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Peru: Mit Neuwahlen 2024 aus der Krise?

Nach gewalttätigen Unruhen hat das Parlament in Lima für Neuwahlen und eine Verfassungsreform gestimmt. Interims-Staatspräsidentin Dina Boluarte soll bis April 2024 im Amt bleiben. Doch hält sie so lange durch?

Edward Málaga-Trillo weiß nicht mehr, wie oft ihm alle gesagt haben, Neuwahlen könne er sich getrost abschminken. “Das passiert nie”, musste sich der peruanische Kongressabgeordnete in den letzten Wochen anhören, oder auch: “Ihr habt eh nicht genügend Stimmen”. Doch 93 Abgeordnete machten am Ende den Weg frei für um zwei Jahre vorgezogene Neuwahlen im April 2024, bei 30-Nein-Stimmen und einer Enthaltung.

Málaga-Trillo ist noch ziemlich aufgekratzt und um 4.00 Uhr nachts wach, als er der DW sagt: “Man sieht, was man mit Beharrlichkeit alles erreichen kann. Ich bin sehr zufrieden, weil wir als Ausweg aus der Krise sowohl Castillo abgesetzt als auch frühere Wahlen und Reformen durchgesetzt haben.”

Edward Málaga-Trillo weiß nicht mehr, wie oft ihm alle gesagt haben, Neuwahlen könne er sich getrost abschminken. “Das passiert nie”, musste sich der peruanische Kongressabgeordnete in den letzten Wochen anhören, oder auch: “Ihr habt eh nicht genügend Stimmen”. Doch 93 Abgeordnete machten am Ende den Weg frei für um zwei Jahre vorgezogene Neuwahlen im April 2024, bei 30-Nein-Stimmen und einer Enthaltung.

Wird jetzt also endlich alles gut für das Land, das in den vergangenen zwei Wochen dem Begriff “politische Krise” eine ganz neue Domension verlieh? Da ist Ex-Präsident Pedro Castillo, der mit der Auflösung des Kongresses einem Misstrauensvotum gegen ihn zuvorkommen wollte und, eines Staatsstreiches beschuldigt, abgesetzt wurde und nun für 18 Monate in Untersuchungshaft bleiben muss.

Peru versinkt im politischen Chaos

Da ist die Interims-Präsidentin Diana Boluarte, die für 30 Tage den Ausnahmezustand und in 15 Provinzen eine nächtliche Ausgangssperre verhängt hat – und die von der Menschenrechtsorganisation “Asociación Pro Derechos Humanos” wegen Mordes angezeigt wird, weil laut offiziellen Angaben bei gewaltsamen Protesten im ganzen Land 26 Menschen ums Leben kamen und 646 Personen verletzt wurden. Und schließlich sind da zwei Regierungsmitglieder, Bildungsministerin Patricia Correa und Kulturminister Jair Pérez, die wegen der Todesopfer zurücktreten. Mehr Krise in zwei Wochen geht kaum.

“Peru ist heute ein unregierbares Land, die Bevölkerung geht auf die Straße, weil sie die politische Klasse leid ist. Boluarte kommt nun ganz unerwartet als erste Frau in der Geschichte Perus in Regierungsverantwortung unter extrem schwierigen Bedingungen. Eine Feuerprobe, die gerade erst angefangen hat”, sagt Málaga-Trillo, der sich mit Feuerproben gut auskennt. Vor seinem Gang in die Politik half er als Neurobiologe mit, Peru durch die Corona-Pandemie zu führen.

Diese Feuerprobe könnte das sechste Staatsoberhaupt in den vergangenen sechs Jahren durchaus überfordern, denn die Rechtsanwältin sitzt vor ihrer 16-monatigen Mammutaufgabe zwischen allen Stühlen. In ihrer linken Partei “Perú Libre” ist die frühere Vizepräsidentin und Ministerin für soziale Entwicklung und Inklusion nicht mehr gerne gesehen, weil sie mit Castillo gebrochen hat. Die konservativen Abgeordneten wiederum nehmen ihr den Rechtsschwenk nicht ab.

Und auch in der Region wartet auf Boluarte ein Minenfeld. Während sie auf die Unterstützung aus konservativ regierten Nachbarländern wie Ecuador, Uruguay, Costa Rica oder Chile zählen kann, machte Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador früh deutlich, was er von dem Wechsel an der Regierungsspitze in Peru hält: gar nichts, denn die wirtschaftlichen und politischen Eliten hätten Castillos Ende erzwungen. Die linken Regierungen von Venezuela, Kolumbien, Honduras und Bolivien sprangen López Obrador prompt zur Seite.

Geht es nach Raúl Noblecilla, dürfte sich Dina Boluarte nahtlos in die Liste der peruanischen Kurzzeit-Regierungschefs einreihen. Der Rechtsanwalt und Vizepräsident der Partei “Voces del Pueblo” sorgte in jüngster Zeit für großes Aufsehen, weil er zunächst die Verteidigung von Pedro Castillo übernommen hatte, diese aber Anfang der Woche wieder abgab. Er sagt: “Boluarte ist zusammen mit Pedro Castillo an die Macht gekommen, mit einer Kampagne für die Partei Perú Libre, die einen Wandel für mehr soziale Gerechtigkeit propagiert hat. Ich frage mich, in was sie sich verwandelt hat, denn ihre politischen Vorstellungen haben sich komplett geändert. Was wir jetzt benötigen, ist ein Dialog mit einem runden demokratischen Tisch, ihren Rücktritt und sofortige Neuwahlen.”

Die neue Präsidentin muss also gleichzeitig das Vertrauen von Politikern wie Raúl Noblecilla zurückgewinnen und darf das von Edward Málaga-Trillo nicht enttäuschen. Auf einen Amtsbonus in der Bevölkerung kann sie zudem nicht hoffen: In einer Umfrage des “Instituto Estudios Peruanos” befürworteten nur 27 Prozent der Befragten, dass Boluarte die Präsidentschaft übernommen hat. Und fast die Hälfte glaubt, unter ihrer Ägide werde sich die politische Situation noch verschlechtern.

“Es wird schwierig für sie, ihr Mandat zu ende zu führen. Weil es ohnehin selten ist, dass die Bevölkerung einem Politiker oder einer Politikerin vertraut”, sagt Mayte Dongo, “und die aktuelle Regierung hat meiner Meinung nach den Fehler begangen, nicht sofort den Dialog mit lokalen Gouverneuren zu suchen. Sie hätte auch Kanäle mit der Bevölkerung öffnen müssen, die gehört werden will.”

Dongo ist Politikwissenschaftlerin an der katholischen Universität in Peru, sie glaubt, dass Dina Boluarte vor einer fast unlösbaren Aufgabe steht. Zu groß ist die Politikverdrossenheit bei den einen, die alle Politiker am liebsten zum Teufel schicken würden. Und zu groß ist das Gefühl der fehlenden Wertschätzung bei den Castillo-Anhängern auf dem Land, die es gefeiert hatten, dass es endlich einer der ihren auf den Präsidentenstuhl geschafft hatte, und sich repräsentiert fühlten. Der neue Wahltermin schließlich sei ein aus der Not geborener Kompromiss, meint Dongo: “Die Menschen wollen einen schnellen Weg aus der Krise, aber leider gibt es den nicht. Bis zu den Wahlen 2024 ist es einerseits zu lange hin, aber es nützt uns andererseits auch nicht, uns zu beeilen. Denn wenn die Wahlen zu früh stattfinden, haben wir dieselben Parteien wie jetzt an der Macht, weil die Zeit für eine Einschreibung neuer Parteien nicht ausreicht.”

Porträt von George Edward Málaga Trillo
Peru | Eine Abgeordnete des Kongresses hält nach Pedro Castillos Absetzung eine peruanische Flagge hoch

Edward Málaga-Trillo weiß nicht mehr, wie oft ihm alle gesagt haben, Neuwahlen könne er sich getrost abschminken. “Das passiert nie”, musste sich der peruanische Kongressabgeordnete in den letzten Wochen anhören, oder auch: “Ihr habt eh nicht genügend Stimmen”. Doch 93 Abgeordnete machten am Ende den Weg frei für um zwei Jahre vorgezogene Neuwahlen im April 2024, bei 30-Nein-Stimmen und einer Enthaltung.

Málaga-Trillo ist noch ziemlich aufgekratzt und um 4.00 Uhr nachts wach, als er der DW sagt: “Man sieht, was man mit Beharrlichkeit alles erreichen kann. Ich bin sehr zufrieden, weil wir als Ausweg aus der Krise sowohl Castillo abgesetzt als auch frühere Wahlen und Reformen durchgesetzt haben.”

Peru versinkt im politischen Chaos

Wird jetzt also endlich alles gut für das Land, das in den vergangenen zwei Wochen dem Begriff “politische Krise” eine ganz neue Domension verlieh? Da ist Ex-Präsident Pedro Castillo, der mit der Auflösung des Kongresses einem Misstrauensvotum gegen ihn zuvorkommen wollte und, eines Staatsstreiches beschuldigt, abgesetzt wurde und nun für 18 Monate in Untersuchungshaft bleiben muss.

Da ist die Interims-Präsidentin Diana Boluarte, die für 30 Tage den Ausnahmezustand und in 15 Provinzen eine nächtliche Ausgangssperre verhängt hat – und die von der Menschenrechtsorganisation “Asociación Pro Derechos Humanos” wegen Mordes angezeigt wird, weil laut offiziellen Angaben bei gewaltsamen Protesten im ganzen Land 26 Menschen ums Leben kamen und 646 Personen verletzt wurden. Und schließlich sind da zwei Regierungsmitglieder, Bildungsministerin Patricia Correa und Kulturminister Jair Pérez, die wegen der Todesopfer zurücktreten. Mehr Krise in zwei Wochen geht kaum.

“Peru ist heute ein unregierbares Land, die Bevölkerung geht auf die Straße, weil sie die politische Klasse leid ist. Boluarte kommt nun ganz unerwartet als erste Frau in der Geschichte Perus in Regierungsverantwortung unter extrem schwierigen Bedingungen. Eine Feuerprobe, die gerade erst angefangen hat”, sagt Málaga-Trillo, der sich mit Feuerproben gut auskennt. Vor seinem Gang in die Politik half er als Neurobiologe mit, Peru durch die Corona-Pandemie zu führen.

Diese Feuerprobe könnte das sechste Staatsoberhaupt in den vergangenen sechs Jahren durchaus überfordern, denn die Rechtsanwältin sitzt vor ihrer 16-monatigen Mammutaufgabe zwischen allen Stühlen. In ihrer linken Partei “Perú Libre” ist die frühere Vizepräsidentin und Ministerin für soziale Entwicklung und Inklusion nicht mehr gerne gesehen, weil sie mit Castillo gebrochen hat. Die konservativen Abgeordneten wiederum nehmen ihr den Rechtsschwenk nicht ab.

Perus Präsidentenverschleiß geht weiter

Und auch in der Region wartet auf Boluarte ein Minenfeld. Während sie auf die Unterstützung aus konservativ regierten Nachbarländern wie Ecuador, Uruguay, Costa Rica oder Chile zählen kann, machte Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador früh deutlich, was er von dem Wechsel an der Regierungsspitze in Peru hält: gar nichts, denn die wirtschaftlichen und politischen Eliten hätten Castillos Ende erzwungen. Die linken Regierungen von Venezuela, Kolumbien, Honduras und Bolivien sprangen López Obrador prompt zur Seite.

Umfragewerte für Boluarte katastrophal

Geht es nach Raúl Noblecilla, dürfte sich Dina Boluarte nahtlos in die Liste der peruanischen Kurzzeit-Regierungschefs einreihen. Der Rechtsanwalt und Vizepräsident der Partei “Voces del Pueblo” sorgte in jüngster Zeit für großes Aufsehen, weil er zunächst die Verteidigung von Pedro Castillo übernommen hatte, diese aber Anfang der Woche wieder abgab. Er sagt: “Boluarte ist zusammen mit Pedro Castillo an die Macht gekommen, mit einer Kampagne für die Partei Perú Libre, die einen Wandel für mehr soziale Gerechtigkeit propagiert hat. Ich frage mich, in was sie sich verwandelt hat, denn ihre politischen Vorstellungen haben sich komplett geändert. Was wir jetzt benötigen, ist ein Dialog mit einem runden demokratischen Tisch, ihren Rücktritt und sofortige Neuwahlen.”

Die neue Präsidentin muss also gleichzeitig das Vertrauen von Politikern wie Raúl Noblecilla zurückgewinnen und darf das von Edward Málaga-Trillo nicht enttäuschen. Auf einen Amtsbonus in der Bevölkerung kann sie zudem nicht hoffen: In einer Umfrage des “Instituto Estudios Peruanos” befürworteten nur 27 Prozent der Befragten, dass Boluarte die Präsidentschaft übernommen hat. Und fast die Hälfte glaubt, unter ihrer Ägide werde sich die politische Situation noch verschlechtern.

“Es wird schwierig für sie, ihr Mandat zu ende zu führen. Weil es ohnehin selten ist, dass die Bevölkerung einem Politiker oder einer Politikerin vertraut”, sagt Mayte Dongo, “und die aktuelle Regierung hat meiner Meinung nach den Fehler begangen, nicht sofort den Dialog mit lokalen Gouverneuren zu suchen. Sie hätte auch Kanäle mit der Bevölkerung öffnen müssen, die gehört werden will.”

Dongo ist Politikwissenschaftlerin an der katholischen Universität in Peru, sie glaubt, dass Dina Boluarte vor einer fast unlösbaren Aufgabe steht. Zu groß ist die Politikverdrossenheit bei den einen, die alle Politiker am liebsten zum Teufel schicken würden. Und zu groß ist das Gefühl der fehlenden Wertschätzung bei den Castillo-Anhängern auf dem Land, die es gefeiert hatten, dass es endlich einer der ihren auf den Präsidentenstuhl geschafft hatte, und sich repräsentiert fühlten. Der neue Wahltermin schließlich sei ein aus der Not geborener Kompromiss, meint Dongo: “Die Menschen wollen einen schnellen Weg aus der Krise, aber leider gibt es den nicht. Bis zu den Wahlen 2024 ist es einerseits zu lange hin, aber es nützt uns andererseits auch nicht, uns zu beeilen. Denn wenn die Wahlen zu früh stattfinden, haben wir dieselben Parteien wie jetzt an der Macht, weil die Zeit für eine Einschreibung neuer Parteien nicht ausreicht.”

Schwarz-weiß-Porträg von Rechtsanwalt und Politiker Raul Noblecilla

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