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Was bedeutet die Auflösung der “Sittenpolizei“ im Iran?

Im Iran soll die sogenannte “Sittenpolizei” nach Monaten des Protests aufgelöst worden sein. Die Proteste wurden durch den Tod von Jina Mahsa Amini ausgelöst, die angeblich ihr Kopftuch nicht korrekt getragen hatte.

Mitte September 2022 nahm Irans “Sittenpolizei” Jina Mahsa Amini in Teheran fest, weil sie angeblich unpassende Kleidung getragen habe und brachte sie zu einer Polizeistation, wo die 22-Jährige später ins Koma fiel. Drei Tage später starb sie in einem Krankenhaus. Aminis Tod führte zu landesweiten Protesten gegen die Regierung im Iran. Die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi reagierte mit großer Härte auf die Proteste, die seitdem andauern.

Die Ankündigung, die “Sittenpolizei” aufzulösen, kam nur einen Tag, nach einem Statement von Generalstaatsanwalt Mohammed Dschafar Montaseri. Er hatte öffentlich erklärt, dass “Parlament und Justiz sich mit der Frage beschäftigen”, ob das Gesetz geändert werden sollte, das Frauen im Iran eine Verschleierung vorschreibt.

Mitte September 2022 nahm Irans “Sittenpolizei” Jina Mahsa Amini in Teheran fest, weil sie angeblich unpassende Kleidung getragen habe und brachte sie zu einer Polizeistation, wo die 22-Jährige später ins Koma fiel. Drei Tage später starb sie in einem Krankenhaus. Aminis Tod führte zu landesweiten Protesten gegen die Regierung im Iran. Die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi reagierte mit großer Härte auf die Proteste, die seitdem andauern.

Auf einer religiösen Konferenz an diesem Samstag sagte Montaseri zudem: “Die Sittenpolizei hat nichts mit der Justiz zu tun” und sei aufgelöst worden. So zitiert es die iranische Nachrichtenagentur ISNA.

Was ist die “Sittenpolizei” und wie arbeitet sie?

“Gasht-e-Ershad”, übersetzt etwa “Belehrungsstreife”, im Allgemeinen als “Sittenpolizei” bekannt, ist eine Einheit der iranischen Polizei, die die Gesetze zur islamischen Kleidung kontrolliert. Sie wurde unter dem Hardliner-Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad eingeführt und patrouilliert seit 2006 durch Irans Straßen.

Nach iranischem Recht müssen sich Frauen jenseits der Pubertät in der Öffentlichkeit verhüllen und eine Kopfbedeckung tragen, einen sogenannten Hidschab – wobei nicht genauer genauer definiert ist, ab welchem Alter das Gesetz gilt. In der Schule tragen Mädchen den Hidschab in der Regel ab sieben Jahren, aber das heißt nicht, dass sie es auch in anderen öffentlichen Räumen tun.

Ein großer Teil der sozialen Regeln im Iran basieren auf der staatlichen Interpretation der islamischen Scharia, die von Frauen wie Männern verlangt, sich bescheiden und zurückhaltend zu kleiden. In der alltäglichen Realität richten sich die Aktionen der “Sittenpolizei” aber vor allem gegen Frauen. 

Es gibt keine klaren Regeln, welche Art von Kleidung als unpassend angesehen wird, sodass viel Spielraum für Interpretationen bleibt. Das führt auch dazu, dass Festnahmen von Frauen häufig sehr willkürlich erscheinen. 

Wer von der “Sittenpolizei” angehalten wird, erhält eine Verwarnung oder wird zu einem sogenannten Erziehungs- und Beratungscenter oder auch auf eine Polizeistation gebracht. Dort müssen sich die Aufgegriffenen dann einen Vortrag über den Hidschab und die islamischen Werte anhören. Anschließend muss jemand erst “geeignete Kleidung” vorbeibringen, damit die festgenommene Frau aus dem Gewahrsam entlassen wird.

Die iranische Regierung propagiert ihre Vorstellung von islamischer Kleidung aber auch in Schulen, in den nationalen Medien und bei öffentlichen Veranstaltungen.

Trotzdem haben viele iranische Frauen Wege gefunden, die ultrakonservativen Regeln zu umgehen. Viele überschreiten die Grenzen, indem sie eng sitzende Kleidung tragen und das Kopftuch als farbiges Accessoire verwenden, dass den Blick auf viel Haar freigibt. Auch dazu, wie viel Haar bei Frauen zu sehen sein darf, gibt es keine klaren Regeln.

Eine Umfrage des iranischen Parlaments von 2018 ergab, dass 60 bis 70 Prozent der iranischen Frauen den islamischen Kleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit nicht streng folgen. Iranische Aktivistinnen kämpfen seit Jahrzehnten gegen den Kopftuchzwang, einige von ihnen sitzen derzeit im Gefängnis.​

Unter der Regierung Raisi hatte die “Sittenpolizei” ihre Präsenz in den großen Städten erhöht. Als Antwort darauf gingen Tausende Frauen ohne Kopftuch auf die Straße. Aufnahmen davon wurden in sozialen Medien geteilt, um andere zu ermutigen, das auch zu tun. 

Ein Video verbreitete sich besonders stark: Darin bitte eine Frau ein Mitglied der “Sittenpolizei”, ihre kranke Tochter freizulassen. Daraufhin wurden immer mehr Stimmen laut, die die Auflösung dieser Einheit forderten. Zum ersten Mal sprachen sich auch Hunderte religiöse Frauen online gegen einen Zwang zum Tragen des Hidschab aus. Selbst sehr konservative Iraner, darunter auch Mitglieder des Parlaments, kritisierten das Gesetz ebenso wie die “Sittenpolizei”, weil sie einen negativen Einfluss auf die öffentliche Haltung gegenüber dem Hidschab und der Religion insgesamt habe.

Aus dem Englischen adaptiert von Andrea Lueg

Iran | Mahsa Amini
Passantinnen in Teheran (14.11.2022)

Mitte September 2022 nahm Irans “Sittenpolizei” Jina Mahsa Amini in Teheran fest, weil sie angeblich unpassende Kleidung getragen habe und brachte sie zu einer Polizeistation, wo die 22-Jährige später ins Koma fiel. Drei Tage später starb sie in einem Krankenhaus. Aminis Tod führte zu landesweiten Protesten gegen die Regierung im Iran. Die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi reagierte mit großer Härte auf die Proteste, die seitdem andauern.

Die Ankündigung, die “Sittenpolizei” aufzulösen, kam nur einen Tag, nach einem Statement von Generalstaatsanwalt Mohammed Dschafar Montaseri. Er hatte öffentlich erklärt, dass “Parlament und Justiz sich mit der Frage beschäftigen”, ob das Gesetz geändert werden sollte, das Frauen im Iran eine Verschleierung vorschreibt.

Was ist die “Sittenpolizei” und wie arbeitet sie?

Auf einer religiösen Konferenz an diesem Samstag sagte Montaseri zudem: “Die Sittenpolizei hat nichts mit der Justiz zu tun” und sei aufgelöst worden. So zitiert es die iranische Nachrichtenagentur ISNA.

“Gasht-e-Ershad”, übersetzt etwa “Belehrungsstreife”, im Allgemeinen als “Sittenpolizei” bekannt, ist eine Einheit der iranischen Polizei, die die Gesetze zur islamischen Kleidung kontrolliert. Sie wurde unter dem Hardliner-Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad eingeführt und patrouilliert seit 2006 durch Irans Straßen.

Nach iranischem Recht müssen sich Frauen jenseits der Pubertät in der Öffentlichkeit verhüllen und eine Kopfbedeckung tragen, einen sogenannten Hidschab – wobei nicht genauer genauer definiert ist, ab welchem Alter das Gesetz gilt. In der Schule tragen Mädchen den Hidschab in der Regel ab sieben Jahren, aber das heißt nicht, dass sie es auch in anderen öffentlichen Räumen tun.

Ein großer Teil der sozialen Regeln im Iran basieren auf der staatlichen Interpretation der islamischen Scharia, die von Frauen wie Männern verlangt, sich bescheiden und zurückhaltend zu kleiden. In der alltäglichen Realität richten sich die Aktionen der “Sittenpolizei” aber vor allem gegen Frauen. 

Kleiderordnung durchsetzen

Es gibt keine klaren Regeln, welche Art von Kleidung als unpassend angesehen wird, sodass viel Spielraum für Interpretationen bleibt. Das führt auch dazu, dass Festnahmen von Frauen häufig sehr willkürlich erscheinen. 

Wie reagieren die iranischen Frauen?

Wer von der “Sittenpolizei” angehalten wird, erhält eine Verwarnung oder wird zu einem sogenannten Erziehungs- und Beratungscenter oder auch auf eine Polizeistation gebracht. Dort müssen sich die Aufgegriffenen dann einen Vortrag über den Hidschab und die islamischen Werte anhören. Anschließend muss jemand erst “geeignete Kleidung” vorbeibringen, damit die festgenommene Frau aus dem Gewahrsam entlassen wird.

Die iranische Regierung propagiert ihre Vorstellung von islamischer Kleidung aber auch in Schulen, in den nationalen Medien und bei öffentlichen Veranstaltungen.

Trotzdem haben viele iranische Frauen Wege gefunden, die ultrakonservativen Regeln zu umgehen. Viele überschreiten die Grenzen, indem sie eng sitzende Kleidung tragen und das Kopftuch als farbiges Accessoire verwenden, dass den Blick auf viel Haar freigibt. Auch dazu, wie viel Haar bei Frauen zu sehen sein darf, gibt es keine klaren Regeln.

Eine Umfrage des iranischen Parlaments von 2018 ergab, dass 60 bis 70 Prozent der iranischen Frauen den islamischen Kleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit nicht streng folgen. Iranische Aktivistinnen kämpfen seit Jahrzehnten gegen den Kopftuchzwang, einige von ihnen sitzen derzeit im Gefängnis.​

Unter der Regierung Raisi hatte die “Sittenpolizei” ihre Präsenz in den großen Städten erhöht. Als Antwort darauf gingen Tausende Frauen ohne Kopftuch auf die Straße. Aufnahmen davon wurden in sozialen Medien geteilt, um andere zu ermutigen, das auch zu tun. 

Ein Video verbreitete sich besonders stark: Darin bitte eine Frau ein Mitglied der “Sittenpolizei”, ihre kranke Tochter freizulassen. Daraufhin wurden immer mehr Stimmen laut, die die Auflösung dieser Einheit forderten. Zum ersten Mal sprachen sich auch Hunderte religiöse Frauen online gegen einen Zwang zum Tragen des Hidschab aus. Selbst sehr konservative Iraner, darunter auch Mitglieder des Parlaments, kritisierten das Gesetz ebenso wie die “Sittenpolizei”, weil sie einen negativen Einfluss auf die öffentliche Haltung gegenüber dem Hidschab und der Religion insgesamt habe.

Aus dem Englischen adaptiert von Andrea Lueg

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