Korruption wie im Drehbuch: der EU-Skandal um Eva Kaili
Die griechische EU-Abgeordnete Eva Kaili bleibt weiter in Untersuchungshaft – auch über Weihnachten. Der Skandal um das Parlament und Katar bietet alles, was eine Krimiserie braucht. Bernd Riegert aus Brüssel.
Die Affäre rund um mutmaßliche Korruption im Europäischen Parlament hat alle Zutaten für eine spannende Netflix-Serie: eine smarte, attraktive Hauptverdächtige, Eva Kaili, die am Höhepunkt ihrer steilen Karriere als TV-Ansagerin und Spitzenpolitikerin Vizepräsidentin des EU-Parlaments war. Ein ebenso attraktiver, jüngerer Lebensgefährte, Francesco Giorgi, der im Parlament arbeitet. Ein älterer ehemaliger EU-Abgeordneter, Antonio Panzeri, als Strippenzieher. Und die Familie steckt auch mit drin: Der Vater der griechischen Hauptverdächtigen Eva Kaili sollte wohl auf Weisung seiner Tochter mit Bargeld in einem Rollkoffer flüchten. Und auch Panzinis Ehefrau und Tochter sollen Mitwisserinnen sein und von Italien an die belgische Justiz ausgeliefert werden.
Dazu der Plot: Eine Nichtregierungsorganisation mit dem passenden Namen “Fighting Impunity” (dt.: Kampf der Straflosigkeit) gegründet von Panzeri, soll in Brüssel Lobbyarbeit geleistet haben. Offiziell für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, inoffiziell wohl eher für einen von der belgischen Staatsanwaltschaft nicht näher bezeichneten “Staat am Persischen Golf”. In den Medien wird allgemein von Katar gesprochen, wo gerade die FIFA-Fußballweltmeisterschaft zu Ende ging. Bei mehreren Hausdurchsuchungen haben die belgischen Ermittler, die seit einem Jahr an dem Fall dran sind, insgesamt 1,5 Millionen Euro in bar sichergestellt. Der Vorwurf gegen die EU-Parlamentarier und ihre Mitarbeiter lautet: Korruption, Geldwäsche, Bildung einer kriminellen Vereinigung. Eva Kaili hatte eine auffallend positive Rede zu Katar im Parlament gehalten und sich mit Funktionsträgern des Landes getroffen. Einige Indizien weisen aber auch nach Marokko.
Die Affäre rund um mutmaßliche Korruption im Europäischen Parlament hat alle Zutaten für eine spannende Netflix-Serie: eine smarte, attraktive Hauptverdächtige, Eva Kaili, die am Höhepunkt ihrer steilen Karriere als TV-Ansagerin und Spitzenpolitikerin Vizepräsidentin des EU-Parlaments war. Ein ebenso attraktiver, jüngerer Lebensgefährte, Francesco Giorgi, der im Parlament arbeitet. Ein älterer ehemaliger EU-Abgeordneter, Antonio Panzeri, als Strippenzieher. Und die Familie steckt auch mit drin: Der Vater der griechischen Hauptverdächtigen Eva Kaili sollte wohl auf Weisung seiner Tochter mit Bargeld in einem Rollkoffer flüchten. Und auch Panzinis Ehefrau und Tochter sollen Mitwisserinnen sein und von Italien an die belgische Justiz ausgeliefert werden.
Als müsse der Stoff für mehrere Staffeln reichen, zieht der vermeintliche Skandal weitere Kreise. Ein ehemaliger EU-Kommissar aus Griechenland, Dimitris Avramopoulos, stand auf der Gehaltsliste der eventuell zwielichtigen Lobby-NGO. Er hat 60.000 Euro für sein Wirken im – ehrenamtlichen – Aufsichtsrat der Organisation erhalten. Avramopoulos will seine Zusammenarbeit aber schon Anfang des Jahres aufgegeben haben. Ehemalige alte Kommissars-Kollegen in Brüssel habe er nur zu freundschaftlichen Plauderstündchen getroffen, nicht für Lobbyarbeit, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission.
Wer steckt noch mit drin?
Andere EU-Politikerinnen und -Politiker, die in dem Aufsichtsrat saßen, haben ihre Mitgliedschaft ebenfalls aufgekündigt und wollen nie Geld erhalten haben. Allerdings sind allesamt noch auf der Internetseite von “Fighting Impunity” als Aufsichtsräte gelistet (Stand 22.12.22). Die EU-Kommission teilte mit, die NGO habe keine Fördergelder erhalten und sei auch nicht im Lobby-Register erfasst, weil sie keinen Kontakt zu EU-Kommissaren gesucht habe.
Die Anwälte von Eva Kaili beteuern die Unschuld ihrer Mandantin. Da aber Flucht- oder Verdunklungsgefahr bestehe, entschied der Haftrichter am Donnerstag die Untersuchungshaft für einen Monat zu verlängern. Genaue Angaben macht das Gericht aus ermittlungstaktischen Gründen nicht. Das Argument der Anwälte, die zweijährige Tochter von Eva Kaili brauche gerade jetzt über die Feiertage ihre Mutter, hat das Gericht wenig beeindruckt, obwohl auch der Vater der Kleinen, der Lebensgefährte von Eva Kaili, in Haft bleibt. Nun soll sich die zweijährige Tochter in der Obhut ihres Großvaters, also des angeblichen Geldboten befinden.
Wie in jedem guten Polit-Thriller wurden offenbar auch in Brüssel Informationen durchgesteckt: Zwei Zeitungen zitieren aus vertraulichen Ermittlungsprotokollen. Die Anwälte der Hauptbeschuldigten protestieren. Von Teilgeständnissen ist die Rede: Der Lebensgefährte soll Schuld auf sich genommen und Mitbeschuldigte schwer belastet haben, um seine Partnerin zu entlasten. Die wiederum ließ über ihren Anwalt mitteilen, sie fühle sich von ihrem italienischen Lebensgefährten “hintergangen”. Von großen Mengen Bargeld in ihrer Wohnung und dessen Herkunft habe sie nichts gewusst.
Die belgischen Ermittlungsbehörden haben bisher nicht öffentlich gemacht, womit sie den Vorwurf der Korruption genau begründen und wie die Geldwäsche vonstattengegangen sein soll. Katar hat alle Vorwürfe, die Regierung habe europäische Politiker bestochen, zurückgewiesen. Ein ungenannter Diplomat aus dem Golfstaat, der an der Botschaft in Brüssel arbeitet, hat angedeutet, dass sich die belgischen Ermittlungen negativ auf die Gasgeschäfte mit dem reichen Emirat auswirken könnten.
Sehr entschlossen, fast hektisch hat das europäische Parlament reagiert. Eva Kaili wurde aus dem Präsidium des Parlaments geworfen. Die sozialistische Fraktion und die griechische Pasok-Partei schlossen sie aus. Die Parlamentspräsidentin, die Malteserin Roberta Metsola, kündigte umfassende Reformen für die Erfassung von Lobbytätigkeiten im Parlament an. Außerdem hat das Parlament die Visa-Liberalisierung für Katarer verschoben sowie alle Kontakte zu Behörden und Politikern in Katar eingefroren, was von diesen wiederum kritisiert wurde.
Einige Staats- und Regierungschefs äußerten beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche Betroffenheit über den Skandal in der EU-Institution. Metsola sprach von “Wut, Kummer und Zorn”, den sie empfinde. “Die Feinde der Demokratie, für die allein die Existenz dieses Parlaments eine Bedrohung darstellt, werden vor nichts Halt machen”, orakelte Metsola am Tag nach der Verhaftung ihrer Stellvertreterin Kaili. Sie sprach außerdem von – Achtung: Netflix-Faktor – “bösartigen Akteuren, die mit autokratischen Drittländern in Verbindung stehen.” Die Sicherheitsdienste der EU würden schon seit einiger Zeit eng mit belgischen Behörden zusammenarbeiten, um das “mutmaßliche kriminelle Netzwerk” zu enttarnen, so die Parlamentspräsidentin.
Verdächtigungen und Vorwürfe gibt es inzwischen auch gegen einen Gewerkschaftsfunktionär, weitere EU-Abgeordnete und zehn Assistenten im Parlament, von denen die meisten Italiener sein sollen. Auch eine zweite Nichtregierungsorganisation, ebenfalls vom beschuldigten Ex-EU-Abgeordneten Panzeri gegründet, gerät ins Visier von Ermittlern und Medien.
Eine wichtige Nebenrolle wäre in einem gut besetzten Drama die des eigensinnigen, aber unbestechlichen Ermittlers. In der Realität ist das wohl der Untersuchungsrichter Michel Claise in Brüssel, der den Fall ins Rollen brachte und sich laut der Zeitung “La Libre” gerne mit den Mächtigen anlegt und dabei auch mal umstrittene Methoden anwende. Eine weitere Nebenrolle fiele dem ewig vergrätzten Schurken zu. In der EU-Affäre riet der ungarische Premierminister Viktor Orban am Donnerstag zur Abschaffung des frei gewählten Europäischen Parlaments, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wieder zu erlangen. Alle Kontrollen hätten versagt, so Orban. Besser als ein freies Parlament sei eine Versammlung aus Vertretern, die von den Parlamenten der 27 Mitgliedsstaaten der EU entsandt würden.
Bis es vor einem belgischen Gericht zu einem Verfahren gegen Kaili und Co. kommt, können noch Monate, wenn nicht Jahre vergehen. Noch ist also viel Zeit für das gute alte Serienmotto: Fortsetzung folgt.
Die Affäre rund um mutmaßliche Korruption im Europäischen Parlament hat alle Zutaten für eine spannende Netflix-Serie: eine smarte, attraktive Hauptverdächtige, Eva Kaili, die am Höhepunkt ihrer steilen Karriere als TV-Ansagerin und Spitzenpolitikerin Vizepräsidentin des EU-Parlaments war. Ein ebenso attraktiver, jüngerer Lebensgefährte, Francesco Giorgi, der im Parlament arbeitet. Ein älterer ehemaliger EU-Abgeordneter, Antonio Panzeri, als Strippenzieher. Und die Familie steckt auch mit drin: Der Vater der griechischen Hauptverdächtigen Eva Kaili sollte wohl auf Weisung seiner Tochter mit Bargeld in einem Rollkoffer flüchten. Und auch Panzinis Ehefrau und Tochter sollen Mitwisserinnen sein und von Italien an die belgische Justiz ausgeliefert werden.
Dazu der Plot: Eine Nichtregierungsorganisation mit dem passenden Namen “Fighting Impunity” (dt.: Kampf der Straflosigkeit) gegründet von Panzeri, soll in Brüssel Lobbyarbeit geleistet haben. Offiziell für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, inoffiziell wohl eher für einen von der belgischen Staatsanwaltschaft nicht näher bezeichneten “Staat am Persischen Golf”. In den Medien wird allgemein von Katar gesprochen, wo gerade die FIFA-Fußballweltmeisterschaft zu Ende ging. Bei mehreren Hausdurchsuchungen haben die belgischen Ermittler, die seit einem Jahr an dem Fall dran sind, insgesamt 1,5 Millionen Euro in bar sichergestellt. Der Vorwurf gegen die EU-Parlamentarier und ihre Mitarbeiter lautet: Korruption, Geldwäsche, Bildung einer kriminellen Vereinigung. Eva Kaili hatte eine auffallend positive Rede zu Katar im Parlament gehalten und sich mit Funktionsträgern des Landes getroffen. Einige Indizien weisen aber auch nach Marokko.
Wer steckt noch mit drin?
Als müsse der Stoff für mehrere Staffeln reichen, zieht der vermeintliche Skandal weitere Kreise. Ein ehemaliger EU-Kommissar aus Griechenland, Dimitris Avramopoulos, stand auf der Gehaltsliste der eventuell zwielichtigen Lobby-NGO. Er hat 60.000 Euro für sein Wirken im – ehrenamtlichen – Aufsichtsrat der Organisation erhalten. Avramopoulos will seine Zusammenarbeit aber schon Anfang des Jahres aufgegeben haben. Ehemalige alte Kommissars-Kollegen in Brüssel habe er nur zu freundschaftlichen Plauderstündchen getroffen, nicht für Lobbyarbeit, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission.
Andere EU-Politikerinnen und -Politiker, die in dem Aufsichtsrat saßen, haben ihre Mitgliedschaft ebenfalls aufgekündigt und wollen nie Geld erhalten haben. Allerdings sind allesamt noch auf der Internetseite von “Fighting Impunity” als Aufsichtsräte gelistet (Stand 22.12.22). Die EU-Kommission teilte mit, die NGO habe keine Fördergelder erhalten und sei auch nicht im Lobby-Register erfasst, weil sie keinen Kontakt zu EU-Kommissaren gesucht habe.
Die Anwälte von Eva Kaili beteuern die Unschuld ihrer Mandantin. Da aber Flucht- oder Verdunklungsgefahr bestehe, entschied der Haftrichter am Donnerstag die Untersuchungshaft für einen Monat zu verlängern. Genaue Angaben macht das Gericht aus ermittlungstaktischen Gründen nicht. Das Argument der Anwälte, die zweijährige Tochter von Eva Kaili brauche gerade jetzt über die Feiertage ihre Mutter, hat das Gericht wenig beeindruckt, obwohl auch der Vater der Kleinen, der Lebensgefährte von Eva Kaili, in Haft bleibt. Nun soll sich die zweijährige Tochter in der Obhut ihres Großvaters, also des angeblichen Geldboten befinden.
Wie in jedem guten Polit-Thriller wurden offenbar auch in Brüssel Informationen durchgesteckt: Zwei Zeitungen zitieren aus vertraulichen Ermittlungsprotokollen. Die Anwälte der Hauptbeschuldigten protestieren. Von Teilgeständnissen ist die Rede: Der Lebensgefährte soll Schuld auf sich genommen und Mitbeschuldigte schwer belastet haben, um seine Partnerin zu entlasten. Die wiederum ließ über ihren Anwalt mitteilen, sie fühle sich von ihrem italienischen Lebensgefährten “hintergangen”. Von großen Mengen Bargeld in ihrer Wohnung und dessen Herkunft habe sie nichts gewusst.
Kaili beteuert Unschuld
Die belgischen Ermittlungsbehörden haben bisher nicht öffentlich gemacht, womit sie den Vorwurf der Korruption genau begründen und wie die Geldwäsche vonstattengegangen sein soll. Katar hat alle Vorwürfe, die Regierung habe europäische Politiker bestochen, zurückgewiesen. Ein ungenannter Diplomat aus dem Golfstaat, der an der Botschaft in Brüssel arbeitet, hat angedeutet, dass sich die belgischen Ermittlungen negativ auf die Gasgeschäfte mit dem reichen Emirat auswirken könnten.
Undichte Stellen und politische Folgen?
Sehr entschlossen, fast hektisch hat das europäische Parlament reagiert. Eva Kaili wurde aus dem Präsidium des Parlaments geworfen. Die sozialistische Fraktion und die griechische Pasok-Partei schlossen sie aus. Die Parlamentspräsidentin, die Malteserin Roberta Metsola, kündigte umfassende Reformen für die Erfassung von Lobbytätigkeiten im Parlament an. Außerdem hat das Parlament die Visa-Liberalisierung für Katarer verschoben sowie alle Kontakte zu Behörden und Politikern in Katar eingefroren, was von diesen wiederum kritisiert wurde.
Einige Staats- und Regierungschefs äußerten beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche Betroffenheit über den Skandal in der EU-Institution. Metsola sprach von “Wut, Kummer und Zorn”, den sie empfinde. “Die Feinde der Demokratie, für die allein die Existenz dieses Parlaments eine Bedrohung darstellt, werden vor nichts Halt machen”, orakelte Metsola am Tag nach der Verhaftung ihrer Stellvertreterin Kaili. Sie sprach außerdem von – Achtung: Netflix-Faktor – “bösartigen Akteuren, die mit autokratischen Drittländern in Verbindung stehen.” Die Sicherheitsdienste der EU würden schon seit einiger Zeit eng mit belgischen Behörden zusammenarbeiten, um das “mutmaßliche kriminelle Netzwerk” zu enttarnen, so die Parlamentspräsidentin.
Verdächtigungen und Vorwürfe gibt es inzwischen auch gegen einen Gewerkschaftsfunktionär, weitere EU-Abgeordnete und zehn Assistenten im Parlament, von denen die meisten Italiener sein sollen. Auch eine zweite Nichtregierungsorganisation, ebenfalls vom beschuldigten Ex-EU-Abgeordneten Panzeri gegründet, gerät ins Visier von Ermittlern und Medien.
EU-Parlament geht in Sack und Asche
Eine wichtige Nebenrolle wäre in einem gut besetzten Drama die des eigensinnigen, aber unbestechlichen Ermittlers. In der Realität ist das wohl der Untersuchungsrichter Michel Claise in Brüssel, der den Fall ins Rollen brachte und sich laut der Zeitung “La Libre” gerne mit den Mächtigen anlegt und dabei auch mal umstrittene Methoden anwende. Eine weitere Nebenrolle fiele dem ewig vergrätzten Schurken zu. In der EU-Affäre riet der ungarische Premierminister Viktor Orban am Donnerstag zur Abschaffung des frei gewählten Europäischen Parlaments, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wieder zu erlangen. Alle Kontrollen hätten versagt, so Orban. Besser als ein freies Parlament sei eine Versammlung aus Vertretern, die von den Parlamenten der 27 Mitgliedsstaaten der EU entsandt würden.
Bis es vor einem belgischen Gericht zu einem Verfahren gegen Kaili und Co. kommt, können noch Monate, wenn nicht Jahre vergehen. Noch ist also viel Zeit für das gute alte Serienmotto: Fortsetzung folgt.