Gibt London den Parthenon-Fries an Griechenland zurück?
Kommt Bewegung in den Rückgabestreit um den antiken Akropolis-Fries? Das British Museum in London bestätigt Gespräche mit Athen. Doch was die einen als legal erworben betrachten, sehen die anderen als gestohlen an.
Ursprünglich zierte der Fries die obere Außenwand des 2500 Jahre alten Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen. Er zeigt viele Figuren und Opfergaben an die Göttin Athene anlässlich einer Prozession zum größten im antiken Athen stattfindenden Fest. Heute befindet sich ein Teil des Frieses im Akropolis-Museum in Athen und ein größerer Teil im British Museum in London. Weitere Teile sind im Besitz französischer, italienischer, österreichischer und deutscher Museen.
In Großbritannien hält man die 56 Teile des Parthenon-Frieses für legal erworben. Griechenland hält dagegen, sie seien gestohlen worden. Der Streit darüber war lange Zeit festgefahren. Nun aber könnte Bewegung in die Sache kommen: So haben Verhandlungen begonnen zwischen dem Chef des British Museum – dem früheren britischen Finanzminister George Osborne – und Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Bei günstigem Ausgang könnten die Londoner Fries-Teile nun – nach bald 200 Jahren – in naher Zukunft nach Athen zurückgehen. Offen ist freilich, unter welchen Bedingungen.
Ursprünglich zierte der Fries die obere Außenwand des 2500 Jahre alten Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen. Er zeigt viele Figuren und Opfergaben an die Göttin Athene anlässlich einer Prozession zum größten im antiken Athen stattfindenden Fest. Heute befindet sich ein Teil des Frieses im Akropolis-Museum in Athen und ein größerer Teil im British Museum in London. Weitere Teile sind im Besitz französischer, italienischer, österreichischer und deutscher Museen.
Die Marmorskulpturen stellen Szenen aus der griechischen Mythologie dar. In Großbritannien tragen sie den Beinamen “Elgin Marbles”, benannt nach Lord Elgin, dem britischen Botschafter im Osmanischen Reich in Konstantinopel. Es war Elgin, der die Figuren Anfang des 19. Jahrhunderts von der Außenseite des Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen schlagen ließ. Im Einvernehmen mit dem Osmanischen Reich, das damals über Griechenland herrschte, wurden sie nach Großbritannien geschafft.
Die “Elgin Marbels” – ein Raub?
Der aktuelle Rückgabestreit ist nicht ohne politische Brisanz. Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel: Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis, der sich 2023 zur Wiederwahl stellt, hat die Rückgabe des Frieses zu einem Teil seiner Wahlkampfstrategie gemacht. Zuletzt sprach der Premierminister bereits von “Fortschritten” und einem “Gefühl der Dynamik”, während das British Museum bisher nicht einmal zugeben wollte, dass überhaupt Gespräche geführt wurden. Das hat sich nunmehr geändert.
Wurden die Marmorskulpturen vom Vereinigten Königreich rechtmäßig erworben? “Diese Frage steht im Mittelpunkt der Restitutionsdebatte”, glaubt Alexander Herman, stellvertretender Direktor des Instituts für Kunst und Recht und Autor des 2021 erschienenen Buches “Restitution: The Return of Cultural Artefacts” (Restitution: Die Rückkehr von Kulturschätzen). “Seit über 200 Jahren steht das Thema in Großbritannien und natürlich auch in Griechenland auf der kulturellen Agenda”, so Herman 2021 gegenüber der Deutschen Welle.
Zwar war Griechenland zu der Zeit, als Lord Elgin die Skulpturen wegschaffte, von der Türkei besetzt. Doch bereits kurz nachdem Griechenland 1832 seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erlangte, kamen Forderungen nach der Rückgabe verschiedener Artefakte auf, weiß Herman.
Ein deutliches Signal im Rückgabestreit Griechenlands mit Großbritannien setzte zuletzt der Vatikan. Ende Dezember beschloss Papst Franziskus, drei Teile des Frieses an den orthodoxen Athener Erzbischof Hieronymos II. zu übergeben. Die Fragmente wurden seit dem 19. Jahrhundert in den Vatikanischen Museen gezeigt. Die Übergabe sei ein “konkretes Zeichen des Wunsches, auf dem ökumenischen Weg weiter voranzuschreiten”, hieß es in der Vatikan-Erklärung. Bei der Rückgabe handele es sich jedoch nicht um einen politischen Akt.
Im Gegensatz zu Großbritannien hat die Restitutionsdebatte in vielen Ländern Europas und selbst in den USA an Fahrt aufgenommen. So muss sich das British Museum dafür kritisieren lassen, dass es sich bisher sämtlichen Rückgabewünschen verweigert. Währenddessen hat Deutschland etwa mit der Rückgabe von Benin-Bronzen an Nigeria begonnen. In Deutschland wie in Frankreich ist die Restitution von Objekten aus kolonialen Zusammenhängen inzwischen ein großes kulturpolitisches Thema. London gerät unter Zugzwang.
Doch selbst wenn das British Museum beschließen sollte, die Fries-Stücke an Griechenland zurückzugeben, müsste zuvor ein nationales Gesetz gekippt werden. Bisher hindert der “British Museum Act” von 1963 das Britische Museum daran, Objekte aus seinen Sammlungen abzugeben, denn er definiert den Museumsbestand als “Nationales Erbe”. Somit könnte das Parthenon-Fries am Ende wohl lediglich als Leihgabe nach Griechenland gelangen. Athen ist das zu wenig.
Ein Sprecher des neuen Premierministers Großbritanniens, Rishi Sunak, erklärte inzwischen, es gebe keine Pläne, das Gesetz zu ändern: “Unsere Position in dieser Frage hat sich nicht geändert”, sagte er im Dezember im Sender Euronews. “Entscheidungen über die Pflege und Verwaltung der Sammlungen fallen in den Zuständigkeitsbereich des Museums und seiner Treuhänder. Die Parthenon-Skulpturen sind rechtlich Eigentum der Treuhänder und operativ unabhängig von der Regierung”, fügte Sunaks Sprecher hinzu.
Selbst wenn sich beide Seiten zunächst auf eine Leihgabe verständigen sollten: Der Streit um die Marmorstatuen dürfte anhalten. Griechenlands Behörden haben angekündigt, so lange kämpfen zu wollen, bis sie das volle Eigentum an den wertvollen Skulpturen bekommen.
“Wir wiederholen noch einmal die feste Position unseres Landes”, sagte der griechische Kulturminister am Donnerstagabend in einer Pressemitteilung. Griechenland werde das “behauptete Eigentum des Britischen Museums an den Parthenon-Skulpturen” nicht anerkennen. Die Skulpturen seien “Produkt eines Diebstahls”. Anfragen der Deutschen Welle um eine Stellungnahme blieben bisher unbeantwortet.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen von Stefan Dege adaptiert.
Ursprünglich zierte der Fries die obere Außenwand des 2500 Jahre alten Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen. Er zeigt viele Figuren und Opfergaben an die Göttin Athene anlässlich einer Prozession zum größten im antiken Athen stattfindenden Fest. Heute befindet sich ein Teil des Frieses im Akropolis-Museum in Athen und ein größerer Teil im British Museum in London. Weitere Teile sind im Besitz französischer, italienischer, österreichischer und deutscher Museen.
In Großbritannien hält man die 56 Teile des Parthenon-Frieses für legal erworben. Griechenland hält dagegen, sie seien gestohlen worden. Der Streit darüber war lange Zeit festgefahren. Nun aber könnte Bewegung in die Sache kommen: So haben Verhandlungen begonnen zwischen dem Chef des British Museum – dem früheren britischen Finanzminister George Osborne – und Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Bei günstigem Ausgang könnten die Londoner Fries-Teile nun – nach bald 200 Jahren – in naher Zukunft nach Athen zurückgehen. Offen ist freilich, unter welchen Bedingungen.
Die “Elgin Marbels” – ein Raub?
Die Marmorskulpturen stellen Szenen aus der griechischen Mythologie dar. In Großbritannien tragen sie den Beinamen “Elgin Marbles”, benannt nach Lord Elgin, dem britischen Botschafter im Osmanischen Reich in Konstantinopel. Es war Elgin, der die Figuren Anfang des 19. Jahrhunderts von der Außenseite des Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen schlagen ließ. Im Einvernehmen mit dem Osmanischen Reich, das damals über Griechenland herrschte, wurden sie nach Großbritannien geschafft.
Der aktuelle Rückgabestreit ist nicht ohne politische Brisanz. Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel: Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis, der sich 2023 zur Wiederwahl stellt, hat die Rückgabe des Frieses zu einem Teil seiner Wahlkampfstrategie gemacht. Zuletzt sprach der Premierminister bereits von “Fortschritten” und einem “Gefühl der Dynamik”, während das British Museum bisher nicht einmal zugeben wollte, dass überhaupt Gespräche geführt wurden. Das hat sich nunmehr geändert.
Wurden die Marmorskulpturen vom Vereinigten Königreich rechtmäßig erworben? “Diese Frage steht im Mittelpunkt der Restitutionsdebatte”, glaubt Alexander Herman, stellvertretender Direktor des Instituts für Kunst und Recht und Autor des 2021 erschienenen Buches “Restitution: The Return of Cultural Artefacts” (Restitution: Die Rückkehr von Kulturschätzen). “Seit über 200 Jahren steht das Thema in Großbritannien und natürlich auch in Griechenland auf der kulturellen Agenda”, so Herman 2021 gegenüber der Deutschen Welle.
Zwar war Griechenland zu der Zeit, als Lord Elgin die Skulpturen wegschaffte, von der Türkei besetzt. Doch bereits kurz nachdem Griechenland 1832 seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erlangte, kamen Forderungen nach der Rückgabe verschiedener Artefakte auf, weiß Herman.
Kulturpolitisches Thema seit über 200 Jahren
Ein deutliches Signal im Rückgabestreit Griechenlands mit Großbritannien setzte zuletzt der Vatikan. Ende Dezember beschloss Papst Franziskus, drei Teile des Frieses an den orthodoxen Athener Erzbischof Hieronymos II. zu übergeben. Die Fragmente wurden seit dem 19. Jahrhundert in den Vatikanischen Museen gezeigt. Die Übergabe sei ein “konkretes Zeichen des Wunsches, auf dem ökumenischen Weg weiter voranzuschreiten”, hieß es in der Vatikan-Erklärung. Bei der Rückgabe handele es sich jedoch nicht um einen politischen Akt.
Rechtliche Hindernisse für die Rückgabe?
Im Gegensatz zu Großbritannien hat die Restitutionsdebatte in vielen Ländern Europas und selbst in den USA an Fahrt aufgenommen. So muss sich das British Museum dafür kritisieren lassen, dass es sich bisher sämtlichen Rückgabewünschen verweigert. Währenddessen hat Deutschland etwa mit der Rückgabe von Benin-Bronzen an Nigeria begonnen. In Deutschland wie in Frankreich ist die Restitution von Objekten aus kolonialen Zusammenhängen inzwischen ein großes kulturpolitisches Thema. London gerät unter Zugzwang.
Doch selbst wenn das British Museum beschließen sollte, die Fries-Stücke an Griechenland zurückzugeben, müsste zuvor ein nationales Gesetz gekippt werden. Bisher hindert der “British Museum Act” von 1963 das Britische Museum daran, Objekte aus seinen Sammlungen abzugeben, denn er definiert den Museumsbestand als “Nationales Erbe”. Somit könnte das Parthenon-Fries am Ende wohl lediglich als Leihgabe nach Griechenland gelangen. Athen ist das zu wenig.
Ein Sprecher des neuen Premierministers Großbritanniens, Rishi Sunak, erklärte inzwischen, es gebe keine Pläne, das Gesetz zu ändern: “Unsere Position in dieser Frage hat sich nicht geändert”, sagte er im Dezember im Sender Euronews. “Entscheidungen über die Pflege und Verwaltung der Sammlungen fallen in den Zuständigkeitsbereich des Museums und seiner Treuhänder. Die Parthenon-Skulpturen sind rechtlich Eigentum der Treuhänder und operativ unabhängig von der Regierung”, fügte Sunaks Sprecher hinzu.
Kein Ende des Rückgabestreits in Sicht
Selbst wenn sich beide Seiten zunächst auf eine Leihgabe verständigen sollten: Der Streit um die Marmorstatuen dürfte anhalten. Griechenlands Behörden haben angekündigt, so lange kämpfen zu wollen, bis sie das volle Eigentum an den wertvollen Skulpturen bekommen.
“Wir wiederholen noch einmal die feste Position unseres Landes”, sagte der griechische Kulturminister am Donnerstagabend in einer Pressemitteilung. Griechenland werde das “behauptete Eigentum des Britischen Museums an den Parthenon-Skulpturen” nicht anerkennen. Die Skulpturen seien “Produkt eines Diebstahls”. Anfragen der Deutschen Welle um eine Stellungnahme blieben bisher unbeantwortet.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen von Stefan Dege adaptiert.