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Sri Lanka: Flucht vor der Wirtschaftskrise

Die Turbulenzen in Sri Lanka wirken sich auf alle Teile der Gesellschaft aus, besonders betroffen sind aber die Tamilen. Die ersten von ihnen fliehen bereits nach Indien. Doch auch dort ist es nicht einfach für sie.

Dutzende arme Familien aus Sri Lanka sind in den vergangenen Wochen nach Südindien geflohen. Hintergrund ist eine akute wirtschaftliche und politische Krise, die den Inselstaat im Indischen Ozean erfasst hat. Sri Lanka steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948. Ein wesentlicher Auslöser der Krise war der Einbruch des internationalen Tourismus infolge der Corona-Pandemie.

Das 22 Millionen Einwohner zählende Land kämpft nun mit einem gravierenden Mangel an lebenswichtigen Gütern, einschließlich Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten, und besitzt keine Devisenreserven mehr, um diese Güter aus dem Ausland zuzukaufen.

Dutzende arme Familien aus Sri Lanka sind in den vergangenen Wochen nach Südindien geflohen. Hintergrund ist eine akute wirtschaftliche und politische Krise, die den Inselstaat im Indischen Ozean erfasst hat. Sri Lanka steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948. Ein wesentlicher Auslöser der Krise war der Einbruch des internationalen Tourismus infolge der Corona-Pandemie.

Die daraus resultierende öffentliche Wut gegen die Regierung löste Massenproteste auf den Straßen und politische Unruhen aus. Der Rücktritt von Premierminister Mahinda Rajapaksa und seinem Kabinett – und die Ernennung eines neuen Premierministers – hat wenig dazu beigetragen, den öffentlichen Ärger zu besänftigen. Derzeit patrouillieren bewaffnete Soldaten auf den Straßen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Eine gefährliche Reise

Die 41-jährige Rani erzählt der DW, wie acht ihrer Familienmitglieder, darunter kleine Kinder, vor der wirtschaftlichen Misere mit dem Boot nach Indien flohen. Sie verkauften ihr Land in Sri Lanka und mieteten von diesem Geld ein Boot. Sie reisten zusammen mit einer anderen vierköpfigen Familie: einem Ehepaar mit seinen zwei Kindern im Alter von vier und eineinhalb Jahren.

“Mein Mann und meine Kinder fanden keine Arbeit mehr. Die Preise für Lebensmittel steigen täglich”, erzählt Rani, die ihren richtigen Namen nicht nennen will. “Meine Familie braucht mindestens zwei Kilogramm Reis pro Tag. Der Preis, den wir zuletzt für Reis bezahlt haben, lag bei etwa 250 Sri-Lanka-Rupien (rund 0,65 Euro) pro Kilo. Wir mussten etwa 500 Rupien pro Tag allein für Reis bezahlen. Wir konnten keine anderen Lebensmittel mehr für unsere Kinder kaufen”, sagt Rani.

Ranis Sohn hat Thalassämie, einen Gendefekt, durch den die Bildung roter Blutkörperchen gestört ist. “Er muss nahrhaftes Essen zu sich nehmen. Ich wollte meinen Kindern ein besseres Leben ermöglichen. Deshalb habe ich mich entschieden, nach Indien zu gehen”, sagt Rani.

“Wir hatten Angst, von den sri-lankischen Behörden beim Überqueren erwischt zu werden”, erklärt sie. “Wenn wir erwischt worden wären, hätten sie uns zur Umkehr gezwungen. Dann wäre das ganze Geld, das wir für die Miete des Bootes ausgegeben hätten, umsonst gewesen.” Doch auch in Indien steht ihre Familie vor einer ungewissen Zukunft.

Die indischen Behörden haben bisher 28 sri-lankische Familien mit insgesamt 85 Personen registriert, die mit dem Boot im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu angekommen sind. Sie alle gehören der tamilischen Gemeinschaft an, einer ethnischen Minderheit in Sri Lanka, die tiefe soziale, kulturelle und sprachliche Bindungen zu den Menschen in Tamil Nadu unterhält.

Die sri-lankischen Tamilen sind die größte ethnische Minderheit des Inselstaates. Sie machen etwa zwölf Prozent der Bevölkerung aus und kämpfen darum, sich von dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg zu erholen, der bis 2009 andauerte und rund 100.000 Menschen das Leben kostete. Auch rund 13 Jahre nach Kriegsende scheint eine Versöhnung in weiter Ferne. Und jetzt scheinen sie die wirtschaftlichen Turbulenzen besonders hart zu treffen.

Das jedenfalls sagt Suraj Girijashanker, Spezialist für internationales Flüchtlingsrecht und Assistenzprofessor an der der Jindal Global Law School, im Gespräch mit der DW. Er weist darauf hin, dass die sri-lankischen Tamilen die wirtschaftliche Not stärker zu spüren bekommen als die Mehrheitsgesellschaft – auch weil die ökonomische Entwicklung ihrer Siedlungsgebiete von der Regierung in Colombo jahrzehntelang vernachlässigt worden sei.

Es ist nicht das erste Mal, dass Tamilen aus Sri Lanka in das nur 30 bis 50 Kilometer entfernte Indien fliehen; seit Beginn des Bürgerkriegs 1983 gab es immer wieder derartige Fluchtbewegungen. Nach Angaben des indischen Innenministeriums lebten im Jahr 2021 rund 93.000 sri-lankische Tamilen in Tamil Nadu. 

Indien ist jedoch kein Unterzeichner der Flüchtlingskonvention von 1951 oder des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Neu-Delhi besitzt auch keine innerstaatliche Gesetzgebung, die die Einreise und den Aufenthalt von Asylsuchenden regelt. Es behandelt alle, die ins Land kommen und einen Flüchtlingsstatus anstreben, als illegale Migranten im Sinne des Ausländergesetzes von 1946.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) ist für die Bearbeitung der Anträge solcher Personen und die Feststellung ihres Status in Indien zuständig. Bis dahin erhalten Flüchtlinge ein UN-Dokument, das ihnen erlaubt, im Land zu bleiben. Dieses jedoch wird von den indischen Behörden weitgehend abgelehnt. Ohne die Unterstützung der indischen Regierung ist es für Asylsuchende und Migranten jedoch sehr schwierig, Wohnungen zu mieten oder Arbeit zu finden.

Die indischen Behörden haben die neu aus Sri Lanka ankommenden Menschen in das Flüchtlingslager Mandapam in der Stadt Rameswaram gebracht. Auch Rani und ihre Familie sind bereits seit über einem Monat hier. “Meine Schwiegertochter ist im sechsten Monat schwanger”, erzählt sie. “Ständig müssen wir Genehmigungen der Behörden einholen, um zu Gesundheitsuntersuchungen zu gehen. Und wir wissen nicht, wie wir nach der Geburt des Babys zurechtkommen werden.”

Auch der 26-jährige Mani erreichte Indien im März zusammen mit seiner Frau. Auch er will seinen richtigen Namen nicht nennen und verrät nur, dass er früher als Maler in Sri Lanka gearbeitet hatte. “Wegen der Wirtschaftskrise konnten wir in Sri Lanka nichts mehr machen”, sagt er. “Aber wenn ich gewusst hätte, dass wir über einen Monat lang in einem solchen Flüchtlingslager festgehalten werden, wäre ich überhaupt nicht gekommen”, sagt er. “Wir wissen nicht, was mit uns passieren wird”, klagt Mani. “Wenn wir von Indien die nötigen Dokumente erhalten, können wir arbeiten und selbst für unsere Familien sorgen. Das ist alles, worum wir bitten.”

Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Latschan. 

Sri Lanka | Wirtschaftskrise
Sri Lanka | Proteste in Colombo

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Sri Lanka vor dem Kollaps

Dutzende arme Familien aus Sri Lanka sind in den vergangenen Wochen nach Südindien geflohen. Hintergrund ist eine akute wirtschaftliche und politische Krise, die den Inselstaat im Indischen Ozean erfasst hat. Sri Lanka steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948. Ein wesentlicher Auslöser der Krise war der Einbruch des internationalen Tourismus infolge der Corona-Pandemie.

Das 22 Millionen Einwohner zählende Land kämpft nun mit einem gravierenden Mangel an lebenswichtigen Gütern, einschließlich Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten, und besitzt keine Devisenreserven mehr, um diese Güter aus dem Ausland zuzukaufen.

Eine gefährliche Reise

Die daraus resultierende öffentliche Wut gegen die Regierung löste Massenproteste auf den Straßen und politische Unruhen aus. Der Rücktritt von Premierminister Mahinda Rajapaksa und seinem Kabinett – und die Ernennung eines neuen Premierministers – hat wenig dazu beigetragen, den öffentlichen Ärger zu besänftigen. Derzeit patrouillieren bewaffnete Soldaten auf den Straßen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Die 41-jährige Rani erzählt der DW, wie acht ihrer Familienmitglieder, darunter kleine Kinder, vor der wirtschaftlichen Misere mit dem Boot nach Indien flohen. Sie verkauften ihr Land in Sri Lanka und mieteten von diesem Geld ein Boot. Sie reisten zusammen mit einer anderen vierköpfigen Familie: einem Ehepaar mit seinen zwei Kindern im Alter von vier und eineinhalb Jahren.

“Mein Mann und meine Kinder fanden keine Arbeit mehr. Die Preise für Lebensmittel steigen täglich”, erzählt Rani, die ihren richtigen Namen nicht nennen will. “Meine Familie braucht mindestens zwei Kilogramm Reis pro Tag. Der Preis, den wir zuletzt für Reis bezahlt haben, lag bei etwa 250 Sri-Lanka-Rupien (rund 0,65 Euro) pro Kilo. Wir mussten etwa 500 Rupien pro Tag allein für Reis bezahlen. Wir konnten keine anderen Lebensmittel mehr für unsere Kinder kaufen”, sagt Rani.

Ranis Sohn hat Thalassämie, einen Gendefekt, durch den die Bildung roter Blutkörperchen gestört ist. “Er muss nahrhaftes Essen zu sich nehmen. Ich wollte meinen Kindern ein besseres Leben ermöglichen. Deshalb habe ich mich entschieden, nach Indien zu gehen”, sagt Rani.

Tamilen trifft die Krise besonders hart

“Wir hatten Angst, von den sri-lankischen Behörden beim Überqueren erwischt zu werden”, erklärt sie. “Wenn wir erwischt worden wären, hätten sie uns zur Umkehr gezwungen. Dann wäre das ganze Geld, das wir für die Miete des Bootes ausgegeben hätten, umsonst gewesen.” Doch auch in Indien steht ihre Familie vor einer ungewissen Zukunft.

Über 90.000 Tamilen leben in Indien

Die indischen Behörden haben bisher 28 sri-lankische Familien mit insgesamt 85 Personen registriert, die mit dem Boot im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu angekommen sind. Sie alle gehören der tamilischen Gemeinschaft an, einer ethnischen Minderheit in Sri Lanka, die tiefe soziale, kulturelle und sprachliche Bindungen zu den Menschen in Tamil Nadu unterhält.

Die sri-lankischen Tamilen sind die größte ethnische Minderheit des Inselstaates. Sie machen etwa zwölf Prozent der Bevölkerung aus und kämpfen darum, sich von dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg zu erholen, der bis 2009 andauerte und rund 100.000 Menschen das Leben kostete. Auch rund 13 Jahre nach Kriegsende scheint eine Versöhnung in weiter Ferne. Und jetzt scheinen sie die wirtschaftlichen Turbulenzen besonders hart zu treffen.

Das jedenfalls sagt Suraj Girijashanker, Spezialist für internationales Flüchtlingsrecht und Assistenzprofessor an der der Jindal Global Law School, im Gespräch mit der DW. Er weist darauf hin, dass die sri-lankischen Tamilen die wirtschaftliche Not stärker zu spüren bekommen als die Mehrheitsgesellschaft – auch weil die ökonomische Entwicklung ihrer Siedlungsgebiete von der Regierung in Colombo jahrzehntelang vernachlässigt worden sei.

Gefangen im Flüchtlingslager

Es ist nicht das erste Mal, dass Tamilen aus Sri Lanka in das nur 30 bis 50 Kilometer entfernte Indien fliehen; seit Beginn des Bürgerkriegs 1983 gab es immer wieder derartige Fluchtbewegungen. Nach Angaben des indischen Innenministeriums lebten im Jahr 2021 rund 93.000 sri-lankische Tamilen in Tamil Nadu. 

Indien ist jedoch kein Unterzeichner der Flüchtlingskonvention von 1951 oder des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Neu-Delhi besitzt auch keine innerstaatliche Gesetzgebung, die die Einreise und den Aufenthalt von Asylsuchenden regelt. Es behandelt alle, die ins Land kommen und einen Flüchtlingsstatus anstreben, als illegale Migranten im Sinne des Ausländergesetzes von 1946.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) ist für die Bearbeitung der Anträge solcher Personen und die Feststellung ihres Status in Indien zuständig. Bis dahin erhalten Flüchtlinge ein UN-Dokument, das ihnen erlaubt, im Land zu bleiben. Dieses jedoch wird von den indischen Behörden weitgehend abgelehnt. Ohne die Unterstützung der indischen Regierung ist es für Asylsuchende und Migranten jedoch sehr schwierig, Wohnungen zu mieten oder Arbeit zu finden.

Die indischen Behörden haben die neu aus Sri Lanka ankommenden Menschen in das Flüchtlingslager Mandapam in der Stadt Rameswaram gebracht. Auch Rani und ihre Familie sind bereits seit über einem Monat hier. “Meine Schwiegertochter ist im sechsten Monat schwanger”, erzählt sie. “Ständig müssen wir Genehmigungen der Behörden einholen, um zu Gesundheitsuntersuchungen zu gehen. Und wir wissen nicht, wie wir nach der Geburt des Babys zurechtkommen werden.”

Indien Mandapam Refugee Camp in Rameshwaram

Auch der 26-jährige Mani erreichte Indien im März zusammen mit seiner Frau. Auch er will seinen richtigen Namen nicht nennen und verrät nur, dass er früher als Maler in Sri Lanka gearbeitet hatte. “Wegen der Wirtschaftskrise konnten wir in Sri Lanka nichts mehr machen”, sagt er. “Aber wenn ich gewusst hätte, dass wir über einen Monat lang in einem solchen Flüchtlingslager festgehalten werden, wäre ich überhaupt nicht gekommen”, sagt er. “Wir wissen nicht, was mit uns passieren wird”, klagt Mani. “Wenn wir von Indien die nötigen Dokumente erhalten, können wir arbeiten und selbst für unsere Familien sorgen. Das ist alles, worum wir bitten.”

Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Latschan. 

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