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Israel: Holocaust-Gedenken auf TikTok

Gidon Lev hat als Kind den Holocaust überlebt, heute wendet er sich auf TikTok an die junge Generation. Über 80 Jahre nach Kriegsende verändert sich das Gedenken an den Holocaust und die Debatte über den Umgang mit ihm.

Ob Zuhause, im Park oder auf Reisen: Gidon Lev hält diese Momente auf TikTok fest. Das Besondere: Er hat als Kind den Holocaust überlebt und spricht in den kurzen Videos über seine Erfahrungen und sein Leben. Damit hat der heute 87-Jährige, der von seinen Followern gerne auch als “TikTok-Opa” bezeichnet wird, ganz offenbar einen Nerv getroffen – vor allem unter vielen jungen Usern. “Ich denke, trotz des großen Horrors, des vielen Leids, der vielen Schmerzen und der extremen Grausamkeit gibt es auch gute Dinge im Leben und gute Menschen. Man muss sie manchmal suchen und finden, aber es gibt sie”, sagt Lev und richtet sich damit direkt an die junge Generation. “Und ihr, die jungen Leute, könnt die Welt zu einem besseren Ort machen. Ihr habt das Leben vor Euch, und ihr könnt es besser machen.”

Geboren wurde Lev 1935 im damaligen Karlsbad, dem heutigen Karlovy Vary in der Tschechischen Republik. Ende 1941 wurde der damals Sechsjährige mit seinen Eltern in das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt in der Nähe von Prag deportiert. Dort mussten seine Eltern Zwangsarbeit leisten: der Vater in einer Mine, seine Mutter musste das dort gewonnene Mica-Gestein, einen Rohstoff, bearbeiten.

Ob Zuhause, im Park oder auf Reisen: Gidon Lev hält diese Momente auf TikTok fest. Das Besondere: Er hat als Kind den Holocaust überlebt und spricht in den kurzen Videos über seine Erfahrungen und sein Leben. Damit hat der heute 87-Jährige, der von seinen Followern gerne auch als “TikTok-Opa” bezeichnet wird, ganz offenbar einen Nerv getroffen – vor allem unter vielen jungen Usern. “Ich denke, trotz des großen Horrors, des vielen Leids, der vielen Schmerzen und der extremen Grausamkeit gibt es auch gute Dinge im Leben und gute Menschen. Man muss sie manchmal suchen und finden, aber es gibt sie”, sagt Lev und richtet sich damit direkt an die junge Generation. “Und ihr, die jungen Leute, könnt die Welt zu einem besseren Ort machen. Ihr habt das Leben vor Euch, und ihr könnt es besser machen.”

“Die Deutschen machten ab und an eine ‘Stichprobe’, um zu überprüfen, wieviel die Frauen bearbeitet haben. Ich gehe davon aus, das sie vorher festgelegt hatten, was als genügend erachtet wurde”, erzählt Lev. “Wer dem entsprach, durfte bleiben. Und wenn die Mutter bleiben durfte, dann blieben auch ihre Kinder. Ich habe es nur meiner Mutter zu verdanken, die bis zum Ende hart durchgearbeitet hat, dass ich heute da bin,” sagt Lev.

“Wenn die Mutter bleiben durfte, dann blieben auch die Kinder”

Seinen Vater hat Lev nie wieder gesehen. Die Nazis hatten ihn von Theresienstadt ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet. Auch 26 weitere Familienangehörige starben. In einem TikTok-Video zeigt Lev einen Schmuckanhänger, den sein Vater der Mutter aus dem Waggon, der ihn nach Auschwitz brachte, herausreichte. Nach dem Krieg und einer kurzen Rückkehr in die frühere Heimat ging Lev mit seiner Mutter in die USA, dann nach Kanada. 1959 wanderte er schließlich nach Israel aus.

Lev sagt, er sei trotz allem ein Optimist geblieben und wolle sich nicht nur als Überlebender des Holocaust definieren, dafür habe er zu viel erlebt. Aber es mache ihm zu schaffen, dass es auch heute Menschen gibt, die den Holocaust verleugnen und Antisemitismus verbreiten – auch auf den sozialen Netzwerken. “Ich weiß, dass es da ist. Und es erfordert nicht viel, damit der Hass und die Grausamkeit durchbricht. Das haben wir ja gesehen.”

Während der Coronavirus-Pandemie etwa rief er in seinen TikTok-Videos andere Nutzer dazu auf, Maßnahmen gegen die Pandemie nicht mit Nazi-Taktiken zu vergleichen und kritisierte Impfgegner scharf, die sich einen gelben Davidstern angeheftet hatten. Den von den Nazis angeordneten “Judenstern” musste damals jeder jüdische Mensch im sogenannten Dritten Reich tragen.

“Ich war so wütend darüber. Wir haben Masken getragen, um uns selbst und andere davor zu schützen, nicht krank zu werden oder gar zu sterben”, sagt Lev im Interview mit der DW. “Der Stern war das genaue Gegenteil: Es ging darum, Juden vom Rest der Bevölkerung zu isolieren, sie zu beschämen, zu demütigen, er war nicht dazu da, um sie zu schützen, sondern um sie zu dämonisieren.”

Dass seine Videos teils millionenfach angeklickt und geliked werden, hat ihn selbst überrascht – wie auch seine Partnerin Julie Gray, die die Videos mit ihm produziert. Eigentlich waren die TikToks dazu gedacht, den Verkauf des gemeinsam geschriebenen Buches “The True Adventures of Gidon Lev” anzuschieben. Doch daraus ist längst mehr geworden. “Für mich liegt die Wichtigkeit, TikTok zu nutzen, in dem erstaunlichen Mangel an Wissen über den Holocaust unter jungen Menschen”, sagt Gray. “TikTok ist ein Medium, das junge Menschen mögen, mit Musik, Memes und Hashtags, gleichzeitig kann man damit etwas vermitteln.”

Natürlich könne man den Holocaust nicht in 30 Sekunden erklären. “Aber wir können damit Neugier wecken, so dass die Leute sagen: Darüber will ich mehr wissen. Und wir müssen uns die Fragen stellen: Wie vermitteln wir den Holocaust? Erreicht das heute noch die jungen Menschen?”

Diese Fragen und Entwicklungen verfolgt Dr. Noa Mkayton, Direktorin des Overseas Education and Training Departments an der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem, seit vielen Jahren. Erinnerungskultur sei nie statisch und verändere sich fortwährend, sagt sie. Mehr als 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs kommt ein weiterer Faktor hinzu: Die Generation der Holocaust-Überlebenden, der Zeitzeugen, wird bald nicht mehr da sein.

Persönliche Begegnungen, die wichtig sind, um gerade auch jungen Menschen das Erlebte nahezubringen, werden immer weniger. In Israel zum Beispiel leben noch rund 165.000 Menschen, die vom Staat als Holocaust-Überlebende anerkannt sind, so die Zahlen, die Israels Zentrales Statistikamt zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag veröffentlicht hat.

“Das hat eine große Folge, weil dadurch eine ganz persönliche Bindung zum Thema wegfällt, nämlich ‘Das ist meine Oma’ oder ‘Das ist mein Großvater'”, sagt Mkayton. Auch kommen neue Formen und Ausdrucksweisen der Erinnerung dazu. “Im Moment ist die Frage: Wie kann ich mich ausdrücken und welches Medium benutze ich? Und wenn dann zum Beispiel TikTok verwendet wird, dann ist mein Ausdruck eben nur eine Minute lang und nicht mehr eine lange, introvertierte, ausgewogene Innensicht. Die Sprache ändert sich einfach”, sagt die Historikerin der DW. “Wir als Pädagogen oder Lehrerinnen, wir können das finden, wie wir wollen, aber wir müssen damit umgehen. Das ist einfach da.”

Die Debatte über die Zukunft der Erinnerung ist auch nicht neu. “Schon vor 20 Jahren, als Lehrerinnen mit ihren Neuntklässlern durch Gedenkstätten gelaufen sind, hatten diese Lehrer im Bus Panik, dass die Schüler den Kaugummi nicht rausnehmen und den Walkman nicht absetzen”, erinnert Mkayton. “Der Respekt, der gefordert wird, ist eine Frage von Pädagogik: Wie vermittle ich dir das Thema so, das du verstehst, dass es auch etwas mit dir zu tun hat?”

Gidon Lev hat sich die sozialen Medien zu Nutze gemacht, um seine Botschaft an möglichst viele junge Menschen weiterzugeben. Und die ist sehr deutlich. “Manchmal denke ich daran, wie grausam und unmenschlich die Deutschen gegenüber anderen Menschen waren. Und ich kann nicht verstehen, dass die gleichen Menschen, die gleiche Nation, die uns Mozart, Bach, Händel und Brahms gegeben hat, das getan hat, was sie getan hat. Wie ist das möglich? Aber es stellt sich heraus, es ist möglich”, sagt Lev nachdenklich. “Und ich kann nur hoffen, das es genügend junge Menschen gibt, die wissen, was richtig ist, und darum kämpfen, es besser zu machen.”

Ob Zuhause, im Park oder auf Reisen: Gidon Lev hält diese Momente auf TikTok fest. Das Besondere: Er hat als Kind den Holocaust überlebt und spricht in den kurzen Videos über seine Erfahrungen und sein Leben. Damit hat der heute 87-Jährige, der von seinen Followern gerne auch als “TikTok-Opa” bezeichnet wird, ganz offenbar einen Nerv getroffen – vor allem unter vielen jungen Usern. “Ich denke, trotz des großen Horrors, des vielen Leids, der vielen Schmerzen und der extremen Grausamkeit gibt es auch gute Dinge im Leben und gute Menschen. Man muss sie manchmal suchen und finden, aber es gibt sie”, sagt Lev und richtet sich damit direkt an die junge Generation. “Und ihr, die jungen Leute, könnt die Welt zu einem besseren Ort machen. Ihr habt das Leben vor Euch, und ihr könnt es besser machen.”

Geboren wurde Lev 1935 im damaligen Karlsbad, dem heutigen Karlovy Vary in der Tschechischen Republik. Ende 1941 wurde der damals Sechsjährige mit seinen Eltern in das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt in der Nähe von Prag deportiert. Dort mussten seine Eltern Zwangsarbeit leisten: der Vater in einer Mine, seine Mutter musste das dort gewonnene Mica-Gestein, einen Rohstoff, bearbeiten.

“Wenn die Mutter bleiben durfte, dann blieben auch die Kinder”

“Die Deutschen machten ab und an eine ‘Stichprobe’, um zu überprüfen, wieviel die Frauen bearbeitet haben. Ich gehe davon aus, das sie vorher festgelegt hatten, was als genügend erachtet wurde”, erzählt Lev. “Wer dem entsprach, durfte bleiben. Und wenn die Mutter bleiben durfte, dann blieben auch ihre Kinder. Ich habe es nur meiner Mutter zu verdanken, die bis zum Ende hart durchgearbeitet hat, dass ich heute da bin,” sagt Lev.

Seinen Vater hat Lev nie wieder gesehen. Die Nazis hatten ihn von Theresienstadt ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet. Auch 26 weitere Familienangehörige starben. In einem TikTok-Video zeigt Lev einen Schmuckanhänger, den sein Vater der Mutter aus dem Waggon, der ihn nach Auschwitz brachte, herausreichte. Nach dem Krieg und einer kurzen Rückkehr in die frühere Heimat ging Lev mit seiner Mutter in die USA, dann nach Kanada. 1959 wanderte er schließlich nach Israel aus.

Lev sagt, er sei trotz allem ein Optimist geblieben und wolle sich nicht nur als Überlebender des Holocaust definieren, dafür habe er zu viel erlebt. Aber es mache ihm zu schaffen, dass es auch heute Menschen gibt, die den Holocaust verleugnen und Antisemitismus verbreiten – auch auf den sozialen Netzwerken. “Ich weiß, dass es da ist. Und es erfordert nicht viel, damit der Hass und die Grausamkeit durchbricht. Das haben wir ja gesehen.”

Während der Coronavirus-Pandemie etwa rief er in seinen TikTok-Videos andere Nutzer dazu auf, Maßnahmen gegen die Pandemie nicht mit Nazi-Taktiken zu vergleichen und kritisierte Impfgegner scharf, die sich einen gelben Davidstern angeheftet hatten. Den von den Nazis angeordneten “Judenstern” musste damals jeder jüdische Mensch im sogenannten Dritten Reich tragen.

Gegen Antisemitismus und Verleugnung

“Ich war so wütend darüber. Wir haben Masken getragen, um uns selbst und andere davor zu schützen, nicht krank zu werden oder gar zu sterben”, sagt Lev im Interview mit der DW. “Der Stern war das genaue Gegenteil: Es ging darum, Juden vom Rest der Bevölkerung zu isolieren, sie zu beschämen, zu demütigen, er war nicht dazu da, um sie zu schützen, sondern um sie zu dämonisieren.”

“Erstaunlicher Mangel an Wissen über den Holocaust”

Dass seine Videos teils millionenfach angeklickt und geliked werden, hat ihn selbst überrascht – wie auch seine Partnerin Julie Gray, die die Videos mit ihm produziert. Eigentlich waren die TikToks dazu gedacht, den Verkauf des gemeinsam geschriebenen Buches “The True Adventures of Gidon Lev” anzuschieben. Doch daraus ist längst mehr geworden. “Für mich liegt die Wichtigkeit, TikTok zu nutzen, in dem erstaunlichen Mangel an Wissen über den Holocaust unter jungen Menschen”, sagt Gray. “TikTok ist ein Medium, das junge Menschen mögen, mit Musik, Memes und Hashtags, gleichzeitig kann man damit etwas vermitteln.”

Natürlich könne man den Holocaust nicht in 30 Sekunden erklären. “Aber wir können damit Neugier wecken, so dass die Leute sagen: Darüber will ich mehr wissen. Und wir müssen uns die Fragen stellen: Wie vermitteln wir den Holocaust? Erreicht das heute noch die jungen Menschen?”

Diese Fragen und Entwicklungen verfolgt Dr. Noa Mkayton, Direktorin des Overseas Education and Training Departments an der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem, seit vielen Jahren. Erinnerungskultur sei nie statisch und verändere sich fortwährend, sagt sie. Mehr als 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs kommt ein weiterer Faktor hinzu: Die Generation der Holocaust-Überlebenden, der Zeitzeugen, wird bald nicht mehr da sein.

Die Generation der Holocaust-Überlebenden geht verloren

Persönliche Begegnungen, die wichtig sind, um gerade auch jungen Menschen das Erlebte nahezubringen, werden immer weniger. In Israel zum Beispiel leben noch rund 165.000 Menschen, die vom Staat als Holocaust-Überlebende anerkannt sind, so die Zahlen, die Israels Zentrales Statistikamt zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag veröffentlicht hat.

“Das hat eine große Folge, weil dadurch eine ganz persönliche Bindung zum Thema wegfällt, nämlich ‘Das ist meine Oma’ oder ‘Das ist mein Großvater'”, sagt Mkayton. Auch kommen neue Formen und Ausdrucksweisen der Erinnerung dazu. “Im Moment ist die Frage: Wie kann ich mich ausdrücken und welches Medium benutze ich? Und wenn dann zum Beispiel TikTok verwendet wird, dann ist mein Ausdruck eben nur eine Minute lang und nicht mehr eine lange, introvertierte, ausgewogene Innensicht. Die Sprache ändert sich einfach”, sagt die Historikerin der DW. “Wir als Pädagogen oder Lehrerinnen, wir können das finden, wie wir wollen, aber wir müssen damit umgehen. Das ist einfach da.”

Wie werden wir uns künftig erinnern?

Die Debatte über die Zukunft der Erinnerung ist auch nicht neu. “Schon vor 20 Jahren, als Lehrerinnen mit ihren Neuntklässlern durch Gedenkstätten gelaufen sind, hatten diese Lehrer im Bus Panik, dass die Schüler den Kaugummi nicht rausnehmen und den Walkman nicht absetzen”, erinnert Mkayton. “Der Respekt, der gefordert wird, ist eine Frage von Pädagogik: Wie vermittle ich dir das Thema so, das du verstehst, dass es auch etwas mit dir zu tun hat?”

Gidon Lev hat sich die sozialen Medien zu Nutze gemacht, um seine Botschaft an möglichst viele junge Menschen weiterzugeben. Und die ist sehr deutlich. “Manchmal denke ich daran, wie grausam und unmenschlich die Deutschen gegenüber anderen Menschen waren. Und ich kann nicht verstehen, dass die gleichen Menschen, die gleiche Nation, die uns Mozart, Bach, Händel und Brahms gegeben hat, das getan hat, was sie getan hat. Wie ist das möglich? Aber es stellt sich heraus, es ist möglich”, sagt Lev nachdenklich. “Und ich kann nur hoffen, das es genügend junge Menschen gibt, die wissen, was richtig ist, und darum kämpfen, es besser zu machen.”

Julie Gray und Gidon Lev bei der Produktion von TikTok in der heimischen Wohnung in Ramat Gan

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