noch einmal steigern,” so Baumann. Er verweist auf das britische Unternehmen Xlinks, das sich eine große Fläche im Süden Marokkos gesichert hat und von dort Elektrizität direkt für den britischen Markt produzieren will. Diese soll mit einem noch zu verlegenden Unterseekabel nach Großbritannien transportiert werden. “An Projekten mangelt es nicht”, so Baumann. “Und natürlich wird vermutlich der Eindruck des Kriegs in der Ukraine das noch verstärken.”

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