Kultur

Wichtiger als Weihnachten: Wie Thanksgiving entstand

1620 kamen die Pilgerväter in die heutigen USA und überlebten nur dank der Wampanoag-Ureinwohner. Daraus erwuchs Thanksgiving – aber erst 200 Jahre später.

Die Inflation macht 2022 auch vor einem der wichtigsten US-amerikanischen Nationalfeiertage nicht halt: Das traditionelle Thanksgiving-Essen soll in diesem Jahr rund 20 Prozent mehr kosten als im Vorjahr, berichtete Aimee Levitt kürzlich im “Guardian”. Allein der Kilopreis für Truthahn aus Freilandhaltung, das Herzstück des traditionellen Thanksgiving-Gerichts, habe sich in den letzten Monaten beinahe verdoppelt, so die Autorin.

Ausverkauft waren sie in manchen Geschäften trotzdem schon Anfang November. Schließlich ist Thanksgiving in den USA der wichtigste Feiertag für Familien – manchen ist er so gar wichtiger als Weihnachten.

Die Inflation macht 2022 auch vor einem der wichtigsten US-amerikanischen Nationalfeiertage nicht halt: Das traditionelle Thanksgiving-Essen soll in diesem Jahr rund 20 Prozent mehr kosten als im Vorjahr, berichtete Aimee Levitt kürzlich im “Guardian”. Allein der Kilopreis für Truthahn aus Freilandhaltung, das Herzstück des traditionellen Thanksgiving-Gerichts, habe sich in den letzten Monaten beinahe verdoppelt, so die Autorin.

Auf den ersten Blick ist Thanksgiving mit dem deutschen Erntedankfest vergleichbar: In der christlichen Tradition danken die Menschen Gott für die Ernte. Allerdings ist der US-amerikanische Nationalfeiertag gesellschaftlich sehr viel tiefer verwurzelt und wird von viel mehr Menschen gefeiert.

Wie kam es zu “Thanksgiving”? 

Thanksgiving fiel ursprünglich auf den letzten Donnerstag im November, so hatte es der damalige US-Präsident Abraham Lincoln im Jahr 1863 verfügt. 1941 bestätigte der Kongress Thanksgiving als landesweiten Feiertag und verlegte ihn auf den jeweils vierten Donnerstag im November.

Die Tradition geht zurück auf die Pilgrim Fathers, die Pilgerväter, die sich 1620 von Plymouth aus aufgemacht hatten, um in der Neuen Welt ihren Glauben frei ausleben zu können. Zuvor lebten sie bereits im niederländischen Exil, weil sie der Kirche ihrer englischen Heimat entsagt hatten und verfolgt wurden.

Die Pilger praktizierten ein radikales Christentum, das sich allein nach der Bibel richtete und selbst Bischöfe als eine Erfindung Satans ablehnte. Historikerinnen und Historiker beschreiben diese dogmatische Glaubensausübung als Sekten-ähnlich, erzkonservative Kreise in den USA beziehen sich noch heute auf die Gründungsväter.

Unter den 102 Passagieren, die am 16. September 1620 in See stachen, waren – und das steht im Widerspruch zum Begriff “Pilgerväter” – auch Frauen und Kinder sowie Männer, die mit dem Glauben wenig am Hut hatten und eher als Abenteurer galten. Schließlich landete die “Mayflower”, ein rund 30 Meter langer Dreimaster, aufgrund von Stürmen weiter südlich als geplant, im heutigen Provincetown in Massachusetts.

Weil die Pilger nicht genügend Vorräte hatten und auf den sandigen Böden kein Ackerbau möglich war, zogen sie bald weiter auf die andere Seite der Bucht, wo sie im Dezember 1620 die Plymouth Colony gründeten. Den Winter überstanden die Siedler aber nur mithilfe der Indigenen der Wampanoag-Nation, die sie mit Lebensmitteln versorgten und die örtlichen Techniken des Ackerbaus lehrten.

Im Herbst 1621 feierten Siedlerinnen und Siedler sowie Wampanoag ein gemeinsames, dreitägiges Fest: Thanksgiving. Auf den Tisch kamen Truthahn, Mais und Süßkartoffeln – eine Tradition, die bis in die Gegenwart Bestand hat.

So will es zumindest die Legende. In historischen Quellen, schreibt Aimee Levitt im “Guardian”, sei von einem Truthahn keine Rede, bloß von “mehreren Vögeln”.

Besonders war die Feier trotzdem, denn das friedliche Zusammenleben von Siedlerinnen und Siedlern und indigener Bevölkerung war eine Ausnahme zu jener Zeit, die ab den 1630er-Jahren zunehmend von Gewalt geprägt war. Als Folge der Besiedlung durch Menschen aus Europa wurden die “first nations”, also indigenen Menschen, die in Nordamerika lebten, beinahe vollständig ausgerottet.

Für viele Nachkommen der “first nations” ist Thanksgiving heute ein Tag des Gedenkens an den Genozid durch europäische Siedlerinnen und Siedler sowie den Verlust ihrer Vorfahren und ihres Landes. Dasselbe gilt für den Christopher-Columbus-Tag, der in den USA noch immer gefeiert, von vielen Indigenen aber als Trauertag betrachtet wird.

Das Thanksgiving-Fest im Jahr 1621 geriet zunächst in Vergessenheit. Erst im 19. Jahrhundert erinnerte man sich wieder an das gemeinsame Thanksgiving der Pilgerväter und der Wampanoag-Nation aus dem 17. Jahrhundert. Damals suchte Präsident Abraham Lincoln wegen des drohenden Bürgerkriegs zwischen Nord- und Südstaaten nach einem Feiertag, der alle US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner vereinigen würde.

Die Tradition, dass der amtierende US-Präsident zu Thanksgiving einen Truthahn begnadigt, soll ebenfalls mit Lincoln in die Welt gekommen sein, der von 1861 bis 1865 der 16. Präsident der USA war. Formell eingeführt wurde die Zeremonie aber erst 1989 unter George Bush senior. Infolge ihrer Züchtung sterben die begnadigten Truthähne meist trotzdem innerhalb eines Jahres.

Weil Familien zu Thanksgiving aus dem ganzen Land zusammenkommen, nehmen sich viele den Freitag nach dem Fest als Brückentag für ein langes Wochenende frei. Und was lag da näher, als eine weitere Tradition einzuführen?

So gilt der Freitag nach Thanksgiving als Start ins Weihnachtsshopping, weshalb Unternehmen und Geschäfte am Black Friday mit angeblich hohen Rabatten locken. Anders als der Truthahn hat sich diese Tradition inzwischen weltweit verbreitet.

Dies ist eine aktualisierte Fassung eines Artikels vom 25. November 2021.

Ein zubereiteter Truthahn liegt neben Kartoffeln und zwei Rotweingläsern auf einer Platte auf einem festlich geschmückten Tisch.
Ein Gemälde zeigt die Mayflower auf dem Meer.

Die Inflation macht 2022 auch vor einem der wichtigsten US-amerikanischen Nationalfeiertage nicht halt: Das traditionelle Thanksgiving-Essen soll in diesem Jahr rund 20 Prozent mehr kosten als im Vorjahr, berichtete Aimee Levitt kürzlich im “Guardian”. Allein der Kilopreis für Truthahn aus Freilandhaltung, das Herzstück des traditionellen Thanksgiving-Gerichts, habe sich in den letzten Monaten beinahe verdoppelt, so die Autorin.

Ausverkauft waren sie in manchen Geschäften trotzdem schon Anfang November. Schließlich ist Thanksgiving in den USA der wichtigste Feiertag für Familien – manchen ist er so gar wichtiger als Weihnachten.

Wie kam es zu “Thanksgiving”? 

Auf den ersten Blick ist Thanksgiving mit dem deutschen Erntedankfest vergleichbar: In der christlichen Tradition danken die Menschen Gott für die Ernte. Allerdings ist der US-amerikanische Nationalfeiertag gesellschaftlich sehr viel tiefer verwurzelt und wird von viel mehr Menschen gefeiert.

Thanksgiving fiel ursprünglich auf den letzten Donnerstag im November, so hatte es der damalige US-Präsident Abraham Lincoln im Jahr 1863 verfügt. 1941 bestätigte der Kongress Thanksgiving als landesweiten Feiertag und verlegte ihn auf den jeweils vierten Donnerstag im November.

Die Tradition geht zurück auf die Pilgrim Fathers, die Pilgerväter, die sich 1620 von Plymouth aus aufgemacht hatten, um in der Neuen Welt ihren Glauben frei ausleben zu können. Zuvor lebten sie bereits im niederländischen Exil, weil sie der Kirche ihrer englischen Heimat entsagt hatten und verfolgt wurden.

Die Pilger praktizierten ein radikales Christentum, das sich allein nach der Bibel richtete und selbst Bischöfe als eine Erfindung Satans ablehnte. Historikerinnen und Historiker beschreiben diese dogmatische Glaubensausübung als Sekten-ähnlich, erzkonservative Kreise in den USA beziehen sich noch heute auf die Gründungsväter.

Unter den Pilgervätern waren Frauen und Kinder

Unter den 102 Passagieren, die am 16. September 1620 in See stachen, waren – und das steht im Widerspruch zum Begriff “Pilgerväter” – auch Frauen und Kinder sowie Männer, die mit dem Glauben wenig am Hut hatten und eher als Abenteurer galten. Schließlich landete die “Mayflower”, ein rund 30 Meter langer Dreimaster, aufgrund von Stürmen weiter südlich als geplant, im heutigen Provincetown in Massachusetts.

Für die Ureinwohner ein Tag des Gedenkens

Weil die Pilger nicht genügend Vorräte hatten und auf den sandigen Böden kein Ackerbau möglich war, zogen sie bald weiter auf die andere Seite der Bucht, wo sie im Dezember 1620 die Plymouth Colony gründeten. Den Winter überstanden die Siedler aber nur mithilfe der Indigenen der Wampanoag-Nation, die sie mit Lebensmitteln versorgten und die örtlichen Techniken des Ackerbaus lehrten.

Im Herbst 1621 feierten Siedlerinnen und Siedler sowie Wampanoag ein gemeinsames, dreitägiges Fest: Thanksgiving. Auf den Tisch kamen Truthahn, Mais und Süßkartoffeln – eine Tradition, die bis in die Gegenwart Bestand hat.

So will es zumindest die Legende. In historischen Quellen, schreibt Aimee Levitt im “Guardian”, sei von einem Truthahn keine Rede, bloß von “mehreren Vögeln”.

Truthähne werden begnadigt

Besonders war die Feier trotzdem, denn das friedliche Zusammenleben von Siedlerinnen und Siedlern und indigener Bevölkerung war eine Ausnahme zu jener Zeit, die ab den 1630er-Jahren zunehmend von Gewalt geprägt war. Als Folge der Besiedlung durch Menschen aus Europa wurden die “first nations”, also indigenen Menschen, die in Nordamerika lebten, beinahe vollständig ausgerottet.

Für viele Nachkommen der “first nations” ist Thanksgiving heute ein Tag des Gedenkens an den Genozid durch europäische Siedlerinnen und Siedler sowie den Verlust ihrer Vorfahren und ihres Landes. Dasselbe gilt für den Christopher-Columbus-Tag, der in den USA noch immer gefeiert, von vielen Indigenen aber als Trauertag betrachtet wird.

Konsum am Tag danach

Das Thanksgiving-Fest im Jahr 1621 geriet zunächst in Vergessenheit. Erst im 19. Jahrhundert erinnerte man sich wieder an das gemeinsame Thanksgiving der Pilgerväter und der Wampanoag-Nation aus dem 17. Jahrhundert. Damals suchte Präsident Abraham Lincoln wegen des drohenden Bürgerkriegs zwischen Nord- und Südstaaten nach einem Feiertag, der alle US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner vereinigen würde.

Die Tradition, dass der amtierende US-Präsident zu Thanksgiving einen Truthahn begnadigt, soll ebenfalls mit Lincoln in die Welt gekommen sein, der von 1861 bis 1865 der 16. Präsident der USA war. Formell eingeführt wurde die Zeremonie aber erst 1989 unter George Bush senior. Infolge ihrer Züchtung sterben die begnadigten Truthähne meist trotzdem innerhalb eines Jahres.

US-Präsident Joe Biden steht mit einem Truthahn vor vor dem Weißen Haus, neben ihm ein Mann und eine Frau, lachend.

Weil Familien zu Thanksgiving aus dem ganzen Land zusammenkommen, nehmen sich viele den Freitag nach dem Fest als Brückentag für ein langes Wochenende frei. Und was lag da näher, als eine weitere Tradition einzuführen?

So gilt der Freitag nach Thanksgiving als Start ins Weihnachtsshopping, weshalb Unternehmen und Geschäfte am Black Friday mit angeblich hohen Rabatten locken. Anders als der Truthahn hat sich diese Tradition inzwischen weltweit verbreitet.

Dies ist eine aktualisierte Fassung eines Artikels vom 25. November 2021.

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